Der Gegenzauber
Schließlich stand irgendwann die nächste Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste an. Allerdings war die Tatsache, dass die Ravenclaws gemeinsam mit Gryffindor Unterricht hatten für Liv etwas beruhigend. Sie setzte sich wie so oft in die letzte Reihe, in die Nähe der Rumtreiber. Alle fünf warfen sich gegenseitig vielsagende Blicke zu. Das war das erste Mal, dass Liv Professor Connor seit ihrem Gespräch wieder gegenübertreten würde. Alle waren ziemlich angespannt.
,,Einen schönen guten Morgen!" ertönte auf einmal Professor Connors stimme, als er das Klassenzimmer betrat. Seine Augen huschten sofort instinktiv in die letzte Reihe und suchten nach Liv. Diese blickte ihm stur entgegen. Er ging hinüber zum Lehrerpult und stellte sich vor die Klasse.
,,Heute werdet ihr eure Bücher nicht brauchen." sagte er.
,,Packt sie weg."
Die Schüler blickten einander verwirrt an, taten dann jedoch, was der Lehrer von ihnen verlangte. Währenddessen beugte sich Professor Connor hinter den Schreibtisch und schien etwas zu suchen. Sekunden später hatte er den Gebetsstein in der Hand und platzierte ihn vorne auf seinem Schreibtisch.
Die Rumtreiber warfen Liv einen flüchtigen Blick zu. Diese jedoch hatte nur stur die Zähne aufeinander gebissen und wartete ab.
,,Wer kann sich noch erinnern was das ist?" fragte Connor erwartungsvoll in die Runde.
,,Ein Stein?" seufzte Aaron Jordan aus Gryffindor, woraufhin leises Gekicher in der Klasse ausbrach.
,,Ja, Mister Jordan, da haben sie in der Tat recht!" sagte Connor und ignorierte offenbar die Tatsache, dass Aaron das Ganze recht sarkastisch betrachtet hatte.
,,Und wie Sie alle sehen können, sind darauf Runen eingraviert. Atlantische Runen."
Die ganze Klasse seufzte nur und ließ sein Geschwafel über den blöden Stein wieder einmal über sich ergehen. Langsam ging es bereits allen auf die Nerven, dass er immer wieder begann von Meerjungfrauen zu reden. Der Mann war ja wie besessen.
,,Ihr werdet es nicht glauben... Aber mir ist es in der Tat gelungen, die Runen zu übersetzen!" raunte er mit mystischem Unterton durch das Klassenzimmer. Liv stieß ein belustigtes Schnauben aus. Na klar war es ihm gelungen, die Runen zu übersetzen... Ihm war es eher gelungen ihr beim Übersetzen zuzuhören. Auch die Rumtreiber verdrehten die Augen. Naja, immerhin versuchte er nicht der Klasse weiß zu machen, dass Liv eine Meerjungfrau wäre...
Connor schwang seinen Zauberstab und plötzlich erschien auf der Tafel ein Text aus Kreide. Nämlich genau der Text, den Liv ihm damals übersetzt hatte.
,,Miss Byrne! Wären sie so freundlich uns vorzulesen, was auf der Tafel steht?" forderte Professor Connor Lizzy auf, die in der ersten Reihe saß.
,,Ähm... Sowie das Meer sinkt in einen tiefen Schlaf, ist die Stunde der Meerjungfrau geboren... Und herrschen wird sie über jene Wässer, deren Wellen sich vor ihr verneigen..." begann Lizzy zögernd und fragte sich insgeheim was für Blödsinn sie da gerade vorlas. Während sie das tat, hatte Connor mit seinen Augen Liv fixiert und starrte sie unentwegt an.
,,So soll sie kehren ins dunkle Licht, bis das Meer beginnt zu weinen... Und trotzten jenen Gewalten, die versuchen sie zu bändigen. Mit Blut geschaffen und mit Blut beglichen.. Freiheit, gewährt durch den Schöpfer eines selbst. Befreit durch jenen Willen tritt Licht aus dem Schatten... Bis das Klagen der Wellen verklingt."
,,Da! Sie haben es alle gehört!" zischte Connor und deutete demonstrativ auf die Tafel.
,,Das ist der Beweis! Sie existieren! Meerjungfrauen existieren!"
,,Aber was genau soll das denn beweisen, Professor?" fragte Avery, die direkt neben Lizzy saß.
Professor Connor versuchte wieder einmal sich vor seinen Schülern zu rechtfertigen und fünf Minuten später fand er sich wieder in einer eifrigen Diskussion vor. Liv hatte bereits abgeschaltet. Dem Ganzen zuzuhören hatte sowieso keinen Sinn. Auch die Rumtreiber schienen sich in ihre Sessel zurückzulehnen und verdrehten die Augen bei jedem Satz, der aus dem Mund des Professors kam.
Alle... Bis auf Remus. Dieser hatte neugierig die Tafel fixiert. Seine Augen huschten flink über jede Zeile des Textes drüber, während er die Sätze in seinem Kopf durchging. Irgendwas daran hatte ihn stutzig gemacht.
Schnell nahm er seine Schreibfeder zur Hand, genau wie ein Stück Pergament. Er tauchte seine Feder in ein Tintenfass und begann das Gebet, das auf der Tafel stand eifrig abzuschreiben.
,,Was machst du denn da?" zischte Peter ihm neugierig zu.
,,Ich... Ich glaube, ich bin da an etwas dran..." murmelte Remus und schrieb weiter die Zeilen des Gebets ab.
So soll sie kehren ins dunkle Licht, bis das Meer beginnt zu weinen.
Dieser Satz hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. Irgendetwas an diesem Gebet kam ihm merkwürdig vor. Er konnte nur noch nicht sagen was. Remus kritzelte weiter auf seinem Pergament.
Freiheit, gewährt durch den Schöpfer eines selbst. Befreit durch jenen Willen tritt Licht aus dem Schatten... Bis das Klagen der Wellen verklingt.
Remus hob die Spitze seiner Feder von dem Pergament und betrachtete das komplette Gebet von Nahem. Wieder huschten seine Augen immer und immer wieder über die Zeilen. In seinem Kopf fügten sich nach und nach alle Puzzleteile zusammen. Bis es schließlich klick machte.
,,Hey! Leute!" zischte er den anderen zu, die sich verwundert zu ihm umblickten. Auch Liv, die eine Reihe weiter hinten saß, wandte sich ihm zu,
,,Wir treffen uns heute Nachmittag in der Bibliothek!" murmelte er ihnen aufgeregt zu.
,,Ich glaub'... Ich glaub' ich hab' etwas gefunden!"
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Gesagt, getan. Nachdem die fünf alle separat ihren Stundenplan hinter sich gebracht hatten, trafen sie sich alle gemeinsam wie so oft in der Bibliothek. Remus hatte keinem gesagt, was genau denn so wichtig wäre. Deswegen warteten alle gespannt darauf... vor allem Liv.
,,Also gut!" sagte Remus und holte das Pergament hervor, auf welches er das Gebet draufgekritzelt hatte.
,,Liv, das ist doch das Gebet auf dem Stein, das du Connor übersetzt hast, oder?" fragte er an das Mädchen gewandt. Sie nickte.
,,Du hast mir doch damals gesagt, dass das euer Leitgebet ist oder? Alle Meerjungfrauen können es!" fuhr Remus fort.
,,Ja... Aber was willst du damit sagen?" fragte sie etwas verwirrt. Auch die anderen schienen keinen Schimmer davon zu haben, was Remus von ihnen wollte.
,,Naja, ich glaube, dass mehr hinter diesem Gebet steckt." meinte er und deutete auf eine Zeile des Textes.
,,So soll sie kehren ins dunkle Licht, bis das Meer beginnt zu weinen... Und die Stelle hier: Befreit durch jenen Willen tritt Licht aus dem Schatten... Bis das Klagen der Wellen verklingt. Klingt das für euch nicht merkwürdig?" fragte er in die Runde.
,,Ich versteh' irgendwie nicht genau, was du meinst." meinte Peter und legte seinen Kopf schief. Remus verdrehte die Augen.
,,Kommt schon, Leute! ,,Bis das Meer beginnt zu weinen". ,,Das Klagen der Wellen". ,,Die Träne des Ozeans". Klingelt da etwas?" hakte Remus weiter nach.
Nun schien den anderen ein Licht aufzugehen. Verwundert warfen sie einander Blicke zu.
,,Du meinst, das Gebet spricht von der Träne des Ozeans?" fragte Liv gespannt nach.
,,Nicht nur das..." meinte Remus und sah seine Freunde geheimnisvoll an.
,,Ich glaube, in dem Gebet ist der Gegenzauber für die Träne verschlüsselt!"
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