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Kapitel 3 | Parker

Seit der Nacht im Club, in der ihr der Fremde den Atem geraubt hatte, waren einige Tage vergangen. Doch trotz der Ablenkung, die ihr die Universität bot, konnte sie dieses Aufeinandertreffen nicht vergessen. Stattdessen hatte sie sich immer wieder dabei erwischt, wie ihre Gedanken zurück zu dem Abend glitten. Egal wie sie sehr sie sich davon abzuhalten versuchte. Jeder Versuch schien vergeblich.

Auch an diesem Nachmittag in ihrer letzten Vorlesung hatte sie sich davon nicht befreien können. Und das ausgerechnet in dem strafrechtlichen Vorrat, auf den sie sich seit Wochen gefreut hatte. Dieses Mal ärgerte sie sich wirklich über sich selbst.

Dementsprechend schlecht war auch ihre Laune, als der Professor die Stunde beendete und die Studenten entließ. Mit gesenkten Mundwinkeln ließ sie ihre Schreibutensilien der Reihe nach in ihrem Rucksack verschwinden. Für gewöhnlich genoss sie den Unterricht. Heute konnte sie es jedoch gar nicht erwarten, endlich das alte, weitläufige Gebäude zu verlassen. Möglicherweise half es ihr, etwas frische Luft den Kopf freizubekommen. Zumindest begann ihr das, zunehmend wie die letzte Hoffnung zu erscheinen.

Als es ihr endlich gelungen war, sich mit ihren Kommilitonen durch den Ausgang zu quetschen, atmete sie erleichtert durch. Der Flur war überflutet mit Studenten, die allesamt umherwanderten. Das hin - und herzucken der Augen mancher von ihnen verrieten, dass sie nach ihren Freunden oder den Mitgliedern ihrer Lerngruppen Ausschau hielten. Andere durchquerten den Gang so zielstrebig, dass es keinen Anlass gab daran zu zweifeln, dass sie auf dem Weg zu ihrem Kurs waren. Nur ein paar wenige machten sich auf den Weg zu den breiten Ausgangstüren aus massivem Ebenholz. Anfangs hatte sie das gewundert und im ersten Semester hatte sie sich zwischen den Menschenmengen verloren gefühlt. Je länger sie hier studierte, desto stärker realisierte sie, wie unterschiedlich die Leben der Leute waren, die jeden Tag an der Universität ein und ausgingen. Beinahe jeder focht auf seine eigene Weise in seinem Inneren einen Kampf mit sich aus, von dem kein Außenstehender so einfach etwas ahnen konnte.

Ein Wissen, das eine merkwürdig beruhigende Wirkung auf sie hatte. Auch wenn sie es sich anfangs nicht ganz hatte eingestehen wollen. Der Gedanke, dass es ihr guttat zu wissen, dass andere alles andere als perfekt waren, hatte sie erschreckt und ihr im ersten Moment ein schlechtes Gefühl verliehen. Beinahe angewidert von sich selbst, war sie gewesen.

Mit der Zeit hatte sie jedoch realisiert, dass ihre Reaktion weniger falsch war, als sie dachte. Seit sie sich erinnern konnte, war ihr wie ein Mantra eingeprägt worden, dass Unvollkommenheit eine Schwäche war. Nicht nur von ihren Eltern. Die ganze Kleinstadt schien sich irgendwie darauf geeinigt zu haben. Ein Motto, mit dem sie besonders in den letzten Jahren vor ihrem Schulabschluss zu kämpfen gehabt hatte.

Die Großstadt hatte ihr allerdings gezeigt, wie verdreht dieses Weltbild gewesen war, das ihr ihre Eltern achtzehn Jahre lang aufoktroyiert hatten. Dieses neue Umfeld hatte sie ihr die Realisation geschenkt, dass das Leben nur für die wenigsten Menschen jederzeit vollkommen problemlos verlief. Auch wenn sie noch immer damit zu kämpfen hatte, diese Tatsache in ihrem eigenen Leben zu akzeptieren. Den Einfluss ihrer Familie abzuschütteln, erschien ihr jedes Mal, wenn sie daran dachte, wie ein unerklimmbarer Berg, gegen den sie bei jedem Versuch letztendlich kapitulieren würde.

Das war auch der Grund dafür, dass sie so akribisch versuchte, ihren Nebenjob geheim zu halten. Denn während sie für ihr Jurastudium nie die Anerkennung ihrer Eltern erhalten hatte, würden sie sich augenblicklich auf ihren Nebenverdienst stürzen und sie dafür in der Luft zerreißen.

Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, betrat sie die weitläufige Eingangshalle. Diese war zwar ähnlich überfüllt wie die Flure, doch Parker steuerte geradewegs auf die Stelle zu, die mit der Zeit zu Lindens und ihrem gemeinsamen Treffpunkt geworden war. Neben der alten Säule aus hellem Stein, die sich vor ihr in die Höhe erstreckte und an der Decke mit den anderen Stützbalken in einem kunstvollen Geflecht zusammenlief, kam sie zum Stehen. Die kleine Holzbank, auf die sie sich manchmal während des Wartens sinken ließ, war an diesem Mittag von anderen Studenten besetzt. Also blieb sie stehen und lehnte sich gegen den Stein. Hoffentlich würde Linden nicht allzu lange auf sich warten lassen.

In den ersten Semestern war sein Unterricht oft gemeinsam mit ihrem geendet. Seit dem neuen Schuljahr hatte sich das Blatt viel zu rapide gewendet und ihnen gelang es kaum noch, Tage auszumachen, an denen sich ihre Tagesabläufe überschnitten. Zwar hatte es ein halbes Jahr in der Highschool gegeben, in dem sie sich mit einer ähnlichen Situation konfrontiert gesehen hatte. Das Maß, das Parkers Jurastudium ihr machte, war mit ihrer Highschool-Zeit allerdings kaum vergleichbar. Deshalb war sie jedes Mal aufs Neue froh, wenn es ihnen gelang, den Nachmittag miteinander zu verbringen.

Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende geführt, tauchte Linden in ihrem Sichtfeld auf. Mit konzentriertem Blick versuchte er die Studentengruppen um umrunden, die sich vor ihm gebildeten hatten, als wollten sie regelrecht behindern. Parker musste sich ein Grinsen verkneifen, während sie ihn dabei beobachtete, wie er sich durch die Massen kämpfte. Die Art, auf die er die Augenbrauen zusammenzog und mit konzentriertem Blick auswich, war einfach zu unterhaltsam. Es fehlte nur noch, dass er die Zunge auf diese fokussierte Weise herausstreckte, wie manche Menschen es taten, ohne es zu merken. Dann würde sie endgültig in Gelächter verfallen.

Sie winkte ihm zu, als er nur noch wenige Meter von ihr entfernt war: "Hey, hast du es endlich geschafft?"
„Hey", erwiderte er deutlich erleichtert und fuhr sich mit einer Hand durch die dunklen Locken: "Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass dieser Tag endlich zu Ende ist."
„Na ja, vollkommen zu Ende ist er ja noch nicht", erinnerte sie ihn daran, dass sie die restliche Zeit miteinander zu verbringen geplant hatten: "Oder hast du keine Lust mehr in die Stadt zu gehen?"

Falls er sich dazu entschied, den Rest des Tages damit ausklingen zu lassen, alleine auf dem Balkon zu sitzen und die Stadt zu beobachten, konnte sie ihm keine Vorwürfe machen. In letzter Zeit schien ihm einer der Professoren das Leben absichtlich schwer zu machen. Dabei war Linden einer der besten Studenten in seinem Kurs und Parker konnte einfach nicht erkennen, was der junge Mann immer wieder falsch zu machen schien. In ihren Augen benahm er sich nicht anders als die restlichen Linguistik Studenten in seinem Jahrgang. Vermutlich würde die Antwort auf ewig ein unergründliches Geheimnis bleiben.

„Doch, doch. Komm gar nicht auf solche Ideen", wehrte er sofort mit den Händen ab: "Du bist mein Rettungsanker, meine Liebe. Hätte ich nicht gewusst, dass wir uns heute treffen, hätte ich in Mister Langfords Vorlesung vermutlich einen Nervenzusammenbruch erlitten."
Ein kleines Grinsen schlich sich auf seine Lippen: "Ich stehe jederzeit gerne als Lebensretterin zur Verfügung."
„Das habe ich mir gedacht", ihn lächeln zu sehen, ließ das Schweregefühl verschwinden, das sich bei seinen Erzählungen über ihr Herz gelegt hatte wie ein dunkler Schatten. Sie konnte es nicht ertragen, ihn niedergeschlagen zu sehen.

„Komm, wir gehen. Ich kann die Uni für heute nicht mehr sehen", verkündete die Blondine kurzerhand und ergriff seine Hand, um ihn mit sich zum Ausgang zu ziehen. Obwohl sie für gewöhnlich gerne hierher kam, war sie heute immer wieder abgelenkt gewesen. Während die Sekundenzeiger an der Uhr langsam weiter getickt hatten, hatte sie es zu verabscheuen begonnen, still da zu sitzen und sich auf kein Wort konzentrieren zu können, welches ihr Professor von sich gab.

Den Grund konnte sie jedoch unmöglich mit Linden teilen. Auch wenn es ihr auf der Lunge brannte, ihm von dem Mann zu erzählen, der sie auf solche Weise in seiner Existenz gefesselt hatte. Erzählte sie von ihm, musste sie aber auch von ihrem geheimen Nebenjob erzählen und das war unmöglich. Ihr Herz sank erneut. Wie schaffte sie es, ihm immer wieder in die haselnussbraunen Augen zu blicken, die vor Gutmütigkeit strotzten, und ihm eine Lüge nach der anderen entgegen zuknallen. Immer wieder, unaufhaltsam und schmerzhaft. Er mochte von all dem nichts wissen, doch mit jedem Tag wuchs ihre Furcht davor, er könnte es herausfinden und vor dem Schmerz, der ihn ergreifen würde. Eine Last, die auf ihren Schultern lag und immer schwerer zu werden schien, je tiefer sie sich in ihr Lügennetz verstrickte.

„Hast du Lust auf Heißgetränke bei Carter's?", fragte Linden, als sie gemeinsam die massiven Steintreppen hinunter stiegen, die zu dem weitläufigen Gelände vor der Uni führten. Sie blickte kurz zu ihm herüber, offensichtlich mit ihrer Antwort hadernd. Normalerweise brauchte sie man sie nicht zweimal fragen, wenn es ums Carter's ging. Doch nun war Monatsende und sie wusste um die drohende Ebbe auf ihrem Bankkonto.

Als könnte er anhand ihres Gesichtsausdrucks erraten, was sie dachte, drückte er sanft ihre Hand: "Mach dir keine Gedanken, Park. Ich lade dich ein."
„Das musst du wirklich nicht", protestierte sie und ihre Stirn legte sich in Falten. Er tat das viel zu oft und verstärkte damit die Schuldgefühle, die in ihrem Inneren brodelten, nur weiter.
„Ach komm schon. Sei nicht wieder so stur", er legte den Kopf schief und sah sie eindringlich an: "Du weißt wie dringend ich meinen Kaffee brauche und ich fühle mich mies, wenn nur ich mir etwas hole und du daneben stehst und deinen Himbeertee anschmachtest."
„Ich schmachte doch nicht", warf sie ein.
„Doch, tust du. Du schaust dieses Getränk verliebter an, als jeden Mann, mit dem ich dich je gesehen habe", er warf die Hände in die Luft, als könnte das seiner Behauptung mehr Gewicht verleihen. Parker biss sich auf die Unterlippe. Wenn er nur wüsste!

Obwohl es ihr wahnsinnig schwer viel nachzugeben, stieß sie letztendlich einen Seufzer aus: "Na gut, aber nur wenn du mich nicht einlädst, sondern mir das Geld nur leihst. Ich gehe es dir dann pünktlich am Ersten zurück."
„Verflucht sei deine Sturheit", murmelte er, bevor er langsam nickte: "In Ordnung, dann eben so."

Gemeinsam überquerten sie die viel befahrene Hauptstraße neben dem Universitätsgelände, bevor sie die Treppen zur U-Bahn-Station hinunter liefen. Parker umfing ein Gefühl der Vertrautheit, als sie ihre Jacke enger um ihren Körper zog, als der Zug quietschend am Bahnsteig zum Halt kam. Sie musste keinen Blick auf die leuchtende Anzeigetafel über ihrem Kopf werfen, um zu wissen, wohin sie die Bahn brachte. Täglich stieg sie hier ein, sodass sich die Fahrt bis nach Washington Heights in ihren Alltagstrott eingeordnet hatte.

Kaum waren ein paar Fahrgäste ausgestiegen, quetschte Parker sich gemeinsam mit Linden hin. Wie so oft um diese Zeit waren die Sitzplätze ausnahmslos voll, sodass sie sich in der Nähe der Tür gegen die Stahlwand des Zuges lehnte. Linden tat es ihr gleich.

„Was hast du für das Wochenende geplant?", entschied sich der junge Mann für lockeres Geplänkel. Parker überlegte kurz. Mal wieder hatte sie nichts Außergewöhnliches für die wenigen freien Tage in der Woche eingeplant. Für gewöhnlich vergrub sie sich, wenn die Uni wieder stressig wurde, über das Wochenende mit ihrem Laptop in ihrer großen, flauschigen Wohnzimmerdecke und ging den Stoff durch. Die einzigen Ausnahmen waren meistens unvermeidbare Aktivitäten wie Einkaufen, wenn auch der letzte Teebeutel seinen Weg in ihre Tasse gefunden hatte, oder ihr Nebenjob.

Im Evernight wurde die ganze Woche durchgearbeitet und so verließ Parker an den meisten Samstagabenden die Wohnung, um zur Arbeit zu gehen. Anfangs war sie von der Idee, am Wochenende zu arbeiten, nicht sonderlich begeistert gewesen. Schließlich war es noch schwerer, an einem Samstag eine Ausrede dafür zu finden, wieso sie keine Zeit hatte, als während der Woche. Kaum hatte sie die erste Samstagsschicht hinter sich gebracht, war die ursprüngliche Skepsis wie weggeblasen.

Samstags war der Club brechend voll. Es schien kaum Ecken zu geben, die nicht vollkommen überfüllt waren und auf eine Weise, die sie sich selbst nicht erklären konnte, genoss sie es. Möglicherweise war es die Anonymität, die ihr die Menge bot. So konnte sie einfach zwischen den Leuten verschwinden, wenn sie entschied nach der Arbeit zu bleiben und jegliche Hoffnung auf einen nicht verkaterten Sonntagmorgen über Bord warf. Wenn sie auf die Bühne trat, waren hingegen alle Augen auf sie gerichtet und sie überkam diese pulsierende, göttliche Ekstase, die keine Droge dieser Welt erschaffen könnte.

„Ich schätze, ich werde einfach ein bisschen lernen", antwortete sie mit einem Schulterzucken: "Außerdem gebe ich am Samstag Nachhilfe."
„So oft wie du Nachhilfe gibst, müssten deine Schüler doch eigentlich in jeder Prüfung immer die volle Punktzahl haben", Lindens Schultern bebte, als er ausgelassen lachte.
„Das könnte man wohl denken", stimmte sie nach kurzem Schweigen zu, während sich ein dicker Kloß in ihrer Kehle bildete: "Aber die meisten Nachhilfeschüler haben einfach reiche Eltern, die sie mit aller Kraft durch das Studium boxen wollten. Dabei hat ein Großteil von ihnen keine Lust auf das Studium."

Wenige Tage zuvor hatte sie ähnliche Bemerkungen von einer jungen Mitstudentin in der Sitzreihe vor ihr im Hörsaal aufgeschnappt, als sie auf ihren Professor wartete. Ein paar Leute gaben Nachhilfe, um sich Geld dazu zu verdienen, weshalb der Job für Parker das perfekte Alibi war. Trotzdem geriet sie immer wieder ins Wanken, wenn Linden sie darauf ansprach.

„Ist ja aber auch egal. Ich tue mein Bestes und solange ich damit meine Wohnung bezahlen kann, beschwere ich mich nicht", erklärte sie und konnte nicht verhindern, dass ihre Gedanken zu ihrem tatsächlichen Job wanderten. Obwohl es anfangs tatsächlich nur ein Mittel gewesen war, um ihre Rechnungen begleichen zu können, hatte sie die Arbeit als Stripperin zu lieben gelernt. Auf der Bühne fühlte sie sich unbesiegbar. Deshalb sorgte der Gedanke, dass ihr Geheimnis herauskommen und ihr bisheriges Leben zerschmettern könnte, für ein unangenehmes Drücken in ihrer Magengrube.

„Stimmt wohl", gestand sich Linden ein, während er sich seine Finger in der Halteschlaufe über seinem Kopf verkrampften, um beim plötzlichen Abbremsen des Zuges nicht gegen sie zu stolpern: "Würde ich das Geld nicht brauchen, würde ich auch nicht freiwillig mit Kayden arbeiten."

Parker war froh über den Themenwechsel, weshalb sie sich ohne zu zögern darauf einlässt.
„Das kann ich mir vorstellen. Kayden ist ein Albtraum", sie lachte amüsiert. Dabei griff sie schnell nach seiner Schulter, um nicht zurückzutaumeln. Den richtigen Moment, um sich irgendwo anders festzuhalten, hatte sie verpasst. Das schien auch Linden zu bemerkte, dann er mit der freien Hand schnell ihren Arm umfing und sie auf den Füßen hielt.

Sie entspannte sich in seinem Griff. Linden war ihre Sicherheit. Ihre Vernunft. Er war alles, was sie gehabt hatte, als sie hierhergekommen war. Deshalb zerfraß es sie so sehr, ihn zu belügen. Doch sie konnte nicht anders, denn wenn er es erfuhr, konnte das den Anfang vom Ende ihres Geheimnisses bedeuten und das musste sie um jeden Preis vermeiden.

_____

Parker stromerte rastlos durch das Appartement. Seit sie sich vor einer Stunde von Linden verabschiedet hatte, schien es ihr unmöglich zur Ruhe zu kommen. Während sie durch das Wohnzimmer wanderte, zog sie immer wieder mit konzentriertem Blick am Strohhalm ihres leeren Bechers. Mittlerweile hatte sie selbst die letzten Tropfen des sündhaft teuren Himbeertees herausgesogen, doch das hatte sie kaum bemerkt. Ihre Zweifel hielten sie fest im Griff. Seit die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen und den gemeinsamen Abend mit Linden beendet hatte, lasteten die Schuldgefühle schwer auf ihr.

Vor dem weitläufigen Wohnzimmerfenster blieb sie stehen. Ihr Blick wanderte über die Straße vor ihrem Mietshaus, auf der die Autos hin und her flitzten. Ein Chaos, das dem in ihrem Inneren glich.

Resigniert stellte sie den Plastikbecher auf der Fensterbank ab, nachdem sie einige Minuten einfach nur hinaus gestarrt und auf dem Papierstrohhalm gekaut hatte, bis er sich in ihrem Mund aufzulösen drohte. Ihr Blick fiel auf den Blumentopf, den sie auf der Fensterbank mitten in der Sonne platziert hatte. Genauso wie Linden es ihr gezeigt hatte. Dieses Mal war sie wild entschlossen, das zarte Pflänzchen am Leben zu halten. So schwer dürfte das doch nicht sein. Das hatte selbst Linden gesagt, als er ihr das Geschenk machte. Vorsichtig strich sie über eine der kleinen Blätter und bückte sich ein wenig, um einen besseren Blick darauf zu erhaschen.

„Oh man, was tue ich hier nur?", murmelte sie zu sich selbst, während sie langsam mit dem Kopf schüttelte: "Er ist dein bester Freund und du verhältst dich wie eine Idiotin."
Mit einem frustrierten Seufzen erhob sie sich auf ihrer Hocke und schlenderte zum Wohnzimmertisch. Dort griff sie nach ihrem Handy und wählte die Telefonnummer ihrer Tante.

Während das Tuten aus dem Handylautsprecher drang, ließ sie sich in die Sofakissen sinken. Ihr Gesicht drückte sich gegen den hellen, weichen Stoff und ihre Lider schlossen sich. Vielleicht sollte sie das Wochenende tatsächlich einfach im Bett verbringen und sich vor ihren Problemen verstecken, in der Hoffnung, sie würden sich von selbst lösen.

„Verlice?", die Stimme ihrer Tante drang laut aus dem Hörer und brachte sie dazu, die Augen schlagartig zu öffnen.
„Hey, Abby", meldete Parker sich zu Wort und setzte sich nun doch langsam auf, um ihren Kopf gegen die Sofalehne zu legen: "Ich bin's Parker."
Als sie die Stimme ihrer Nichte hörte, verließ der professionelle Ton, den sie für den Fall, ein Kunde würde anrufen, aufgesetzt hatte, ihre Stimme: "Oh hey, Parker. Was ist los? Du klingst nicht gut."

Sie lehnte den Kopf weiter zurück und verzog das Gesicht. War das so offensichtlich?
„Ich weiß ganz genau, welches Gesicht du gerade machst", Abigails Lachen klang wie Musik in ihren Ohren. Ihre Stimme zu hören, hob ihre miserable Laune zumindest ein wenig.
„Mache ich aber gar nicht", protestierte sie, bevor sie sich zusammen raufte: "Störe ich oder hast du gerade etwas Zeit?"

„Ich habe immer Zeit. Das weißt du doch", entgegnete Abigail und Parker meinte durch den Hörer das Knarzen des Sofas zu vernehmen, als sie sich die Frau darauf sinken ließ.
„Außer, wenn du malst", warf Parker ein. Sie bewunderte die Fähigkeit ihrer Tante dafür, sich vollkommen in ihre Leidenschaften zu stürzen und alles andere währenddessen zu vergessen. Als gäbe es nichts, als sie und ihre Leinwände, die darauf warteten, ihre Geschichte zu erzählen.
„Stimmt auch wieder. Aber ich schätze, dass du nicht angerufen hast, um über mich zu reden", schlussfolgerte Abigail richtig: "Was ist los, Parker?"

„Das übliche", war die erste Erklärung, die ihr einfiel. Als Abigail schwieg, fuhr sie dann aber doch fort.
„Es macht mich wirklich fertig, Linden ständig anzulügen", stieß sie seufzend aus, bevor sie deutlicher wurde: "Diese Woche habe ich ihn schon zweimal darüber angelogen, was ich mache. Langsam entwickelt sich das zu einem Rekord, auf den ich nicht stolz bin."

Ein Seufzen drang durch den Lautsprecher, bevor Abigail zu einer Antwort ansetzte: "Ich weiß, wie schwer das für dich ist. Hast du drüber nachgedacht, es ihm vielleicht doch zu sagen?"
„Ich weiß es nicht", gab sie offen zu: "Ich hasse es zwar, ihn anzulügen, aber gleichzeitig habe ich wahnsinnige Angst davor, was passiert, wenn er es erfährt. Wenn das rauskommt und unsere Familie davon hört, ist mein Ruf für immer zerstört. Du weißt, was ich meine."
„Ja, das weiß ich nur allzu gut", Bitterkeit hatte sich in Abigails Stimme gemischt.

Tatsächlich wusste ihre Tante selbst ganz genau, was es bedeutete, die Erwartungen ihrer Familie nicht zu erfüllen und nichts als Abscheu entgegengebracht zu bekommen. Daraus machten weder Parkers Mutter noch Abigail kein Geheimnis. Seit ihrer Jugend waren Abigail und Ana Verlice auseinander gedriftet und hatten einander immer weiter in Streitereien verwickelt. Kaum waren sie erwachsen, hatte Parkers Tante es nicht erwarten könnten, das Elternhaus zu verlassen und nach New York zu gehen, um dort ihren Traum als freiberufliche Künstlerin wahrzumachen. Ein Wunsch, dessen Erfüllung bisher noch auf sich warten ließ.

Trotzdem hatte Parker sie seit ihrer Kindheit dafür bewundert, wie sie ihren Träumen gefolgt war, ohne sich von ihrer Familie zurückhalten zu lassen. Dass sie sich eines Tages in einer ähnlichen Situation befinden würde und dass ihre eigenen Eltern noch perfektionistischer werden würden, hatte sie damals noch nicht ahnen zu können.

„Wenn du dir nicht sicher bist, behalte es lieber weiter für dich", riet ihr Abigail nach einigen Minuten der Stille, in der beide Frauen vor sich hin grübelten: "Nicht, dass du deine Entscheidung später bereust. Wenn es einmal draußen ist, ist es zu spät. Linden kannst du es auch in Zukunft noch erzählen. Sobald du mit dem Studium fertig bist und hier einen Job gefunden hast, kann dir egal sein, was deine Eltern denken. Glaub mir."

Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass Abigail recht hatte. Wenn ihre Familie es einmal wusste, war es zu spät. Ihre Eltern würden sie regelrecht verstoßen, wenn sie davon erfuhr. Zum schwarzen Schaf der Familie zu werden, war das Letzte, was sie wollte. Schließlich bekam sie oft genug zu spüren, wie viele Dinge es in den Augen ihrer Eltern gab, die ihre ältere Schwester Phoebe besser machten.

Dabei ging es ihr weniger um das Geld ihrer Eltern. Schließlich versuchte sie, seit sie ausgezogen war, auf eigenen Beinen zu stehen und so wenig Unterstützung ihrer Eltern wie möglich entgegenzunehmen. Sie wollte nicht als die Schwester gelten, die nicht ohne die Hilfe ihrer Eltern klarkam.

„Ich schätze, du hast recht. Fürs Erste sollte alles beim Alten bleiben", stimmte sie letztendlich zu: "Danke, Abby."
„Das ist doch selbstverständlich", versicherte die Gesprächspartnerin ihr: "Ich muss in zehn Minuten los, weil ich mich mit einer Freundin treffen wollte. Gibt es noch etwas, über das du reden möchtest oder wäre es okay, wenn wir für heute Schluss machen?"
„Nein, nein. Mach dir keine Gedanken", beteuerte Parker: "Wir hören uns in den nächsten Tagen wieder. Viel Spaß mit deiner Freundin."
„Danke, genieß den Abend und zerbrich dir nicht den Kopf", beharrte sie erneut mit Nachdruck, bevor sie sich verabschiedete: "Tschüss, Parker. Genieß deinen Abend."
„Tschüss", erwiderte sie die Verabschiedung, bevor das Telefon endete.

Parker ließ das Handy achtlos neben sich auf das Sofapolster fallen, vergrub das Gesicht tief im Kissen, als könnte sie sich damit vor der Welt verstecken, und streckte alle Viere von sich. Hoffentlich war das die richtige Entscheidung.

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