Woche 6, Samstag, Vormittag
SAMANTHA
Morgen geht es los.
Ich weiß nicht, warum ich den morgigen Tag als so großes Datum sehe.
Ich meine, wir schleichen zu der Hütte, bei der wir schon einmal waren, reden mit Raab und können danach fliehen. Am besten mit einer Menge Infos.
Wir haben alles ausgekundschaftet. Wir werden vermutlich gegen frühen Mittag dort aufkreuzen. Der erste Kontrollgang ist um 10 Uhr, der nächste um 15 Uhr.
Wenn wir um elf abhauen, haben wir vier Stunden Vorsprung, in denen wir es schaffen könnten, hier rauszukommen. Schaffen könnten. Es sind zu viele Unsicherheiten. Und genau das macht mir Angst.
Ich sitze zusammen mit Charles und Laura auf dem Sofa und es ist wie in früheren Zeiten. Nur nicht so unbeschwert. Uns alle beschäftigt das gleiche Thema und wir gehen alle unterschiedlich damit um.
Ich normalerweise die unerschütterliche Optimistin, grübele herum, während ich meine Fingernägel kurz und klein kaue.
Charles stürzt sich auf alles, was Ablenkung verspricht und wenn es nur ein zu Boden gefallener Stift ist, Laura denkt ebenso viel wie ich und murmelt manchmal dunkle Vermutungen vor sich hin.
"Hallo-o!", sagt Charles, wobei er die letzte Silbe in die Länge zieht und mit der Hand vor meinem Gesicht herumfuchtelt.
"Hallo!", gebe ich zurück. "Was los?"
"Ich hab dich gefragt, ob du Lust auf ein Workout hast", gibt Charles in neutralem Tonfall zurück. "Ich würde ja lieber laufen gehen, aber erstens mal ist es ohne App und Musik nicht halb so lustig und zweitens glaube ich nicht, dass Harry begeistert wäre, zumal ich große Strecken bevorzuge. Bist du dabei?"
"Ich? Klar, von mir aus", nuschele ich undeutlich, in der Hoffnung, dass es mich von meinem Gedanken ablenkt. "Wann? Jetzt gleich?"
"Ja, jetzt gleich." Charles spricht so langsam mit mir, als wäre ich ein Kindergartenkind. "Laura, du auch dabei?" "Nö", sagt sie. "Ich kümmere mich lieber ums Mittagessen. Ich bin viel zu unsportlich."
Fairerweise muss ich jetzt hinzufügen, dass ich mich erst einmal an ein "einfaches" Youtube-Bein-Workout herangetraut habe und nach fünf Minuten fix und alle war. In dieser Hinsicht bin ich nicht trainierter als Laura.
"Beine oder Bauch?", fragt Charles. "Ich hätte für beides ein passendes Workout, aber von mir aus können wir auch gerne..."
Seine kindliche Begeisterung für alles, was mit Sport zu tun hat, ist fast niedlich, und so tue ich ihm den Gefallen und spiele mit. "Egal", sage ich. "Beides klingt spitze."
Er sieht mich an, als wäre ich irgendwie durchgeknallt, vermutlich, weil meine Stimme irgendwie aufgesetzt klingt.
Dann aber scheint er zu bemerken, dass ich einen Trainingsanzug trage - und zwar schon seit über einer Woche, by the way - und beschließt offensichtlich, mir zu glauben.
"Dann machen wir es ganz generell", sagt er. "Einfach ein paar Übungen, bei denen nichts besonders trainiert wird, okay? Ich habe ein paar im Kopf, es gibt, leichte, mittlere oder-"
"Leicht!", falle ich ihm ins Wort. "Wenn du nicht willst, dass ich völlig sterbe, dann entscheide dich für leicht."
"Okay.", sagt er scheinbar gleichmütig, "Dann dehnen wir uns am Anfang erst mal ein wenig."
Tja, dehnen kann ich immerhin.
Ich habe früher einmal regelmäßig in einem Reitstall ausgeholfen, um an Geld zu kommen, und wenn jemand ausfiel, hat die Besitzerin mich sogar an Reitstunden teilnehmen lassen. Davor haben wir uns auch immer gedehnt. Ich habe reiten gemocht. Aber als dann der Reiterhof pleite ging und alle Pferde verkaufen musste, war es mir unmöglich, weiterhin teilzunehmen. So viel, wie die kosten, verdient meine Mom im Monat.
Wir strecken unsere Hände den Zehen entgegen, bewegen die Sprunggelenke, drücken die Arme nach hinten und lassen die Schultern kreisen.
Gerade, als es beginnt, mir sogar Spaß zu machen, klatscht Charles in die Hände.
"Also, Samantha, wir beginnen mit Mountainclimbers, und zwar mit zehn. Die sind nicht ganz so schlimm. Hast du schon einmal Mountainclimbers gemacht?"
Oh. No. Das klingt gar nicht gut.
"Ähm... nein?"
"Ach, okay. Schau mal-"
Er kommt zu mir und zeigt mir, wie ich mich korrekt in Position begeben muss, bevor er es mir vormacht. Es sieht eigentlich gar nicht so schlimm aus.
Nach zehn davon bin ich trotzdem atemlos.
Zum Teil, weil alleine DAS extrem anstrengend war, zum Teil, weil uns jetzt Harry zusieht. Ich will keinesfalls, dass er mich für unsportlich hält, deshalb werfe ich mich umso mehr ins Zeug.
"Die waren ja schön" Charles pfeift bewundernd durch die Zähne. "Okay, jetzt zum Entspannen ein paar Sit-ups. Zwanzig?"
Entspannen? Sit-ups?
Ich lege mich auf den Rücken und sitze mich auf. Nieder, auf, nieder, auf. ENTSPANNEN? Das ist brutalst!
Charles scheint bereits fertig zu sein, er mustert meine kläglichen Bemühungen.
"Warte" Er drückt meine Füße auf den Boden. "Halt deine Hände so- Ja, genau", korrigiert er mich und lässt tatsächlich nicht locker, bis ich mich durch die zwanzig Sit-ups gekämpft habe.
Er muss ein Sadist sein. Definitiv.
Eine knappe Viertelstunde, zehn Liegestütze und fünfzig Hampelmänner später bin ich völlig fertig. Die Haare haben sich aus meinem hohen Knödel gelöst und kleben mir jetzt schweißnass an der Haut.
Harry kommt auf mich zu. "Du riechst gut."
"Haha", fauche ich ihn an. "Guter Augenblick, dich über mich lustig zu machen."
"Das finde ich aber wirklich!" Er scheint ehrlich erstaunt zu sein.
"Ich habe seit zwei Tagen nicht mehr geduscht, bin verschwitzt und stinke. Das findest du gut?"
"Du riechst immer gut", flüstert Harry mir ins Ohr, während er mir die Arme um den Oberkörper legt.
"Jaja, fix", murmele ich.
"Ja, fix", bestätigt er.
"Fix und fertig bin ich.", gebe ich zurück. "Kann ich bitte duschen, bevor du an einer Schweißgasvergiftung stirbst?"
Er lässt mich los. "Dafür machen wir nachher weiter?", fragt er. "Ja, von mir aus", sage ich. "Bis gleich."
Das Innigste - okay, nein, Spaß - aber etwas, das unsere Beziehung verbindet, ist das gemeinsame Lesen im Tagebuch dieser Ärztin. Die Einträge sind - logischerweise - chronologisch geordnet, wir studieren sie, aneinander gekuschelt, und versuchen, Verbindungen herzustellen.
Ich weiß nicht warum, aber irgendwie scheint Harry das Spaß zu machen. Das einzige Gute, was ich daran finden kann, ist ja der viele Körperkontakt zu ihm, aber trotzdem ist es inzwischen fast zu einer Tradition geworden.
WHYEVER.
***
Also, nach dem Drängen einiger ungeduldiger Leser kommt jetzt das nächste Kapitel xD Ich bin eigentlich nicht wirklich zufrieden damit. Es ist viel zu sehr im Stil von "Anfänger-Autorin" geschrieben. Für Feedback bin ich natürlich wie immer offen, ich freu mich auch, wenn ihr vielleicht ein Sternchen dalasst, falls es euch gefallen hat :)
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