Liv stürmte noch immer verärgert den Gang entlang und drängte sich zwischen den vielen Schülern hindurch. Nachsitzen... was für ein Schwachsinn! Professor Connor war einfach nicht Ernst zu nehmen! Wie konnte man einen so unqualifizierten und überforderten Typen in Hogwarts als Lehrer einstellen?!
,,Hey! Olivia, warte!" rief ihr plötzlich jemand hinterher. Liv verdrehte die Augen und blieb trotzig stehen.
,,Was wollt ihr?" fragte sie, als sie die Rumtreiber erkannte, die ihr alle vier nachgelaufen waren. Doch anstatt auch stehen zu bleiben, packten Remus und James sie jeweils an einem Oberarm und schleiften sie mit sich.
,,Hey, was macht ihr da?" fragte Liv perplex, während sie von den beiden mitgezogen wurde.
,,Wir müssen reden." sagte Remus strikt.
,,Schon wieder?" fragte Liv verständnislos, doch die Runtreiber gaben ihr keine Antwort. Zu vier gingen sie mit Liv in Richtung Eingangsportal hinaus auf das Gelände und gingen mit ihr auf ein nahegelegenes Plätzchen, das von ein paar Bäumen umgeben war, wo sie unter sich waren.
,,Ich wollte gerade zum Mittagessen gehen!" protestierte sie und riss sich von Remus und James los um trotzig die Arme zu verschränken.
,,Das muss warten." meinte James.
,,Na dann schießt los, was wollt ihr?" schnaubte Liv ungeduldig.
,,Woher wusstest du, dass Professor Connors Stein ein Gebetsstein war?" fragte Remus direkt. Liv zuckte nur mit den Schultern.
,,Ich hab eben gelesen was draufstand." seufzte sie gleichgültig.
,,Das waren atlantische Runen." betonte Remus.
,,Ja... und? Gibt sicher nen Haufen Leute, die das irgendwann gelernt haben." meinte Liv desinteressiert. Doch Remus schüttelte nur den Kopf.
,,Das ist es ja... gibt es nicht." antwortete er eindringlich.
,,Nicht?" fragte Liv überrascht.
,,Atlantische Runen konnten noch nicht übersetzt werden." fuhr Remus fort. ,,Und ich bin der Meinung, dass es nur einen Grund dafür geben kann, dass ausgerechnet du sie lesen kannst."
Livs Gleichgültigkeit war ruckartig aus ihrem Gesicht verschwunden. Sie hatte nicht gewusst, dass die Schriftzeichen von Menschen noch nicht gelesen werden konnten. Sonst wäre sie ja nie so unvorsichtig gewesen!
,,Verdammt..." murmelte sie und schlug sich beide Hände vor's Gesicht. Sie hatte sich verraten...
,,Du bist eine Meerjungfrau... richtig?" fragte Remus. Liv gab ihm keine Antwort. Sie drehte sich nur trotzig weg und mied die Blicke der vier.
,,Komm schon, Olivia! Wenn wir dir helfen sollen, dann müssen wir anfangen ehrlich miteinander zu sein!" meinte Sirius entschlossen. Liv stieß nur einen tiefen Seufzer aus und wandte den vieren trocken ihren Blick zu.
,,Also... erzählst du uns die Wahrheit darüber, was wirklich mit dir passiert ist?" fragte James sie ruhig. Liv verdrehte nur die Augen, doch sie verneinte nicht. Die Rumtreiber deuteten das als ein Ja.
,,Ich will so wenig darüber reden wie möglich, okay?" murmelte sie missmutig.
,,In Ordnung." meinte Sirius. Liv zuckte nur wieder mit den Schultern...
,,Bist du eine Meerjungfrau, Olivia?" fragte Remus sie noch einmal.
,,Nein, nicht ganz..." seufzte sie und lehnte sich gegen einen Baum. ,,Anscheinend nur zur Hälfte... mein Vater war wohl ein Zauberer."
,,Und deine Mutter?" hakte Peter neugierig nach. Liv zog die Augenbrauen hoch.
,,Meine Mutter..." begann sie schnaubend. ,,Ist die Königin der Meerjungfrauen! Morina, die mächtigste Meerjungfrau unserer Zeit, die Anführerin des letzten Rudels, das noch existiert!"
Mitten drin, als sie gerade begann in den höchsten Tönen von ihrer Mutter zu erzählen, stockte sie.
,,... Doch aus irgendeinem Grund hat sie sich dazu verleiten lassen etwas mit einem armseligen Menschen anzufangen... und tadaa... Hier bin ich." murmelte sie mit sarkastischem Unterton.
,,Was ist mit deinem Vater passiert?" fragte James.
,,Die anderen Meerjungfrauen haben ihn getötet." antwortete sie schulterzuckend, ohne, dass es sie irgendwie zu interessieren schien. Die Rumtreiber rissen geschockt die Augen auf.
,,Was?" fragte Sirius ungläubig.
,,Ja... was soll's." seufzte sie nur. ,,Ich habe ihn nie kennen gelernt... außerdem hab' ich es ihm zu verdanken, dass mich die anderen nicht haben wollen..."
,,Okay..." murmelte Remus nur peinlich bedrückt, so wie es auch den anderen ging.
,,Und... wie ist es passiert, dass du an Land kamst?" fragte James schnell um das Thema zu wechseln. Liv atmete einmal tief durch... das war eine Erinnerung über die sie nur ungern nachdachte.
,,Na was wohl..." schnaubte sie grimmig und hatte die Zähne stur aufeinander gebissen.
,,Sie haben Angst vor mir... Sie haben mich verstoßen und mich in diesen jämmerlichen Körper gesteckt!"
,,Wen meinst du mit Sie?" fragte Peter neugierig nach.
,,Na, mein Rudel! Meine Mutter, meine Schwestern..." antwortete Liv missmutig.
,,Ich wusste nicht, dass das menschliche Blut meines Vaters irgendeine Auswirkung auf mich hat. Keiner wusste das, weder meine Mutter, noch eine von den anderen. Sechzehn Jahre lang... aber dann ist etwas passiert." murmelte sie und biss sich verzwickt auf die Unterlippe. Die Jungs hörten ihr neugierig zu.
,,Es gab einen Sturm und wir waren gerade auf der Jagt. Normalerweise gehen wir nicht so nah an die Wasseroberfläche, aber wir haben einen Schwarm Rotlachse verfolgt. Dann hat uns einen riesige Flutwelle mitgerissen und wir wurden an Land gespült..."
Liv seufzte und machte eine kurze Pause ehe sie weiter sprach.
,,Als wir alle an die Küste geschwemmt wurden, dachten wir, es wäre vorbei mit uns... Aber dann hab' ich begonnen mich zu verändern..."
,,Wie meinst du das?" fragte Sirius wissbegierig.
,,Meine Schwanzflosse hat begonnen sich aufzulösen." fuhr Liv fort.
,,Meine Schuppen sind abgefallen! Ich hab' auf einmal Zehen bekommen! Und Füße! Und zwei Beine! Was ja im Grunde genommen auch unsere Rettung war, denn so konnte ich alle anderen wieder ins Wasser schieben... Aber als die anderen Meerjungfrauen mich so gesehen haben..."
Liv vollendete den Satz nicht, sondern schluckte nur. Die Rumtreiber verstanden was sie sagen wollte. Ihr Rudel hatte sie wohl nicht mehr akzeptiert...
,,Als ich dann wieder zurück im Wasser war, hab' ich mich zurückverwandelt... Aber die anderen haben mich mit so einer Verächtlichkeit angesehen, wie als wäre ich ein... Mensch." murmelte Liv und Trauer schwenkte in ihrer Stimme mit. Sie hatte ihren Blick nur starr nach vorne gerichtet.
,,Und... wie kam es dann zu..." wollte Peter zögernd fragen.
,,Zur Träne?" fiel Liv ihm ins Wort. Peter nickte bedrückt.
,,Keine Ahnung." seufzte Liv. ,,Ich habe mich schlafen gelegt... Das nächste woran ich mich erinnern kann war, dass ich plötzlich aufgewacht bin weil ich keine Luft bekommen habe! Ab dem Moment, als sie mir die Kette ungelegt haben, konnte ich nicht mehr unter Wasser atmen... Es ging alles so schnell. Ich hab nur gespürt, wie mich jemand gepackt hat und wie ich nach oben gezogen wurde. Ich hab' versucht mich zu wehren, aber sie haben mich nicht los gelassen. Und weil ich keine Luft bekommen habe, bin ich irgendwann bewusstlos geworden. Das nächste woran ich mich erinnern kann ist, dass ich im Wohnzimmer von irgendeinem Typen aufgewacht bin."
,,Echt jetzt?" fiel Sirius ihr ins Wort. ,,Sie haben dir das angetan? Deine eigene Familie?"
Liv nickte nur stumm. Die Jungs starrten sie entsetzt an.
,,Warum tun sie denn sowas?" fragte Peter ungläubig. Liv zuckten nur trüb mit den Schultern.
,,Ich habe keine Ahnung warum..." seufzte sie. ,,Wie gesagt... ich hab' geschlafen, bevor das alles passiert ist. Ich habe nichts mitbekommen..."
,,Aber... wenn sie es waren, die dir diesen Fluch angehängt haben... Wieso willst du dann zurück zu ihnen?" fragte Remus zögernd.
,,Ich... Keine Ahnung! Ich muss einfach!" stammelte Liv.
,,Bestimmt halten sie mich für schwach! Sie fürchten sich vor mir, weil ich anders bin! Ich weiß auch nicht... Aber wenn sie sehen, dass ich es geschafft hab den Fluch zu brechen... dann sehen sie, dass ich doch nicht so schwach bin! Dann akzeptieren sie mich vielleicht wieder!"
Livs Stimme war so voller Hoffnung, dass es den Rumtreibern das Herz brach... Denn für sie klang es so, als hätte Livs Rudel eine eindeutige Entscheidung getroffen. Nämlich, dass es sie nicht mehr bei sich haben wollte. Doch Liv sprach mit so einem Kummer und glaubte so fest daran, dass ihre Familie sie zurücknehmen würde, dass keiner der vier es wagte ihren Traum platzen zu lassen.
,,Ich weiß nicht, Olivia..." begann Remus unbehaglich, doch sie fiel ihm ins Wort.
,,Seht ihr jetzt, warum ich die Kette loswerden muss?" fragte Liv. ,,Ich kann anders nicht zurück! Und ich muss zurück! Ich gehöre einfach nicht hierher!"
Ihre Stimme klang leise und zitterte kaum hörbar. Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben, genau wie die Sehnsucht nach ihrer Heimat.
,,Ich habe hier doch niemanden..." flüsterte sie verletzlich. Keiner der Rumtreiber wusste, was er hätte sagen sollen. Liv, die sonst so eine harsche Art hatte, stand da, an einen Baumstamm gelehnt mit glasigen Augen und wirkte absolut aufgelöst.
,,Danke... dass du uns alles erzählt hast." brach Remus mit einem Räuspern die Stille. Liv zuckte schnaubend mit den Schultern. Es war, als würde sie ihre Zerbrechlichkeit sofort abschütteln und wieder ihre übliche Fassade aufsetzen.
,,Hatte ich denn eine Wahl?" fragte sie patzig. Remus musste schmunzeln... Da war sie wieder... Olivia Roberts, so wie man sie kannte.
,,Wir werden unser Bestes geben, um dir zu helfen! Versprochen!" versicherte er ihr. Die restlichen Rumtreiber stimmten ihm zögernd mit einem Nicken zu.
,,... Danke." murmelte Liv nur. ,,Kann ich jetzt zu Mittag essen gehen?"
,,Geh' schon'." schnaubte Sirius belustig. Liv verdrehte die Augen und stieß sich vom Baumstamm ab, an den sie sich angelehnt hatte, um an den Rumtreibern vorbeizustapfen.
,,Man sieht sich, Olivia!" rief James ihr noch zu, während sie im Gehen war. Daraufhin drehte sie sich nich kurz zu den vieren um.
,,Eins noch!" rief sie ihnen zu.
,,Nennt mich Liv! Kein Schwein sagt Olivia zu mir."
Ohne eine Antwort abzuwarten drehte sie sich wieder um und dackelte davon.
,,Okay, dann bis nachher, Liv!" rief Remus ihr lachend hinterher.
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