Family
„Was hast du hier zu suchen? Wie hast du mich gefunden?", schnauzte er mich mit seinem blutverschmierten Mund an.
Die Schluchzer der Frau hinter meinem Rücken wurden lauter.
„Wir sind noch immer miteinander verbunden, erinnerst du dich."
Ich ließ ihm etwas Zeit zum Nachdenken. Er sah aus, wie eine wildgewordene Bestie. Was war aus dem liebenswerten Klayten geworden? Den Klayten, in den ich mich verliebt hatte?
„Ich musste nur meinen Instinkten vertrauen und deinem Geruch folgen, der in der Luft lag. So wurde ich ganz von allein zu dir geführt."
„Verschwinde, los!"
Das Herz sackte mir in die Hose. Ich dachte, ich hätte mich verhört. Er konnte doch unmöglich mich damit meinen.
„Klayten, was ist nur mit dir passiert?", versuchte ich zu ihm durchzudringen.
Die Frau hinter mir, fing an zu schreien und zu jammern.
„Er ist tot! Er ist tot! Mein kleiner Junge ist tot! Das wolltest du doch!"
Ich drehte mich zu der mir unbekannten Dame herum. Ihre blonden langen Haare klebten an ihrer blutverschmierten Schläfe. Sie hielt ihren 4-jährigen Jungen in den Armen, fest umklammert wippte sie vor und zurück mit ihm. Eine üble Verletzung an dem Kopf des Jungen, ließ mich erahnen was geschehen war.
„Wieso tust du diesen Menschen so etwas an?"
„Menschen? Das hier sind keine Menschen. Du vergisst, wir sind in Tenistoria."
„Und nur, weil wir in Tensistoria sind, gibt es dir das Recht, Leute abzuschlachten, wie hilflose Tiere? Klayten, so kenne ich dich gar nicht. Was ist mit dir passiert?"
„Eben. Du kennst mich nicht."
Die Frau legte den Jungen auf dem Boden ab und versuchte sich langsam aufzurichten.
„Sie hatten nichts mit der Sache zu tun, Klayten", fing sie an. „Warum hast du ihnen das angetan? Das ist eine Sache zwischen mir und dir und nicht zwischen ihnen. Also, wieso hast du das getan?"
„Damit du leidest. Ich wollte dir einen Denkzettel verpassen, den du nie wieder vergessen wirst."
„Oh glaub mir Bruder, deinen Denkzettel werde ich niemals vergessen und ich werde dich für mein Leben lang hassen, darauf kannst du dich verlassen. Wäre ich nicht so geschwächt, dann würde ich dich mit meinen bloßen Händen umbringen."
„Sagtest du eben gerade Bruder oder habe ich mich da verhört?"
„Nein Isabell, das ist richtig. Pray ist meine Schwester."
Ich schubste ihn unsanft zu Boden.
„Wie kannst du nur so etwas deiner Schwester antun! ER WAR DEIN NEFFE! DEIN EIGEN FLEISCH UND BLUT! Du widerst mich an, Klayten. Was ist nur aus dir geworden?"
„Du verstehst das nicht."
Schnell hatte er sich wieder aufgerappelt und versuchte sich mir zu nähern, doch ich wich vor ihm zurück, wie ein kleines Mäuschen vor einer Katze. Dieser Mann, der nun vor mir stand, war nicht derselbe Mann den ich kennen und lieben gelernt hatte.
„Isabell, sie hat mich verstoßen! Sie wollte mich nicht mehr in der Familie haben!"
„Ach, und das wundert dich? Du warst damals derjenige, der unsere Mutter zum Scheiterhaufen gebracht und sie als Hexe bezeichnet hat. Du warst es auch gewesen, wieso unser Bruder jetzt nur noch ein Auge hat und da wunderst du dich, wieso ich dich nicht mehr in der Familie haben möchte? Ich bin nicht die Einzige. Vater und Kaska denken genauso darüber."
Ich bekam meinen Mund gar nicht mehr zu. Es waren einfach viel zu viele Informationen innerhalb weniger Minuten und noch dazu war jetzt auf einmal nicht mehr Klayten der schöne weiße Ritter, sondern sein großer Bruder und sein Vater. Die gesamte Zeit über hatte ich ihn vor seiner Familie geschützt, weil ich dachte, sie würden ihm Böses wollen. Gut, das wollten sie auch, aber aus gutem Recht. Klayten dementierte Prays Worte nicht, also ging ich davon aus, dass es stimmte, was sie über ihn erzählte. Ich sank auf die Knie. Ich konnte und wollte der ganzen Sache keinen Glauben schenken. Lautlos glitten Tränen über meine Wangen hinab.
„Wieso hast du deine eigene Mutter als Hexe verurteilt?"
Meine Stimme klang gerade so, als würde mich jemand ersticken.
„Ich gebe dir eine Kurzfassung darüber, wieso Klayten aus der Familie verstoßen wurde. Er fand unsere Mutter mehr als anziehend. Kaska fand sein Geheimnis heraus und verlor dafür sein Auge. Als Rache hat Klayten unsere Mutter als Hexe dem Scheiterhaufen übergeben."
Schockiert blickte ich zu Klayten, doch er sagte wieder nichts. Er starrte nur mit einem Blick zu Pray hinab, dass mir das Blut in den Adern zu gefrieren begann. Es kam mir vor, als würde ich diesen Mann gar nicht kennen.
„War das etwa alles nur Show? Das zwischen uns?"
Finster blickte er zu mir hinüber. Überall in seinen Haaren hatten sich feine Blutspritzer verteilt und sein Gesicht war dadurch kaum wiederzuerkennen. Er wirkte auf mich, wie ein Psychopath und machte mir irgendwie Angst.
„Ich habe jetzt keine Zeit für so eine Lapalie. Es gibt wichtigere Dinge zu tun."
„War ich für dich nur Mittel zum Zweck?"
Pray gesellte sich mühselige zu meiner Seite.
„Nein und ja. Am Anfang schon, aber dann habe ich dich näher kennengelernt und ich mag dich wirklich sehr."
Ich ekelte mich vor mir selbst, dass ich auf so ein Schwein hereingefallen war.
„Du musst verstehen, ich brauchte eben mehr Kraft, um meine Schwester zu besiegen."
„Das heißt, du hast mich ausgenutzt, damit du das hier anrichten konntest?"
Ich deutete auf das Massaker auf dem Hof. Er tat so, als würde er meine Worte überhören. Abwertend spuckte Klayten auf den Boden, direkt neben sie.
„Sie hat mich verraten, meine ach so liebe Schwester. Verstoßen hat sich mich und meinen Bruder und Vater auf mich gehetzt!"
„Du bist doch selbst an allem Schuld, also hör bitte auf mir irgendwelche Vorwürfe zu machen. Ich hatte gute Gründe dafür und die weißt du genau. Ich bereue nichts davon und würde es auch immer wieder tun."
Ihre Stimme klang gebrochen. Nichts hatte vermutlich mehr in ihrem Leben einen Sinn. Ihr Mann und ihr Kind wurden ihr innerhalb weniger Minuten genommen. Ich konnte mir nichts schlimmeres vorstellten. Doch irgendetwas schien sich am Haus zu regen und meine Blicke wanderten hinüber zur Hütte. Auch Klayten hatte die Bewegung bemerkt. Ein kurzer Blick reichte aus und ich wusste genau, was jetzt geschehen würde. Ich sah, wie ein blutüberströmter Mann nach draußen humpelte und sich hilfesuchend umsah.
„Pray! Ethan! Pray! Ethan!"
Nach allem, was er durchmachen musste, hatte er trotzdem noch den Willen dazu weiterzuleben, um seine Liebsten zu finden. Klayten war schneller als ich und ließ ihn von jetzt auf gleich wieder verstummen. Wie ein Tier fing er ihn an zu zerreißen. Ich war geschockt über seinen brutalen Angriff. Mein ganzer Körper fing mit einem Mal an zu zittern. Und solch einem Menschen hatte ich vertraut. Ich hätte mit ihm beinah geschlafen und will es durch diese blöde Bindung noch immer.
Schreie hinter mir lösten mich aus meiner Starre. Pray schrie sich die Seele aus dem Leib. Jetzt hatte Klayten sie endgültig gebrochen.
Dennoch versuchte ich nun das Richtige zu tun und das war, seine Schwester vor ihm zu beschützen. Er war wahnsinnig geworden und wenn mich nicht alles täuschte, dann würde er erst ruhen, wenn er seine Schwester erledigt hatte. Ich musste versuchen, das zu verhindern.
Doch Klayten lernte wohl schneller mit seinen neuen Kräften umzugehen, als ich es mir erhofft hatte. In wenigen Sekunden hatte er sich unbemerkt an mir vorbeigeschlichen. In einer Geschwindigkeit, die für das bloße Auge nicht sichtbar ist, ähnlich einem kleinen Lufthauch.
Ehe ich mich versah, hatte er Pray bereits die Spritze in den Arm gerammt.
„Stirb oder leb ein Leben in der Hölle, meine liebe Schwester!"
Ich betete inständigdarauf, dass sie dieses Attentat überlebte.
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Ich weiß das Update kommt etwas später, aber lieber spät als nie ; )
Hättet ihr denn mit der Wendung der Story gerechnet? Schreibt mir gerne in den Kommentaren.
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