- 4.6 - Die Freiheitskämpfer
Kühler Wind strich durch die Gassen. Kurz nachdem Fiona im Café aufgetaucht war, enthüllte diese, dass etwas schreckliches passiert war, und sie wieder nach Minden Város müsse. Luna und Conny beschlossen daraufhin, sie in die Geisterstadt zu begleiten.
Conny brannte noch immer die Frage auf der Zunge, was das vorhin zwischen Luna und Luc im Café gewesen war, also zog sie ihre Freundin im Gehen zur Seite und schaute sie intensiv an. Luna wusste fast automatisch, was Conny auf dem Herzen lag und antwortete nur: "Ist es denn noch ein Geheimnis, wenn du es sowieso schon weißt? Ich habe nichts verschwiegen, was sowieso schon offensichtlich ist. Conny, denk mal nach, du weißt es doch auch."
Sie löste erstaunt den Griff von Lunas Arm und starrte in die Leere. Er wollte Informationen. Jetzt machte alles plötzlich Sinn und je länger Conny darüber nachdachte, desto verständlicher wurde sein Verhalten ihnen gegenüber. Der Gedanke daran machte sie sprachlos, dass er seine Freundin nur ausgenutzt hatte, um sein wahres Interesse zu verbergen.
"Er hat kein einfaches Leben", fügte die Dunkelhaarige mit einer leeren Stimme hinzu. "Bevor du fragst, ich habe da etwas seit einiger Zeit vermutet und ihn heute vorsichtig darauf angesprochen. Seine Reaktion war eindeutig." Mit diesen Worten reihte sie sich wieder bei Fiona ein und ließ eine überforderte Conny zurück. Was meinte sie?
Auf dem Markt tummelten sich viele Wesen und Begabte herum und verdeckten die Sicht auf etwas bestimmtes. Nun war auch Connys Aufmerksamkeit geweckt. Durch die Massen hindurchquetschend erkannte sie ungefähr ein dutzend Körper auf dem Boden liegen und überall verteilt lag tiefrotes frisches Blut.
Ihr Blickfeld verengte sich drastisch und fokussierte das fließende Rot auf dem Boden. Die Stimmen um sie herum konnte sie kaum noch wahrnehmen und ihre Beine spürte sie schon lange nicht mehr, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Ihr war heiß und kalt gleichzeitig. Wenn sich ihr Magen um 180 Grad drehen konnte, dann tat er das genau jetzt, denn mit einem Mal überkam sie eine schreckliche Übelkeit, bevor ihr komplett schwarz vor Augen wurde.
"Conny. Cornelia Miracle, kannst du mich hören?" Langsam kam sie wieder zu Bewusstsein und erblickte noch verschwommen das besorgte Gesicht ihrer besten Freundin. Vorsichtig richtete sie sich wieder auf und musste gegen den aufkommenden Schwindel ankämpfen.
"Was ist passiert?" Es war nur ein Hauchen.
"Du warst so aufgeregt von dem Anblick der Leichen, dass du beschlossen hast, ein Nickerchen einzulegen", versuchte Luna ihre Freundin etwas aufzumuntern.
Conny stellte fest, dass sie aus der Sichtweite von den Leichen und dem Blut gebracht worden war, und war ihrer Freundin insgeheim dankbar darüber. Laut Lunas Erklärung waren einige Begabte auf die Einwohner der Geisterstadt losgegangen. Es hieß, sie hatten sich einen gefährlichen Virus zugezogen, als sie aus der Menschenwelt wiederkamen. Schockiert über diese Info fragte sie Fiona, ob sie wüsste, ob die Begabte zuvor Gefangene der Regierung waren. Conny hatte die Vermutung, dass sie an ihnen mysteriöse Versuche durchgeführt hatten. Diese Annahme verfestigte sich ein wenig, als Fiona bestätigte, dass sie alle sehr lange von der Regierung festgehalten worden waren.
Ein wenig später führte die Blonde die beiden Freundinnen in ein kleines Cottage am Stadtrand von Minden Város um ihnen etwas zu zeigen. Sie betonte zudem kurz bevor sie eintraten, dass alles was besprochen wurde im vertrauten Kreis bleiben sollte. Conny war wirklich gespannt, was sie darin erwarten würde.
Sie traten ein. Sanftes Kerzenlicht beleuchtete den Raum, in dem sie standen, und schaffte eine gemütliche Atmosphäre. Man konnte die Inneneinrichtung mit der einer alten Schenke vergleichen: Überall standen willkürlich Holztische herum und eine kleine Bar machte charmant auf sich aufmerksam. Die im Raum verteilten Leute machten sich bemerkbar, als sie die Besucher sahen und winkten Fiona zu.
"Wir unterhalten hier eine Freiheitsbewegung gegen die Regierung von Cardiff", schilderte die Blonde zum besseren Verständnis.
Verdutzt zog Luna ihre Augenbrauen hoch. "Warum gerade hier in Minden Város?"
"Die Freiheitsbewegung wurde unter anderem von Begabten aus eurer Welt gegründet, welche sich hier verstecken, da die Regierung keine Macht in Minden Város hat. Wir, die Városer, erklärten uns bereit, für die Rechte aller Begabten einzustehen und eurer Welt zu helfen. Das heute war wieder Beweis genug, dass die Regierung gegen uns arbeitet nicht mit uns."
Gleich darauf schob ihnen ein junger Mann ein Getränk jeweils zu Conny, Luna und Fiona. Anschließend setzte er sich zu ihnen und Fiona stellte ihn als den Ghost Boy vor. Conny konnte die Namensgebung ein wenig nachvollziehen, da er mit seiner bleichen Haut und den weißen Haaren fast schon geisterhaft aussah. Besonders herausstechend waren seine zweifarbigen Augen, welche ziemlich munter wirkten. Er nahm daraufhin ihre Hand und gab ihr einen Handkuss zur Begrüßung.
"Wunderschöne Lahjakas hast du uns mitgebracht Tamari-Fiona. Mein Name ist Onya, schön euch kennen zu lernen" Seine fast schon hauchende und gebrechlich wirkende Stimme ließ Conny erschaudern. Sie hoffte, dass man ihr dies nicht anmerkte und nahm einen Schluck von dem Getränk.
Luna stellte sich und Conny vor Onya freundlich vor und reichte auch ihm die Hand.
"Ihr seid besser dran gegenüber des Systems, wenn ihr uns Ghost Boy nennt, dann habt ihr keine Probleme mit den anderen. Wenn man sie beim falschen Namen nennt, dann werden sie meist sauer", verdeutlichte er herzlich und offenbarte dabei seine großen Zähne bei dem Versuch zu lächeln.
Irritiert hielt Conny beim trinken inne. System? Was meinte er mit System? Auch Luna schien das bemerkt zu haben und schaute mindestens genauso doof wie sie selbst.
"Ghost Boy besitzt eine DIS, eine dissoziative Persönlichkeitsstörung auch besser als multiple Persönlichkeiten bekannt", klärte Fiona die beiden Freundinnen auf.
"Du hast also mehr als eine Persönlichkeit, Onya? Das ist irgendwie cool", stellte Conny fest.
Der Angesprochene lehnte sich in seinem Stuhl zurück und antwortete trocken: "Sozusagen, sind es sogar weniger als eine Persönlichkeit, die wir haben. Es ist vielleicht faszinierend für Außenstehende, aber diese Störung hat auch mit schweren Kindheitstraumata zu tun und führt dazu, dass die Persönlichkeit dissoziiert, um sich vor den traumatischen Einwirkungen zu schützen. Man will es also nicht unbedingt, aber ich kenne es nun mal nicht anders. Man lernt, damit zu leben."
Verblüfft und bestürzt schaute sie ihn an, soweit sie folgen konnte spalteten sich Persönlichkeiten von der 'Originalpersönlichkeit' also ab, bei großer Stresseinwirkung, um den Körper vor dem Sterben zu schützen.
Bezüglich der Freiheitskämpfer erklärte Onya, dass er die Truppen anführte und sich besonders für die Begabten-Rechte einsetzte. Conny wollte sich auch schon immer für die Gerechtigkeit einsetzen. Deswegen bewunderte sie ihn sehr.
Plötzlich verschleierten sich seine Augen, bevor er erklärte, dass sich jemand anderes nach vorne zu drängen versuchte. Conny hatte den Drang zu helfen und sprang auf, doch Fiona bedeutete ihr nur, dass sie abwarten müsste und ruhig bleiben sollte. "Nach einem Switch ist es immer am besten abzuwarten, bis sie sich wieder eingependelt haben, dann sollte man ihnen erklären in welcher Situation sie sich befinden, wenn sie das noch nicht einordnen können."
"Warum switcht er denn? Haben wir etwas Falsches gesagt?" Luna blickte ihre Freundin fragend an, doch diese zuckte nur mit den Schultern.
"Es ist unterschiedlich und muss nicht immer einen schlechten oder überhaupt einen Grund haben, denke ich", versuchte sie ihnen zu verstehen geben.
Als sich der Blick des Ghost Boys wieder klärte, blickte er/sie verwirrt die beiden Freundinnen an. Fiona übernahm diesmal die Vorstellung beiderseits. Nicht nur der Name änderte sich zu 'Dark', sondern auch das komplette Verhalten wirkte furchterregend und düster auf Conny. Entgegen ihrer Erwartungen war er zwar melancholisch, aber dennoch überaus freundlich.
"Onya meint gerade, dass ihr das gesehen habt, was auf dem Marktplatz passiert ist. Stimmt das?"
Fiona nickte und schilderte ihm das Geschehene mit bedachten Worten, woraufhin er sich zu den anderen Freiheitskämpfern begab, um einen Plan für die entflohenen Begabten anzufertigen. Somit verabschiedeten sich die Freundinnen auch wieder von allen, da es schon wieder sehr spät wurde.
Auf dem Heimweg dachte Conny weiter über die Freiheitskämpfer nach. Vielleicht würde sie irgendwann ebenfalls eine Freiheitskämpferin werden und sich für die Gleichberechtigung der Begabten und Zivilisten einsetzen. Doch sie musste sich zunächst auf ihr Agentendasein konzentrieren.
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