Kapitel 5 | Parker
Parker ließ ihre Handtasche achtlos von ihrem Arm aufs Sofa gleiten, während sie sich den Weg zu ihrem Schlafzimmer bahnte. Die Dämmerung war schon lange über die Stadt hereingebrochen, doch selbst um diese Zeit waren die U – Bahn überfüllt gewesen. Anfangs war Parker übervorsichtig gewesen und bei jedem Blick eines Passanten zusammengezuckt, wenn sie in der Nacht in ihrem kurzen Kleid die Treppen zu den Gleisen hinunterstieg. Mittlerweile war dieser Reflex glücklicherweise abgeklungen, doch der Gefahr war sie sich nach wie vor bewusst und blieb vorsichtig. Deshalb war sie jedes Mal aufs neue froh, nach einer langen Nacht ihre Wohnung sicher zu erreichen.
Dieses Mal blieb das gewohnte Gefühl, einfach nur ins Bett fallen zu wollen, allerdings unerwarteterweise aus. Als sie die Schlafzimmertür aufstieß, echoten Bryns Worte in ihrem Kopf. Wie hatte Parker so dumm sein können? Vollkommen blind war sie einer Wunschvorstellung verfallen, die nie der Realität entsprochen hatte. Zu keinem Zeitpunkt war er nur ihretwegen da gewesen. Genauso wenig, wie nur sie ihn gesehen hatte. Wie hatte sie denken können, dass er keinem auffiel außer ihr und das zwischen ihnen eine mysteriöse Intimität erwachsen ließ.
Ihr war das passiert, wovor sie sich selbst immer zu bewahren versucht hatte. Sie war von der Ekstase des Evernights mitgerissen worden. Sie war den Gerüchen, den Geräuschen, den Blicken und der aufgeladenen Stimmung verfallen und war in ihre eigene Fantasie abgewandert. Und er? Er hatte das vermutlich bemerkt und zu seinem Vorteil zu nutzen entschieden.
Sie schüttelte den Kopf über ihre eigene Torheit, während sie aus den hohen Schuhen stieg. Resigniert ließ sie sich auf ihr Bett fallen und starrte einige Sekunden lang an die Decke. In ihren Fingern kribbelte es, seit sie die Wohnung betreten hatte und sie konnte den Gedanken nicht loswerden, mehr erfahren zu müssen. Obwohl ihre Vernunft ihr zu rief, dass es vermutlich keine gute Idee wäre. Letztendlich siegte jedoch ihre Neugierde.
Langsam erhob sie sich aus den Laken und begann sich aus dem Kleid zu schälen. Kaum war das rote Kleid auf der Lehne ihres Schreibtischstuhls gelandet, zog sie ihre Schranktüren auf. Nachdem sie ihren Schlafanzug herausgegriffen hatte, schlüpfte sie in die kurze Hose. Auf dem Weg in die Küche zog sie das weiße T – Shirt über, das sie bei diesen Temperaturen für gewöhnlich trug.
Kaum hatte sie ihr Ziel erreicht, blieb sie vor einer der Theken stehen und reckte ihren Arm in die Höhe, um eine Tasse aus dem Oberschrank zu nehmen. Gedankenverloren setzte sie das Teewasser auf und begann in der Teeschachtel nach einem Beutel zu suchen. Dabei versuchte sie, ihre Gedanken davon abzuhalten, zu Ashton zu wandern.
Nachdem sie sich eine Tasse Tee eingegossen hatte, schlenderte sie ins Wohnzimmer herüber. Dabei fiel ihr Blick auf den Barhocker, der noch immer mit dem abgebrochenen Bein in der Ecke lag. Bisher hatte sie keine Zeit gefunden, ihn zu reparieren, weshalb sie seit Wochen auf dem Sofa aß. Eine Sache, die im Haus ihrer Eltern niemals passiert wäre. Bei dem Gedanken zuckten ihre Mundwinkel in die Höhe.
Schwungvoll ließ sie sich aufs Sofa sinken und verschränkte die Beine zu einem Schneidersitz. Mit einer Hand zog sie ihre Sofadecke über ihren Schoß und ließ sich in die Kissen sinken. Vorsichtig nahm sie ein paar Schlucke des heißen Tees, zuckte aber instinktiv zurück, als sie sich die Zungenspitze verbrannte.
„Mist", murmelte sie und tauschte die Tasse gegen ihren Laptop.
Wieso konnte sie sich nicht erklären, doch während sie die Suchmaschine öffnete, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Sie musste mehr über ihn wissen. Schließlich schien sie eine der wenigen zu sein, die nichts über ihn wusste. Zumindest hatte Bryn das zuvor im Club angedeutet.
Trotzdem gab es eine Stimme tief in ihrem Inneren, die sich fragte, ob sie tatsächlich alles wissen wollte. Er wusste nicht nur von ihrem Job, sondern kannte seit dieser Nacht auch ihren Namen. Eine gefährliche Mischung. Besonders, wenn er in der Öffentlichkeit stand. Damit könnte er schneller zu einem Problem werden, als ihr lieb war.
Ihre Finger verharrten einige lange Momente auf der Tastatur. Das nervöse Kribbeln in ihren Fingerspitzen wurde mit jeder Sekunden stärker und letztendlich gewann ihre Neugierde. Langsam tippte sie seinen Namen ein – glücklicherweise hatte Bryn aus seinem Nachnamen kein großes Geheimnis gemacht.
Kaum hatte sie die Enter - Taste gedrückt, flackerten vor ihr unzählige Suchergebnis auf. Zuerst ein Wikipedia Artikel, auf dem ihr Mauszeiger kurz zum Stehen kam, den sie dann aber doch übersprang. Viel mehr interessierte sie, was die Medien über ihn schrieben. Wenn er so erfolgreich war, wie ihre Freundin behauptet hatte, würde es genug Artikel geben, um ihren Wissensdurst zu stillen.
Während sie sämtliche unseriöse Kurzbiografien übersprang, wanderten ihre Augen zu den Bildern am rechten Seitenrand. Kaum hatte sie seinen Namen eingegeben, waren sie automatisch aufgepoppt. Der Mann auf den Bildern schien dem Fremden aus dem Club bis aufs Haar zu gleichen. Keinem von ihnen gelang es allerdings, das einzufangen, was sie an ihm so gefesselt hatte.
Plötzlich zog die Schlagzeile einer New Yorker Zeitung ihre Aufmerksamkeit auf sich.
„Schon wieder eine Neue? Schauspieler Ashton Pierce erneut mit einer neuen Frau gesehen!" Darunter reihten sich unzählige Artikel mit gleichem Thema an. Die Schlagzeilen verstärkten das schlechte Gefühl, das sie seit Bryns Worten gehabt hatte. Sie schluckte schwer.
Letztendlich entschied sie sich dazu, den ersten Artikel anzuklicken, der ihr ins Auge gefallen war. Kaum hatte die Seite geladen, begann sie die Worte schnell zu überfliegen. Dabei schien sich der Kloß in ihrer Kehle mit jeder Sekunde weiter zu vergrößern, während das schlechte Gefühl in ihrer Brust anschwoll. Jeder Zweifel, der sie nach dem Verlassen des Clubs überkommen hatte, drohte sich zu bewahrheiten. Eine Tatsache, die alles andere als Wohlgefallen in ihr auslöste.
Bei der letzten Zeile blieben sie abrupt hängen. ‚Wer wird Ashton Pierces Spiel als nächstes verfallen?'. Immer wieder flogen ihre Augen über die Worte, während das Herz in ihrer Brust schwer wurde. Die plötzliche Angst, ihr Name könnte im nächsten Artikel über ihn auftauchen, stieg in ihr hinauf. Sie wollte sich lieber nicht vorstellen, welche Hölle dann über sie hereinbrechen würde. Allerdings konnte sie erahnen, dass es keinen Fleck Erde auf dieser Erde geben würde, auf den sie sich flüchten könnte, um der Verachtung und dem Zorn ihrer Familie zu entkommen.
Und das alles nur, weil sie der Idee eines mysteriösen Fremden im Club verfallen war. Doch nun war Schluss damit. Sie mochte gut darin sein, sich selbst in Probleme zu stürzen, doch dieses Mal würde ihr das nicht passieren. Nicht bei so einem schwerwiegenden Geheimnis, das ihr bereits so lange geheim zu halten gelungen war.
Ihre Finger flogen wie von selbst über die Tastatur und riefen den nächsten Artikel auf. Während sie die Absätze überflog, zeichnete sich in ihren Gedanken ein deutliches Bild. Er war ein Frauenheld durch und durch – in jedem Artikel war von einer anderen Frau die Rede, mit der er gesichtet wurde – und das meinte sie auf die schlechteste Art und Weise. Er war genau die Art von Mann, dem sie für gewöhnlich aus dem Weg ging. Schließlich war ihr Leben bereits kompliziert genug und in Anbetracht ihres Jobs könnte solch ein Mann alles ruinieren, was sie sich aufgebaut hatte.
Eines stand deshalb für sie fest. Sollte er erneut auftauchen, würde sie sich fernhalten. Das musste sie einfach, wenn sie nicht wollte, dass ihr Geheimnis ans Licht kam. Nun, da sie all diese Dinge über ihn erfahren hatte, schwand ihr Interesse daran, ihn wiederzusehen und sie hoffte, dass die Flammen, die er in ihr entfacht hatte, damit ebenfalls erstickt worden waren. Schließlich war jeder Grund, sich zu ihm hingezogen zu fühlen, zunichtegemacht.
Sie schob ihren Laptop von den Knien und stellte ihn neben sich ab, während sie ihre Teetasse wieder vom Tisch nahm. Nachdenklich schlürfte sie ein paar Schlucke. Dabei wanderten ihre Augen erneut über die letzten Worte des Artikels. Dabei fielen ihre Augen auf den Namen des Autors, der in den dünnen Lettern am Ende aufgelistet war. Bradwell Quinn. Aus seiner Feder hatten mehrere Abhandlungen über den Schauspieler gestammt. Die Meisten schienen jedoch in der Masse untergegangen zu sein, was erklärte, wieso sie erst so weit am Ende der Suchseite auftauchten.
Die Beliebteren stammten entweder von großen Zeitungen, die über Ashtons neuste Filme berichteten, oder von Klatschblättern, die den neusten Tratsch aufgriffen. Keine der Online News Seite stimmte jedoch solch einen kritischen Ton an, wie Quinn es in seinen Artikeln tat. Es wirkte beinahe, als hätte er sich darauf eingeschossen, über den Schauspieler zu schreiben.
Der Einzige seiner Artikel, der auf der Beliebtheitsskala hinaufgeklettert war, war ein recht aktueller, den sie anfangs kurz überflogen hatte. Darin ging es um Ashtons neueste Beziehung mit seinem Ex – Co Star Clarice Ratherford am Set seines neuesten Films.
Doch über Parker würde er nicht schreiben. Die Chance würde sie ihm nicht geben. Da war sie fest entschlossen. Hoffentlich würde Pierce genauso schnell merken, dass sie nicht vorhatte, weiterhin mit ihm gesehen zu werden, um sie in Ruhe zu lassen. Schließlich schien er normalerweise gut genug darin zu sein, von Frau zu Frau zu springen. Dann würde das für ihn dieses Mal bestimmt ein genauso geringes Problem werden. Zumindest, wenn er nicht genauso stur war, wie Parker selbst. Ansonsten würden beide noch ein großes Problem miteinander bekommen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro