- 7.5 - Das Festmahl
Mit einer Decke um den Körper gewickelt saß Luna am Fenster und schaute seit einer Weile gedankenverloren in die Ferne. Als Conny mit einem Teller voller Muffins wieder im Zimmer erschien, hatte sich nichts geändert. Vorsichtig stellte sie den Teller auf ihren Schreibtisch und ließ ihre Freundin nicht aus den Augen.
Besorgt zog sie ihre Brauen nach oben: "Hey Lun' wie geht's dir?"
"Den Umständen entsprechend", kam die Antwort schnell zurück. Luna schaute sie nicht an.
Conny griff daraufhin nach einem Muffin und wedelte damit vor ihrem Gesicht herum, um Lunas Aufmerksamkeit zu bekommen. Als sie keine Anstalten machte, sich zu ihr umzudrehen, sagte sie geschlagen: "Willst du vielleicht einen Muffin? Ich habe welche mitgebracht."
Die Hand zu Conny gestreckt, als Zeichen, dass sie das Angebot annimmt, sprach sie daraufhin: "Sag mal Conny, ich habe über das Ganze nachgedacht, was du mir über Varjo und den Steinen erzählt hast."
Vorsichtig reichte sie ihr einen Muffin und biss selbst genüsslich in einen, bevor sie murmelnd nachfragte: "Mh?"
"Wir brauchen einen Plan, um die Steine zu besorgen." Jetzt drehte sie sich zu Conny um, hielt ihre Nase in den frisch gebackenen Muffin und sog den Duft genüsslich ein.
"Und wie stellst du dir das vor? Wir wissen ja absolut nichts über die Steine."
"Ja genau deshalb! Deswegen will ich auch noch etwas darüber herausfinden und habe die ganze Zeit überlegt, ob da irgendwas auf der Festplatte gespeichert ist", erklärte die Dunkelhaarige überlegt und genehmigte sich einen großen Biss in das Gebäck.
Plötzlich hörten sie beide ihren Benachrichtigungston der Agentenuhren. Das konnte nur eins bedeuten: Eine Mission. Fast zeitgleich blickten sie auf die Anzeige, um herauszufinden, um welche Mission es sich diesmal handelte.
Luna schaute auf und wollte schon aufspringen, doch Conny musterte ihre Freundin mit einem mahnenden Blick. Widerwillig kuschelte sich die Dunkelhaarige wieder in die Decke ein und verstand, dass sie hier bleiben sollte. Denn Conny wollte nicht, dass sich Luna sich übernahm. Sie sollte sich von dem gestrigen Tag erholen und erst einmal nicht in Gefahr bringen.
Conny würde sie wohl bei Liam abmelden müssen, überlegte sie sich.
"Luna du bleibst hier und ruh dich aus. Wir schaffen das auch zu zweit, okay?", erklärte sie der Dunkelhaarigen. Diese stopfte sich den Muffin beleidigt in den Mund: "Wenn ich schon nicht mitgehen darf, dann gib mir noch einen Muffin und die Festplatte. Ich suche in der Zwischenzeit nach den Steinen."
Nickend reichte Conny ihr die Dinge und zog sich daraufhin eine Jacke über. "Ich informiere gleich Liam davon, bis gleich."
Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und hoffte, dass auf der Mission alles gut ging, auch ohne Agent Ynyslas.
Ω
Nach einer geglückten Mission versammelte sich ein unvollständiges Team Omega wieder in der großen Halle der Agentenzentrale. Der Meister wartete schon am Tisch in der Hallenmitte. Er hielt eine Limonade in der Hand und lächelte den Agentinnen zu. Danach deutete er auf den Tisch und vor ihnen eröffnete sich ein Festmahl.
"Wunderbar, dass ihr wieder hier seid. Ich habe eine Tafel vorbereitet, da ihr heute eine super Leistung abgeliefert habt", begrüßte der Meister freudig die eintreffenden Agentinnen. So seltsam, wie diese Situation war, so seltsam, war auch die Situation, als sich Conny und Laya als Agentinnen wieder getroffen hatten. Rückblickend gesehen, war es echt eine Ironie des Schicksals, dass sie in Isaac geschlüpft war. Conny erinnerte sich daran, wie sie Laya auf der Toilette damit konfrontiert hatten und diese zu überrumpelt war, um sich herauszureden.
Langsam, aber unsicher, gingen die beiden auf den Tisch zu. Der Meister deutete auf die leeren Plätze an der Tafel und die Freundinnen setzten sich. Eine unangenehme Stille breitete sich für ein paar Sekunden aus, die der Meister allerdings nicht lange im Raum stehen lies. Fröhlich plauderte er darauf los und erzählte, wie er erfolgreich die Renovierung der Agentenzentrale beantragt hatte. Stumm nickten Laya und Conny, da sie nicht wussten, was sie darauf antworten sollten.
"In der Renovierung wird sogar ein hausinterner Pool enthalten sein", stolz lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, während Layas Augen anfingen zu strahlen. Ihre Freude dämpfend merkte der Meister noch schnell an, dass sich der Ausbau laut einem vorläufigen Plan über mehrere Jahre erstreckte. Dann murmelte sie nur, dass sie dann einfach weiter ins städtische Schwimmbad gehen würde. Wieder Stille. Doch der Meister ließ einfach nicht locker, er wollte um jeden Preis ein Gespräch am Laufen halten.
"Schade, dass uns Agentin Ynyslas heute leider nicht mit ihrer Anwesenheit beehren kann."
Er hatte Recht, nur dass er nicht wusste, warum sie nicht kam. Sie war immer noch bei Conny zu Hause und schlief sich wahrscheinlich gerade in ihrem Bett aus, um die gestrigen Ereignisse zu verarbeiten. Conny empfand es allerdings als sehr beruhigend, Luna sicher bei sich zu Hause zu wissen, denn zur Not wären ihre Eltern da und könnten ihr irgendwie helfen.
"Das schmeckt echt lecker, das haben Sie wirklich gut gekocht", lächelte Laya dem Meister entgegen, um die Stille zu brechen. Dieser entgegnete nur locker: "Das habe ich nicht selbst gekocht, aber ich werde diese Komplimente gerne an den Koch weiterreichen."
Mit einem Mal öffnete sich die Tür der großen Halle und Agent Abergwili trat ein. Zufrieden sah der Meister ihn an und winkte ihn zu sich: "Elion, setze dich doch bitte zu uns." Mit schnellen Schritten bewegte er sich auf die Gruppe zu und setzte sich auf den freien Platz neben Conny.
"Na, Scharfschützenkönigin", begrüßte er sie durchtrieben. Diese verdrehte genervt die Augen. Das ignorierte er gekonnt und schaufelte sich eine große Portion Reis auf den Teller.
"Ich habe während eurer Mission heute entschieden, dass wir einen Ersatzmann brauchen", kündigte der Meister überraschend an, "denn ich kann es nicht darauf ankommen lassen. Unsere Teams müssen immer vollständig sein und sollte das jetzt öfter passieren, dass eine von euch fehlt, kann das auch zu Missionsversagen führen. Das ist nichts, was ich als Leiter dieser Institution zulassen kann." Er sah in die Runde und in Conny machte sich Entsetzen breit. Doch nicht etwa Abergwili. Schockiert sah sie ihn an und er grinste sie nur spöttisch an.
"Wie ihr euch es sicher schon denken konntet, wird diese Rolle die von Agent Abergwili sein. Er wird nun bei euren Trainingseinheiten teilnehmen, wird allerdings keine Verpflichtungen haben, die dem Schutz des Steines dienen. Das obliegt immer noch euch." Er sah zufrieden aus und so langsam dämmerte es Conny, dass dieses Festessen nur für diese Ankündigung geplant war und nicht, um ihre Leistungen zu belohnen.
Mürrisch schmiss sie ihr Besteck neben ihren Teller. "Ich finde, dass das keine gute Idee ist. Wie kommen Sie denn darauf, dass wir einen Ersatzmann brauchen? Weil einmal eine von uns gefehlt hat und die Mission trotzdem erfolgreich abgeschlossen wurde?" Herausfordernd sah sie den Meister an.
"Das ist eine beschlossene Sache, ich lasse da nicht mit mir diskutieren", sagte er schroff und stand auf, um den Raum zu verlassen. Kurz bevor er durch die Tür ging, drehte er sich noch einmal um und meinte, dass sie sich den Rest des Essens schmecken lassen sollten.
"Wird ja nicht mehr lange dauern, bis ich für dich einspringe, nicht? Schließlich muss man es schaffen nicht erschossen zu werden, um zur nächsten Mission antreten zu können", überlegen sah er auf Conny herab. Ihr platzte fast der Kragen und sie sah auch Laya an, dass sie ihn am Liebsten kurz und klein schlagen wollte.
"An deiner Stelle würde ich aufpassen, nicht dass ich dich noch aus Versehen treffe", zischte sie zu ihm herüber. Überrascht sah er sie an, fasste sich allerdings schnell wieder. Dann begann er wieder überheblich zu grinsen und setzte zum Sprechen an, doch Laya unterbrach ihn, bevor er wirklich etwas sagen konnte: "Halt einfach die Klappe, Abergwili." Wütend starrte sie ihn an.
Er sah sie herausfordernd an und leerte währenddessen seinen Teller. Danach stand er auf, um den Raum verlassen, hielt aber noch ein letztes Mal inne und sagte: "Ihr könnt mich ruhig Elion nennen, wir sind doch jetzt ein Team." Mit diesen Worten verließ er den Raum und ließ die beiden alleine.
"Ich kann ihn wirklich nicht leiden", murmelte Conny in sich hinein, Laya nickte zustimmend.
Nach einigen Momenten meldete sich Laya zu Wort: "Was ist eigentlich mit Luna los? Warum ist sie nicht zur Mission mitgekommen?" Connys Laune schlug sofort von Wut zur Trauer und Hilflosigkeit um. Sie drehte sich zu Laya um und sah ihr nun direkt in Augen.
"Sie hat ein bisschen mit den Wirkungen des Steins zu kämpfen... und mit Fiona läuft es auch gerade nicht so gut... "
Um etwas von Luna abzulenken, schob sie direkt eine Frage hinterher: "Wie läuft das eigentlich mit dir und dem Stein? Siehst du irgendwelche Erinnerungen?"
"Ja, ich sehe schon Erinnerungen, aber die sind eher Belangloses. Familien, die zusammen essen oder Freunde, die etwas zusammen unternehmen, aber die Erinnerungen sind nicht immer schön. Das Schlimmste, was mir bis jetzt untergekommen ist, sind Bauernkriege", Laya schluckte schwer. Wenn sie doch nur wüsste, was Luna und Conny sahen, dann würde sie die ihr gezeigten Erinnerungen wahrscheinlich als heitere Ereignisse ansehen.
"Mh", seufzte Conny leise, "das ist sehr interessant. Vielleicht werden bevorzugt Erinnerungen gezeigt, die einen selbst betreffen."
"Wie meinst du das?", fragte Laya neugierig nach.
"Naja, Luna hat jemanden...", Conny schluckte. Sollte sie das Laya wirklich sagen? Nach ein paar Momenten des Nachdenkens meinte sie dann aber: "Sie hat jemanden aus ihrer Vergangenheit gesehen, aber es steht mir nicht zu, darüber zu entscheiden, wer es erfahren darf." Laya nickte verständnisvoll.
"Trotzdem kann ich dir sagen, was ich gesehen habe." Danach erzählte Conny Laya im Detail von ihrer Erinnerung, von allem, was sie gesehen hatte.
Eine ungewöhnliche Stille durchzog den Raum. "Ihr sterbt also." Laya sah sie hilflos an.
"So würde ich das nicht sagen. Wenn das wirklich ein Zukunftsausblick ist, dann können wir sie noch abwenden." Aufmunternd sah Conny zu ihrer Freundin herüber.
"Dann werden wir das tun", meinte Laya mehr zu sich selbst als zu Conny, sah sie dann allerdings noch einmal an und wiederholte das eben gesagte ein weiteres Mal.
Die Angst holte Conny wieder ein und ließ ihre Beine unmerklich erzittern. Sie hatte nicht nur Angst vor der möglichen Zukunft. Nein, sie hatte Angst, all ihre Freunde zu verlieren bei der Reise, die sie wohl noch erwarten würde. Ihre Freundinnen würden sie immer unterstützen. Das schätzte sie auch sehr, doch was würde der Preis sein für ihre Hilfe? Und was würde es Conny letztendlich kosten?
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