16. Liebeskummer
"Komm schon, Valerie, du musst aufstehen", vernahm ich Lucys Stimme neben mir, doch ich ignorierte sie einfach und presste meinen Kopf noch tiefer in mein Kopfkissen. Ich wollte nicht aufstehen, ich wollte am liebsten den ganzen Tag im Bett verbringen und mich in meinem Selbstmitleid suhlen.
Aber da hatte ich nicht mit Lucy gerechnet, die mir jetzt eiskalt die Decke wegzog. "Ich weiß, dass du keine Lust hast, Valy. Ich kann dich echt verstehen, aber es wird nicht besser, wenn du jetzt den ganzen Tag hier liegen bleibst und dich deinem Liebeskummer hingibst. Du solltest wenigstens rausgehen und dich etwas ablenken, wenn du schon nicht zur Uni gehen willst."
Genervt drehte ich mich um und setzte mich auf. Lucy ließ ja echt nicht locker. Ihre Hilfsbereitschaft in allen Ehren, aber in diesem Moment wollte ich am liebsten alleine sein.
Ich hatte mich die ganze Nacht hin und her gewälzt und über Dylan und mich nachgedacht. Wie sollte es nur weitergehen? Könnte ich Dylan jemals vergeben, dass er mich betrogen und jahrelang angelogen hatte?
Alleine bei diesem Gedanken zog sich mein Brustkorb schmerzhaft zusammen und meine Augen, die noch ganz rot und verquollen von dem ganzen nächtlichen Weinen seien mussten, füllten sich erneut mit Tränen. Ich fühlte mich so schrecklich ausgenutzt. Niemals hätte ich Dylan das zugetraut, niemals.
"Ich will nicht", stöhnte ich deshalb. "Du verstehst das nicht, du und Sam hatten noch nie so eine Beziehungskrise."
Lucys Augenbrauen zogen sich bei meinen Worten zusammen. "Sag das nicht", meinte sie dann mit fester Stimme. "Sam und ich hatten oft genug Probleme, aber wir reißen uns jedes Mal wieder zusammen, egal was für eine Scheiße der andere gebaut hat. Ich hasse Dylan für das, was er dir angetan hat, aber irgendwie will ich es einfach nicht glauben, dass er dich wirklich betrogen hat. Das passt einfach nicht zusammen, selbst betrunken hätte Dylan nichtmal ein anderes Mädchen schief angeguckt. Ihr gehört doch einfach zusammen."
Jetzt konnte ich mich doch nicht mehr kontrollieren und ich spürte, wie mir die ersten heißen Tränen die Wangen runter rannen. Bis gestern hatte ich auch noch geglaubt, dass Dylan und ich zusammengehörten, trotz all unserer Gegensätze und Schwierigkeiten. Aber jetzt war ich mir nicht mehr so sicher. Man ging keiner Person fremd, die man liebte… Und auch wenn ich es am liebsten nicht glauben wollte, dass er mich betrogen hatte, so sprachen doch alle Beweise dagegen. Immerhin glaubte Dylan es selbst und das kam nicht von irgendwo.
Ich brauchte jetzt erstmal Zeit darüber nachzudenken und all das Gesagte zu verarbeiten, aber trotzdem vermisste ich ihn. Ich vermisste ihn so sehr, dass es mich innerlich beinahe zeriss. Auf der einen Seite, brauchte ich jetzt einfach Abstand von ihm, aber auf der anderen Seite wünschte ich mir nichts mehr, als dass mein Freund mich jetzt in den Arm nahm und mir sagte, dass alles wieder gut werden würde.
Aber das wäre eine glatte Lüge, denn es würde nicht alles gut werden. Dylan war von einem Tag auf den anderen Vater eines zweijährigen Sohnes geworden und hatte jetzt die Verantwortung dafür zu tragen. Dass ein Vaterschaftstest andere Ergebnisse bringen würde, hoffte ich zwar inständig, aber irgendwie glaubte ich nicht mehr daran, ich war schon zu oft enttäuscht worden.
"Hey hey hey, nicht weinen, Valy." Lucys Stimme klang bestürzt und im nächsten Moment spürte ich schon, wie sie mich fest in den Arm schloss.
Ich wurde von mehreren Schluchzern erschüttert und ließ meinen Tränen freien Lauf. Lucy sagte nichts, sondern strich mir einfach beruhigend mit ihrer Hand über den Rücken. In diesem Moment war ich so froh, sie an meiner Seite zu haben und nicht alleine zu sein.
"Danke, Lucy. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde", sagte ich als, ich mich wieder etwas beruhigt hatte. Es war nicht selbstverständlich, dass sie und Sam mich von einen Tag auf den anderen bei sich wohnen ließen.
"Ich bin immer für dich da, vor allem auch, um dir einen Tritt in den Arsch zu geben, wenn es sein muss. Also mache dich jetzt fertig und dann gehen wir zur Uni." Lucy guckte mich wild entschlossen an, was mir tatsächlich ein kleines Lächeln entlockte.
"Du solltest überlegen, statt Anwältin doch Diktatorin zu werden", schlug ich ihr schmunzelnd vor. Das Talent dazu hätte Lucy jedenfalls.
"Ach, das ist doch fast das Gleiche", erwiderte sie lachend, während ich mich tatsächlich aus dem Bett bequemte.
Innerhalb von zwanzig Minuten hatte ich geduscht, mich angezogen und meine dunklen Augenringe überschminkt. Ich hatte mir noch schnell eine Banane geschnappt und dann zusammen mit Lucy und Sam überstürzt das Haus verlassen. Wir waren spät dran, sodass leider keine Zeit zum Frühstücken geblieben war und irgendwie war mir auch nicht danach. Ich hatte Angst, dass mir vom Essen noch schlechter werden würde, als eh schon.
Auf dem Campus trennten sich unsere Wege. Während Lucy und Sam zusammen zu ihrer Jura-Vorlesung hetzten, schlenderte ich ganz entspannt zu meiner Journalismus-Vorlesung. Ich wollte eh nicht dahin und ob ich fünf oder zehn Minuten zu spät war, änderte auch nicht wirklich viel.
Tatsächlich schlich ich mich mit sechs Minuten Verspätung in den Raum. Die Vorlesung war bereits in vollem Gange und fast alle Plätze waren besetzt. Suchend ließ ich meinen Blick über die Reihen gleiten, als mir plötzlich jemand zuwinkte.
Ich musste einmal blinzeln, um die Person zu erkennen, aber dann konnte ich ganz eindeutig Milan ausmachen. Er saß ganz in meiner Nähe und neben ihm war noch ein Platz frei, deshalb beschloss ich, mich einfach zu ihm zu setzen.
Leise ließ ich mich auf den Sitz gleiten. "Hi, Milan", begrüßte ich ihn dann.
Er grinste mich strahlend an. "Hey, Valerie. Du bist heute ja mal wieder so pünktlich wie die Pakete, die ich bei UPS bestelle."
Ich verdrehte leicht die Augen, konnte mir ein Lachen aber nicht verkneifen. "Ich wollte heute Morgen einfach nicht aufstehen", erklärte ich dann.
Milan nickte verstehend. "Das kenne ich", plicht er mir dann bei. "Ich muss mich morgens auch immer total hetzen, dabei stehe ich sogar rechtzeitig auf. Aber die erste Viertelstunde bleibe ich immer noch im Bett und scrolle durch Social Media."
"Oh ja, das kenne ich. Obwohl das bei mir heute Morgen einen anderen Grund hatte, ich-…", ich brach mitten im Satz ab. Wie kam ich bitte auf die Idee, Milan mein Herz auszuschütten? Klar, wir verstanden uns super, aber wir kannten uns erst seit kurzer Zeit. Außerdem sagte mir das beklemmende Gefühl in meinem Brustkorb, dass ich noch nicht bereit war, darüber zu reden. Ich brauchte noch Zeit, um den gestrigen Abend zu verarbeiten und darüber nachzudenken.
"… ich.. ich habe einfach verpennt", stammelte ich, um meinen angefangenen Satz zu beenden. Auch wenn es eine Notlüge war, überkam mich sofort ein schlechtes Gewissen.
Ich sah zu Milan, der verwundert die Stirn runzelte. Er hatte wohl etwas anderes erwartet und wahrscheinlich glaubte er mir die kleine Lüge auch nicht ganz, aber er beließ das Thema einfach dabei
"Hast du überhaupt etwas gegessen?", fragte er mich dann.
Ich schüttelte den Kopf und wie um das zu bestätigen, knurrte mein Magen. "Ich habe aber eine Banane mit", antwortete ich ihm.
"Das soll ein gutes Frühstück ersetzen?" Milan sah mich so fassungslos an, als hätte ich ihm gesagt, dass ich statt der Banane ein in Schokolade eingetauchten Rosenkohl eingepackt hätte.
Ich zuckte nur die Schultern, was den braunhaarigen Jungen mir gegenüber nicht zufriedenzustellen schien. "Los komm mit, wir gehen Frühstücken, du musst was richtiges essen, so blass wie du bist", sagte er entschlossen und stand bereits auf, ohne meine Antwort überhaupt abzuwarten.
Auffordernd streckte er mir seine Hand entgegen und ich ergriff sie nach kurzem Zögern. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich heute eh die Uni geschwänzt und außerdem überkam mich mittlerweile tatsächlich ein Hungergefühl.
Milan zog mich hoch. Seine Hand war warm und weich, aber trotzdem ließ ich sie schnell wieder los, es fühlte sich einfach falsch an.
Gemeinsam schlichen wir aus dem Saal und schlossen hinter uns leise die Tür. Dann machten wir uns auf den Weg über den Campus zu einem nahegelegenen Café. Milan suchte einen Fenstertisch für uns beide aus, an dem wir Platz nahmen und bestellten.
Heißhungrig machte ich mich über mein Crossiant her, als unsere Bestellung endlich gebracht wurde.
"Wie geht es eigentlich deinem Freund? Dylan heißt er, oder? Irgendwie sehe ich euch nie zusammen", erkundigte sich Milan plötzlich ganz beiläufig, aber mir blieb fast der Bissen im Hals stecken. Ich versuchte verzweifelt nicht zu Husten und mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich diese Frage überrascht hatte.
Tatsächlich hatte ich in der Zeit, die ich mit Milan verbracht hatte, so gut wie gar nicht an Dylan gedacht. Jetzt verspürte ich aber erneut das bedrückende Gefühl, das mich seit gestern begleitete und musste mir auf die Wangeninnenseite beißen, um meine Tränen zurückzuhalten.
"Zur Zeit ist es ein bisschen schwierig, aber nichts, was sich nicht wieder geradebiegen lassen würde", log ich erneut.
Ich fühlte mich schrecklich dabei, Milan so anzulügen, aber ich wollte einfach nicht über Dylan und mich reden, alleine der Gedanke tat so sehr weh und es auszusprechen war noch schlimmer. Als ich gestern Lucy und Sam erzählt hatte, dass Dylan mich betrogen hatte, war ich völlig zusammengebrochen.
"Bestimmt, mach dir keine Sorgen", meinte Milan sanft und lächelte mir aufmunternd zu. "Wenn du mal jemanden zum Reden brauchst, bin ich aber immer für dich da."
Ich nickte nur, denn der Kloß in meinem Hals machte es mir schwer zu sprechen. "Danke", presste ich jedoch noch hervor.
Milan schien zu bemerken, dass mir nicht mehr so nach Reden war, denn er übernahm diesen Part jetzt fast ausschließlich und ich hörte ihm einfach zu. Aber das machte mir nichts, Milan war eine sehr interessante und unterhaltsame Person. Er erzählte mir lustige Geschichte aus seinem Leben wie die, als er aus Versehen nur in Socken zur Uni kommen war, weil er so verkartert vom Abend davor gewesen war und so heiterte sich meine Laune wieder etwas auf. In seiner Gegenwart ließ der Schmerz meines Liebeskummers zumindest etwas nach, auch wenn ich wusste, dass dies nur kurzfristig war.
Hey ihr Lieben,
ich wollte mich an dieser Stelle nochmal ganz herzlich für euren krassen Support bedanken. Die ganzen lieben Kommentare auf die Buch-Ankündigung zu The American Mistake haben mich einfach umgehauen! Ihr macht mich so glücklich dadurch, dass ich mich so unterstützt💗 Ihr seid die besten Leser, die man sich wünschen kann!
Es wird noch einige Monate dauern, bis The American Mistake als Buch erhältlich sein wird, aber ich werde euch auf jeden Fall rechtzeitig informieren <3
Wie vielleicht einige schon mitbekommen haben, werde ich TAM dafür jedoch vom Wattpad zurückziehen müssen, was Anfang bis Mitte September sein wird, also jetzt ist eure Chance die unüberarbeitete Geschichte nochmal kostenlos zu lesen (die Geschichte wird als Buch an einigen Stellen leicht abgeändert sein).
Und da manche sich vielleicht schon Sorgen gemacht haben, The American Dream wird auf jeden Fall auf Wattpad fertiggestellt und vollständig zu lesen sein. Ob diese Story vielleicht auch irgendwann Mal verlegt wird, steht noch völlig in den Sternen. Also keine Panik, ich würde keine laufende Geschichte einfach so zurückziehen.
So, das war es mit meinem emotionalem Rumgeschwafel. Macht's gut und ich habe euch lieb!💗
Bis nächsten Dienstag
Amy
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