SOPHIE

Ich wache auf, weil jemand mir mit der Hand die Haare aus dem Gesicht streift. Ich blicke zur Seite und sehe, dass ich immer noch in Heinz' Armen liege. Noch immer im Wellnessbereich auf der Doppel-Massageliege. Ich unterdrücke mir ein Kichern. Aber jetzt, wo unsere Beziehung ja, weil ich mit Raab und Karin kooperiert habe, legal ist, haben wir eigentlich nichts zu befürchten. Ich schmiege mich näher an seine Brust und er lässt ein Schnurren, ähnlich dem einer Katze los.

"Guten Morgen", flüstere ich. "Gut geschlafen?" Er richtet sich seine Boxershorts und das Schlaf-T-Shirt und küsst mich. "Wunderbar, Süße." Er drückt mich noch näher an sich. "Du?" "Auch gut. Sehr gut.", füge ich hinzu und ein Schauer läuft mir den Rücken hinunter. Bisher war ich noch nie so richtig verliebt. Auch, wenn mich das jetzt vielleicht oberflächlich erscheinen lässt, bei meinen früheren Beziehungen ging es eigentlich nur um Sex. Das, was ich jetzt, hier mit Heinz, fühle, ist nichts im Vergleich zu dem, was ich für Robert empfinde. Okay, anfangs dachte ich mir wirklich, ich stehe auf ihn. Fand ihn heiß. Das tue ich noch immer. Aber das spielt ja jetzt ohnehin keine Rolle mehr. Er ist ja jetzt weg, wenn auch nicht nach Hause geschickt, wenn ich das alles richtig durchschaut habe.

"Wir sollten jetzt gehen", murmelt Heinz dumpf an meine Wange. "Meine Schicht beginnt in einer halben Stunde. Und davor sollte ich vielleicht noch duschen." "Okay" Ich löse mich von ihm, zupfe mir das knappe Top und die Jogginghose zurecht. "Sehen wir uns dann heute noch?" "Klar", sagt er. "Ich weiß aber nicht, wann ich mich losmachen kann. Vor fünf sicher nicht." "Alles gut", sage ich und küsse ihn ein letztes Mal, bevor ich mich voll und ganz erhebe. Der Wellnessbereich ist fast unheimlich ohne jemanden, aber das müssten wir ja inzwischen gewöhnt sein. Ist schließlich fast unser Haupttreffpunkt.

Beim Frühstück bekommen wir zuerst noch einmal das Ranking gezeigt.

1. Harry Walker - 26 Punkte
2. Simon Everhood - 20 Punkte
2. Samantha Harris - 20 Punkte
3. Lissa Parks - 19 Punkte
3. Angelina Wood - 19 Punkte
4. Sophie Taylor - 17 Punkte

Ich bin Letzte im Ranking, doch das stört mich nicht wirklich. Ich weiß ja, dass ich nach oben rutschen werde, wenn ich Raab und seinem Team zufriedenstellende Informationen beschaffe. Bisher waren sie immer zufriedenstellend.

Danach wird die Aufgabe erklärt. Ich jauchze fast auf: Ich werde nicht von dem Managementteam nach oben geschummelt werden müssen, das gewinne ich locker ohne Mogelei: Wir sollen ein modisches Outfit entwerfen und schließlich wird uns ein Team aus Näherinnen zur Verfügung gestellt, die unsere Skizzen dann Wirklichkeit werden lassen. Danach dürfen wir unsere Kollektionen vorführen. Das ist der absolute Hammer.

Gleich nach dem Frühstück, das seltsam war, so ohne Robert, gehe ich in mein Zimmer zurück. Auf meinem Block habe ich ohnehin schon ein paar Entwürfe für Kleider, heute bin ich allerdings nicht in Stimmung für Festtagsroben oder kurze Röckchen, bei denen der halbe Hintern rausschaut. Ich möchte eine Hose mit passendem Oberteil gestalten. Ich weiß, das ist schwierig. Hosen sind nicht annähernd so leicht wie sie wirken, aber ich hoffe, das ist denen, die in der Jury sitzen, bewusst.

Mit dem Endergebnis bin ich dann sehr zufrieden. Es ist eine weiße, weite Seidenhose, die meine Knöchel wie ein Lufthauch umflattern wird, zusammen mit einem tief ausgeschnittenen, aufwändigen Top, das ich zu meinen Lieblingschucks tragen werde. Es ist perfekt. Mein Team besteht aus zwei Frauen - und einem Mann! - die zuerst an mir Maße nehmen und sich dann still und emsig an die Arbeit machen. Was dann herausgekommen ist, ist unglaublich. Es ist wie für mich gemacht - und das ist es ja auch wirklich - und ich bin selbst unglaublich zufrieden mit meinem Spiegelbild. Da ich noch mehr als eine halbe Stunde habe, schminke ich mich noch und werfe mich noch mehr ins Zeug. Meine Haare lasse ich ausnahmsweise offen - eine Flechtfrisur hätte nicht einmal annähernd mit meinem Outfit harmoniert.

***

Bei der "Modenschau" selbst bin ich die Erste. Es fühlt sich unglaublich an, über den improvisierten Laufsteg zu stolzieren. Ich habe zwar schon ein paarmal in den Ferien gemodelt, aber das war nur, weil Mom Connections hatte und fühlte sich nicht annähernd so toll an wie jetzt, da ich meine eigene Kreation.

Angelina, die als nächste dran ist, präsentiert Jeans, bei denen ein Bein dunkelblau ist und das andere hellblau. Ich muss ehrlich zugeben, dass es gut aussieht. Das Oberteil dafür eher nicht. Es ist bauch- und schulterfrei und passt nicht zu ihrem Beinwerk. Dennoch lobt die Jury sie in den Himmel. Pff.

Lissa hatte ein weniger glückliches Händchen. Sie trägt einen Jumpsuit, dessen Schnitt zwar gar nicht so schlecht ist, aber er ist stark gemustert in Farben, die nicht zu ihren Haaren passen.

Samantha aber sieht ziemlich gut aus. Ihr Kleid ist schlicht, aber es hat eine Bombenwirkung. Es ist weiß und hebt sich von ihrer dunklen Haut unglaublich gut ab. Vorne hat es einige große Knöpfe und ist leicht tailliert. Ehrlich gesagt sieht es spitze aus.

Simon und Harry haben sich ebenfalls auf der schlichten Seite gehalten, man merkt allerdings, dass sie keinerlei Erfahrung in solcherlei Dingen haben. Zwar harmonieren die Farben, doch Schnitt und Musterung finde ich ehrlicherweise grauenhaft.

Das Ranking zeigt, dass ich mit meinen Einschätzungen richtig gelegen bin:

Tagesranking:
1. Sophie Taylor - 6 Punkte
2. Samantha Harris - 5 Punkte
3. Angelina Wood - 4 Punkte
4. Simon Everhood - 3 Punkte
5. Lissa Parks - 2 Punkte
6. Harry Walker - 1 Punkt

Gesamtranking:
1. Harry Walker - 27 Punkte
2. Samantha Harris - 25 Punkte
3. Simon Everhood - 23 Punkte
3. Angelina Wood - 23 Punkte
3. Sophie Taylor - 23 Punkte
4. Lissa Parks - 21 Punkte

Als ich an diesem Abend ins Bett gehe, habe ich das erste Mal in diesem Wettbewerb das Gefühl, wirklich etwas geleistet zu haben. Es fühlt sich gut an, das muss ich zugeben. Als dann auch noch Heinz mein Zimmer betritt, um mir zum Sieg zu gratulieren und mir einen Gute-Nacht-Kuss zu geben, fühlt sich das Ganze noch viel besser an. Es war echt und ehrlich ein toller Tag.