- 3.5 - Der Kampf
"Isaac, du wolltest doch kämpfen lernen, oder?"
Die Bibliothek leerte sich mit zunehmender Zeit. Conny klappte ihr Buch vorsichtig zu, um ihren besten Freund beäugen zu können. Verwundert blickte er von seiner Lektüre auf und musterte seine Freundin, während er sich die Brille auf der Nase richtete.
"Wollen wir zusammen trainieren?", schlug sie aus heiterem Himmel vor.
"Warst du nicht diejenige, die eigentlich dagegen war?", grinste Isaac schief.
Er hatte recht, aber sie brauchte irgendjemanden, mit dem sie trainieren konnte, und Isaac hatte daran in Minden Város ja auch Interesse gezeigt. Luna konnte sie das unmöglich fragen, weil sie Angst davor hatte, dass diese sich übernahm. Andererseits sollte sie sie wohl doch irgendwann fragen, denn sie wäre eine starke Gegnerin, vermutete Conny.
"Ja, ich denke, es wäre doch ein gutes Training für uns."
"Na klar bin ich dabei!" Isaac sprang von seinem Platz auf und umarmte Conny voller Freude.
Sie machten sich den nächsten Tag zum Trainieren aus und verabschiedeten sich dann auf dem Weg aus der Bibliothek.
Als sie wieder zu Hause ankam, setzte sie sich an ihren Schreibtisch und fertigte sich einen Plan an, um für die Tests zu trainieren. Sie beschloss das, was sie schon beherrschte, noch ein wenig auszubauen und sich den Rest anzueignen. Für das Kampftraining schaute sie viele Videos zu Karate und versuchte sie so gut nachzumachen, wie sie konnte. Doch so lächerlich, wie es sich anfühlte, so sahen die Bewegungen auch aus. Nebenbei trainierte sie mit Isaac die Kampfausdauer, denn sie konnten beide keine wirklich effektiven Kampftechniken vorweisen - nicht ohne Trainer. Die Vorbereitung zur Sprachprüfung war größtenteils der Aneignung neuer Wörter gewidmet. Für die Beweglichkeitsübung nahm sie sich vor, sich mehr zu Dehnen, um gelenkiger zu werden. Ihre Schleichfähigkeiten würde sie regelmäßig an ihren Eltern austesten, wenn sie in das Wohnzimmer kam. Das Allgemeinwissen versuchte sie mithilfe neuer Bücher aufzubereiten und bei ihren Computerkenntnissen nahm sie sich vor, mehr über Hacking zu lernen.
Es war fast unmöglich, das alles in einem Monat zu können und zu lernen, aber sie wollte ihr Bestes geben.
BLING. Verdammt, hatte sie sich erschreckt. Eine Nachricht von Luna ploppte auf ihrem Handyscreen auf: 'Herzlichen Glückwunsch, aber mich wundert das nicht, dass du angenommen wurdest. Du bist ja auch eine Granate ;D', schrieb ihre Freundin als Antwort darauf, dass sie in das Programm gekommen war. Von dem Rest erzählte sie ihr jedoch nichts - sie durfte ja auch nicht. Leider, denn so etwas hätte sie gerne mit Luna geteilt.
Conny überlegte, wie viele ebenfalls ausgewählt wurden, um bei den Agententests anzutreten. Sie konnte sich vorstellen, dass Luna auch geeignet wäre, denn sie war um einiges talentierter in einigen Bereichen die für die Prüfungen wichtig waren, meinte Conny selbstkritisch. Doch vermutlich hing das auch nur mit dem Programm zusammen und daraus wurde ihre Freundin sowieso schon ausgeschlossen. Da sie jetzt eine Markierte war, würde sie wohl kaum für ein entsprechendes Programm aufgenommen werden, welches von der Regierung geleitet wurde.
BLING. Es war Isaac, welcher meinte, dass er Luna gefragt hatte, ob sie morgen mitkommen wollte, um dem Kampftraining beizuwohnen. Conny hoffte nur, dass sich Luna im Falle eines Kampfes zurückhielt, aber sie vermutete, dass sie doch noch etwas zu erschöpft war um zu Kämpfen. Eventuell hatte die Dunkelhaarige sogar ein Verbot zum Kämpfen bekommen. Das war sogar sehr wahrscheinlich.
Conny war aufgeregt, als sie zu dem genannten Treffpunkt aufbrach. Dabei war es nur ein Übungskampf. Jedoch musste sie sich eingestehen, dass sie absolut keine Ahnung vom Kämpfen hatte und super sportlich war sie auch noch nie gewesen, also wurde es Zeit, dies zu ändern. So beschloss sie zur Aufwärmung die Straße hinunter zu joggen.
Schnaufend kam sie an der Sammelstelle an. Es war noch keiner auf dem Sportplatz zu sehen, also setzte sie sich verschnaufend auf die nächstbeste Bank, atmete tief ein und stieß die Luft langsam aus ihren Lungen wieder heraus. Das tat sie so lange, bis sich ihre Atmung wieder normalisiert hatte. Sie konnte aus der Entfernung drei Silhouetten ausmachen, welche sich unmerklich dem Sportplatz näherten. Als Conny endlich erkennen konnte, wer sich ihr da näherte, stutzte sie. Jeweils rechts und links neben Luna liefen Scofield, mit ihn hatte Conny eigentlich etwas gerechnet, und Fiona, heute mit den Haaren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Isaac musste sie eingeladen haben, schoss es Conny plötzlich durch den Kopf. Nein, das machte keinen Sinn, wie sollte er.
Ein Auto fuhr an den Straßenrand und entließ eine schlaksige Figur, welche sie als Isaac ausmachen konnte. Mit so vielen Leuten hatte sie nicht gerechnet. Ihre Aufregung steigerte sich.
Das Haarband um ihr Handgelenk band sie sich um ihre Haare, bereit für die Kampfübung. Sie hatte ihre Sorgen dabei, denn sie wusste, dass sie beide keine Ahnung vom Kämpfen hatten.
Alle begrüßten Conny, als sie am Sportplatz angekommen waren und setzten sich zu ihr auf die Bank.
"Du wolltest mir also nichts davon erzählen, dass ihr beide kämpfen wolltet", schmollte Luna von der Seite neugierig.
"Isaac wollte kämpfen lernen." Sie hielt sich kurz, denn sie wollte nicht irgendetwas Falsches sagen.
Ein stutziges "Aha" beendete dann den kurzen Wortwechsel bevor Conny sich entschied weiteren Gesprächen auszuweichen und begann sich gemeinsam mit Isaac zu dehnen.
Conny konnte wahrnehmen, dass ihr Freund sehr zittrige Hände hatte, die er versuchte, vor ihr zu verbergen. Er hatte doch nicht etwa Angst, oder? Er beugte sich herunter, um seine Schuhe zu binden, doch plötzlich sprang er gegen die unvorbereitete Cornelia und versuchte sie zu Boden zu stoßen. Unglücklich landete sie auf dem Boden, stieß Isaac verärgert von sich und richtete sich wieder auf. Auf einmal rannte die Blonde auf den Rasen und unterbrach das Gerangel der beiden Freunde.
"Was, wenn wir einen kleinen Wettbewerb daraus machen, jeder kämpft einmal gegen jemanden anderen und so weiter."
"Warte, du möchtest, dass wir alle hier gegeneinander antreten sollen?"
"Ja, das hatte ich gerade gesagt", lachte Fiona.
Connys Blick schweifte zu Luna, welche sich gerade angeregt mit Scofield unterhielt.
"Selbstverständlich ohne Kräfte und immer dem Gegner etwas Chancen lassen", vervollständigte sie ihren Satz.
Daraufhin gab sie Scofield und Luna ein Zeichen, dass sie herkommen sollten, um zu kämpfen. Mist, das war absolut nicht, was Conny intendiert hatte. Genau das wollte sie vermeiden. Fiona legte eine Reihenfolge fest, wer gegen wen nacheinander antreten würde. Eine Person sollte dabei immer den Schiedsrichter spielen. Alle waren von der Idee beeindruckt. Mit viel Überzeugungsarbeit konnten sie sogar den immer kühl wirkenden Scofield begeistern. Nur Conny hatte ihre Bedenken.
Die erste Runde trat Isaac gegen Conny und Luna gegen Scofield an. Rangelnd am Boden rollend wichen Conny und Isaac gegenseitig ihren ungeschickten Schlägen aus. Nach ein paar Sekunden anstrengenden und unkontrollierten Gerangels gaben sie auf und beobachteten die anderen beiden bei ihrem Training. Es sah viel mehr aus wie ein Training, als es bei Isaac und ihr ausgesehen haben musste.
In Runde zwei im Kampf zwischen Luna und Fiona, sprang erstere mit einer Leichtigkeit auf Fionas Rücken und versuchte, von hinten einen Würgegriff anzusetzen, doch mit genau der gleichen Leichtigkeit ließ die Blonde sich zu Boden fallen und schüttelte sie somit von ihrem Rücken. Dann pinnte sie die Dunkelhaarige an der Erde fest, sodass Luna sie mit ihren Beinen bearbeiten konnte. Alleine von ihrer Position hatte Luna keine Chance aus dieser Lage frei zu kommen, bemerkte Conny. Nach dem Kampf halfen Scofield und Fiona Luna wieder auf die Beine. Beide Mädchen schienen etwas aus der Puste zu sein, als sie sich wieder zu der Gruppe gesellten.
In der nächsten Runde traten Isaac gegen Luna und Conny gegen Fiona an. Weder Isaac noch Conny hatten eine Chance gegen ihre Gegnerinnen, das wusste sie. Doch sie bemerkte, dass Luna sich etwas zurückhielt bei ihren Angriffen. Sie sparte sich also ihre Kräfte doch ein, stellte die Rothaarige fest, oder sie verschonte sie einfach.
In der letzten Runde traten nur Scofield und Fiona gegeneinander an. Es war eine Runde, in der alles erlaubt war, also auch Kräfte. Conny wollte schon immer einmal sehen, was Lunas Bodyguard alles so wirklich drauf hatte. Zur Sicherheit verlegten sie den Kampf nach Minden Város indem Fiona einen Porthring benutzte. Schon befanden sie sich wieder in Minden Város, dieses mal jedoch auf einem Feld ein paar Kilometer von der Stadt entfernt.
Gespannt saßen die drei Freunde auf der Wiese und beobachteten, wie sich die Beiden auf ihren Kampf vorbereiteten. Es ging los. Fiona stieß sich mithilfe ihrer Feuerfunken in die Lüfte und visierte ihren Gegner an. Scofield dagegen nahm eine defensive Haltung ein, griff Fiona am Arm und schleuderte sie galant über seinen Kopf. Kurz vor dem Boden wirbelte sie ihn jedoch von ihr und ließ ihn taumelnd aufstehen. Sie formte mit ihren Händen Feuerbälle und warf sie auf Scofield, welcher ihnen galant ausweichen konnte und nun zu einer Attacke ansetzte. Er entschied sich für einen schnellen Roundhouse-Kick. Dieser traf die Blonde überraschend hart am Kopf und sie stolperte schwankend zur Seite. Durch den Kick blutete auch ihre Nase, doch Fiona bemerkte das gar nicht, so sehr war sie in ihrem Kampfrausch. Sie sah auch lange nicht mehr so entspannt aus, wie an dem Tag, an dem sie sie zum ersten Mal gesehen hatten. Kein überhebliches Lächeln war auf ihrem Gesicht zu entdecken. Doch sie war konzentriert, so auch ihr Gegner.
Conny hatte wirklich nicht erwartet, dass der Bodyguard so geschickt kämpfen konnte. Klar, er hatte einen guten Körperbau, aber das hatte ja nicht immer etwas zu heißen.
Ein Feuerstrahl ließ das Feld erleuchten. Zum ersten Mal hatte Conny Angst in den Augen Scofields wieder gefunden, bevor er und die Blonde zusammen in den Flammen verschwanden. Es erlosch allmählich und zwischen den Flammen standen sich zwei dunkle Silhouetten gegenüber. Jeder beobachtete das Geschehen gespannt.
"Ich bin gespannt, was Scofield für Fähigkeiten hat", sagte Luna, gespannt auf die beiden dunklen Gestalten in der Ferne starrend. Er hatte es ihr also nie gesagt.
Wieder einmal konnte Conny erkennen, dass die Kämpfenden sich unterhielten. Die Flammen erloschen komplett, bevor sie doppelt so hoch wieder aufstiegen. Scofield stolperte rückwärts aus dem Feuerfeld und machte eine seltsame Handbewegung, bevor ihn mit einem Mal eine riesige Staubwolke komplett verschlang. Conny hielt die Luft an. Was war denn das? Auch Isaac und Luna waren wie gefesselt von dem Anblick, welcher sich vor ihnen bot. Aus der Staubwolke bildete sich ein gigantisches Lehmmonster, welches zehnmal so groß war, wie ein Mensch.
"Was ist das für eine Fähigkeit?", fragte Isaac begeistert.
"Ich schätze mal, dass er sich in riesige Lehmmonster verwandeln kann. Nur so eine Vermutung", scherzte Conny, ebenfalls von der Monstrosität fasziniert.
Fiona riss ihre Augen ungläubig auf. Ihre Feuerkugeln schienen nutzlos gegenüber des Monsters. Sie machten den Anschein, als würden sie an der Oberfläche des Monsters verpuffen und ihn nicht berühren können. Es formte seine riesige Hand zu einer Faust und holte zum Schlag aus. Kurz bevor er die Blonde traf, hielt er inne und Scofield verwandelte sich zurück. Fiona fiel auf ihre Knie und ergab sich.
"Das. War. Beeindruckend!", erklärten Luna, Conny und Isaac im Einklang. Sobald sie bemerkt hatten, dass sie alle das gleiche gesagt hatten, begannen sie lauthals loszulachen.
Den Abend ließen sie in einem Pub ausklingen. Fiona und Isaac hatten schon einiges an Alkohol intus, während die anderen drei sich bei ihrem Konsum etwas zurück hielten. Zwischendurch entschied sich Scofield für einen kleinen Abendspaziergang durch Minden Város, um seinen Kopf frei zu bekommen. Währenddessen setzte sich Fiona auf den Schoß der etwas überforderten Luna und begann wild gestikulierend Geschichten über Geister zu erzählen. Isaac schwang sich betrunken auf die Tanzfläche und übergab sich dort. So entschloss sich Conny, sich darum zu kümmern, dass Isaac bis zur nächsten Toilette kam.
Nachdem sie Isaac sich selbst überlassen hatte, fand sie eine auf ihrer besten Freundin eingeschlafene Fiona wieder. Dabei lag ihr Kopf auf Lunas Schulter und ihre Arme umklammerten ihren Körper, sodass die Dunkelhaarige kaum noch Bewegungsfreiheit besaß.
"Wie geht es Isaac?", fragte Luna sanft nach. Conny hockte sich neben sie.
"Er wird es überleben", lachte sie daraufhin. "Wie geht es dir denn?", fragte sie, einen bedeutenden Blick auf Fiona werfend.
"Ich denke, ganz gut soweit. Kann mich nur nicht bewegen." Ihr lebendiges Lachen erfüllte den Raum. "Sag mal Conny, wieso wolltest du eigentlich wirklich kämpfen? Das klingt nicht wirklich nach dir."
Sie hatte recht, es klang nicht nach ihr, doch was sollte sie ihr sagen? Dass sie für ein geheimes Agentenprogramm trainierte? Nein das konnte sie nicht. Nicht, weil ihre Freundin ihr nicht glauben würde oder sie das Geheimnis weiter verraten würden. Sie konnte es ihr nicht sagen, weil sie es selbst nicht wusste, ob sie sich selbst vertrauen konnte und ihre Freundin wollte sie da einfach nicht mit hineinziehen.
"Ich wollte nicht, dass Isaac dich fragt, weil du dich ja ausruhen solltest", das stimmte sogar irgendwie. "Er wollte ja der beste Zivilistenkämpfer in Minden Város werden."
"Du klingst ja fast wie Sco", scherzte Luna daraufhin "Wenn es Isaac tatsächlich schaffen würde, der beste Zivilistenkämpfer zu werden, dann würde es mich wirklich riesig freuen, aber bis dahin scheint der Weg noch lang", seufzte sie leise.
Mit dem Erscheinen Scofields machten sie sich wieder auf dem Weg nach Hause, nachdem sie Isaac von der Toilette wiedergeholt und Fiona aufgeweckt hatten. Es war für Conny doch ein erfüllender Tag, an dem sie sehr vieles gelernt hatte.
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