37. Liebe ist wie Achterbahnfahren
Triggerwarnung:
In Dylans Gedanken kommen in diesem Kapitel sensible Aussagen zum Thema Querschnittslähmung und Leben im Rollstuhl. Es handelt sich dabei nur um die Meinung eines Charakters! Nicht um meine eigene noch eine, die ich euch vorgeben möchte. Das wollte ich nur sicherheitshalber angemerkt haben.
Dylan's Point of View
Die nächsten Tage waren hart. Das Koma hatte seine Spuren hinterlassen und manchmal hatte ich immer noch das Gefühl, dass ich für einige Momente aus der realen Welt hinausfiel. Dann hatte ich so verrückte Träume, wie ich sie manchmal im Koma gehabt hatte und wenn ich zurück in die Realität zurückgerissen wurde, fühlte ich mich vollkommen orientierungslos. Die Ärzte versicherten mir jedoch, dass dies in der Aufwachphase ganz normal sei, aber trotzdem machte es mir Angst auf das, was noch kommen würde…
Wie würde mein Leben nach diesem schweren Unfall weitergehen? Würde mein Körper jemals wieder so sein, wie vorher? Jedes Mal, wenn ich den Ärzten, meinen Eltern oder Valerie Fragen in dieser Art stellte, wichen sie mir aus und sagten, dass es noch nicht die Zeit war, sich damit zu befassen. Auch wenn sie damit versuchten, mich nicht zu sehr zu beunruhigen, erreichten sie damit das Gegenteil. Denn wenn ich das besorgte Funkeln in ihren Augen wahrnahm, wusste ich, dass dieser Kampf noch lange nicht zu Ende war.
Das Einzige, was mir in Momenten wie diesen dabei half, nicht komplett durchzudrehen, war, dass ich wusste, dass ich - egal was kommen würde - die Unterstützung meiner Familie, Freunde und wundervollen Freundin haben würde. Aber würde das reichen? Ich wusste, dass ich auch Verletzung im Rücken, im Bereich der Wirbelsäule hatte - was wäre, wenn ich nie wieder laufen könnte? Das würde ich nicht aushalten!
Ich könnte niemals an einen Rollstuhl gefesselt glücklich werden! Natürlich sagten das die Menschen mit Querschnittslähmung zuerst und lernten dann doch, mit ihrer Beeinträchtigung zu leben, aber für mich stand fest, dass ich nicht ohne meine gesunden Beine leben könnte!
Am liebsten würde ich einfach aus dem Krankenhausbett aufstehen und probieren, ob meine Beine der Belastung standhielten, aber das wäre absolut unvernünftig und durch die ganzen Schläuche, die an meinem Körper befestigt waren, auch ziemlich unmöglich. Außerdem wäre ich wahrscheinlich viel zu schwach, um mich überhaupt aus dem Bett zu erheben. Dadurch, dass meine Schmerzmedikamente langsam runtergefahren wurden, fühlte ich noch kraftloser und erschöpfter als so schon.
So verbrachte ich meine Tage zwischen den Untersuchungen hauptsächlich damit, Serien zu gucken, zu lesen oder Sachen für die Uni zu machen, die bereits wieder begonnen hatte. Ich hatte Valerie förmlich dazu zwingen müssen, ihre eigenen Vorlesungen zu besuchen und nicht den ganzen Tag bei mir im Krankenhaus zu verbringen. Natürlich hätte ich sie gerne die ganze Zeit um mich gehabt, aber das wäre egoistisch gewesen. Auch sie brauchte mal eine Pause von meinen Launen, die in den letzten Tagen noch unausgeglichener als sonst waren und außerdem wollte ich nicht, dass sie zu viel Stoff verpasste. Abends kam sie mich aber immer besuchen und auch sonst erhielt ich oft Besuch von meinen Eltern und meinen Freunden, die sich alle ganz rührend um mich kümmerten.
Auch jetzt fieberte ich ihrem Besuch nur so entgegen und mein Blick flog sich von meinen Lernzetteln immer wieder zu der Uhr über der Tür. Als sich endlich die Tür öffnete und Valerie eintrat, machte mein Herz augenblicklich einen kleinen Satz und ein Lächeln legte sich auf meine Lippen.
Valerie trug ihren Wintermantel mit einem dicken Schal und einer dazu passenden Mütze, offensichtlich war es draußen immer noch bitterkalt. In der Hand hielt sie noch einen schwarzen Stoffbeutel, den sie hinter ihrem Rücken zu verstecken versuchte, was meine Neugierde weckte. Was hatte sie mitgebracht?
Schnell streifte sie ihren Jacke, den Schal und die Mütze ab, dann trat sie mitsamt dem Beutel an mein Bett heran.
"Hey, Dyl", begrüßte sie mich und gab mir einen kurzen Kuss auf die Stirn. Ihre Lippen fühlten sich dabei ganz kalt an, was mich jedoch nicht davon abhielt, meine Hand in ihren Nacken zu legen und ihren Kopf sanft zu mir runter zu ziehen, sodass ich ihre Lippen mit meinen berühren konnte.
Vorsichtig begann ich meine Lippen zu bewegen und als Valerie den Kuss erwiderte, durchfuhr ein warmes Gefühl meinen ganzen Körper. Es fiel mir schwer, getrennt von ihr zu sein, gerade nach all dem, was wir in letzter Zeit durchgemacht hatten und deshalb genoss ich in Momenten wie diesem ihre Nähe um so mehr.
Viel zu schnell lösten wir uns wieder von einander und ich blickte sie mit funkelnden Augen an. "Hey, Prinzessin. Wie war es in der Uni?"
Valerie zog sich einen Stuhl neben meinem Bett ran, um sich darauf zu setzten, dann antwortete sie. "Recht entspannt. Emma, Leyla und ich sind gerade bei dem Feinschliff an unserem Projekt und ansonsten ist nicht viel los. Ich soll dich übrigens ganz lieb von allen grüßen."
Ich nickte. Es freute mich, dass Valeries Alltag sich langsam wieder normalisierte, aber gleichzeitig war die Uni auch der Ort, wo sie Milan am ehesten wieder über den Weg lief, schließlich hatten die beiden eine gemeinsame Vorlesung. Und auch wenn Valerie mir alles erklärt hatte, beunruhigte mich das mehr, als ich es zeigte.
Als Valerie völlig verheult vor mir gestanden hatte und mir die Situation geschildert hatte, hatte ich gar nicht anders gekonnt, als ihr zu vergeben. Ich glaubte ihr, dass sie keinerlei Gefühle für Milan hatte und dass der Kuss von ihrer Seite nie gewollt war. Selbst dass sie Milan so nah an sich herangelassen hatte, konnte ich ihr wegen der schweren Zeit davor nicht vorwerfen. Aber das dieser hinterhältige Drecksack immer noch in ihrer Nähe war, gefiel mir gar nicht. Wer wusste schon, was in seinem kranken Kopf vorging, wenn er einfach ein vergebenes Mädchen gegen seinen Willen küsste…
Aber ich wollte Valerie nicht nach ihm fragen. Ich wollte nicht eifersüchtig wirken und ihr das Gefühl geben, dass ich ihr nicht vertraute, auch wenn mir das unfassbar schwer fiel. Das Einzige, was mich etwas beruhigte, war, dass meine Jungs ebenfalls an der Uni waren und Milan ganz sicher nicht mehr in Valeries Nähe lassen würden.
Erst als ich merkte, dass Valerie mich schon komisch anguckte, fiel mir auf, dass ich ihr noch nicht geantwortet hatte, da ich so in Gedanken versunken war. Ich war nach dem Koma noch lange nicht so fokussiert und konzentriert wie vorher, sondern driftete schneller mal gedanklich ab.
"Danke", sagte ich deshalb schnell.
Valerie lächelte und begann dann in dem schwarzen Stoffebeutel neben ihr zu kramen. "Ich habe noch was für dich", meinte sie, während sie ein in buntes Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen herauszog. "Eigentlich war das als Weihnachtsgeschenk gedacht, aber dazu sind wir dieses Jahr ja irgendwie gar nicht gekommen."
Überrascht weiteten sich meine Augen - damit hatte ich absolut nicht gerechnet. Durch mein Koma hatte war mein Raum und Zeitgefühl immer noch vollkommen aus der Reihe gebracht und so war Weihnachten völlig an mir vorbeigezogen. Jetzt fiel mir aber siedend heiß ein, dass ich ja auch noch ein Weihnachtsgeschenk für Valerie hatte. Bis ich ihr das überreichen konnte, müsste ich aber erstmal aus diesem beschissenen Krankenhaus rauskommen.
"Oh", war das Einzige, was ich ausstieß.
"Mein Geschenk habe ich jetzt aber gar nicht hier", fügte ich dann noch hinzu.
Valerie schüttelte den Kopf. "Das ist doch vollkommen egal. Ich wollte dir nur meins jetzt gehen, weil ich dachte, dass es dir vielleicht etwas Kraft geben könnte", entgegnete sie lächelnd.
Also griff nach dem Päckchen, das sie mir entgegenstreckte und riss das Papier ab. Darunter gab ein dickes Buch zum Vorschein - ein Fotoalbum.
Ich schlug die erste Seite auf, auf der ein Bild von Valerie und mir vor dem Eiffelturm in Paris bei Sonnenuntergang klebte. Darunter hatte Valerie in ihrer geschwungenen Handschrift einen kurzen Text geschrieben:
Liebe ist wie Achterbahnfahren. Mal geht es steil bergauf, dann tief bergab. Mal läuft es ganz schnell und dann hat man wieder das Gefühl, dass sich nichts mehr vorwärts bewegt. Ein wahres Auf und Ab, aber man ist nie alleine. Immer, wenn man Angst bekommt, kann man seine Hand einfach zu dem Partner neben einem ausstrecken und halten, bis man sicher wieder sich fühlt. Am Ende der Fahrt, verlässt man die Bahn dann mit einem breiten Grinsen und einem Kribbeln im Bauch und das ist alles, was zählt.
Ich ließ meinen Blick mehrfach über ihre Worte gleiten und merkte dabei, wie mir ganz warm ums Herz wurde. Valerie hatte es einfach auf den Punkt getroffen! Unsere Liebe war nicht perfekt, sondern bestand aus Höhen und ebenso vielen Tiefen, aber trotzdem hatte niemand von uns die Notbremse gezogen, da wir wussten, dass wir zusammen auch die größten Herausforderungen bewältigen konnten. Und wie Valerie es geschrieben hatte, alles was ich wollte, war, am Ende mit einem breiten Grinsen und einem Kribbeln in meinem Bauch aus der Bahn des Lebens auszusteigen. Es gab keinen Menschen, mit dem ich lieber zusammen alt werden würde!
Langsam blätterte ich mich durch die Seiten und betrachtete die Bilder. So viele Erinnerungen kamen dabei in mir hoch. Rückblickend war es echt unglaublich, was Valerie und ich schon alles zusammen erlebt hatten. Ich spürte, wie meine Augen dabei tatsächlich ein ganz kleines bisschen feucht wurden. Das waren bestimmt die Entzugserscheinungen der Schmerzmittel! Zumindest wollte ich mir das einreden, aber ich wusste, dass Valerie den wahren Grund kannte.
"Es ist wunderschön", murmelte ich leise und klappte das Album zu. "Dankeschön, du weißt gar nicht, wie glücklich du mich damit gemacht hast."
Valerie lächelte mich sanft an und ich konnte sehen, dass sie ebenfalls gerührt war. "Das freut mich wirklich sehr. Jetzt kann alles nur noch gut werden", antwortete sie und dann lagen ihre Lippen auch schon erneut auf den meinen…
Hey ihr Lieben,
Ich wünsche euch hiermit nochmal offiziell ein frohes neues Jahr, ich hoffe, ihr habt alle schön gefeiert!🎉💗
In diesem und den nächsten Kapiteln werden einige medizinische Themen durch das Koma angeschnitten. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, mich da einzulesen und ein möglichst realistisches Bild zu vermitteln. Wenn jemand trotzdem Kritik hat, bin ich gerne offen dafür 🙈
Was glaubt ihr, wird Dylan wieder ganz normal laufen können oder nicht?
Liebe Grüße und bis nächsten Dienstag!👋
Eure Amy
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