3. Gamma - Minden Város
Die Musik erfüllte den Raum mit einem angenehmen Klang. Conny dachte nicht weiter darüber nach und summte zu dem Lied, während sie sich leicht auf dem Stuhl hin und her schaukeln ließ. Die Sonne blendete sie leicht, als sie Leon auf dem Schreibtisch herumklettern sah.
'Was hat denn heute so lange gedauert in der Schule? Musstest du etwa nachsitzen?'
"Nein Leon, für das Programm musste ich noch einmal einen Bluttest machen", antwortete sie etwas in der Musik verloren.
'Wollten die wissen, ob du Kräfte hast?'
"Dafür alleine hätten sie keinen Test machen müssen, da hätten sie auch meinen Pass anschauen können. Ich glaube, die müssen nachschauen, ob sich an den Werten seitdem etwas geändert hat oder nicht."
Leon kletterte zu einer offen liegenden Wasserfarben-Palette, setzte sich auf die trockene gelbe Farbe und färbte sich dementsprechend gelb. Er hob leicht den Kopf und blickte in die Richtung der Tür.
Daraufhin klopfte es leicht an ihrer Zimmertür. Als Conny sie öffnete, erblickte sie ihre Mutter, die anscheinend heute eher von der Arbeit Schluss hatte.
Connys Mutter arbeitete wie ihr Vater für das 'Laboratory of Praxeology of Cardiff' und war nicht sehr häufig zu Hause, da sie nebenbei einem Heilerclub beigetreten war. In diesem konnte ihre Mutter ihre Fähigkeiten schulen, denn sie war eine Begabte mit Heilerfähigkeiten. Heiler besaßen von der Regierung eine Zulassung, damit sie ihre Kräfte ausschließlich für gute Zwecke einsetzten. Das hatte Quinn, Connys Mutter, schon oft erklärt. Von ihr hatte Conny wohl das Begabtengen geerbt.
Mit einer herzlichen Umarmung wurde sie begrüßt.
"Mum, warum hast du heute so zeitig Schluss?"
Quinn löste die Umarmung daraufhin auf.
"Ich habe demnächst einen Auftrag für zwei Wochen und da dachte ich mir, dass ich heute mal eher gehen werde."
"Wohin geht es denn diesmal?" Connys Augenbrauen wanderten aufgeregt in Richtung Stirn.
"Sie schicken mich mit dem Heilerclub nach Norwegen, da es dort interessante und neue Heilmethoden geben soll."
"Ziehen die dir das im Lab wieder vom Urlaub ab?", überlegte Conny, da es das letzte Mal genau so war.
Langsam strich ihre Mutter Conny eine Haarsträhne aus dem Gesicht und nickte etwas bedrückt.
"Leider." Um von dem Thema wieder abzulenken, erklärte sie darauf:
"Es gibt gleich Essen, Darling" und küsste ihre Tochter leicht auf die Stirn.
Als sie sie wieder alleine in dem mit Musik erfülltem Zimmer stehen ließ, drehte sich Conny zurück zu Leon und beschloss, nach dem Essen einen kurzen Spaziergang durch die Nacht zu machen, da sie den Anblick der Sterne am Himmel genoss.
"Leon, hättest du Lust auf einen kurzen nächtlichen Ausflug? Vielleicht können wir Luna aus dem Wohnheim schmuggeln."
Sie schrieb ihrer Freundin eine Nachricht und fragte, ob die Luft rein wäre heute Abend. Kurz darauf bekam sie die Antwort zurück: Ja, das bekommen wir schon hin.
'Sehr gerne Conny, Nachtwanderungen sind aufregend!'
"Gut, dann machen wir das so!"
Daraufhin beschloss sie, sich zum Esstisch nach unten zu begeben. Ihre Mutter stellte schon die Teller auf den Tisch, während ihr Vater das Essen vorbereitete. Der Raum wurde mit einem leckeren Duft umhüllt und ließ Conny jetzt erst bemerken, wie hungrig sie doch war. Peter lächelte seine Tochter kurz an bevor er das Essen auf den Tisch anrichtete. Mit einem Kopfnicken deutete er an, dass sie sich setzten konnte, und sie folgte der Anweisung.
Nun würde das Gespräch kommen, auf das sie sehr wenig Lust hatte. Ihre Eltern fragten sie immer über die Schule aus und heute würde wohl die Frage hinzukommen, warum sie gerade heute so spät war. Und tatsächlich.
Als Conny bei dem Part angekommen war, dass sie für das Programm wieder einmal einem Bluttest unterzogen wurde, war es plötzlich still im ganzen Haus.
"Hat sich denn irgendwas verändert?", fragte ihr Vater mit einer düsteren Stimme nach.
Conny schüttelte ihren Kopf. Nein, es hatte sich nichts verändert. Es hätte sie auch irgendwie gewundert, wenn dies der Fall gewesen wäre.
"Ich möchte dann noch einen Spaziergang machen", erklärte sie und stand vom Tisch auf.
"So spät noch?", Quinn betrachtete ihre Tochter argwöhnisch.
"Jetzt ist gerade die beste Zeit, um nachzudenken. Außerdem bin ich mit Freunden unterwegs. Also keine Sorge", versuchte sie ihre Eltern zu beruhigen.
Es war bereits etwas dunkler und nur wenige Sterne waren zunächst zu sehen, bemerkte sie, als sie das Haus verließ. Sie würde sich jetzt zu Lunas Wohnheim begeben und dort hoffen, dass sie kommen würde.
Auf dem Weg zum Wohnheim unterhielt sie sich weiterhin mit Leon über den Test und ob sie das Programm bekommen würde oder nicht. Am richtigen Gebäude angekommen schaute sie sich etwas um, ob Luna schon irgendwo stand, doch sie konnte sie nirgends ausfindig machen. Also beschloss sie, ihrer Freundin eine Nachricht zu senden. In Lunas Fenster konnte Conny dann das Licht, welches immer wieder in unregelmäßigen Abständen an und aus ging, sehen.
Sie morst!, stellte sie belustigt fest. Das hatten sie sich am Anfang ihrer Freundschaft als gemeinsame Geheimsprache beigebracht. Viel Gebrauch konnten sie davon jedoch nicht machen, trotzdem benutzten sie sie immer noch gerne zum Spaß.
J.E.M.A.N.D. V.O.R. T.Ü.R.
'Was sagt sie denn?', fragte nun Leon nach.
"Es ist noch jemand da..."
Kurze Zeit später kam die nächste Nachricht: K.O.M.M.E.
"Sie kommt", erklärte sie nochmal für Leon.
Nach fünf Minuten konnte Conny dann eine Silhouette ausmachen, welche stehen blieb, um sich umzuschauen. Das musste sie sein! Luna erblickte schließlich ihre Freundin und bewegte sich auf sie zu.
"Du hast es geschafft!", Conny freute sich.
"Das war auch gar nicht so leicht. Die Wachen stehen einfach überall und Scofield war auch noch vor kurzem da, bis ich gemeint habe, dass ich schrecklich müde bin und schlafen gehe." Sie lachte erleichtert. Doch dann wurde sie wieder ernster.
"Lass uns aus dem Sichtfeld verschwinden." Luna bewegte sich schnellen Schrittes in Richtung der Innenstadt. Conny folgte überrascht.
"Scofield hatte mir vorhin anvertraut, dass er mich nur noch die nächste Woche begleitet. Danach soll ich wahrscheinlich jemanden als Ersatz bekommen." Man konnte eine leichte Enttäuschung aus ihrer Stimme heraushören.
"Warum denn das?"
"Er wird von der Regierung ins Ausland geschickt. Genaueres durfte er mir aber nicht erzählen. Ich hatte gehofft, dass das mit der Beobachtung bald wieder vorbei ist, aber nicht unbedingt, dass ich da jetzt jemand anderes bekomme, der mich rund um die Uhr im Auge hat."
"Ich verstehe. Hoffen wir auch mal, dass das nicht mehr so lange geht."
Luna hielt in ihren Schritten inne. Eine Träne bahnte sich den Weg auf ihrer Wange herunter. Dabei bemerkte Conny, wie Luna sie sich mit einem Jackenärmel aus dem Gesicht wischte. Dass sie weinte war ungewöhnlich, denn Luna weinte kaum, und wenn sie es tat, war das Fass übergelaufen. So wie jetzt. Conny wollte ihre beste Freundin auch nicht danach fragen. Wenn sie bereit war, darüber zu reden, dann tat sie es auch. Es brauchte nur Zeit.
"Sorry", Luna wischte die nächste Träne von ihrer Wange und drehte sich wieder zu Conny um. Mit einem leicht aufgesetzten Lächeln fuhr sie fort. "Es kam so über mich."
Die kühle Abendluft umhüllte sie wie ein seidenes Tuch und strich an ihnen vorbei. Die Stadt wurde durch die Lichter, welche aus den Fenstern drangen, erleuchtet. Der Mond erstrahlte in seiner größten Fülle und lächelte bescheiden auf die beiden Freundinnen herab. Diese Abende empfand Conny immer als am Schönsten.
Leon verkroch sich währenddessen in ihre Brusttasche und machte es sich dort gemütlich.
"Darf ich dich mal etwas fragen?"
Kichernd schaute Luna Conny an. "Du darfst mich alles fragen."
"Die Frage kommt vielleicht etwas doof, aber wie alt ist eigentlich dieser Scofield?"
Nun brach ihre Freundin in ein schallendes Gelächter aus.
"Damit hab ich jetzt nicht gerechnet. Da hast du Glück, dass ich ihn mal gefragt hatte. Er ist 28 Jahre alt." Immer noch lachend gingen sie die Straße hinauf und kamen an einer großen Stahlleiter an, welche mit einem Wohnhaus verbunden war. Sie kletterten die Leiter hoch auf das Dach und setzten sich hin. Die Stadt erblühte in den wundervollsten Lichtern vor ihnen und die Sterne über ihnen wirkten fast schon magisch auf die beiden Schülerinnen.
"Er wirkt gar nicht so alt", erklärte Conny schmunzelnd.
"Ich weiß", erwiderte Luna und legte sich auf das kalte Dach und schaute gen Himmel.
"Sag mal, Luna, hast du eine Ahnung, was diese Sumuinen meinten mit: es würde bald dieser Schatten kommen? Irgendwie lässt es mich diese Vision einfach nicht los." Ihre Freundin wirkte sehr verwirrt bei der Frage.
"Was sollen Sumuinen sein und welche Vision?"
Das war komisch, so empfand es Conny, sie war doch mit dabei gewesen, als sie die Vision gezeigt bekommen hatten.
"Conny, wovon redest du?"
"Du kannst dich echt nicht daran erinnern, als diese Nebelwesen uns den Schatten namens Varjo gezeigt haben? Du standst neben mir!"
Kopfschüttelnd stellte sich ihre Freundin neben sie. Vielleicht hatte sie das nur geträumt, jedoch fühlte es sich nach wie vor echt an. Luna legte ihren Kopf auf Connys Schulter und schloss ihre Augen. Dann flüsterte sie:
"Wenn du das nicht geträumt hast und dir sicher bist, dass ich dabei gewesen war, dann wollte irgendetwas nicht, dass ich mich noch daran erinnern kann."
"Wieso sollte man diese Vision erst jemandem zeigen und dann wieder aus den Erinnerungen entfernen? Das macht doch keinen Sinn", sprach Conny ihre Gedanken laut aus.
"Du kannst dich doch noch daran erinnern, also war die Nachricht für dich bestimmt. Es kann sein, da ich sie gesehen habe, dass sie in meinem Unterbewusstsein gespeichert wurde, und sobald die Situation eintreten sollte, kommen die Erinnerungen oder bestimmte Instinkte wieder zum Vorschein. Anders kann ich es mir nicht erklären." Nach der Schlussfolgerung legte sie sich auf das kalte Dach und betrachtete die Sterne.
Vielleicht hatte Luna ja recht, aber wieso sollte gerade sie sich noch daran erinnern, was passiert war?
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