SOPHIE

Ich bin Letzte im Ranking, das ist ja mal unglaublich toll. Wir sind jetzt nur noch zu siebt - die kleine Laura und Charles wurden nach Hause geschickt - adieu! - und Johnson, dieser Idiot musste auch gehen - ich bin richtig froh darüber, dass er so bescheuert war, sich im Haus zu verstecken.

Ein frühmorgendlicher Windhauch fegt durch mein geöffnetes Fenster, bringt die warme Maisonne zu mir herein. Ich schlüpfe in mein neues Jeanskleid, darunter schlüpfe ich nur in ein Bikinoberteil, schließlich soll es heute warm werden und will mich gerade daran machen, meine Haare wie üblich zu flechten, als es an der Tür klopft.

Ich öffne sie, nicht allerdings, ohne vorhin einen Blick in den Spiegel geworfen zu haben. Wie erwartet steht Heinz, oder wohl besser bekannt als O2, vor der Tür. "Komm rein", sage ich, nehme seine Hand und drücke ihm ein Küsschen auf die Wange. "Ich habe mich zwar gerade erst angezogen, das könnten wir allerdings schnell wieder rückgängig machen..."

Ich führe seine Hand zum Saum des Jeansrocks und er lächelt mich an. Atemlos. "Sophie..." "Ja", hauche ich und lege meine linke Hand auf seine Brust. "Sophie... nicht heute", meint er und windet sich aus meiner Umklammerung. Ich ziehe ein Schmollmündchen. "Hey, ich will das hier genauso wie du, okay?", sagt er. "Aber ich komme im Auftrag der Veranstalter. Herr Raab möchte dich in seinem Büro sehen." Ich lehne mich zurück. "Ernsthaft? Ich könnte mir was Besseres vorstellen, als in Raabs Büro zu hocken."

"Ich ja auch", gibt er flüsternd zurück. "Aber er ist nun mal ein Boss. Aber wir könnten uns wieder in den Wellnessraum schleichen. Wie am Wochenende!" Meine Verärgerung ist schon längst wieder verraucht, als ich ihn lächeln sehe. "Gern", sage ich. Die Stunden mit Heinz sind die heißesten, die mir je untergekommen sind. Gegen ihn ist Robert ein kleiner Junge.

"Bringst du mich noch hin?", frage ich mit einem Augenaufschlag. "Bitte?" "Klar", meint er und drückt mir noch einen letzten, flüchtigen Kuss auf die Wange. "Komm"

Ich war, den Ankunftstag ausgenommen, noch nie alleine im Büro des Veranstalters. Herr Raab begrüßt mich. Er sieht gestresst aus.

"Hallo, Sophie", sage ich. "wir müssen mit dir sprechen."

"Ja?", sage ich und lasse mich auf dem Stuhl ihm gegenüber nieder. Heinz verlässt den Raum und Herr Raab mustert mich aufmerksam.

"Also", beginnt Herr Raab, während Karin neben ihn huscht. "Katharina übernimmt wieder", flüstert sie. Herr Raab fährt fort: "Sophie, wir wollen ehrlich zu dir sein. Die Sache läuft aus dem Ruder."

"Aha? Soll ich mich auskennen?", frage ich so kess wie möglich. "Nein, aber wir wollen es dir erklären.", meint Karin. "Wie du dir sicher gedacht hast, verfolgen wir mit dem Wettbewerb ein Ziel." "Ja", übernimmt Herr Raab wieder, "Thomas und Laura wurden nicht nach Hause geschickt. Natürlich nicht, denn sie wussten viel zu viel über den Wettbewerb."

"Wir haben sie in die Hände von äußerst kompetenten Personen übergeben", fährt Karin fort. "Allerdings schaffte es Laura Smith, auszubrechen und versuchte, jemanden zu warnen. Sie musste aus dem Weg geschaffen werden. Ein kleines Opfer, aber der Plan lief soweit noch."

Ich starre die beiden an. Fassungslos. Wie kann das sein? Ist es möglich, dass sie... Laura umgebracht hatten?

"Tja, und dann begann die Sache außer Kontrolle zu geraten. Charles Thomas brach direkt nach seiner Ausscheidung ebenfalls aus, Robin Johnson floh, weil er zu viel wusste. Von beiden ist immer noch keine Spur. Das Gelände ist umgrenzt, sie werden vermutlich nicht hinauskönnen, aber sie haben es schon geschafft, auszubrechen. Das ist ein Risiko. Ein großes!"

"Tja, und jetzt möchtet ihr mich dazu überreden, ihren Standort auszuplaudern. Pech, den weiß ich selber nicht.", sage ich patzig.

"Das ist nicht der Grund", sagt Herr Raab. "Wir brauchen... jemand Verbündeten. Wir wissen, dass du es nicht warst, denn du hast ein... ähm... wasserfestes Alibi. Deshalb wollten wir dich bitten, mit uns zusammenzuarbeiten, dich bei den Teilnehmern umzuhören. Sprich: Wir sorgen dafür, dass du nicht ausscheidest, obwohl du momentan Rangletzte bist, du sorgst dafür, dass wir mit Informationen gefüttert werden."

"Und was ist, wenn ich nein sage?", frage ich provokant. "Wenn ich alles ausplaudere, was ihr mir hier erzählt habt?"

"Weil... zum einen werden wir dann O2 auf ein anderes Zimmer versetzen und dafür sorgen, dass O5 sich um dich kümmert. Außerdem... Wir wissen von Laura und Tamara, stimmt's?"

Ich werde blass. Mit selbstbewussterer Stimme, als mir zumute ist, frage ich: "Ihr wollt mich also erpressen?"

"Nein, nein!", sagt Karin mit einem falschen Lächeln. "Aber wenn du nicht kooperierst, dann wirst du bald mit Laura vereint sein."

***

Die Tageschallenge, ein Baumhaus zu bauen, bringe ich in einer Art Trance hinter mich, als sie beendet ist, ist mir klar, dass diese Leistung vermutlich nicht mal für den 6. Platz reichen wird. Wieder letzte werden. Aber beim Tagesranking erreicht mich eine Überraschung.

Tagesranking:
1. Sophie Taylor - 7 Punkte
2. Harry Walker - 6 Punkte
3. Samantha Harris - 5 Punkte
4. Lissa Parks - 4 Punkte
5. Simon Everhood - 3 Punkte
6. Robert Lewis - 2 Punkte
7. Angelina Wood - 1 Punkt

Gesamtranking:
1. Harry Walker - 36 Punkte
2. Lissa Parks - 30 Punkte
2. Samantha Harris - 30 Punkte
3. Angelina Wood - 27 Punkte
3. Simon Everhood - 27 Punkte
4. Robert Lewis - 22 Punkte
5. Sophie Taylor - 21 Punkte

Ich bin im Gesamtranking zwar immer noch Letzte, aber nicht mehr mit so großem Abstand. Außerdem bin ich beim Tagesranking trotz miserablem Baumhaus Erste geworden. Unerklärlich.

Obwohl. Doch nicht unerklärlich. Sieht aus, als würde Raab damit beginnen, seinen Teil zu unserer "Abmachung" beizutragen.

Eigentlich finde ich es gar nicht so schlecht. Ich darf länger bleiben, laufe keine Gefahr, bei einer Challenge mies abzuschneiden. Eigentlich würde ich das spitze finde. Die Sache ist nur die, dass Raab von allem weiß und das macht mir Angst. Er weiß von Heinz, von Laura und von Tamara.

Aber dann werde ich eben sein Spielchen mitspielen. Und ich kenne viele alte Kartenspielertricks.