- 4.7 - Laya
Ein leerer Ausdruck lag in ihrem Gesicht, als Conny Laya auf dem Schulflur begegnete. Es stimmte also wirklich, dass sie sich von Luc getrennt hatte, und das blieb auch vor allen anderen nicht verborgen. Ihr sonst so perfektes Dasein schien nach und nach vor den Augen Aller zu bröckeln. Conny beobachtete das Geschehen auf dem Korridor genau: Luc und seine Gang ignorierten Laya mit erhobenen Häuptern, als sie an ihr vorbei liefen. Sie im Gegenzug wollte sich einfach nur verstecken und wagte es kein bisschen, ihre ehemaligen 'Freunde' anzuschauen.
Schreckliches Mitleid erfasste Conny. Ihr Gerechtigkeitssinn zwang sie dazu, sich zu vergewissern, dass sich Laya nicht ganz so verstoßen fühlte, also versuchte sie sie in ein Gespräch zu verwickeln.
"Miracle, du schon wieder?" Sie versuchte ein Lächeln zu erzwingen. "Es ist wirklich nett von dir, dass du dich so für mein Leid faszinierst, aber bitte hör auf mir vorzumachen, dass du dich wirklich für mich interessieren würdest."
Laya schlug ihren Spind wuchtig zu und wollte sich schnellen Schrittes davon machen, doch Conny stellte sich vor sie und versperrte ihr den Weg.
"Ich möchte nicht, dass du dich überall alleine durchkämpfen musst!"
"Soll ich dir etwa etwas von meinem Leid abschneiden? Denn wenn ich es könnte, hätte ich das schon längst gemacht. Ich muss und kann damit auch alleine umgehen." Sie durchbohrte Cornelia mit einem scharfen Blick.
"Keiner schafft das alleine, auch du nicht. Ich will doch nur, dass du mit jemanden reden kannst, dem du vertraust."
Jeder braucht jemanden, man kann das doch nicht alles immer in sich hineinfressen, fügte Conny in Gedanken hinzu.
"Ach, und ich soll dir also vertrauen. Wir sind doch nicht einmal befreundet", antwortete sie patzig.
"Du musst niemandem vertrauen, aber du kannst es wenigstens versuchen". Luna erschien neben Conny. Sie hatte anscheinend mehr von dem Gespräch mitbekommen, als Conny dachte.
Layas Blick änderte sich von ungläubig zu wütend. "Ihr wollt mich doch verarschen!", brach sie daraufhin in Tränen zusammen. Prompt waren die beiden Freundinnen zur Stelle und versuchten die Blicke der anderen Schüler von der weinenden Laya abzuschirmen. Uneinig darüber, ob Conny sie zum Trösten umarmen sollte oder nicht, suchte sie leicht verzweifelt Hilfe bei Luna.
"Wir bringen sie weg vom Gang."
In diesen kurzen Momenten war es Conny klar, Laya brauchte richtige Freunde, denen sie vertrauen konnte. Freunde, wie Conny sie schon hatte und sie war ihnen wirklich dankbar, dass sie für sie da waren. Und genau jetzt musste jemand für Laya da sein.
In der Mädchenumkleide war weit und breit keiner zu sehen. Wie sie ihre Mitschülerin überzeugt hatten mitzukommen, wusste Conny auch nicht.
"Wir laden dich gerne ein mit uns zusammen einen kleinen Ausflug zu machen, aber nur wenn du Lust hast", schlug Conny vor. Prüfend sah Laya die beiden Freundinnen nacheinander an und dann wieder zum Boden.
Als sie darauf nicht antwortete, gaben sie ihr einfach einen Ort und eine Zeit an, und sie sollte sich nochmal überlegen, ob sie kommen wollte.
Ω
Es war schon dunkel und die Sterne funkelten am Nachthimmel. Die beiden Freundinnen warteten am genannten Flussufer und hofften, dass Laya erschien. Die Kälte der Nachtluft ließen Connys Haare an den Armen zu Berge stehen. Es machte fast den Eindruck, dass die Zeit sehr langsam verstrich.
Nach einer gefühlten Weile tauchte Laya tatsächlich auf, entgegen der Erwartungen von Conny. Sie hielt einen großen Abstand zu den Freundinnen und wagte es nicht, sie wirklich anzuschauen. Fast schon umgab sie eine schüchterne Atmosphäre und ließ sie anders wirken als sonst. Luna versuchte das Eis zu brechen, indem sie ihr offenbarte, dass sie sich über ihre Ankunft sehr freute und Conny stimmte ihrer Freundin zu.
Missmutig schaute Laya unter ihren braunen Haaren hervor, welche ihr Gesicht vor den Freundinnen verhüllten.
"Laya, du musst uns nicht so anschauen, wir tun keiner Fliege etwas zuleide", sagte Conny etwas amüsiert, von ihrer zurückhaltenden Art. Sonst war sie auch nicht so still.
Sie blickte abwechselnd zwischen den Freundinnen hin und her: "Du vielleicht nicht, aber sie kann Leute mit einer Berührung niederstrecken!" Ihr Finger war auf Luna gerichtet, welche unter den Worten etwas zusammenzuckte.
"Da hast du vielleicht recht, aber wenn ich dir vertrauen kann, dann passiert dir auch nichts", lachte Luna vor sich hin.
"Wieso sollte ich euch denn vertrauen? Wir hatten bisher ja auch nie etwas miteinander zu tun", funkelte Laya die Freundinnen an. Ihre Hände formten sich zu Fäusten. Sie hatte recht. "Meine vermeintlichen Freunde hatte ich schließlich auch vertraut und sie haben mich sitzen lassen!"
"Wir sind hier, damit wir dich unterstützen können." Conny sah in jedem etwas gutes und konnte es sich nicht mit ansehen, wenn jemand aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurde.
"Ihr wisst doch gar nichts!", spottete sie und wollte schon gehen, doch Luna stellte sich ihr in den Weg.
"Ich weiß ganz genau, wie du dich fühlst Laya."
Laya schnaubte verachtend, doch Luna fuhr fort: "Ich weiß, was es heißt einsam zu sein und dich eine innere Leere aufzufressen droht. Ich war Jahre lang alleine, keine Freunde, keine Familie. Du musst wissen, dass wir dir zuhören."
Den Blick senkend wischte Laya sich eine Träne aus dem Gesicht.
"Wir meinen es ernst, wenn wir sagen, dass es uns freut, dass du gekommen bist", erklärte Conny ihr und legte Laya tröstend eine Hand auf die Schulter.
Luna gesellte sich auf die andere Seite der Brünetten.
"Ich weiß ja nicht mal, warum ich gekommen bin. Vielleicht stammt das aus der Idee, dass sich überhaupt jemand für mich interessieren würde...", murmelte Laya leise vor sich hin.
Eine angenehme Stille umhüllte sie. Um diese zu unterbrechen, richtete sich Conny auf. Interessiert blickte Laya sie an: "Was habt ihr vor?"
Anscheinend hatte sie die kleine Geste bemerkt, die Luna an Conny gerichtet hatte. "Es wird eine Überraschung", erklärte Luna darauf in einer mysteriösen Stimme und bewegte sich grinsend von Laya und Conny weg.
"Du musst uns versprechen, dass das alles, was heute geschieht, geheim bleibt." Conny rückte mit ihrem Gesicht näher an das der Brünetten.
"Ihr macht mir jetzt doch etwas Angst", sagte sie und zuckte mit dem Kopf nach hinten, bevor er sich zu der Dunkelhaarigen herum schnappte.
"Bereit?", fragte Luna an die Anwesenden gerichtet.
"Bereit für was?" Unsicher ruhten die braunen Augen von Laya auf den Freundinnen. Auf die Frage hin streckte Luna ihre Hand nach ihr aus. Zögerlich griff sie nach der Hand.
"Schon mal was von der Stadt Minden Város gehört?"
"Nein." Verwundert schaute sie Conny und Luna abwechselnd an.
Daraufhin packte Luna die Hand von Laya fester und Conny henkelte sich in die Reihe mit ein. "Dann wirst du sie wohl jetzt kennenlernen!"
Die Neue in der Gruppe mitreißend sprangen sie durch das Porth - das Tor nach Minden Város, welches sich vor ihrer Nase eröffnet hatte. Das leise, "Warte, was?", von Laya konnten sie kaum noch vernehmen, als sie in der Parallelwelt angekommen waren.
Überwältigt sah sich Laya um und formte mit ihren Lippen ein O. Beinahe vergessend, dass sie nicht befreundet waren, redete sie unbefangen ohne Punkt und Komma. Doch verstummte kurz darauf, als sie bemerkte, was sie da gerade tat.
"Lass es gerne raus", schmunzelte Conny sie an. Leider verschloss sich die andere wieder vor den beiden. Die Fragen, die sie hatte, wurden schnell beantwortet.
Dann gerieten sie urplötzlich in einen Festumzug und wurden mit den Massen mitgerissen. Auch Conny war darüber überrascht, dass scheinbar ein Festival inmitten der Nacht stattfand.
"Das 'Sonnenuntergangs-Fest' feiern sie hier alle nur einmal im Jahr am 26. April", giggelte Luna freudig tanzend in die Runde. Laya und Conny sahen sich gleichzeitig nur verwirrt an und zum ersten Mal sah sie die Braunäugige herzlich lachen bevor sie sich schnell wieder mit ihrer Begeisterung etwas zurück nahm.
Die Parade führte sie zu einem abgeschiedenen Rummelplatz. Ein Karussell etwas abseits vom Festplatz zog Connys Aufmerksamkeit auf sich. Somit schob sie die beiden mit vollster Überzeugung in diese Richtung und schlug ihnen vor, eine Runde zu fahren. Kaum jemand war auf dem Karussell zu sehen. Laya begab sich freudig auf einen weißen stolzen Hirsch, welcher den Eindruck machte, als sei er aus Eis. Währenddessen schwang sich Luna elegant auf einen schwarzen Drachen mit tiefroten Sprenkeln, welcher fliegend über den anderen Figuren im Karussell baumelte und kleine Flammen aus seinen Nüstern schoss.
Daraufhin konnte sie sich den Kommentar "Luna, du hast doch Höhenangst" jedoch nicht verkneifen. Als ihre Freundin den Satz realisierte änderte sich ihr Ausdruck von Verwirrtheit über Realisation zu Panik und atmete meditativ ein und aus.
"Verdammt Conny, ich ziehe das jetzt durch." Sie versuchte ihre Stimme zu kontrollieren, damit diese nicht so sehr zitterte. Das Lachen konnte sie sich jedoch nicht verkneifen.
Alle dieser Figuren des Karussells stellten fantastische Wesen dar und jede einzelne Figur war wunderschön, so empfand es Conny mit leuchtenden Augen. Schlussendlich suchte sie sich einen riesigen vollkommen aus Metall gefertigten Elefanten aus mit weiß poliertem Elfenbein aus. Sie begab sich etwas schwerfällig auf das gepanzerte Tier und die Fahrt begann.
Es war magisch auf mehreren Ebenen: die Sterne leuchteten hell und munter auf sie herab, während sie lachend auf Fabelwesen eines Karussells ritten. Und dann diese Musik. Fantastisch. Der Moment fühlte sich unglaublich berauschend an, dass Conny hoffte, er würde niemals enden.
Doch das tat er, wie jeder Moment nur eine kurze Ewigkeit besaß.
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