Endlich frei
Es war Nacht. Die Sterne schienen klar am Nachthimmel wie funkelnde Diamanten. Nur vom Mond war nichts zu sehen. Die Rumtreiber schlichen auf leisen Sohlen durch die Korridore von Hogwarts. Peter hatte die Karte des Rumtreibers in der Hand und kontrollierte ständig, ob ihnen am Gang niemand über den Weg laufen würde. Liv hatte sich ebenfalls bereits aus ihrem Gemeinschaftsraum geschlichen. Die vier hatten vereinbart, sich vor dem Eingangsportal mit ihr zu treffen.
,,Da bist du ja!" zischte Remus ihr zu, als er die dunklen Umrisse ihrer Silhouette erkannte. Liv legte einen Finger auf ihre Lippen und deutete ihm ruhig zu sein.
Sirius schob mit beiden Händen das Schwere Eingangstor auf. Sofort flog ihnen die kühle Luft der Nacht entgegen. Nacheinander huschten alle durch den Türspalt hinaus, ehe Sirius das Tor wieder losließ und es mit einem dumpfen Aufprall wieder zufiel.
,,Bist du aufgeregt?" fragte Remus Liv, während die fünf über das Gelände von Hogwarts gingen. Liv nickte.
,,Und wie..." murmelte sie aufgeregt.
,,Gleich ist alles vorbei! In ein paar Minuten kann ich wieder nach Hause und kann diesen ganzen Albtraum hinter mir lassen... Dann kann ich endlich wieder dorthin zurück, wo ich hingehöre..."
Remus nickte verständnisvoll. Eigentlich hatte er vor sich für Liv zu freuen! Doch wenn er daran dachte, dass sie nach der heutigen Nacht für immer verschwinden würde, bekam er ein flaues Gefühl im Magen.
Als die fünf bereits eine Weile über das Gelände gegangen waren, erkannten sie in der Ferne bereits die Umrisse einer Person, die in der Wiese einige Meter neben dem Ufer das schwarzen Sees stand. Es war Professor Connor. Auch er hatte die vier bemerkt und winkte ihnen zu.
,,Guten Abend, Professor..." murmelte James etwas unbehaglich. Sich mit seinem Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste zu treffen, kam ihm seltsam surreal vor. Doch immerhin war er ja hier, um Liv zu helfen.
,,Ihnen auch einen guten Abend." grüßte der Lehrer zurück.
,,Sind sie bereit?" fragte er anschließend an Liv gewandt. Sie nickte eifrig.
,,Mehr als alles andere!" sagte sie mit strahlenden Augen. Professor Connor blickte auf seine Armbanduhr.
,,Der Zauber kann nur um Punkt Mitternacht durchführt werden, sagten sie?" fragte er nach. Liv nickte.
,,Ja... Ich glaube schon." meinte sie.
,,Tja, wenn das so ist, haben wir noch drei Minuten Zeit." sagte er in die Runde.
Liv griff um ihren Hals und holte ihre Halskette unter ihrem Pullover hervor, unter welchem sie sie wie immer versteckt hatte. Aufgeregt blickte sie auf die weiße Perle hinunter. Gleich würde es vorbei sein! In drei Minuten war sie wieder frei! Das ganze Warten hatte endlich ein Ende
,,Also... Dann war's das?" brach Sirius die Stille. Liv nickte lächelnd.
,,Ich denke es wird Zeit, lebe wohl zu sagen." seufzte sie und blickte die Rumtreiber etwas wehmütig an.
,,Was sollen wir den Leuten sagen, die fragen, wo du bist?" kam es plötzlich Remus in den Sinn. Liv blickte ihn verwundert an.
,,Wie meinst du?" fragte sie.
,,Naja... heute warst du noch in der Schule. Aber morgen wirst du verschwunden sein, ohne irgendwann wieder zu kommen. Was sollen wir sagen, wenn die Leute nach dir fragen werden?" meinte Remus. Liv zuckte lächelnd mit den Schultern.
,,Sagt, ihr wisst es nicht." schlug sie lediglich vor. Die Rumtreiber schmunzelten.
,,Das werden die uns doch niemals abkaufen." schnaubte Sirius belustigt.
,,Noch weniger werden sie euch abkaufen, dass ich jetzt wieder als Meerjungfrau im Meer herumplantsche." entgegnete Liv. Die Rumtreiber warfen sich gegenseitig vielsagende Blicke zu.
,,Wo sie recht hat, hat sie recht." meinte Peter schließlich. Ein leises Lachen ging durch die Runde.
,,Alles Gute, Liv..." seufze James schließlich und breitete seine Arme aus, um sie zu umarmen. Lächelnd ging Liv auf das Angebot ein.
,,Danke für alles, Jungs!" murmelte sie, während sie James fest drückte. Als nächstes nahm Sirius sie in die Arme.
,,Ich hätte nie gedacht, dass ich das sagen werde... aber du wirst mir fehlen." meinte er wehmütig. Liv musste schmunzeln.
,,Du wirst mir auch fehlen, Pfote."
,,Ich wusste, dass das jetzt kommt..."
Der nächste in der Reihenfolge war Peter. Auch er wurde von Liv zum Abschied noch einmal gedrückt.
,,Pass auf dich auf, hörst du!" sagte er.
,,Versprochen!" erwiderte Liv und zwinkerte ihm freundschaftlich zu.
Zuletzt kam Remus an die Reihe. Er starrte Liv mit traurigen Augen und schwerem Herzen an. Doch sie lächelte. Sie lächelte, was ihm einen Stich ins Herz verpasste. Wie gerne würde er sich mit ihr freuen, doch er konnte es nicht. Schweigend standen die beiden einfach nur da und starrten sich an, mit der Hoffnung, dass ihr Gegenüber als erstes etwas sagen würde.
Plötzlich stieß Remus ein Seufzen aus und legte sich plötzlich beide Hände an sein Herz. Zuerst die rechte, dann die linke und schließlich führte er beide in einem Bogen nach unten von seinem Körper weg. Das Zeichen für Freund.
Livs Augen weiteten sich funkelnd, während sich ein überraschtes Lächeln auf ihr Gesicht schlich. Auch Remus lächelte sie schief an. Seufzend ging Liv auf ihn zu und legte ihre Arme um seinen Hals, um auch auch ihn in eine Umarmung zu ziehen. Doch anders als seine Freunde sagte Remus noch immer nichts zu ihr. Ihm fehlte irgendwie die Kraft dazu
,,Danke, Remus! Ich werde dich nie vergessen..." flüsterte sie ihm ins Ohr. Remus drückte sie ganz fest.
,,Komm gut nach Hause, ja?" murmelte er ihr leise zu.
,,Miss Roberts!" wurden die beiden schließlich von Professor Connor unterbrochen. Remus und Liv lösten sich voneinander.
,,Es wird Zeit." sagte er und tippte auf das Armaturenbrett seiner Armbanduhr. Liv nickte und ging zu ihm hinüber. Sie fasste sich ihre schwarzen Haare zusammen und hob sie hoch, sodass Professor Connor leichter zu ihrer Halskette fassen konnte.
Dieser zog ein Taschenmesser aus seiner Manteltasche. Er ließ es aufschnappen und legte sich sie scharfe Kante auf die Handfläche. Die metallene Klinge glänzte im matten Licht der Sterne. Er atmete einmal tief durch, kniff die Augen zusammen und zog sie mit einem Ruck durch. Es bildete sich ein geradliniger, jedoch tiefer Einschnitt, aus dem sofort dunkelrotes, dickflüssiges Blut herausquoll.
Ohne weiter zu zögern griff er mit der blutüberströmten Hand nach Livs Halskette und hielt sie fest. Sie schloss nervös die Augen und begann das Leitgebet der Meerjungfrauen vor sich hinzumurmelt.
Plötzlich schien etwas zu passieren. Die fast windstille Nacht wurde plötzlich von einem rauschenden Luftzug erfüllt. Die Rumtreiber warfen sich gegenseitig verwunderte Blicke zu. Das Wasser des schwarzen Sees begann sich langsam zu verändern. Es sah aus, als würde ganz unten auf dem Grund etwas beginnen zu leuchten. Je weiter Liv das Gebet aussprach, umso stärker schien dieses Leuchten zu werden.
,,Was passiert hier?" murmelte Peter staunend vor sich hin, während alle nur Liv anstarrten. Der Wind um sie herum wurde immer stärker.
,,Bis das Klagen der Wellen verklingt..." sprach Liv schließlich den letzten Satz aus. Plötzlich schrie Connor schmerzhaft auf und ließ mit einem Ruck die Kette los. Kurz bildeten die Rumtreiber sich ein, ein kurzes Qualmen gesehen zu haben, das aus seiner Handfläche gekommen war.
,,Was ist?" fragte Remus verwundert und ging auf Liv zu. Die Halskette war noch ganz. Allerdings hatte die Stelle, die von Connors Blut berührt worden war, begonnen zu rosten.
,,Hat es nicht funktioniert?" fragte Liv besorgt und blickte die Rumtreiber hilfesuchend an. Remus sah sich die rostige Stelle der Halskette genauer an. Ironischer Weise, wurde Professor Connor, der sich gerade schmerzvoll die Hand hielt, von seinen Schülern ziemlich ignoriert.
,,Hm... also es ist definitiv etwas passiert..." murmelte James vor sich hin, der das Ganze ebenfalls unter die Lupe nahm.
,,Aber Ich bin noch ein Mensch! Ich fühle mich noch so..." Liv sprach nicht weiter, sondern blickte nur verzweifelt auf sich herab.
,,Liv! Beruhige dich! Bestimmt fällt uns eine Lösung-..." versuchte Sirius sie zu beruhigen, doch sie hörte ihm nicht zu.
,,Ich will, dass es aufhört!" sagte sie laut und begann wieder an ihrer Kette herumzuzerren. Hilflos sahen die Rumtreiber zu, wie Liv verzweifelt versuchte sich die Kette vom Leib zu reißen.
,,Liv! Das wird so nicht gehen!" versuchte James sie zur Vernunft zu bringen.
,,Ich kann nicht mehr! Dieses Ding soll weg!" schrie sie mit Tränen in die Augen und zog mit einem einzigen, kräftigen Ruck an der Halskette.
Und plötzlich geschah etwas...
Nachdem Liv so kräftig an der Kette gezogen hatte, zerbarsten die rostigen Teile plötzlich in Tausend Stücke. Die Rumtreiber, genau wie Professor Connor, rissen überrascht die Augen auf, als Liv die Halskette in ihren Händen hielt. Gelöst von ihrem Hals.
Geschockt starrte sie auf die Kette in ihren Händen. Ungläubig fasste sie sich an den Hals, um zu überprüfen, ob das was sie sah tatsächlich der Wahrheit entsprach. Tatsächlich! Die Halskette hatte sich gelöst! Der Fluch war gebrochen!
Plötzlich prasselten hundert Sinneseindrücke auf sie ein. Sie spürte, wie ihre Seele nach all dem rief, was ihr durch die Träne genommen wurde. Der Wind pfiff ihr um die Ohren und sie nahm es tausend Mal intensiver wahr, als sie es als Mensch tun konnte. Langsam schloss sie die Augen und nahm einen tiefen Atemzug.
,,Liv..." hauchte Remus ungläubig, als er sie so sah. Doch plötzlich öffnete sie ihre Augen wieder. Die um sie Herumstehenden erschraken. Das blitzgrau ihrer Augenfarbe war wie weggeblasen. Stattdessen erstrahlten ihre Augen in dem hellsten blau, das je einer gesehen hatte. Sie strahlten wie zwei leuchtende Saphire... fast schon unmenschlich.
Ohne noch weiter zu zögern schritt Liv auf den schwarzen See zu. Sie konnte förmlich spüren, wie das Wasser nach ihr rief. Ihr Herz klopfte immer schneller je näher sie dem See kam.
Sie malte sich bereits die erste Berührung mit dem Wasser aus. Sie konnte es kaum erwarten wieder die Energie zu spüren, die es durchflutete und auf welche sie so lange verzichten musste. Endlich sie war wieder frei.
Liv war noch zwei Schritte vom schwarzen See entfernt
,,Liv!! Vorsicht!!" hörte sie plötzlich jemanden schreien. Verwirrt drehte sie sich wieder zu den Rumtreibern um, um nachzusehen, wer gerufen hatte.
Doch das Einzige was sie sah, war ein beißend heller, blauer Blitz, der auf sie zugeflogen kam und sie mitten in der Brust traf. Mit einem Aufprall wurde sie nach hinten geschleudert. Und plötzlich wurde ihr schwarz vor den Augen...
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