Heilende Hände
Nach dem ernsthaften Teil des Badens und der Gewissheit, dass Seife im Auge brennt, liege ich nun bäuchlings im Wasser. Die Flügel zwar ein wenig ausgebreitet, aber nur so, dass sie noch im Wasser sind. Mein Kinn liegt auf dem Badewannenrand. Meine Augen sind geschlossen. Ich genieße die Restwärme des Wassers. Das Blut ist weggewaschen. Ich bin entspannt. Eigentlich könnte ich hier und jetzt gleich einschlafen. Aber ich glaube, dass mich dahingehend Hannah aufhalten würde, die ruhig dasteht und auf den Boden sieht. Um ihr Auge tut es mir wirklich leid. Ich setze mich auf. Das Wasser schwappt ein wenig herum und ich sehe die Dämonin an. "Komm her, Hannah." Sanft hole ich sie zu mir und sie nickt. Sieht mir nur in die Augen. Dass ich nackt bin, macht mir nichts aus.
Ich deute ihr an, sich bitte hinzuknien. Auch das tut sie. Langsam hebe ich meine Hand und streiche über ihren Verband. "Kannst du ihn bitte abmachen?", frage ich vorsichtig und sie sieht mich unsicher an. "Wollt Ihr dies wirklich, Miss Alexandra?" Seufzend lächle ich. "Ich habe dir schon gesagt, dass Alexandra völlig ausreicht. Und wenn ich dich duze, solltest du das gleiche bei mir tun." Sie nickt und nimmt auch den Verband ab. Diesen hält sie fest, während ich sie ansehe. Eine leere Augenhöhle. "Wer hat dir das angetan. Freiwillig verliert ein Dämon kein Körperteil. Und vor allem kein essenzielles, wie das Auge." Sie schluckt und sieht auf die Seite. "Es war Alois, nicht wahr?" Ein kurzes nicken. Dieser kleine... Für einen Moment schließe ich meine Augen und hebe meine Hand. "Beweg dich nicht. Es könnte ein wenig jucken, aber lass mich das kurz machen, ja? Das bin ich dir schuldig."
Ihr Blick ist verwirrt und ich lege meine Hand auf die Höhle, die das wahrscheinliche Herausstechen verursacht hat. Ich atme tief ein und wieder aus. Stelle mir alles wieder bildlich vor. Etwas zu erschaffen, was einst da war, bedeutet einen enormen Energieverlust für mich. Und wahrscheinlich kann ich mich dann gerade noch in das Bett schleppen und das wars. Aber das ist es mir wert. Ich merke, wie langsam aber sicher alles müde wird. Jeder Muskel in meinem Körper. Meine Augenlider klappen zu. "Mi- Alexandra. Bitte. Er wird es wieder-" "NICHTS wird er...", zische ich und werde leicht wütend. "Nicht, wenn ich mit ihm rede." Hannah ist wieder still und lässt alles über sich ergehen. Stumm. Sie bewegt nicht einen Muskel. Meine Hand beginnt zu zittern. Mein gesamter Arm. Mein Körper. Mein Atem geht schneller. Aber noch bin ich nicht fertig. "Bitte. Überanstreng dich nicht." Ein leichtes Lächeln huscht über meine Lippen. "Keine Sorge. Das werde ich nicht."
Ich weiß nicht, wie lange das jetzt gedauert hat. Aber als ich fertig bin, lasse ich einfach nur meinen Arm nach unten fallen und lächle sie erschöpft an. "Und? Wie ist es?", frage ich leise und Hannah blinzelt vorsichtig mit ihrem normalen Auge, ehe sie langsam das zweite öffnet. Ihre Mundwinkel gehen hoch. Ihre Augen werden groß. Sie legt sich eine Hand auf ihren Mund. "Vielen Dank...", haucht sie und ich nicke. "Und wenn Alois was dagegen sagt, dann sage ICH was, verstanden? Komm zu mir, falls es so sein sollte. Und verlier es nicht noch einmal. Das war nicht ganz einfach." Ich gähne und sehe vom Badewannenrand zu ihr hoch. "Und wer trägt mich jetzt ins Bett?", frage ich und lache leise. Sofort ist Hannah besorgt. "Ich habe doch gesagt, dass du dich nicht überanstrengen sollst!", meint sie und steht auf, ehe sie mit einem Handtuch wiederkommt. "Keine Sorge. Ich kann dich tragen. Deine Kleidung liegt höchst wahrscheinlich in deinem Zimmer."
Auch, wenn ich es gerade noch so schaffe zu stehen ist es komisch, sich beim Abtrocknen helfen zu lassen. "Gibt es eine besondere Methode für die Flügel?", fragt sie und ich schüttle den Kopf. "Am besten schützt du dich kurz mit dem Handtuch.", gebe ich von mir und sie hält es vor sich, während ich die Flügel schüttle, wie es ein nasser Hund bei seinem Fell tun würde. Jetzt geht es wieder einigermaßen und auch Hannah kommt hinter dem Handtuch wieder hervor, ehe sie mir weiterhin hilft. Das Schütteln hat mich etwas schwindlig werden lassen und ich bin froh, als sie mir das Handtuch um den Körper bindet und mich vorsichtig hochhebt. Was für ein Luxus getragen zu werden. Das muss ich wirklich zugeben. Sie bringt mich in mein Zimmer und legt mich vorsichtig auf das Bett, auf welchem wirklich schon die Kleidung liegt, die Claude mir gemacht hat. Hannah bedankt und verabschiedet sich, sodass ich in Ruhe schlafen kann.
Völlig ausgelaugt lege ich mich richtig in das Bett, ziehe die Decke bis zu meinen Brüsten, wickle mich aus dem Handtuch, schmeiße dieses auf die Seite und sehe an die Decke. Gähnend, lege ich einen Arm unter meinen Kopf. Erzengel... Ich habe heute zum ersten Mal wirklich getötet, was? Dämonen zählen nicht so wirklich für mich. Eine Bewegung im Halbdunkeln ist zu sehen. Durch das Fenster strahlt der Mond, der das Zimmer ausleuchtet. Ich setze mich langsam auf und hebe meine Hand. Halte einen Finger hoch und biete der Spinne an, auf diese zu krabbeln. Sie wirkt vertraut. Aber ich kann nicht sagen, woher. Das Tier scheint zu zögern, aber ich habe Geduld. "Du bist ein Tier, welches so oft missverstanden wird...", flüstere ich und lächle. "Du machst so schöne Netze. Du hältst Mücken und Fliegen damit ab. So nützlich. So schön. Und doch so gehasst." Ich spüre die Beine auf mir krabbeln, als sie auf meine Hand geht und ich diese zu mir auf Augenhöhe senke.
"Manche deiner Art können tödlich sein. Aber das ist der Großteil nicht." Die Spinne erinnert mich an eine dieser exotischen Taranteln. Zumindest von der Größe her. Keine große Tarantel. Aber sie bedeckt meinen ganzen Handrücken. Ich bringe das Tier dazu, auf meine linke Hand zu gehen und fahre vorsichtig mit meinem Zeigefinger über den Körper. Ich sehe die Beißwerkzeuge. Die vielen Augen. Dann setzt sich die Spinne von selbst in Bewegung und krabbelt über meinen Unterarm und dann den Oberarm entlang, bis zu meiner Schulter. Fasziniert beobachte ich sie. Wie sie jeden einzelnen der acht Beine so mühelos koordinieren kann. Das leichte tippen auf der Haut, wenn die kleinen Beinchen aufkommen. Ich lache kurz, ehe ich mich vorsichtig hinlege. "Wenigstens schlafe ich heute nicht allein. Komm her, süße." Vorsichtig nehme ich die Spinne, lege mich auf die Seite, ziehe die Bettdecke hoch und drehe mich dann auf den Bauch. Die Flügel gemütlich ausgebreitet. Die Spinne sitzt stumm neben meinem Kopf auf der Matratze, ehe ich lächle und meine Augen schließe. Tiere sind schon etwas Besonderes.
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