ROBIN

Langsam streiche ich mir mein schwarzes Haar aus dem Gesicht, das Gel war heute Morgen alle, und starre, wie alle anderen auch, auf den Projektor, den O5 gerade aufbaut. Eigentlich ist dieses ganze Spiel total lächerlich.

Jeden Tag eine Aufgabe, die Schlechten werden heimgeschickt, der Gewinner bleibt, kriegt Ruhm und Ehre. Sowas gab es schon tausende Male und es ist echt nicht mehr originell. Eigentlich sollte es mir ja nicht mal mehr was ausmachen, wenn ich auf dem Ranking nicht weit oben bin, und ich weiß selbst nicht, warum es das trotzdem tut.

Jetzt, es geht los. Steve Raab, dieser aufgeblasene Gockel, der immer so nett tut und in Wirklichkeit nichts will als Aufmerksamkeit, räuspert sich.

"Hallo Leute!", sagt er, "Wie ihr alle wisst, wird heute Abend der erste Teilnehmer oder die erste Teilnehmerin von uns gehen. Dazu sehen wir uns erst noch einmal das Ranking vom gestrigen Tag an.

Die Liste, die uns bereits gestern gezeigt wurde, wird wieder an die Wand projiziert.

1. Angelina Wood - 10 Punkte
2. Simon Everhood - 9 Punkte
3. Harry Walker - 8 Punkte
4. Sophie Taylor - 7 Punkte
5. Lissa Parks - 6 Punkte
6. Samantha Harris - 5 Punkte
7. Robin Johnson - 4 Punkte
8. Charles Thomas - 3 Punkte
9. Laura Smith - 2 Punkte
10. Robert Lewis - 1 Punkt

Das überrascht mich nicht mehr, wir haben es ja gestern schon erfahren, dennoch wurmt nes mich etwas, nicht auf einem höheren Platz gelandet zu sein.

"Und nun das Gesamtranking!", verkündet Raab mit dramatischen Gesten. "Nun werden wir erfahren, wer schon nach der ersten Runde das Naturreservat verlassen muss!"

1. Lissa Parks - 41 Punkte
2. Angelina Wood - 40 Punkte
2. Simon Everhood - 40 Punkte
3. Samantha Harris - 37 Punkte
4. Harry Walker - 34 Punkte
5. Robert Lewis - 26 Punkte
6. Robin Johnson - 25 Punkte
7. Charles Thomas - 19 Punkte
8. Sophie Taylor - 17 Punkte
9. Laura Smith - 16 Punkte

Naja, Platz 6 ist ganz passabel. "Hm, Smith, deine Zeit hier ist nun vorbei, was?", kann ich mir dann doch einen Kommentar nicht verkneifen, obwohl ich die ständig ängstlich herumguckende Vierzehnjährige gar nicht mal so wenig leiden kann.

Doch ich habe nicht mit Wood gerechnet, die mich sofort anfaucht: "Tja, sieh mal zu, dass du deine Sprüche schnell reißt, bevor du auch weg bist. Von uns allen hast du nämlich eindeutig am wenigsten Talent." Dann lächelt sie Smith zu und verschwindet.

"Boah, das war ein Diss!", rufe ich Wood ironisch hinterher, bevor ich mich zu den anderen umdrehe, doch entgegen meiner Erwartungen blicke ich ausschließlich in ablehnende Gesichter. "Na gut", sage ich genervt und streiche mir mein Shirt mit dem Aufdruck Wusstest du, dass es unmöglich ist, sich selbst am Arsch zu lecken? zurecht, "Tut mir leid, dass ich die Kleine eben so angefahren habe, okay?"

Dann mache ich mich auf den Weg in mein Zimmer.

Dort angekommen, nehme ich mein iPad zur Hand, scrolle durch die bereits installierten Apps und zucke zusammen, als der eingestellte Klingelton mir eine Nachricht auf der Message-App verkündet.

Als ich zu TalkAbout wechsle, sehe ich, dass Parks eine Nachricht geschickt hat:

Hallo!
Eine Woche verbringen wir jetzt schon hier und ich weiß bei kaum jemanden mehr als seinen/ihren Namen. Ich würde euch gerne noch mal näher kennenlernen.
Mein Zimmer ist die Nr. 8 und ich würde mich freuen, wenn ihr kämet.
Das wollte ich nur mal gesagt haben.
Lissa

Ich muss mir verkneifen, die Augen zu verdrehen, bei dem Gesülze, reiße mich dann aber zusammen und beschließe, zu dieser selbsternannten Zusammenkunft zu kommen. Wenn ich eines nicht bin, dann ein Angsthase.

Doch dann dauert es doch noch eine knappe halbe Stunde, bis ich vor Parks' Zimmertür stehe und ihren Raum betrete.

Ich sehe auf den ersten Blick, dass alle gekommen sind.

Lewis sitzt auf Parks' Bett, Taylor auf dem Schoß, direkt daneben hocken Walker, Thomas und Harris. Everhood und Parks hocken nebeneinander auf dem Schreibtisch und sogar Smith ist gekommen, sie lehnt, schüchtern lächelnd, am Türstock.

Alle sehen mich und ich kann euch sagen, die Blicke sind nicht gerade freundlich. "Ja, dann gehe ich eben wieder, wenn ihr mich nicht hierhaben wollt", erkläre ich gereizt und will gerade wieder Richtung Tür, als Walker mich am Arm packt.

Kurz bekomme ich Angst, rasende Angst, doch er sagt nichts Verräterisches, tut nichts Verräterisches, sondern zieht mich einfach nur zum Bett. "Komm schon, Kumpel", sagt er, "Stimmt doch gar nicht."

Mein Herz beruhigt sich wieder und mit betont gleichgültiger Miene lasse ich mich aufs Bett fallen und rutsche so weit wie möglich von Walker weg.

Das Gespräch ebbt wieder an und ich muss mich bemühen, keine abwertenden Kommentare in den Raum zu werfen, bei dem oberflächlichen Geplänkel.

"Entschuldige dich", zischt Walker mir zu. "Bei wem?", zische ich nicht minder unfreundlich zurück. Bei ihm habe ich mich nicht zu entschuldigen, unsere Vergangenheit habe ich jetzt endgültig hinter mir gelassen und will sie ganz sicher nicht mehr heraufholen.

"Na, bei Laura!", flüstert er scharf und ich rutsche noch weiter von ihm weg. "Nein." "Doch." "Warum?" "Weil ich dir das sage! Ist das nicht Grund genug?", fragt er mit einem immer noch aggressiven Tonfall in der Stimme, den er immer bekommt, wenn er mit mir spricht.

Aber ich weiß, was mir blüht, wenn ich es nicht tue, also räuspere ich mich und sehe Smith an. "Ähm, , ähm, also, Smith, ähm, Laura, es tut mir leid, was ich..." Ein Rippenstoß von Walker, "nein, es tut mir unglaublich leid, was ich vorhin gesagt habe."

Gott, schlimmer geht es doch nicht, denke ich und zische Walker noch ein wütendes "Danke!" ins Ohr, bevor ich das Zimmer verlasse.

"Viel Spaß noch", sage ich, bevor ich die Tür hinter mir zuschlage und mich in Richtung meines Zimmers begebe.

Innerlich bin ich ein Vulkan, außen ein Eisberg.

Die können mich doch mal.