Es geschah am Abend, als die Sonne bereits vollständig hinter dem Horizont verschwunden war, und nur noch die Erinnerung eines heißen Tages in der Luft lag.

Das grelle Licht und die mörderischen Temperaturen, die nun schon seit beinahe einer Woche das ganze Land heimsuchten, hatten die Menschen in ihre Häuser getrieben, wo sie die Zeit mit Gesellschaftsspielen hinter verdunkelten Fenstern verbrachten und abends so erschöpft ins Bett fielen, als wären sie den ganzen Tag auf den Beinen gewesen.

Die einzigen, die um die Mittagszeit am Ufer anzutreffen gewesen waren, waren ein paar Touristen, die ihren Urlaub am Bodensee trotz aller Schikanen genießen wollten.
Jetzt, mit der hereinbrechenden Dunkelheit, hatten auch sie sich zurückgezogen.

Das kleine Örtchen Wallhausen, das in etwa zwanzig Minuten von Konstanz mit dem Auto zu erreichen war, lag wie ausgestorben da.

Längst waren alle Schiffe sicher im Hafen vertäut und sorgfältig mit Planen abgedeckt worden.

Nur ein kleines Ruderboot schaukelte immer noch auf den sanften Wellen, die der Abendwind hervorrief.

Hätte ein zufällig hier vorbeikommender Wanderer die beiden Gestalten beobachtet, die damit auf den See gefahren waren, könnte er vielleicht davon berichten, wie sie gegen zehn Uhr am Abend das Boot erreicht hatten, das gut verborgen unter den herabhängenden Ästen der mächtigen Bäume am Fuß des Steilhangs im Wasser gelegen hatte.

Oder er würde erzählen, wie sie sich noch unschlüssig zu sein schienen, ob sie wirklich einsteigen sollten. Wie der eine der beiden, ein junger, mit einem Taucheranzug bekleideter Mann, einige Male versucht hatte, seine Begleiterin mit sanften Worten in das inzwischen vom Ufer losgemachte Boot zu schieben, und sie sich jedes Mal heftig dagegen gewehrt hatte.

Er könnte außerdem davon Zeugnis ablegen, dass der Mann nach einigen Versuchen, die allesamt fehlgeschlagen waren,  die junge Frau kurz entschlossen hochgehoben und sie in den schwankenden Kahn gesetzt hatte. Dass sie losgerudert waren. Und wie plötzlich ein Streit unter ihnen entbrannte.

Aber es war niemand da, der davon berichten könnte. Niemand, der erzählen könnte, was an diesem Abend wirklich geschah.

Dabei wäre das doch so wichtig gewesen.

Ein einziger Beobachter nur, und diese Geschichte wäre ganz anders verlaufen. Viele Ereignisse wären nie geschehen, Entscheidungen nie getroffen worden.
Ereignisse und Entscheidungen, die schlussendlich zu dieser schicksalhaften Wendung im Leben eines unbedeutenden Club-Besitzers geführt hatten.

Denn diese Geschichte ist eine Geschichte voller Zufälle und Missverständnissen.
Sie handelt von der Angst, die in uns allen wohnt, und von den falschen Entschlüssen, zu denen sie uns verleitet.

Doch mehr als alles andere ist diese Geschichte eine Geschichte über das Schweigen.