Prolog
Dylan's Point of View:
Verdammt, warum ging sie denn nur nicht an ihr Handy?! Frustriert raufte ich mir die Haare und betrachtete die leeren Bierflaschen vor mir auf dem Tisch, die sich neben einer halbleeren Wodkaflasche aufreihten. Dafür, dass ich normalerweise so gut wie keinen Alkohol trank, vertrug ich doch erstaunlich viel.
Ich checkte erneut mein Handy, doch Valerie hatte die Nachrichten, die ich ihr auf WhatsApp geschickt hatte, noch nicht mal empfangen. Wahrscheinlich ging sie während der Schulzeit nicht an ihr Handy, die kleine Streberin, dabei musste ich gerade unbedingt mit ihr sprechen. Ich musste den vertrauten Klang ihrer Stimme und ihr süßes Lachen hören, sonst würde ich immer weitertrinken. Warum musste sie auch nur sechstausend Kilometer von mir entfernt wohnen? Ich vermisste sie so schrecklich, vor allem heute, an Sarahs Todestag, war es besonders schlimm. So alleine und einsam wie heute hatte ich mich bisher selten gefühlt.
Es war schon fast drei Monate her, dass Valerie wieder nach Hause geflogen war und mit jedem Tag wuchs meine Sehnsucht nach ihr. Die täglichen Skype-Anrufe konnten es nicht ersetzten, sie direkt bei mir zu haben. Und es würde noch einen weiteren Monat dauern, bis ich sie endlich wiedersehen würde.
Ich griff erneut nach der Wodkaflasche und nahm einen weiteren Zug. Der Alkohol hinterließ ein warmes Brennen in meiner Kehle, doch ich fühlte mich nicht besser. Ich fühlte mich immer noch so einsam und verzweifelt wir vorher. Dazu kam noch, dass ich heute schon den ganzen Tag über komplett alleine war, da meine Eltern zu meinen Großeltern gefahren waren. Manchmal fragte ich mich, ob sie Sarah gar nicht vermissten, denn ihnen war es so leicht gefallen, mit ihrem Leben weiterzumachen. Okay, das stimmte doch nicht so ganz… Manchmal hörte ich Mom abends in der Küche weinen und sah, wie sie von Dad getröstet wurde. Wir vermissten sie alle, besonders heute. Heute vor zwei Jahren war Sarah durch diesen verdammten Unfall ums Lebens gekommen und Nick, dieser Wixxer, hatte überlebt!
Wütend schlug ich mit meiner Hand auf den Tisch, weshalb einige der Bierflaschen durch die Vibration umfielen. Doch das störte mich nicht, mich störte überhaupt nichts, was um mich herum passierte. Ich wollte einzig und alleine mit Valerie sprechen.
In diesem Moment vibrierte mein Handy und ich warf einen hoffnungsvollen Blick auf den Bildschirm, aber es war nicht Valerie, die mich anrief, sondern Ace. Enttäuschung keimte in mir auf und ich überlegte, ob ich Ace einfach wegdrücken sollte. Doch so wie ich ihn kannte, würde er mich so lange anrufen, bis ich schließlich ranging. Ich stieß einen genervten Seufzer aus, dann nahm ich den Anruf an.
"Hey Dylan, bist du zu Hause?", fragte Ace mich. Wenn ich mich nicht verhörte, knirschte Kies unter seinen Schuhen. War er etwa gerade auf dem Weg zu mir? Auch wenn Ace mein bester Freund war, wollte ich nicht, dass er mich in diesem Zustand sah. Ich musste ein echt erbärmliches Bild abgeben, wie ich hier auf dem Sofa saß und mich alleine besoff.
"Ja, bin ich. Sag nicht, dass du vorhast mich zu besuchen", stöhnte ich genervt, woraufhin Ace lachte.
"Ich bin schon da und stehe vor der Haustür. Und ich werde ganz sicher nicht wieder weggehen", antwortete er mir und begann im nächsten Moment schon damit, Sturm zu klingeln. Warum war ich nochmal mit diesem Idioten befreundet?
"Ich komme ja schon, aber lass das scheiß Klingeln", gab ich mich geschlagen, verdrehte aber die Augen, was Ace natürlich nicht sehen konnte.
"Beeil dich lieber, es ist erstens verdammt kalt und zweitens habe ich noch was vor mit dir." Bei Aces Worten entfuhr mir ein weiteres genervtes Stöhnen und ich drückte den Anruf einfach weg. Hoffentlich war er nicht auf einer Wohltätigkeitsmission und hatte vor mich rauszuschleppen oder irgendwie aufzuheitern. Er wusste natürlich auch, dass sich heute der Tag von Sarahs Tod verjährte und dass es mir dementsprechend scheiße ging.
Mühsam erhob ich mich vom Sofa und musste mich kurz einen Moment sammeln, da der Alkohol jetzt doch langsam seine Wirkung entfaltete. Leicht schwankend machte ich mich auf den Weg zur Haustür, um Ace reinzulassen.
"Hey, bro", begrüßte er mich mit einem Handschlag. "Du siehst echt scheiße aus. Und du stinkst schlimmer als eine ganze Bar", stellte er dann fest.
Ich zuckte nur teilnahmslos die Schultern. "Willst du auch ein Bier?", bot ich ihm an.
"Nein, ich will, dass du dich anziehst und dann gehen wir zu der Houseparty von Maurice!", sagte Ace bestimmt und blickte kritisch an mir herunter. Ich trug eine Jogginghose und einen Hoodie. Wieso sollte ich auch an einem Freitagabend perfekt gestylt zu Hause rumsitzen, noch dazu um mich nur zu betrinken?
"Du weißt, dass ich auf keine Partys gehe! Wenn du deshalb gekommen bist, kannst du direkt wieder gehen", schnaubte ich verächtlich, doch Ace ließ sich davon nicht beeindrucken.
"Ach komm, sei nicht so eine Diva, Dylan. Valerie hat mir gesagt, dass ich mich heute ein bisschen um dich kümmern soll, sie ist ja gerade noch in der Schule. Wenn du dich schon besaufen willst, dann machen wir das wenigstens zusammen. So und jetzt zieh dich an, ich dulde keine Widerrede." Ace sah mich auffordern an und ich wusste, dass er nicht nachgeben würde.
Unter normalen Umständen hätte ich trotzdem nicht eingewilligt, doch offensichtlich machte mich der Alkohol gefügiger, denn ich nickte nur schwach und ging dann hoch, um mich umzuziehen. Wenig später kam ich wieder runter, dieses Mal in schwarzer Jeans und einem frischen T-Shirt. Im Flur schnappte ich mir noch meine Lederjacke, dann folgte ich Ace nach draußen.
Maurice wohnte ganz in der Nähe, deshalb gingen wir zu Fuß. Ich konnte eh nicht mehr fahren und offensichtlich hatte auch Ace vor etwas zu trinken, deshalb ließen wir unsere Autos lieber bei mir auf dem Hof stehen.
Man hörte die Party bereits, bevor man sie sah. Musik tönte in einer unfassbaren Lautstärke über die ganze Straße. Wenn das Haus nicht etwas außerhalb der Ortschaft liegen würde, wäre die Polizei bei Maurices Partys bestimmt Dauergast.
Maurice war berühmt für seine Partys. Seine Eltern besaßen ein riesiges Haus und waren so gut wie nie da, es gab Unmengen an Alkohol und es waren immer viele Mädchen da. Doch das alles interessierte mich nicht im Geringsten. Ich hasste Partys und wäre am liebsten augenblicklich umgedreht. Aber es gab kein Zurück mehr, wenn Ace sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog er es auch durch.
So betraten wir wenig später die Villa von Maurices Eltern. Ich wurde von einigen Leuten begrüßt, die alle sichtlich überrascht waren, mich auf einer Party zu sehen, doch das nahm ich kaum wahr.
Ace und ich schoben uns durch die tanzenden Menschenmassen zur Bar, die in der Küche aufgebaut war und ließen uns jeweils einen roten, mit irgendeinem stark alkoholischen Getränk gefüllten Plastikbecher geben.
"Auf eine Nacht, in der wir alle Probleme einfach mal vergessen", rief Ace gegen die Musik an und hob seinen Becher hoch. Ich stieß mit ihm an, obwohl ich kaum daran glaubte, dass ich meine Trauer um Sarah und meine Sehnsucht nach Valerie in Alkohol ertränken könnte. Aber wer weiß, was dieser Abend noch bringen würde…
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Ich schlug die Augen auf und sah mich orientierungslos um. Ich lag auf einem großen Doppelbett in einem Raum, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Wo war ich hier nur gelandet? Ich konnte mich einfach an gar nichts mehr erinnern.
Mein Kopf pochte stark und es fühlte sich so an, als würde er gleich vor Schmerzen zerspringen. Verzweifelt rieb ich mir die Schläfen, es konnte doch nicht sein, dass ich gar keine Erinnerung an die gestrigen Geschehnisse hatte? Das Einzige was ich noch wusste war, dass ich mich von Ace dazu bereitschlagen lassen hatte, mit auf Maurices Party zu gehen. Danach war in meiner Erinnerung alles schwarz, ich hatte einen kompletten Filmriss.
Wie viel hatte ich nur getrunken? Zu viel, das wusste ich, denn ich hatte gerade den Kater meines Lebens. Nicht nur mein Kopf schmerzte, sondern mir war gleichzeitig auch kotzübel. Was würde Valerie nur dazu sagen, dass ich mich so abgeschossen hatte?
Verdammt, Valerie… Nachdem ich sie gestern so zugespamt hatte, wunderte sie sich jetzt bestimmt darüber gar nichts mehr von mir zu hören. Suchend blickte ich mich nach meinem Handy um, doch es lag nicht auf dem Nachtisch neben dem Bett. Wahrscheinlich war es noch in meiner Hosentasche.
Vorsichtig setzte ich mich auf dem Bett auf, bedacht darauf, meinen sensiblen Magen nicht durch hektische, unüberlegte Bewegungen zu überfordern. Dann schlug ich die Decke weg, um aufzustehen, doch ich hielt in der Bewegung inne. Ich trug nicht wie erwartet meine Boxershorts, sondern war komplett nackt.
Panisch blickte ich mich in dem Raum um, vielleicht konnte ich ja irgendetwas entdecken, was mir einen Hinweis darauf gab, was gestern Abend geschehen war. Mein Blick blieb an einem pinken Stofffetzen auf dem Fußboden am Ende des Bettes hängen. Ich kam ein bisschen näher, um zu erkennen, worum es sich dabei handelte und stellte mit Schrecken fest, dass der Stofffetzen ein Tanga war.
Blankes Entsetzen durchflutete meinen Körper. Verdammt, was hatte ich nur getan…
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