Woche 2, Mittwoch, Teil 1
SOPHIE
Wütend starre ich auf das Ranking, das heute morgen wie üblich während des Frühstücks gezeigt wird - die gestrige Aufgabe war aber auch das Superlative von blöd.
1. Simon Everhood - 9 Punkte
2. Samantha Harris - 8 Punkte
3. Robert Lewis - 7 Punkte
4. Lissa Parks - 6 Punkte
5. Angelina Wood - 5 Punkte
6. Harry Walker - 4 Punkte
7. Sophie Taylor - 3 Punkte
8. Charles Thomas - 2 Punkte
9. Robin Johnson - 1 Punkt
"Dein Gedicht brachte deine Gefühle recht gut zum Ausdruck, allerdings fehlte uns da etwas ganz Entscheidendes und zwar die Lyrik", äffe ich in Gedanken Raab nach.
Platz 7! Ehrlich?
Und im Gesamtranking bin ich noch schlechter!
1. Samantha Harris - 32 Punkte
2. Lissa Parks - 30 Punkte
2. Simon Everhood - 30 Punkte
3. Angelina Wood - 29 Punkte
4. Harry Walker - 24 Punkte
5. Robert Lewis - 21 Punkte
6. Robin Johnson - 19 Punkte
7. Sophie Taylor - 17 Punkte
8. Charles Thomas - 13 Punkte
Ich bin auf dem VORLETZTEN Platz!! Nicht nur, dass Samantha, die null Stil oder Charme hat, sich mehr schlecht als recht auf Rang eins hochgearbeitet hat, nein, auch die bescheuerte Lissa und der eigentlich ziemlich süße Simon sind knapp hinter ihr. Und ich bin fast um die Hälfte schlechter!
"So!", ruft Karin. Ich habe gar nicht bemerkt, dass sie den Raum betreten hat, doch jetzt strahlt sie in die Runde, als gäbe es nichts Böses auf dieser Welt, während ihr Pferdeschwanz wippt.
"So, Steve kommt gleich, er muss noch was an der Technik erledigen, ich beginne derweil mit der Erklärung der heutigen Aufgabe. Diese wird eine Besondere werden - auch besonders lang."
Sie grinst uns an. "Die Aufgabe wird es sein, eine Art Rollenspiel zu spielen. Wir haben eine Miniaturstadt aufgebaut, in der ihr leben werdet. Wir haben auch Statisten engagiert. Ihr werdet hier euer Leben leben, könnt Jobs bekommen, Freunde treffen, Ehen schließen, alles ist erlaubt. Gesprochen wird NUR über das, was in eurer ,Stadt' von Bedeutung ist und in Schriftsprache, sprich, ohne Dialekt, klar? Ihr werdet überall, auch nachts, von Kameras überwacht werden, die alles was ihr sagt oder tut, aufzeichnen. Kamerafrei sind Toiletten und Badezimmer, allerdings darf immer nur eine Person solche Räume betreten."
Sie blickt in die Runde. "Das Spiel ist beendet, sobald jemand irgendetwas über die Welt außerhalb redet. Das kann eine Andeutung sein, genauso wie euer echter Name, der übrigens auch tabu ist. Eingewiesen werdet ihr in eure fiktive Welt um halb elf. Bitte findet euch zu der Zeit im Speiseraum ein und überlegt euch bis dahin auch, wie ihr heißen wollt. Alles klar soweit?"
Ich stöhne und damit bin ich nicht allein. Ernsthaft? Wir sollen Mutter-Vater-Kind spielen??!!
"Aber was ist, wenn niemand die Regeln verletzt - geht das Spiel dann bis in alle Ewigkeit so weiter?", erkundigt sich Charles.
"Ach ja, gute Frage", meint Karin, "Sonntagmittag wird das Spiel automatisch beendet. Das Ranking hängt schließlich davon ab, wer seine Rolle am Überzeugendsten rübergebracht hat. Noch Fragen?"
Allgemeines Kopfschütteln, ich entziehe mich ganz einer Reaktion.
Das alles ist ja unglaublich bescheuert! Wetten, das war nur, weil denen keine Aufgaben mehr einfielen?
***
Pünktlich um halb elf bin ich im Speiseraum. O5 kommt auf mich zu. "Hallo", sagt er, "Ich werde dich jetzt einweisen." "Klar", murre ich leicht und werfe mein blondes Haar zurück, das zu flechten ich heute glatt vergessen habe.
"Also", erklärt O5. "Das hier ist dein Haus." Er zeigt auf ein kleines Backsteingebäude. Es besteht aus zwei Zimmern: einem Badezimmer und einem Wohn- und Schlafraum.
"Ernsthaft?", frage ich schnaubend. "Wie primitiv ist-" "Wenn du mir bitte kurz zuhören könntest", unterbricht mich O5. "Wir haben nur eine knappe Viertelstunde für die Einleitung Zeit. Also: In diesem Schrank befindet sich alles, was du besitzt. Du darfst nichts anderes von draußen mitbringen, auch nicht Klamotten. Also, bitte zuerst mal umziehen."
Ich werfe einen Blick in den Schrank und sehe sofort wieder weg. Oh Gott! Doch als O5 mir einen einigermaßen genervten Blick zuwirft, schnappe ich mir rasch ein Outfit und verschwinde im Bad. Dort schlüpfe ich aus meinen weit geschnittenen Jeans, die an den Knien durchlöchert sind und einem engen, weißen, bauchfreien Top. Als ich mich dann in den etwas verdreckten Spiegel sehe, muss ich schaudern. Ich trage kurz geschnittene Jeans, die mir um einiges zu eng sind und ein langärmliges, total figurunbetontes lila Shirt, dazu abgewetzte Turnschuhe.
"So", sagt O5. "Dein Name ist, wir haben gelost, Mikaela Lomos."
Ich verdrehe die Augen. "Also, es gibt hier Tabus.", erklärt er. "Wir haben alles echt nachempfunden, darum gibt es auch illegale Dinge. Diesen solltet ihr widerstehen. Die Tabus sind:"
Er zählt an den Fingern auf. "Drogen. Völlig verboten und sollte auch klar sein. Numero 2: Geschlechtsverkehr. Wir wollen hier keinen Porno drehen oder so was. Also küssen ist noch erlaubt. Punkt 3: Gewalt. Damit sind keine Pubschlägereien unter Kumpels gemeint, sondern mutwilliges starkes Verletzen von anderen. Das vierte ist das Betreten von Toiletten und Duschen mit anderen, auch, um Sprechen ohne den ,Bühnennahmen' zu vermeiden. Und dann noch das Letzte: Kein erhöhter Alkoholkonsum. Es gibt hier keine Autos, darum ist es nicht so dramatisch, aber solltet ihr mit mehr als 1 Promille erwischt werden, gibt's Ärger, klar? Wenn es noch irgendwelche Fragen gibt - in der Stadt steht ein Auskunftsamt."
"Das ist ja wie im Knast", murmele ich.
"Den es hier übrigens gibt", übergeht O5 meine Unmutsäußerung. "Und wenn du nicht da reinkommen oder auf dem letzten Platz landen willst, solltest du aufhören, so miesmuschelig zu sein. Es gibt auch Shops, es gibt Jobs, ihr könnt Geld verdienen, ausgeben, spenden, was auch immer. Habt einfach Spaß - seid ihr selbst, seid jemand anderes. Ich lasse dich jetzt alleine. Vermutlich wirst du dich schnell zurechtfinden. Allzu groß ist diese Fiktionswelt ja nicht. Hab ein paar schöne Tage", meint er und grinst süffisant. Plötzlich habe ich nicht übel Lust, ihm eine reinzuhauen, doch ich denke an das Verbot "keine Gewalt" und dass ich mich ja wirklich ziemlich dringend im Ranking verbessern sollte. Tja, dann beginne ich eben ein neues Leben.
Erst mal shoppen gehen und was anständiges kaufen, murmele ich vor mich hin. Mikaela Lomos, Start!
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