Tag 1, Montag - Das erste Training
„Hallo Elizabetha“ begrüße mich James. Er lehnte an der Wand des Globe Theaters und wartete wie Chantal und Sofia darauf, dass jemand die Tür öffnete.
„Hi. Bin ich zu spät?“ fragte ich in die Runde, weil alle schon da waren und etwas ungeduldig wirkten. Sie schüttelten den Kopf. Sofia wirkte nervös. Sie kontrollierte ständig ihr wasserstoffblondes Haar auf Spliss. Chantal las ein Buch über Abba, natürlich. James steckte seinen iPod in seinen Rucksack.
„Und wie geht es dir heute?“ fragte er grinsend. Ich musste lachen.
„Mir geht es gut. Ich war gestern wohl ziemlich aufgeregt, tut mir Leid, dass ich dich genervt habe.“ entschuldigte ich mich.
„Oh, du hast nicht genervt.“ sagte er. „Ich fand das eher lustig“ erklärte er lächelnd.
„Und wie geht es dir heute?“ fragte ich interessiert. Er war der Einzige von meinen Mitbewerbern, der bisher mit mir geredet hatte und nett zu mir war. Sein Lächeln verzog sich zu einem gleichgültigen Gesichtsausdruck und er schien abzuweichen. Seine Augen starrten auf mich, aber schienen abwesend. Sie wurden größer und er blinzelte nicht mehr. Etwas in seinen Augen schien sich zu verändern.
Die Tür des Globe Theaters schlug auf und Gabriella stieß ein überraschtes „Oh“ aus.
„Wir dachten, ihr würdet gleich hereinkommen.“ sagte sie verwundert. Sie runzelte die Stirn. Bestimmt warteten schon alle, wenn sie erwartet hatten, dass wir hereinkämen.
„Es war abgeschlossen“ sagte Sofia entschuldigend. Chantal steckte ihr Buch in die Tasche und ging eiskalt an Gabriella vorbei. Sofia schaute noch einmal entschuldigend und folgte ihr. Gabriella zog eine Augenbraue hoch und sah uns fragend an. James war aus seiner Trance wieder erwacht und verdrehte die Augen. Er murmelte eine Entschuldigung zu Gabriella und ging durch die Tür. Ich blieb verdutzt stehen.
„Was ist denn mit denen los?“ fragte Gabriella ruhig. Ich schaute sie an und erwiderte versehentlich auf Deutsch: „Ich habe keine Ahnung“
Sie blickte mich verständnislos an. Ich bemerkte meinen kleinen peinlichen Fehler und wiederholte es auf Englisch für sie. Sie lächelte freundlich und meinte, dass es auch nicht so wichtig sei. Ich schlüpfte ebenfalls durch die Tür und wir betraten gemeinsam die Bühne.
Heute stand die Choreografie auf dem Plan und wir zogen uns unsere Sportkleidung an.
„Ich bin gespannt wer sich heute am meisten blamiert. Eliza oder James?“ sagte Chantal zu Sofia und die zwei kicherten darüber. Ich tat so, als habe ich es nicht gehört, doch Ornella warf ihr einen warnenden Blick zu.
„Ihr seid alle noch neu hier.“ sagte sie mit einem scharfen Unterton. Ich lächelte dankbar vor mich hin, während ich meine Schuhe schnürte. Dann ging ich hoch zu den Anderen.
Juan und James warteten schon und waren mit Gabriella in ein Gespräch vertieft. Zuerst ging ich zielstrebig auf sie zu, doch dann fiel mir ein, dass ich sie lieber nicht stören wollte. Ich wollte es James nicht kaputt machen, falls es in dem Gespräch um ihn ging. Also ging ich zu meiner Tasche, die auf einem der vorderen Plätze lag und holte mein Handy heraus. Hanna hatte mir eine Nachricht in WhatsApp geschrieben:
'16:30 Uhr an der Arena?' stand darin. Der Choreograf Andrew Hunt stand gerade in meiner Nähe. Ich ging mit dem Handy in der Hand zu ihm.
„Entschuldigung, können Sie mir vielleicht sagen, ob wir bis um 16:30 Uhr fertig sind?“ fragte ich höflich. Er lächelte.
„Ja, ihr dürft um 16 Uhr gehen. Danach ist um 17:15 noch eine Show und die Darsteller müssen sich selbst auch noch aufwärmen und fertig machen.“ sagte er sehr freundlich. Er hatte einen weichen Akzent und ich nickte dankend.
'Ich komme um ca. 16:10 Uhr an die Arena. Kannst du auf mich warten?' schrieb ich ihr zurück. Sie antwortete ein paar Minuten später mit 'Okay'
„Elizabetha!“ rief mich Gabriella mit heftigem Akzent. Ich blickte schnell auf und sah, wie sie mich zu sich winkte. Ich ging zu ihr. Juan und James standen auch noch bei ihr und sahen mich an. Juan murmelte etwas zu Gabriella und sie nickte.
„Hallo“ begrüßte ich Juan, den ich noch nicht gesehen hatte.
„Wir dachten nur, du würdest vielleicht lieber nicht alleine dort hinten herumsitzen.“ meinte Gabriella freundlich. Ich lächelte dankend.
„Und wie oft warst du schon bei Castings?“ fragte sie mich. Mein Lächeln erfror und ich wurde ein Bisschen verlegen. Diese Frage war wohl besonders interessant und umso peinlicher für mich.
„Dieses war mein Erstes“ entgegnete ich. James lächelte aufmunternd. Aber Juan und Gabriella verzogen überrascht das Gesicht. Es sah aus, als würde ihnen jeden Moment der Mund aufklappen.
„Wirklich?“ fragten sie immer wieder. Ich bejahte alle Fragen zu meiner Ernsthaftigkeit.
„Aber das klang sehr professionell.“ sagte Juan.
„Ich dachte, du hättest schon etliche Castings hinter dir.“ meinte Gabriella. Ich wurde von Komplimenten überschüttet., was ich nicht leiden konnte. Das erweckte in mir immer das Bedürfnis allen anderen auch alle Dinge aufzuzählen, die sie unglaublich toll machten.
„Dann ist es ja nur gut, dass wir dich genommen haben.“ sagte Juan.
„Nur ich habe dich noch nicht singen gehört!“ beklagte sich James und verschränkte spaßhaft die Arme vor der Brust. Gabriella und Juan lachten.
„Ja, das ist schade!“
Schließlich tauchten auch die Letzten auf und Mr. Hunt rief alle zu sich.
„Come on, Ladies and Gentlemen.“ pflegte er zu sagen. Ich mochte ihn. Er schien sehr nett zu sein. Wir übten die Choreografie zu dem Lied 'Waterloo'. Gabriella sang es und mir wurde der Text in die Hand gedrückt, ich solle ihn auswendig lernen.
Sofia bekam den Songtext von 'I do' und James sollte 'Money, Money' auswendig lernen.
Als Chantal den Songtext von 'When I kissed the teacher' bekam, warf sie empört ihre goldblonden Haare nach hinten und wischte mit ihrem Handtuch den Schweiß von ihrer Stirn.
„Ich kann das schon längst auswendig!“ rief sie zickig und hochnäsig, wie immer. Wir unterbrachen die Dehnübungen, die wir immer wieder zwischendurch einbrachten, und sahen ihr zu. Ornella sagte: „Nimm den Text doch einfach trotzdem mit, dann kannst du ihn dir noch einmal angucken“ Sie sagte das so freundlich, dass ich niemals dagegen protestiert hätte.
„Aber ich kann es doch schon. Ich kann das alles schon. Wieso muss ich denn überhaupt mit denen üben?!“ fragte sie empört und deutete mit einem überheblichen Blick auf uns.
„Du kannst es vielleicht, aber die Anderen eben noch nicht und das ist auch in Ordnung. Wir erwarten schließlich keine Wunder. Aber du solltest es respektieren und einfach mitmachen.“ meinte Ornella verzweifelt.
„Aber ich mache so mein T-Shirt schmutzig und ich stinke nach Schweiß!“ stellte sie entsetzt fest. Ab diesem Zeitpunkt weigerte sie sich permanent weiter zu üben. Ornella wurde immer verzweifelter und auch alle anderen mischten sich nach und nach in diesen Zickenkrieg ein. Ich blieb einfach stehen und sagte nichts. Irgendwann war es allen zu blöd und sie ließen Chantal gehen.
Das Training war danach viel entspannter. Zuerst waren noch alle genervt, aber dann machten wir Fehler, über die wir gemeinsam lachen konnten und hatten Spaß. Nur Sofia blieb stur und schwieg. Irgendwann verschwand sie angeblich auf der Toilette. James und ich lachten viel und auch die Solisten und der Choreograf hatten Spaß daran, uns etwas beizubringen. Am Ende konnten wir die Choreografie von 'Waterloo' und 'I do'. Obwohl bei 'I do' Sofia die Hauptrolle hatte und nicht geübt hatte, machte es auch mit Réka in der Rolle Spaß. Gabriella lobte mich freudig und fragte mich, was ich noch tun würde an diesem Tag.
„Es tut mir schon fast Leid, dass wir euch hier so lange festhalten.“ meinte sie, „Ab morgen wird das Training bis 16:30 Uhr gehen. Aber du wirst sehen, dass es sich lohnt.“
„Ich bin gerne hier. Meine beste Freundin arbeitet in der Arena als Pferdetrainerin und ich kann mich dann oft mit ihr treffen.“ erzählte ich ihr. Sie war begeistert davon und wollte mehr über Hanna wissen. Es stellte sich heraus, dass sie Hanna schon aus der Cafeteria kannte. Im Kopf fragte ich mich nur, ob Hanna überhaupt irgendwelche Personen aus dem Europapark, die wir früher angehimmelt hatten, noch nicht kennengelernt hat.
Bald war es 16 Uhr und ich ging in die Umkleidekabine um mir meine Alltagskleidung wieder anzuziehen. Als ich fertig war ging ich noch einmal zur Bühne, um mich zu verabschieden. Da kam Ulrich Grawunder auf mich zu und wirbelte mit einer Karte in der Luft herum. Er erklärte mir, dass das mein Mitarbeiterausweis sei und gab mir einen Zettel, auf dem stand, welche Privilegien ich dadurch hatte. Dann verabschiedete ich mich von allen und ging hinaus.
Draußen lehnte James an der Wand.
„Ah, da bist du ja endlich!“ sagte er zu mir. Er lächelte.
„Mir geht es übrigens gut. Entschuldige bitte, dass ich dir vorhin nicht geantwortet habe.“ Ich guckte ihn fragend an, doch dann fiel mir es mir wieder ein.
„Du warst wie in einer Trance. Was war das?“ fragte ich.
„Das erzähle ich dir zu einem anderen Zeitpunkt. Musst du auch mit dem Zug um 18: 58 Uhr fahren?“ fragte er. Er wollte offensichtlich das Thema wechseln. Ich kannte ihn noch nicht besonders gut und wollte ihm nicht zu nahe treten, deshalb spielte ich mit.
„Später ja, aber jetzt gehe ich noch zu der spanischen Arena. Dort arbeitet meine beste Freundin.“ erklärte ich.
„Ach so. Ich dachte wir könnten zusammen nach Hause fahren. Aber dann gehe ich einfach mal zum Bus. Bis Morgen!“ verabschiedete er sich. Ich sah ihm hinterher.
„Bis Morgen!“ Hier. Im Europapark. Ich konnte es immer noch kaum glauben.
Ich ging zur spanischen Arena. Hanna stand schon dort.
„Du bist zu spät“ sagte sie gekränkt. Sie hasste es, wenn ich zu spät kam. Ich nickte einsehend.
„Tut mir Leid“ murmelte ich. Ich lächelte aufmunternd und sie lächelte zurück.
„Willst du noch irgendetwas wissen?“ fragte ich. Wir setzten uns an unseren Stammplatz bei der Arena, vor Rangos Box.
„Was hast du heute gemacht?“ fragte sie. Ich grinste. Das war ein so schöner Tag.
„Wo soll ich anfangen? Also ich bin aufgestanden und ging in die Schule. Davor traf ich noch meine beste Freundin. Nun ja, der Mathematikunterricht war nicht besonders spannend.“ spaßte ich. Sie grinste.
„Und die spannenden Themen?“ fragte sie. Ich musste immer mehr grinsen.
„Also, nach der Schule wartete ich vor dem Globe Theater...“ erzählte ich ihr. Das erste Mal, seit ich sie kannte, sah ich, dass sie sich mit mir freute.
„Willst du noch mein Bestes Stück sehen?“, fragte sie plötzliche. Verwundert hob ich eine Augenbraue.
„Dein bestes Stück?“ Da fiel es mir wieder ein. Heute morgen hatte sie mir die ganze Zeit die Ohren mit Morendo, ihrem Lieblingspferd, zugeschwärmt.
„Klar, warum nicht?“, sagte ich schnell und folgte ihr in den Backstagebereich der Arena. Zielstrebig lief Hanna zu einem bestimmten Punkt im Stall. Unterwegs trafen wir noch eine hübsche Frau mit blonden, langen Haaren. Meine Freundin begrüßte sie kurz auf Französisch. Ich verstand nicht wirklich viel Französisch und mischte mich nicht weiter ein. Schließlich lief sie zu einer Box am Ende der Stallgasse. Ein schöner Falbe beugte den Kopf nach vorne zu Hanna. Wir standen ewig in der Box herum und redeten über Pferde und Jobs im Europapark. Danach verabschiedeten wir uns. Ich fuhr zum Bahnhof und mit dem Zug schließlich nach Hause.
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Hier sieht man, dass die Parallelen nicht ganz stimmen. Vito (der Falbe) ist zu dem Zeitpunkt EIGENTLICH noch nicht da. Aber egal ;)
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