Schnell, schneller, Engel
Das Treffen ist relativ schnell vorbei. Alles wurde besprochen und keine Fragen waren mehr übrig. Zumindest in der Zeit nicht, in der wir geredet haben. Gemeinsam bringen wir die Herrschaften noch zur Eingangstüre des Anwesens, vor der die Kutsche des Earls schon wartet. Ich bin froh, dass sich Alois einigermaßen zurückhalten konnte, was zumindest Ciel angeht und lege ihm eine Hand auf die Schulter. Nicke lächelnd zu ihm hinunter und winke dann Sebastian und dem Earl zu, als sie vom Grundstück fahren. "Ich kann es nicht fassen, dass ich auf dich gehört habe.", brummt der blondhaarige und sieht kalt zu mir hoch. "Und ich kann es nicht fassen, dass du es wirklich getan hast, Alois. Aber wie auch immer. Ich habe dir einen Flug versprochen. Lust?" Das strahlende Himmelblau ist nichts gegen die strahlenden Augen des kleinen Jungen neben mir.
Da wir nicht allzu lang unterwegs sind und eigentlich nur in diesem Bereich bleiben, lässt Claude es zu und ich hebe den kleinen einfach hoch. Besorgt und vorwurfsvoll sehe ich zu ihm runter. "Du musst WIRKLICH genug essen!" Gemütlich gehe ich zu einer etwas freieren Stelle. Mir persönlich ist es egal, von wo aus ich starte. Aber Alois würde wahrscheinlich gern mehr sehen. "Bitte beweg dich nicht zu viel. Ich hatte einmal jemanden, den habe ich nur knapp retten können. Tu mir das nicht an, okay?" Keine Antwort. Nur erwartungsvolle Blicke. "Komm! Los! Ich will da hoch!", ruft er und ich schüttle nur amüsiert den Kopf. "Willst du es schnell, oder gemütlich?" Seine Augen werden schmal. "Mach. Es. Schnell." Sein Grinsen ist noch überheblich. Aber das werde ich ihm schon noch austreiben. "Aber mecker nicht, wenn es zu schnell wird, klar?" Oh, das wird ein spaß. Das wird ein riesengroßer Spaß!
Ich starte langsam vom Boden und gehe auch langsam in die Höhe. "Was soll das? Ich sagte schnell!" Mein Blick trifft seinen. "Es wird schnell. Vertrau mir." Zum zweiten Mal an diesem Tag steige ich hoch. Höher, immer höher. Lasse Alois alles von oben betrachten und halte ihn sicher in meinen Armen. "Ich wäre dafür, dass du dich festhältst und darüber nachdenkst, nicht vielleicht doch zu beten.", murmle ich höchst amüsiert und bevor er etwas antworten kann, lasse ich mich wieder fallen. Wieder mit dem Rücken in Richtung Erde. Die Flügel schlackern nutzlos in der Luft und ich schließe meine Augen. Genieße dieses leichte Kribbeln im Bauch welches man bekommt, wenn man nach unten fällt. "Das ist doch nicht schnell!", ruft Alois und ich mache meine Augen auf. Meine Mundwinkel gehen nach oben. "Nein... das ist noch lange nicht schnell. Ich will langsam mit dir anfangen.", erwidere ich ruhig, drehe mich richtig rum und breite die Flügel aus, um eine Kurve nach links, am Anwesen vorbei zu beschreiben. "Langsam? Ich will alles jetzt und sofort!"
Perplex sehe ich ihn an. Die blonden Haare wirbeln durch den Wind. Dann nicke ich und schmunzle. "Wenn du meinst, gehen wir gleich auf voll." Ich sehe nach vorn. Scheiße, BAUM! Sofort lege ich die Flügel an und drehe mich. Äste zerbrechen. Ich spüre den Schmerz an meinen Flügeln. Alois halte ich fest an mich gedrückt und schütze ihn mit allem, was ich habe. So schnell, wie er aufgetaucht ist, so schnell ist das Hindernis hinter uns und ich strecke die Flügel. Nichts gebrochen. Vielleicht aufgeschürft! Aber sonst passt alles. Erleichtert sehe ich auf Alois hinunter und ziehe aus seinem Haar einen kleinen Zweig, ehe ich mit kräftigen Flügelschlägen nach oben starte. Und zwar so hoch es nur geht. Mir egal, dass die Luft dünn wird. Ich achte nur darauf, dass Alois nichts geschieht und dass er mir nicht ohnmächtig wird. Die Sonne ist erneut verdammt heiß und ich sehe zu ihm hinunter. "Du kannst deine Augen offenhalten. Ich werde eine Art Luftschild vor deinen Augen kreieren, damit du alles genauestens sehen kannst." Und mit diesen Worten drehe ich mich in Richtung Erde. Lasse die Luftschilder erscheinen. Alles ist winzig klein. Die Aussicht ist der Wahnsinn. Man sieht ganz leicht, wie die Erde abgerundet ist. Und schon geht es mit angelegten Flügeln nach unten.
Zuerst ist Alois noch entspannt. Aber mit zunehmender Geschwindigkeit wird er unruhiger und fängt an, sich an mir fest zu klammern. "Was... Angst?", frage ich laut, da man durch den Wind sonst nichts hört. Doch er schüttelt nur den Kopf. Auch, wenn seine Hände in meine Unterarme greifen. Versucht er, an meinen Knochen heran zu kommen? Vielleicht sollte der Wachhund der Königin seinen Namen wechseln, damit Alois ihn bekommt. Langsam aber sicher wird das Anwesen sichtbar und ich schmunzle, als Alois sich an mich drückt. Aber es ist noch lange nicht Zeit, den Flug abzufangen. Nein, nein. Er wollte voll, also bekommt er auch voll. Und ich habe sogar eine Idee, wie ich ihm das noch ein wenig interessanter gestalten könnte! Hoffentlich funktioniert es. Ansonsten rasen wir ungebremst in das Gebäude rein. Ich werde ernst. Konzentriere mich.
"A-Alexandra? Solltest du nicht mal... langsamer werden?", ruft Alois mit leichter Panik in der Stimme, als ich nicht einmal Anstalten mache, abzubremsen. "Ich dachte, du willst es schnell haben? Und zwar jetzt und sofort?", frage ich laut und starre auf einen Punkt direkt unter uns. Menschen werden nun sichtbar und Claude scheint uns beobachtet zu haben. Er sieht zu uns hoch. Winkt ab. Doch stattdessen lächle ich. "Ja! Aber nicht, wenn es uns umbringt!" Lachend drücke ich den blondhaarigen Jungen an mich. "Ich werde niemanden umbringen, wenn ich es nicht will!" Und das ist mein voller Ernst. Ich hätte Zedekiel auch nicht umgebracht. Warum sollte ich, wenn ich theoretisch das Vertrauen eines Erzengels bekomme? Nein. So eine Chance lasse ich mir nicht entgehen. Einen Erzengel als theoretischen Verbündeten. Ich hätte auf jeden Fall keine Probleme mehr.
Aber zurück zum Thema. Nun wird Claudes Gesichtsausdruck sichtbar und er wirkt alles andere als begeistert. Sorge. Unverständnis. Doch ich kann nicht lange zu ihm sehen. Nein. Ich starre auf das Dach des Anwesens, dessen Schindeln man nun einzeln zählen könnte. Konzentriere dich, Alex. Konzentriere dich. "ALEXANDRA!", brüllt der kleine Earl Trancy und presst sich an mich. Ich halte ihn noch fester. Stelle mir den Ort vor, zu dem ich will. Dann erscheint es. Die offene Tür. Alois wirkt verwirrt. "Seit wann ist da eine Tür?", ruft er fragend. Komplett vergessend, dass er eigentlich Panik haben sollte. Die jetzt leicht auf mich übergeht! Ich weiß nämlich nicht, ob ich da jetzt einfach so mit Alois im Arm durchpasse! Ouh, scheiße...! Zum Abbremsen ist es jetzt wirklich schon zu spät. Diese Geschwindigkeit kann nicht einmal ich mehr in ein anderes Flugmanöver umwandeln, ohne in das Haus zu krachen. Also mal sehen, ob wir das schaffen!
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