FREMDE GEDANKEN
Zwei der Gäste verließen irgendwann kurz vor fünf Uhr morgens das Diner und gingen gemütlich zurück zu ihrem kleinen roten Auto, um weiter zu fahren – wohin auch immer ihre Reise ging. Sie würde es nie erfahren, wie bei den meisten Gästen die hier kamen und gingen. Alle hatten sie ihre Geschichten und dieses Essen in diesem Diner war noch nicht einmal der Bruchteil eines Fragmentes ihres Lebens.
Und sie selbst war nur eine unwichtige Figur am Rande, die das Essen wieder auffüllte, das Geschirr weg räumte und ab und zu sogar an der Kasse stand. Im Grunde war sie ein Nichts. Wäre sie nicht da, wäre es niemandem aufgefallen, zumindest am Anfang hätte es keiner bemerkt. Nach einer Weile hätte sich auf den Tischen das Geschirr gestapelt, während das Büfett leer geblieben wäre. Dann hätte man sie bemerkt. Viel zu spät.
Während das rote Auto wieder auf den Highway fuhr stapelte sie die Teller, Becher und das Besteck der Gäste zu einem wackeligen Turm zusammen und nahm es auf die linke Hand, während sie den Waschlappen in die andere nahm, um den Tisch abzuwischen.
Sie lies den gräulichen Lumpen auf die Tischplatte klatschen und war schon dabei eine kleine Kritzelei zu vernichten, die einer von den beiden da hinterlassen hatte – was dachten sich Leute eigentlich dabei, überall den Stempel ihres Daseins zu hinterlassen? Doch da hielt sie auf einmal inne, um zu lesen, was dort in einer krakeligen Handschrift geschrieben stand.
falls du mal wieder hier essen solltest, simon: danke. durch dich war ich das erste mal in diesem jahr wirklich glücklich und die fiesen gedanken in meinem kopf hatte keine macht gegen deine gute seele
Sie war schon dabei diese klischeehafte Liebeserklärung, oder was auch immer das darstellen soll, weg zu wischen, doch dann hielt sie auf einmal inne. Wieso immer das Schöne zerstören? Wieso nur diese kalte graue Tischplatte zurücklassen und die gute Erinnerung dieser beiden Menschen ausradieren? Sie selbst wollte doch auch nicht ausradiert werden, wieso sollte sie dann die Erinnerung an andere Menschen verschwinden lassen?
Als sie in die Küche ging um das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen war der Tisch sauber – bis auf eine kleine Krakelei ganz unten links in der Ecke. Im Radio lief The Key to Life on Earth von Declane McKenna.
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