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2018 - Quedlinburg


Michael legte seinen Zimmerschlüssel auf den Tresen und schob ihn der Hotelangestellten entgegen. "Bis wann ist die Rezeption besetzt?", fragte er die blonde Dame.

"Wir sind bis zwanzig Uhr da. Wenn Sie später kommen wollen, sollten sie den Schlüssel mitnehmen."

"Nein, danke, das passt schon. So viel habe ich heute zum Glück nicht vor."

"Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Trotz des miesen Wetters", sagte die Frau mit professionell aufgesetzter Fröhlichkeit.

"Danke, werde ich haben. Muss nur etwas Geschäftliches erledigen. Da hab ich zum Glück ein Dach über dem Kopf. Bis zum Auto reicht der hier", antwortete Michael, hob seinen ungeöffneten Regenschirm in die Höhe und versuchte sich dabei an einem Lächeln, das ihm fast gelang.

Das Wetter passte zu diesem Tag. Irgendjemand da oben hatte offenbar ein Gespür für atmosphärische Stimmungsuntermalungen oder einen zynischen Humor. Michael tippte auf letzteres. Er ging zügigen Schrittes seinem in der Nähe geparkten Mietwagen entgegen und versuchte gar nicht erst, die Pfützen zu vermeiden. Es waren zu viele. Seinen kleinen Schirm stemmte er gegen den peitschenden Regen in der Hoffnung, wenigstens sein Jackett schützen zu können.

Im Fond seines Autos angekommen spürte er, wie der nasse Stoff seiner Hose unangenehm auf seinen Oberschenkeln klebte. Die trocknet, bis ich dort bin, dachte er, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er lauschte dem Trommeln des Regens und spürte, wie die Müdigkeit jetzt doch angekrochen kam. Der Jetlag hatte ihn letzte Nacht wachgehalten, obwohl er sich vorsorglich eine Schlaftablette eingeworfen hatte. Erst gegen sechs war er kurz eingedöst, nur um schon zwei Stunden später im Frühstücksraum zu sitzen und sich zwei doppelte Espressos einzuhelfen. Das einzig Gute an diesem frühen Termin war, dass er es bald hinter sich hatte. Danach nichts wie zurück ins Hotel, ausschlafen und morgen weiter nach Berlin. Er hatte eigentlich noch vier Tage Zeit bis zu seinem Rückflug nach Boston, aber hierzubleiben kam für ihn nicht in Frage. Das lag nicht am Wetter. Er wollte nicht hier sein, nichts verband ihn mehr mit dieser Gegend. Nichts würde ihn mit ihren Bewohnern versöhnen können.

Michael stöhnte leise, zwang sich die Augen zu öffnen und startete den Motor.

Der Regen ließ etwas nach, als der Wagen auf die Bundesstraße 81 in Richtung Südharz einbog. Mit ihm schwand auch Michaels mühevoll aufrechterhaltene Konzentration. Seine Gedanken schweiften ab, zurück in seine Heimat. In die neue, nicht in seine ursprüngliche. Er lebte jetzt schon seit zwanzig Jahren in den Staaten und seit etwa acht Jahren in einem Vorort von Boston. Zum MIT in Cambridge konnte er fast zu Fuß gehen. Er fuhr natürlich trotzdem mit dem Auto, wie es alle Amerikaner taten. Zu viel Exzentrik durfte er sich auch als Mathematik-Professor nicht erlauben. Die Zeiten des gesellschaftlichen Laissez-faire waren selbst im liberalen Massachusetts vorbei.

Der Abend, als er vom Tod seines Vaters erfahren hatte, war sehr arbeitsreich gewesen. So wie die meisten Abende und Nächte in den letzten Jahren. Er hatte an seiner These über die Beal-Vermutung gesessen. Wer ihn, Michael Tanner, den deutschen Professor mit der schlaksigen Figur und dem hohen Stirnansatz, kannte, der wusste, dass auch das eher die Regel als die Ausnahme war. Er war im Flow gewesen, mal wieder, hatte das Gefühl gehabt, der Lösung ganz nahe zu sein. Es ging ihm nicht ums Gewinnen, nicht um die eine Million Dollar Preisgeld und auch nicht um den Ruhm. Er war genauso wie Beal fasziniert von den ungelösten Rätseln der Mathematik. Von den Problemen, die jedem Laien in wenigen Worten erklärt werden konnten und doch fast unmöglich zu lösen waren. Fast.

Dann hatte das Telefon geklingelt. Er hatte den Anruf erwartet, der ihn so erschütterte. Ja, sein Vater war schwer krank gewesen. Pankreaskarzinom, der Krebs der Bauchspeicheldrüse. Ein grausamer, effizienter Mörder ohne Milde, ohne Barmherzigkeit. Ein Killer, der dir erst den Lebenswillen raubte, bevor er dich gehen ließ. Michael hatte den Anruf herbeigesehnt, auch wenn er sich vor ihm fürchtete.

Ein sanftes Vibrieren seiner rechten Jackettseite, gefolgt von einem melodischen Klingelton, riss ihn aus seinen Gedanken. Michael versuchte, sein Handy aus der Anzugjacke zu befreien, verlor dabei fast die Kontrolle über seinen Wagen. Nur mit einer hektischen Lenkbewegung konnte er ihn wieder zurück in die Spur bringen. Seine Hände verkrampften am Lenkrad, Schweißperlen bildeten sich an seinen Schläfen. Das Handy klingelte nicht mehr, als Michael den Passat in einer Parkbucht endlich zum Stehen brachte.

"Tanner hier, Sie hatten angerufen"

"Ah, danke für den Rückruf, Herr Tanner. Wir haben leider ein großes Problem. Der Starkregen hat die Grube halb mit Wasser gefüllt. Die Beisetzung ihres Vaters muss heute leider ausfallen. Das tut mir wirklich sehr leid. Ich weiß, wie schwierig diese Situation für Sie ist."

"Schon gut. Sie können ja nichts dafür", antwortete Michael. Was für ein Scheißtag, dachte er.

"Pfarrer Reimers schlägt vor, die Trauerrede heute trotzdem zu halten und die Bestattung dann so bald wie möglich ohne Trauergäste vorzunehmen", sagte der recht jung klingende Mann am anderen Ende der Leitung.

"Ja, das ist ein guter Vorschlag. Ich bin in dreißig Minuten in Braunfelde. Lassen Sie uns das Ganze dann im Detail besprechen." Er beendete das Gespräch, ließ seinen Blick noch für einen Moment auf der Silhouette des Brockens ruhen, dessen Sendemast den Berg unverkennbar machte, dann fuhr er weiter in Richtung Heimat. Der alten Heimat, die ihm so fremd geworden war.

****

Die Kirchturmspitze war das erste, was er von Braunfelde sah. Sie zeigte sich kurz zwischen den Hügeln, verschwand Sekunden später hinter den Fichten des Waldes. Nur noch zwei Kurven, dann würde er seine Geburtsstadt wiedersehen. Er konnte sich an seinen letzten Besuch kaum noch erinnern. Vielleicht wollte er es auch nur nicht. Es musste Ende der 90er Jahren gewesen sein. Als seine Mutter noch lebte.

Noch.

Ein Pflichtbesuch, mehr war es nicht gewesen. Ein kurzes, belangloses Gespräch, eine flüchtige Umarmung. Wegen seines vollen Terminkalenders konnte er nicht bleiben, das hatter er seiner Mutter Glauben machen wollen. Doch der Grund für seine Flucht war ein anderer gewesen. Er hatte sich zuvor mit seinem Vater zerstritten, wollte sie einweisen lassen, weil sich die Depression immer tiefer in ihre Seele fraß - sie zur Gefahr für sich und andere machte. Doch sein starrköpfiger Vater vertraute nur dem lieben Herrgott allein.

****

Der Parkplatz am Friedhof war fast voll. Michael konnte gerade noch einen freien Platz finden. Der Platzregen war vor einiger Zeit einem Nieseln gewichen. Am Horizont konnte Michael sogar einen hellen Streifen erkennen.

Vielleicht wird es ja gar nicht so schlimm.

Er atmete tief durch, griff nach seinem Schirm auf dem Beifahrersitz und öffnete die Fahrertür.

"War ja klar, dass du der letzte bist", hörte er jemanden hinter seinem Rücken sagen. Michael schloss die Tür seines Mietwagens, danach seine Augen. Nach einer langen, reglosen Sekunde öffnete er Lider und Schirm, bevor er sich der bekannten Stimme zuwandte. 

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