Das Zimmer war leer und kalt.
Ein Fenster stand offen, ließ den Wind durch die in Dunkelheit gehüllten Vorhänge fahren und blähte sie ins Innere des Raumes auf. In einer Ecke des Zimmers murmelten die leisen Stimmen eines Radios mit den Böen um die Wette und mischten sich in den Chor des leichten Regens, der vor der Fensterbank auf das menschenleere Pflaster prasselte. Die Leuchten in den Straßenlaternen waren bereits entzündet worden und warfen ihr fahles Licht auf die edlen Eichendielen.
Ein Donnern läutete den nächsten Blitzschlag ein, der wenige Momente später folgte und den Raum in bleiches Flackern tunkte.
Die Haushälterin klopfte zaghaft und lugte durch den schmalen Spalt der offenstehenden Tür. Eigentlich hatte sie bereits geschlafen, doch die junge Haushälterin hatte es aus dem Bett gerissen, sobald das Grollen des Unwetters ertönte. Dem kalten Luftzug zu schließen auch korrekt: Das Fenster im Arbeitszimmer war offengeblieben.
„Mr Beckam? Sind Sie noch wach?" Eine Antwort blieb aus. Die Haushälterin stoppte. Es schien gerade genug Licht durch das geöffnete Fenster, dass ein Streifen Helligkeit auf den Teppich des Zimmers geworfen wurde. In einer Ecke rauschten und knackten die Stimme des Radios. Also schlief er schon, dachte sie sich. Seltsam, dass er das Radio nicht abgestellt hatte. Der Singsang der Sprechstimme war abgehackt und unterbrochen.
„...mehrere Verletzte...während der letzten Wochen...ernste Handlungen betreffend..."
Sie wagte es, die Tür weiter aufzuschieben und sich im Halbdunklen an das Radio auf der Kommode heranzutasten. Die Dielen knarzten dabei zu ihren Füßen.
„...nun fragen sich viele Mitglieder der....wie geht es weiter? In den letzten drei Tagen wurde nach den Tätern hinter... gefahndet...das DPD geht derzeit noch von...aus..."
Ein Rauschen und Knacken zerrissen die Stimme des Senders für einige Momente. Mit einem Gurgeln kämpfte sich das Empfangssignal wieder zurück in den Lautsprecher. Ein weiteres Donnern leitete grelles Blitzlicht in das Zimmer.
Eigentlich war die Haushälterin gekommen, um das Fenster in Mr Beckams Arbeitszimmer zu schließen. Gewöhnlich schlief dieser um diese Zeit schon. Heute war dem wahrscheinlich nicht anders.
„...keine Angst...ein Verdächtiger wurde allerdings gefasst, ...noch gibt dazu keine Pressegespräche..."
Erneut zuckte ein Blitz auf und warf gleißende Schlieren an die dem Fenster gegenüberliegende Wand bis in den Flur hinaus. Die Haushälterin stutzte auf ihrem Weg zu dem sperrangelweit geöffneten Fenster.
Der Schreibtisch war nicht leer. Ein zusammengesunkener Mann lag dort. Er hatte seinen Kopf auf die Unterarme gelegt, eine seiner Hände ruhte noch auf dem Kugelschreiber. Es wirkte so, als wäre er aus purer Erschöpfung einfach eingenickt. Nur das Leuchten des Unwetters tanzte noch auf dem gekrümmten Buckel des Schlafenden.
„Unsere Berichterstattung neigt sich...für heute dem Ende zu. Bedauerlicherweise – doch morgens, pünktlich um sieben Uhr...wieder für Sie da..."
Der Schreibtisch war nass. Das Papier auch. Die Lache reichte bis auf den Pelzteppich an seinem Fuße und drang dort dunkel in die kostbaren Fasern ein.
Nur war das kein Regen. Weder schlief der Mann am Schreibtisch, musste sie mit Entsetzen feststellen. Das Briefpapier unter seinem vorgelehnten Torso färbte sich mit Karmesin.
„Halten Sie die Augen und Ohren offen und bleiben sie wachsam...liebe Zuhörer..."
Zitternd vor Erkenntnis taumelte die Haushälterin zurück, die bleichen Finger in den Stoff ihres Nachtgewandes gekrallt. Ein plötzlicher Schwall von Luft und dem Geruch von Regen und Eisen holte sie ein, hielt sie fest. Sie hatte den Fremden im Schatten des Türrahmens nicht bemerkt. Hätte es wahrscheinlich weiterhin nicht, wenn nicht das Unwetter den Windstoß und das helle Leuchten eines Blitzschlags in die vertrauten Räume des Anwesens getragen hätte. Es schimmerte auf glatt geschliffenem Stahl und rotem Nass.
Ihr Körper sank schwer und doch beinahe lautlos zu Boden. Unter ihrem erkaltenden Fleisch saugten sich die Teppichfasern mit Rot.
„Wir freuen uns, Sie morgen erneut begrüßen zu dürfen! Bis dahin endet diese Show für heute. Auf Wiederhören."
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