Gute und schlechte Neuigkeiten
Gut. Die Heilung, das fehlende Essen, die Aufregung, der Stress und auch ein wenig das mit Isabelle haben ihre Spuren hinterlassen. Und dazu noch das Tragen einer zweiten, nicht so wirklich ganz leichten Person, reicht mir völlig aus. Immer weiter sinken wir auf den Boden und irgendwann geht es einfach nicht mehr. Außer Atem und mit vor Anstrengung zitternden Armen, bleibe ich stehen, setze Claude sanft ab und lasse mich selbst einfach nur noch auf den Boden fallen, wenn er mich nicht aufgefangen hätte. "Tut mir leid... ich kann nicht mehr..." Der schwarzhaarige nickt und hebt mich einfach hoch. "Ich sollte mich wohl wieder bedanken. Eine Flugstunde hatte ich noch nicht so wirklich." Erschöpft, schnaube ich kurz, ehe ich mich an ihn lehne und die letzte Kraft nutze, die Flügel verschwinden zu lassen. Sonst steigt er noch drauf. "Das können wir wiederholen..., wenn ich wieder... genug Kraft habe."
Im Moment will ich einfach nur Ruhe. Bekomme ich die eigentlich, wenn Alois da ist? Ist es so, wenn man ein Kind hat? Fragen über Fragen, die sich jetzt auch in meinem Kopf ausbreiten. "Vor was sind wir eigentlich geflohen. Ich habe zugegebenermaßen nur deinen Blick gesehen." Erschöpft, aber dennoch irgendwie komplett perplex, sehe ich zu ihm hoch. "Vor einem... Erzengel!" Seine Augen werden für einen Augenblick groß, ehe er nickt und selbst Geschwindigkeit aufnimmt. Es braucht die ein oder andere Sekunde, bis ich es verstehe. "Du konntest... ihn nicht sehen?" Noch brauche ich Luft und bin nicht ganz vollständig da. Aber das wird sich schon bald wieder regeln. Die Stille, die nun herrscht, ist Zustimmung genug. Können nur Engel und Gefallene die Erzengel sehen? Das wäre mehr als nur problematisch, wenn es stimmen sollte. Die anderen Dämonen sind mir an sich egal. Aber Claude und Sebastian sind diejenigen, die am meisten in der Stadt unterwegs sind. Und sie können ihn offensichtlich nicht sehen!
Ich lege eine Hand auf seine Brust und schlucke, ehe ich ihm in die Augen sehe. "Geh nicht ohne mich in die Stadt." Mein Atem hat sich einigermaßen reguliert. Zwar hebt und senkt sich mein Brustkorb schneller als sonst und mein Herz rast, aber es geht wieder. "Versprich es mir. Du gehst. Nicht. Ohne. MICH. In die Stadt." Claude zieht nur eine Augenbraue hoch. "Versprechen kann und werde ich nichts, Alexandra." Mein Gesicht verzieht sich ein wenig und ich bin entschlossener denn je, etwas durchzuziehen. Ich will ihn beschützen! Meine Finger krallen sich in seine Kleidung. Mein Blick wird bohrend. Meine Stimme ist leise und warnend. "Claude. Hör auf mich. Mit einem Erzengel ist nicht zu spaßen! Du siehst ihn nicht! Ich schon. Wenn du denkst, dass du in deiner wahren Gestalt etwas gegen ihn anrichten kannst, hast du dich geschnitten! Erzengel können nur mit himmlischen Waffen getötet werden. Du kannst ihm vielleicht einen Kratzer geben. Aber das wars! Und Erzengel können Teufel einfach so töten. Ich will nicht, dass du stirbst! Also nimm mich mit. Egal bei was. Zumindest, wenn es um die Stadt geht. Ich weiß nicht, wie lange der Erzengel da sein wird. Aber wahrscheinlich schon einige Zeit. Wenn ein Engel von einem Gefallenen getötet wird, werden automatisch die Erzengel gerufen."
Diese Nachricht scheint ihm nicht wirklich zu gefallen. Aber ich bekomme keine Antwort. Seufzend lasse ich ihn los. "Und ich werde nochmal weg sein, wenn ich wieder einigermaßen kann. Sebastian muss gewarnt werden." Meine Augen gehen zu seinen Händen, die mich tragen. Und auch, die für einen kurzen Augenblick ihren Griff verstärkt haben, ehe sie mich wieder normal halten. Langsam sehe ich zu ihm hoch. "Sebastian ist mein Lehrer. Er hat mir schon vor dem Fall einiges beigebracht und tut es jetzt immer noch. Zumindest bringt er mir die Sachen theoretisch bei und beantwortet Fragen. Also werde ich ihn warnen!" Ein kurzer drohender Blick. "Und du wirst mich nicht davon abhalten." Claude wiederum ist wieder so emotionslos wie immer. "Es steht mir nicht zu, jemanden von irgendetwas abzuhalten." Zufrieden lächle ich ihn an, als wäre nichts passiert und entspanne mich wieder.
Am Anwesen angekommen, bringt er mich unverzüglich zu Alois und lässt mich kurz vor der Balkontür runter, wendet und geht wieder. Ein wenig unsicher sehe ich ihm hinterher. Ist es vielleicht nicht nur mir ein wenig viel geworden? Oder vielleicht wechselt er die Kleidung. Denn er hat ein ziemliches Loch an seiner Brust. Dort, wo der Speer durch ist. Schulterzuckend trete ich aus der Tür und Alois dreht sich zu mir um. Will was sagen, schließt dann aber den Mund und besieht sich meine Gestalt. "Warst du beim Schlachter?" Stirnrunzelnd sehe ich an mir runter. Oh... Claudes Blut. Wird dann wahrscheinlich auch in meinem Gesicht sein. "Ich habe gute Nachrichten! Und ich habe schlechte Nachrichten. Welche willst du zuerst hören?" Der blondhaarige Junge ist für einen Moment überfordert, ehe er sich wieder hinsetzt. "Die schlechte." Ich nicke. "Wir haben jetzt einen Erzengel in der Stadt, den normale Dämonen anscheinend nicht sehen können. Aber der Erzengel bringt Teufel auch einfach so in ihrer wahren Gestalt um." Alois runzelt die Stirn. "Es gibt schon einen Engel in der Stadt.", erwidert er und ich hebe einen Finger. "Und jetzt zu den guten Neuigkeiten!"
Nein... erfreut ist er jetzt auch nicht wirklich. Und mit keinem Wort erwähne ich, dass das Claudes Blut ist. Das muss niemand wissen. Und da ich kein Engel Gottes mehr bin, verschwinden die Flecken auf dem Hemd jetzt auch nicht wirklich, weswegen ich ein komplett neues brauche. Aber in meiner Größe hat man hier nichts da. Zwar habe ich ungefähr die gleiche Größe wie Hannah, aber sie hat einfach größere Brüste, weswegen dass auch nicht passt. Und einfach so in die Stadt gehen ist jetzt auch nicht mehr drin. Alois hat nicht einen einzigen menschlichen Bediensteten, den der Erzengel nicht angreifen würde. Als Claude wieder auftaucht, hat er sich tatsächlich umgezogen. Gut so. Dieser schlägt vor, dass er sich um die Kleidung kümmern könne. Er müsse nur Maße nehmen. Und ich solle mir schon einmal überlegen, was ich anziehen möchte. Der Vorschlag von Alois, wie eine richtige Frau eben auch ein Kleid zu tragen, wird von mir gleich verneint und nicht einmal als Option behalten. Ich habe gesehen, wie unpraktisch Kleider sind. Und wenn ich kämpfen muss, möchte ich nicht unbedingt in einem stecken.
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