Tag 1, Montag - Die Nacht
Zuhause wurde mir mitgeteilt, dass gegrillt wurde. Es war 19:40 Uhr und ich hatte keine Lust etwas zu essen. Abgesehen davon war ich Vegetarierin, bis auf mein Lieblingsgericht Curry Huhn. Deshalb duschte ich und legte mich in mein Bett. Irgendwann schlief ich ein. Ich hatte es gar nicht bemerkt.
Irgendetwas stimmte nicht. Ich wollte nicht aufwachen, aber ich war wach und ich wurde irgendwie daran gehindert weiterzuschlafen. Nach gefühlten zehn Minuten gab ich es auf und setzte mich auf. Von meinem Wecker konnte ich ablesen, dass es Mitternacht war. Ein kalter Windzug streifte mich. Ich verstand nicht woher der kommen konnte und schaute automatisch zu dem Fenster direkt an der Wand, an der das Bett stand. Es war geöffnet. Wieso war es geöffnet? Ich konnte mich nicht erinnern es geöffnet zu haben. Ich wollte es schließen, also stand ich auf und ging darauf zu.
Fast hätte ich es einfach geschlossen und hätte versucht weiterzuschlafen, aber da leuchtete etwas in den Steinen vor dem Fenster. Ein erneuter Windzug ließ meine Haare seltsamerweise nach vorne wehen. Ebenso schlug der Stoff meines Nachthemdes an meinen Waden an. Was sollte das bedeuten? Ich hatte keine Ahnung, wo dieser Windzug herkommen konnte. Noch ehe ich länger darüber nachdachte, kletterte ich auf das Fenstersims und tastete nach dem leuchtenden Stein. Ich fasste ihn an, doch es war die glatte Seite des Steines, die sich sonst auch immer genauso anfühlte.
Diese zarten Adern durch die etwas blaues durchfloss, waren irgendwo anders. Ich konnte sie nicht spüren. Aber sie waren da. Enttäuscht legte ich den Stein wieder zu den Anderen. Jetzt da sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, konnte ich sehen, wie jeden Stein diese Adern mit dem blauen Etwas durchzog. Es war überall. Nicht nur in den Steinen – Es war auch in den Himbeersträuchern im Garten, in den ich von meinem Fenster aus sehen konnte. In jedem einzelnen Blatt waren diese Adern, deren Etwas nicht blau sondern grün. Leuchtend grün.
Ich krabbelte ganz durch das Fenster. Jetzt konnte ich auch die Erde sehen. Ich rappelte mich auf und stand auf dem weichen Rindenmulch. Jedes Teil des Rindenmulches wurde von kleinen, dünnen und dickeren, braunen Adern durchzogen. Ich kniete auf den Boden und schob etwas Rindenmulch beiseite, bis ich die Erde sehen konnte. Und ich konnte es kaum fassen. Es war eine glatte Schicht, wie Marmor. Kühl, glatt, hart und leuchtend durchsichtig, als hätte man eine einzige kleine Lampe unter sehr vielen Schichten Glas versteckt. Es wurde von schwarzen Adern durchzogen und es war so eine glasige Schicht, dass man alle Adern sehen konnte.
Ich stand wieder auf und wollte mehr sehen. Ich ging zu der Wiese neben dem Garten. Bäume waren wie der Rindenmulch braun im Stamm. Die Blätter hatten helle grüne Adern, während Nadeln eher dunklere grüne Adern durchdrang. Es war alles wunderschön. Ich war überwältigt davon. In mir regten sich Gefühle, die ich nicht kannte. Stärke, Lebensfreude. Das hatte ich seit einer langen Zeit nicht mehr gefühlt. Ich ließ mich in das Gras sinken und betrachtete die grünen Adern, die mich umgaben.
Als ich in den Himmel sah, konnte ich es nicht fassen. Dort waren die Sterne, die noch heller leuchteten wie sonst immer, die Sternbilder waren klar und deutlich zu sehen. Der zunehmende Mond am Himmel war hell und klar. Ich hatte noch nie deutlicher die Schattierungen gesehen. Es war alles vollkommen klar und scharf. Ich hatte noch nie schärfer gesehen.
Lächelnd sah ich in den Mond. Direkt hinein. Als würde ich sehen wollen, was dahinter war. Es war der perfekte Moment.
Die Laute einer Eule rissen mich aus meinen Gedanken. Ich stand auf und erinnerte mich daran, dass ich schlafen wollte. Aber ich blieb stehen und genoss noch den letzten Windstoß, der meine langen, dunkelroten, welligen Haare nach vorne wehte. Meine Augen waren geschlossen und ich spürte, wie eine Strähne über mein Augenlid fiel. Das lange schwarze Kleid wehte an meinen Waden und ich spürte den Saum des Kleides an meinen Füßen.
„Pluvia“ flüsterte ich unbewusst. Nasse Tropfen fielen langsam auf meine Haut. Ich riss die Augen auf. Es regnete. Wasser hatte blaue Adern, klar und durchsichtig mit kleinen Faseradern reflektierten die Tropfen das Licht des Mondes. Alles schien in Zeitlupe zu geschehen. Ich liebte den Regen. Es war als würde er mich stärken, wie der Mond die Erde stärkte. Regen war mein Element. Ich schloss wieder die Augen. Mit jedem Atemzug, den ich nahm, konnte ich die neue Kraft in mir spüren. Diese Energie, die mein Blut in Bewegung brachte. Sie war in mir und ich konnte sie benutzen. Wenn ich jetzt die Augen öffnen würde, wäre dann noch alles wie vorher? Ich wollte es nicht riskieren. Ich legte den Kopf in den Nacken und ließ den Wind über meine Haut streichen. Ich war ein Teil von diesem Augenblick und würde es immer sein, denn niemand konnte mich hier herausschneiden. „Erinnere dich immer daran...“
Irgendwann war ich schließlich doch in mein Zimmer zurück gekrabbelt und stand nun vor dem Spiegel. Ich war anders. Ich wirkte gesünder. Reine, helle Haut und keine Augenringe. Meine Haare waren in einem tiefen Dunkelrot getaucht und spiegelten meine Augen wider, die blutrot waren. Der Türkis an meinem Hals glühte und sah aus, als wäre blaues Wasser in einer Hülle gefangen wäre. An meinem linken Handgelenk war ein Pentagramm, das aussah als wäre es eingebrannt. Es tat nicht weh, aber es war blau. Türkisblau. Wie der Stein an meinem Herzchakra. Aber wie sollte ich das erklären? Die Haare, da könnte ich sagen, ich hätte sie frisch gefärbt. Aber wie sollte ich die roten Augen und das blaue Pentagramm erklären? Verzweifelt suchte ich nach einer Ausrede bis ich schließlich einschlief.
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Die Adern waren ihre Idee, nur bei Hanna sind sie vollständig blau und nicht verschieden farbig. Das hatte ich damals, als ich die Story gelesen hatte, irgendwie überlesen...
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