Rot, wie Blut
Dunkelheit. Flüsternde Stimmen. "Du kannst nicht." "Du wirst nicht!" "Du sollst nicht." Das kann ich ausmachen. Mein Atem geht ruhig. Ich liege immer noch auf dem Boden. Zedekiel ist weg. Die Arena ist weg. Der Sand ist weg. Nur Dunkelheit umhüllt mich. Ich kann mich nicht bewegen. Meine Augen werden groß, als sich ein weißlich durchscheinendes Gesicht zeigt. Nein. Es ist eine Maske. Weiße Augen starren mich an. "Du kannst nicht, du wirst nicht und du sollst nicht.", wiederholt die Gestalt. Klar, als würde sie keine Maske tragen. Die Stimme ist zart. Weiblich. "Sei, wer du wirklich bist. Zeig es ihnen. Du bist kein Engel Gottes. Du bist kein gefallener Engel." Ich kann nicht reden, sonst würde ich fragen, WAS ich dann bitte sein soll! Aber so schnell, wie alles aufgetaucht ist, ist alles wieder verschwunden.
Ich höre alles. Meine Sicht klärt sich auf. Zedekiel und die Arena sind erneut zu sehen. "DIE GEFALLENE IST VERNICHTET!", brüllt er. Das Schwert immer noch in meiner Brust. Er achtet schon gar nicht mehr auf mich. Ich blinzle. Schlucke. Der Erzengel sieht nach oben, auf das Glasfenster. Testweise bewege ich meine Finger. Meine Zehen. Sie funktionieren. Wie sieht es mit den Armen aus? Beine sind auch voll funktionsfähig. Ich schnaube laut und lächle. "Deki?" Vollkommen perplex sieht er auf mich hinunter. "Totgeglaubte leben länger." Ich richte meinen Oberkörper ein wenig auf. Zedekiel schnappt sich sofort den Griff des Schwertes und drückt die Klinge noch weiter rein. "Stirb! Stirb einfach!" Seine Augen voller Panik. "Warum lebst du noch? Unsterblichkeit sollte aberkannt werden!" Langsam und ein wenig umständlich, stehe ich auf und sehe zu ihm hoch. "Unterschätz mich einfach nicht!", zische ich und gehe noch weiter in das Schwert hinein, bis der Griff direkt an meiner Brust ist. "Ich hasse dich." Ich schüttle den Kopf, hole mit meiner rechten Hand aus und verpasse ihm eine mit meiner Faust.
Der Erzengel wankt nach hinten. Unsicher, was jetzt passiert. Ich hingegen ziehe das Schwert langsam aus mir raus. Natürlich tut es weh! Aber meine Wut ist groß genug, sodass es in Ordnung ist. Als der Griff zu weit weg ist, greife ich einfach in die Schneide und ziehe weiter, bis es komplett raus ist. Blutbeschmiert. Das Mal auf dem linken Oberarm strahlt. Es pulsiert. Ich zittere. Blut, dass vorher nur durch die Schnitte meine Kleidung besudelt hat, läuft nun aus dem Loch aus meiner Brust. Klirrend kommt das Schwert auf dem Boden auf und ich hebe mein Kinn. "Hast du wirklich gedacht, dass du mich so einfach umbringst?", frage ich und sehe zu ihm. Zedekiel hat sich wieder gefangen und hält sich sein Kinn. Starrt auf mich und dann auf den Boden. "Stelle dich niemals gegen mich, wenn du nicht weißt, auf was du dich einlässt." Ich merke das Fließen des Blutes kaum. Mein gesamter Körper brennt wie Feuer. Und dennoch konzentriere ich mich auf Zedekiel.
"Und auf das Thema von vorhin zurück zu kommen..." Ich hole tief Luft. "ICH HOFFE ALLE ERZENGEL KÖNNEN MICH HÖREN!", brülle ich und wende mich wieder dem zu, der mich eigentlich umgebracht hat. "Dämonen sind nicht das, was wir glauben. Sie sind wie jedes andere Wesen. Wenn du sie angreifst, schlagen sie zurück. Nur weil sie nicht da oben sind, sind sie böse?" Amüsiert schnaube ich. "Ich habe mein erstes Danke für etwas von einem Teufel bekommen. Ich wurde von einem Teufel gerettet. Und ich werde nicht zulassen, dass du mich von diesem Teufel weg bringst. Er lebt für mich. Ich für ihn." Nun ein wenig angewidert, drehe ich meinen Rücken zu ihm und sehe überrascht, dass sich mein Blut verselbstständigt hat. "Ich hatte als erstes Angst. Unten, im Dunkeln. Allein bei den Menschen. Aber die Stimmen im Dunkeln... die Stimmen stellten sich als die Leute heraus, die ich jetzt zu meiner Familie zählen kann."
Meine Augen folgen dem Blut, welches zu dem Griff meines zerbrochenen Schwertes geht. Ich habe den Drang, dorthin zu gehen und tue es auch. Knie mich daneben nieder. "Ich bin im Untergrund, Zedekiel. Ich habe endlich meinen Platz gefunden. Und ich werde alles dafür geben. Egal, was es braucht, um diesen Platz zu beschützen." Ich nehme den eigentlich nutzlosen Griff in die Hand und drehe ihn. Mein Blut, welches immer noch aus der offenen Wunde an der Brust kommt, scheint dort hin zu wollen. Denn es zieht einen Streifen von meiner Schulter, über den rechten Ober- und Unterarm, bis hin zu meiner Hand und dem Griff, von wo auf es schon fast aufgesaugt wird. "Ich stand öfters am Abgrund. Habe um den Willen gekämpft, überhaupt noch leben zu wollen. Mehr als einmal." Ich hebe meinen Kopf und sehe, dass Zedekiel sich seine Klinge wiedergeholt hat. Er wirkt sauer und doch gleichzeitig verängstigt. "Aber ich bin wieder auf den Füßen, Deki."
Ruhig richte ich mich wieder auf. "Hast du eine Ahnung wie es ist, die Stimmen in deinem Kopf zum Verstummen zu bringen die dir jeden Tag sagen, dass ER nicht geantwortet hat? Die sich schon fast lustig über dich machen?", frage ich und meine Augen werden schmal. "Tritt in meine Schuhe. Durchlebe das, was ich erlebt habe. Und dann kannst du sagen, dass ich es verdient habe!" Wut steigt in mir auf. Das Mal leuchtet noch intensiver. Ich verstärke den Griff um das Schwert. "Also. Willst du immer noch kämpfen, oder vielleicht doch lebend hier rauskommen?" Zedekiel sieht sich um. "Hier kommt niemand lebend raus! Einer muss sterben!" Ein Mundwinkel geht hoch. Ich nicke. "Stimmt. Es gibt nur einen Weg, wie es hier endet. Bete, Zedekiel. BETE! Und sieh, ob er dir helfen wird." Seine Augen werden groß, als ich mich auf den Weg zu ihm mache. "Wir können das als Krieg nur zwischen uns beiden ansehen, nicht wahr?"
Das Brennen in meinem Körper wird stärker. "Regel Nummer eins. Wenn du leben willst, musst du töten." Mein Blick ist nur auf Zedekiel gerichtet, der sich nun ebenfalls zu einem weiteren aufeinander treffen bereit macht. "Regel Nummer zwei. Wenn du gewinnen willst, muss Blut vergossen werden." Ich bleibe vor ihm stehen. "Regel Nummer drei. Wenn du spielen willst..." Ich schmunzle. "Können wir das gern den ganzen Tag machen!" Ich verneige mich und trete ein paar Schritte zurück. Der Griff leuchtet und ich beobachte ihn und Zedekiel. Aus dem Griff bildet sich langsam eine dunkelrote Klinge. Sie sieht fast aus, wie mein Blut. Aus dem alten Silber, welches den Griff darstellt, wird ein tiefes schwarz. Es wird angenehm warm. Als es vollständig ist, fahre ich mit meinem Finger über die Schneide und ritze mich sofort. Verdammt scharf. Sicher, richte ich mich auf. "Aber wenn wir spielen, dann ein wenig unfair."
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