Woche 1, Samstag
LAURA
"Die heutige Aufgabe wird sowohl im Computer-, als auch im kreativen Bereich liegen.", verkündet Steve Raab heute beim Frühstück, bei dem ich, wie gewöhnlich, mit Samantha und Charles an einem Tisch sitze.
"Ihr werdet die Kleidung eines Brautpaares designen. Aber nicht einfach so, nein, sondern mit der App CreClick, die eigentlich relativ schwer zu bedienen ist. Da ihr euch ja auch erst einarbeiten müsst, dürft ihr jetzt beginnen und habt bis 4 Uhr Zeit. Let's go!"
Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und mache mich, nachdem ich gesehen habe, dass auch die anderen langsam den Frühstücksraum verlassen, auf den Weg in mein Zimmer.
Dieses ist wirklich schön und relativ abseits gelegen. Neben mir wohnt nur noch die blonde Sophie und sonst ist gar kein Zimmer dort.
Als ich in dort ankomme, fläze ich mich erst einmal aufs Bett, den Laptop auf den Oberschenkeln. CreClick ist bereits geöffnet und ich sehe mir die leere, weiße Arbeitsfläche an. Figur hinzufügen, klicke ich an und wähle ein Frau aus. Ihre Taille sieht zwar schon sehr realistisch aus, dennoch ziehe ich sie noch ein bisschen in die Länge. Danach zeichne ich der Frau Haar - schulterlange, braune, gewellte und entscheide mich dafür, ihr eine weiße Rose hinein zu zeichnen.
Ich zoome auf ihren Kopf, setzte die Maus vorsichtig an und beginne zu zeichnen. Das, was herausgekommen ist, kann man keinesfalls als Rose bezeichnen, es sieht eher wie eine sehr misslungene Spirale aus. Löschen. Weiter geht's, noch ein Versuch.
Da ich selbst quasi nur Pullover und Skinny Jeans trage, bei jedem Wetter und Anlass und auch nicht wirklich gerne shoppen gehe, fällt es mir recht schwer, das Brautkleid zu zeichnen. Darum beginne ich mit dem Mann, kreiere eine schwarze Hose und versuche, mit einem Werkzeug, das sich creaser nennt, die Bügelfalten hinzubekommen, was allerdings derart hässlich und unrealistisch aussieht, dass ich das Ganze sofort wieder lösche.
Mal ehrlich, ich bin am Verzweifeln. Wie kann man das nur hinbekommen? Ich habe noch knappe fünfeinhalb Stunden und auch, wenn mir das jetzt wie eine Ewigkeit vorkommt, weiß ich, dass die Minuten nur so dahinfliegen werden, sobald ich mich einmal hineingesteigert habe, so wie quasi immer, wenn ich unter Zeitdruck stehe.
Ich nehme einen Schluck Mineralwasser aus einer Flasche, das vor wenigen Tagen noch spritzig war und versuche, damit das ungute Gefühl in meiner Magengegend zu vertreiben. Es gelingt nicht und so gehe ich erst mal in Google, um mir verschiedenste Brautkleider anzusehen. Pinterest scheint mir die ideale Plattform zu sein und als ich Wedding Dress eingebe, scheinen einige Millionen Vorschläge auf. Ich klicke auf das erste und es verschlägt mir den Atem. Es ist ein oben eng anliegendes und unten weit werdendes Kleid, das über und über mit kleinen, weißen, wahrscheinlich nicht echten Rosen besetzt ist. Darüber trägt die Braut einen ebenfalls weißen Umhang, den sie sich raffiniert um sich gewickelt hat und ihre kurzen Haare ziert ein unglaublich kompliziert wirkende Frisur.
Danach sehe ich auf mein Bild, bei dem Braut und Bräutigam noch halbnackt und mit hässlichen Accesoires bekleidet dastehen und der Komplex haut mich fast um. Noch fünf Stunden.
Ich entscheide mich, der Braut ein eher schlichtes Kleid anzuziehen - mehr würde ich mit meinem Können auf CreClick gar nicht hinbekommen und eine Schärpe, so zumindest mein Plan. Auf einem Collegeblock kritzele ich mir mit Bleistift die Vorlage hin und versuche, es annähernd so gut in der komplizierten App hinzubekommen.
Zwei Stunden später ist das Brautkleid fertig. Es ist ganz okay geworden, zumindest für den ersten Versuch und ich habe stechende Kopfschmerzen. Das Kleid ist relativ weit und ganz schlicht und weiß. Ein Glück war, dass ich den Glitter gefunden habe und so dem Ganzen noch eine gewisse Eleganz verleihen konnte.
Weiter. Der Anzug des Bräutigams, eine schwierigere Sache als man zu meinen scheint. Ich designe ein weißes Hemd mit einer knallgrünen Krawatte, sowie ein zur Hose passendes Sakko und schmücke es mit einigen Kleinigkeiten aus.
Noch etwa eineinhalb Stunden und mein Kopf pocht wie verrückt. Als ich mir mein Werk noch einmal ansehe, merke ich, dass noch etwas fehlt, doch ein nagendes Gefühl im Bauch hält mich vom Denken ab.
Da erinnere ich mich, dass Steve Raab uns deutlich auf das ganztägig geöffnete Obstbuffet hingewiesen hat und ich entscheide mich, mir einen kleinen Snack aufs Zimmer zu holen und mich erst danach um den Abschluss zu kümmern.
Vor der Tür treffe ich auf Sophie, die gerade ihre Zimmertür lächelt. "Hey, Laura", begrüßt sie mich mit einem Lächeln, "Was machst du denn?" "Ich wollte mir etwas zu essen holen", erwidere ich und lächle ebenfalls schüchtern. In der Gegenwart älterer Mädchen, besonders solcher wie Sophie Taylor, fühle ich mich immer verdammt unwohl.
"Hab ich auch grade gemacht", antwortet sie, "Die Erdbeer-Ananas-Spieße sind echt ein Traum!"
"Danke", sage ich und merke zu meiner Verärgerung, dass ich wieder rot werde. Schnell drehe ich mich um und gehe im Laufschritt Richtung Speiseraum.
Es dauert länger als erwartet, bis ich mich für etwas entschieden habe und mache mich dann mit einem Teller Orangenscheiben - und einem Erdbeer-Ananas-Spieß! - auf den Weg in mein Zimmer.
Doch als ich dort angekommen bin, erwartet mich eine böse Überraschung. Der Laptop ist geöffnet, aber CreClick geschlossen.
Das kann nicht sein! Das, was ich schon weitergebracht habe, kann doch nicht einfach so gelöscht sein! Ich klicke auf Meine Dokumente, finde ein automatisch gespeichertes CreClick-Projekt und atme erleichtert auf. Ich weiß nicht, was mit dem Laptop passiert ist, während ich beim Buffet war, aber dass das Dokument anscheinend gespeichert wurde, hebt meine Laune erheblich.
Doch als ich es öffne, fährt mir der Schreck in alle Glieder. Das, was man sehen kann, ist einzig allein das, völlig splitterfasernackte, Brautpaar. Nein!
Ich habe noch knappe Stunde und wünsche mir so sehr wie noch eine gute Fee an meiner Seite. Neundundfünfzig Minuten. Tick, Tack, Tick, Tack.
Mein Kopf pocht noch immer wie verrückt, dennoch lasse ich mich wieder aufs Bett fallen, lege den Laptop auf meine Oberschenkel und überlege mit rasendem Pulsschlag, was ich tun sollte. Zehn Minuten habe ich eine Idee.
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