[Bronx, New York; November 1979]

Mit einem lauten Seufzer räumte Artie einige saubere Shotgläser unter den Bartresen, als das Quietschen einer Türe ihn überrascht aufblicken ließ. Caecilius, der Besitzer des kleinen Nachtclubs war vor einer Stunde bereits gegangen, und Artie dachte, er sei allein. Durch den Mitarbeitereingang stolperte eine blasse Gestalt, den Kopf vorgebeugt, sodass der blonde Vampir das Gesicht nicht sehen konnte. 

Das brauchte er allerdings auch nicht, ein Blick auf die schulterlangen, kohlenschwarzen Haaren verriet ihm sofort, dass es Aries war. Er hielt sich am Türrahmen fest und hob den Kopf, während er Artie angrinste. „Hey lovely...." Hätte der blonde noch ein Herz gehabt, würde es nun schneller schlagen. „Hey.", antwortete Artie ruhig. „Bist du betrunken?" 

Aries nickte und taumelte zur Bar, wo er sich auf einen Stuhl fallen ließ. Seine Haare waren nass und sein Shirt zerrissen. Artie seufzte erneut und kramte eine Konserve und ein Glas hervor, dass er mit der dunkelroten Flüssigkeit auffüllte und Aries reichte. „Zum ausnüchtern.", murmelte er. 

„Mir geht es gut!", verteidigte sich der andere vehement. Seine Pupillen waren stark geweitet, und der Jüngere konnte sich vorstellen warum er so spät noch auf der Arbeit war. Trotzdem fragte er nach, woraufhin Aries etwas kleines aus der Tasche zog, und dem Blonden reichte. Es war ein Ring, an dem ein kleiner dunkelroter Rubin funkelte. „Für dich.", murmelte der Schwarzhaarige. „Passt mir sowieso nicht." 

Artie runzelte die Stirn. „Warum hast du ihn dann angenommen?" Der andere schwieg kurz und schüttelte den Kopf, bevor er antwortete: „Sie hatte kein Geld." Hätte er aufgesehen, hätte er den traurigen Blick des Älteren sehen können. „...Warum tust du das? Du hättest längst wieder zuhause sein können... Du brauchst das Geld doch nicht einmal, fy fan." 

Jetzt hob Aries den Kopf und sah seinem Gegenüber in die Augen, bevor er müde lächelte. „Hier ist es schöner als zuhause. Zuhause ist niemand, hier bist du. Ich mag meine Arbeit." Artie starrte auf den Ring, versuchte sogar vorsichtig ihn an einen Finger zu stecken, aber er war zu klein. Und so ließ er ihn vorsichtig in seine Hosentasche fallen, um die letzten paar Gläser aufzuräumen. „Ich bringe dich gleich nach Hause."

Am nächsten Abend begann Arties Schicht etwas später als gewöhnlich. Als er den Club durch den Mitarbeitereingang betrat, war es bereits zum brechen voll. Umso überraschter war der Blonde, jemanden ganz besonderen an der noch geschlossenen Bar sitzen zu sehen. 

Schnell fuhr er sich durch die vom Regen durchnässten, platinblonden Haare und schloss die kleine Bartür auf. „Ich dachte du hast heute frei?" Aries lachte. „Überstunden sind immer gut, oder?" 

Artie schüttelte den Kopf, konnte sein Lächeln aber nicht verbergen. „Du siehst nicht so aus als würdest du arbeiten." „Nun," der Ältere zuckte mit den Schultern. „Ich dachte ich helfe dir heute mal hier." Artie hielt ihm die Türe auf, und der Blick des anderen fiel auf den kleinen, mit einem roten Stein versehenen Ring um den Hals des Blonden. Doch er lächelte bloß und verkniff sich einen Kommentar. 

Und so verstrichen die nächsten Stunden, die beiden plauderten und machten Drinks, wobei eigentlich nur Artie arbeitete und der andere ihn nur zuquatschte und sich um die Musik kümmerte. Es war auch besser so, Aries Fähigkeiten als Barkeeper waren mehr als nur dürftig. Doch zum Ärger des Blonden blieben sie nicht wirklich ungestört, und sein bester Freund wurde mehrmals angesprochen, wobei seine Antwort stets die selbe war: „Ich arbeite heute nicht, komm morgen wieder." 

Nach dem vierten Flirtversuch eines aufdringlichen, dunkelhaarigen Elben drehte Artie sich zu dem Älteren um. „Nervt dich das nicht? Lass uns Nemesis anrufen." Nemesis war neben Caecilius die zweite Türsteherin, und dafür zuständig, im Club nach dem Rechten zu sehen. Sie hatte in den vergangenen drei Jahren schon oft dafür gesorgt, dass aufdringliche Typen rausgeschmissen wurden. Aries schüttelte den Kopf. „Lass gut sein."

Artie seufzte erneut. Ihm gefiel das ganz und gar nicht. Ein stechendes Gefühl der Eifersucht bahnte sich in seinem Innersten einen Weg, das sich einfach nicht verdrängen ließ. 

Der schwarzhaarige Vampir streckte sich auf dem Barhocker und blinzelte, in seinen Fingern drehte er ein kleines Cocktailschirmchen hin und her. Interessiert beobachtete er das Treiben in der Bar und tippte mit dem Schirmchen im Takt zur Musik auf den hölzernen Tresen. Leise summte er die Melodie von „Like a Prayer" mit. 

„..Hast du Lust, später noch etwas zu unternehmen?" Artie hob den Kopf. Diese Frage aus dem nichts hatte ihn überrascht. Meinte der andere etwa... ein Date? Einen schönen Abend unter Freunden? Sex? Der blonde Vampir konnte bei bestem Willen nicht sagen, was im Kopf des anderen vorging. Er musste vorsichtig sein und durfte nichts vorwegnehmen, sonst würde sich diese winzige Hoffnung die er noch im Bezug auf seinen - jetzt noch besten Freund - hegte, für immer in Luft auflösen. „Ich weiss nicht", antwortete er jetzt zögerlich, „An was denkst du?" 

Doch der andere zuckte bloß mit den Schultern. „Was immer du möchtest. Wir arbeiten fast jeden Tag zusammen aber außerhalb der Arbeit sehen wir uns nie. Ich finde das irgendwie schade." „Ja.", nuschelte Artie nur. Er konnte sein Glück nicht fassen, hatte aber auch Angst es wieder zu zerstören. Aries verschränkte die Arme. „Was hältst du von Picknick am Hudson River?" Sein bester Freund lächelte nur sanft und nickte glücklich. „Ich freue mich."