2. Beta - Sumuine
Seit einer Woche ging ihr nichts anderes mehr durch den Kopf als dieser Vorfall. Es spielte sich unzählige Male wie ein Film vor ihrem inneren Auge ab. Sie konnte es einfach nicht abschütteln, es klebte an ihr, es verfolgte sie. In der Schule wurde Isaac, so fühlte es sich jedenfalls an, noch schlimmer gemobbt, da jemand das Video des Vorfalls veröffentlicht hatte. Isaac zog sich immer weiter zurück und blieb teilweise sogar mehrere Tage zu Hause, um dem Mobbing nicht ausgesetzt zu sein, doch zu Klausuren konnte er nicht schwänzen. Es eskalierte dafür nicht noch einmal so sehr, wie in der Woche zuvor. Die Tradition mit dem 'Müllfressen' blieb jedoch und Conny hatte die Vermutung, dass sich diese auch bis zum Ende ihres letzten Schuljahres halten würde.
Conny rieb sich die Augen. In letzter Zeit war sie immer sehr lange wach und das machte sich jetzt bemerkbar. Sie wollte schließlich das, was sie gesehen hatte, einordnen können. Falls die Regierung etwas vor der Bevölkerung verheimlichte, musste sie es unter allen Umständen herausfinden. Ihre Internetrecherchen legten aber mittlerweile sichtlich dar, was in den vergangenen zwanzig bis dreißig Jahren passiert war:
Es gab unglaublich viele Theorien über den Staat, welcher die Ermordung des Kronprinzen von England vertuschen wollte, da es tragischerweise genau vor zwanzig Jahren zu einem Attentat auf das Königshaus kam und, wie im Märchen Rapunzel, das Baby entführt wurde, doch aufgeklärt wurde dieser Vorfall bis heute nicht. Wahrscheinlich war es jedoch, dass er nach all den Jahren nicht mehr lebte.
An der Regierungsform hatte sich seit Jahrzehnten nichts geändert. Noch immer gab es eine Monarchie, in welcher das Königshaus über das Vereinigte Königreich regierte. Das Parlament hatte jedoch zusätzliche Regelungen aufgestellt, welche zum Frieden zwischen den Begabten und den Zivilisten beitragen sollte.
Sie fand auch eigentümliche Akten über einen Virus, der vor einigen Jahren noch über die ganze Welt wütete und dass die Weltbevölkerung aus Schutzgründen mit Einschränkungen leben musste. Doch die Mutation, die die Menschen zu Begabten machte, stand in keinem Zusammenhang mit dieser Pandemie. Es konnte sich keine*r erklären, wie genau die Fähigkeiten der Begabten entstanden sind oder wieso.
Weiterhin fand Conny Informationen über mysteriösen Amnesien, unter welche viele Menschen plötzlich litten und dass man sich auch dieses Phänomen nicht erklären könnte. Die Regierung stritt ab, dass es an den Mutationen lag, da auch Zivilisten davon betroffen waren. Hier gab es aber auch wieder viele Zweifler und Theorien zu Experimenten durch die Regierung. Laut einigen Angaben waren 'magische' Steine in dem Fall involviert. Sie seien 'eine Gefahr für die Allgemeinheit', darum müsste man sie sicherstellen, doch die Informationen liefen ins Nichts. Es war nicht klar, ob diese auch wirklich existierten.
Nachrichten über das verbesserte Verkehrsnetz oder Bluttests fielen ihr besonders häufig in den Blick, doch sie fand rein gar nichts, über das, was sie eigentlich wollte. Die Gefangenen der Regierung und jegliche Informationen dazu wurden streng unter Verschluss gehalten. So konnte Conny nichts herausfinden, was sie nicht schon zuvor wusste. Sie musste sich also irgendwie anders Zugang zu den Informationen beschaffen.... Doch wie sollte sie das anstellen? Sollte sie sich etwa in die Regierungsserver einhacken? Diese Idee ließ sie kurz hochschrecken. Es war genial, Informationen aus erster Hand – doch eins war Conny klar: das konnte sie erst tun, wenn sie ohne Spuren zu hinterlassen rein und wieder rauskommen könnte.
Später erfuhr sie dann von ihrem Vater etwas über Lunas Aufenthaltsort: er erklärte ihr, dass sie Luna in eine Außenstelle des 'London Prison for Gifted Young Adults' geschafft hatten und sie unter Beobachtung der Regierung stand. Bald würde er auch hinfahren können und versuchen Luna aus der Zelle zu holen. Das versprach er Conny.
Auf einmal spürte sie, wie etwas ihre Schulter erklomm. Sie zuckte kurz zusammen, doch als sie sah, wer dort saß, entspannten sich ihre Muskeln wieder etwas.
"Ach man Leon! Du hast mich jetzt ganz schön erschreckt!"
Langsam hob Leon seinen Kopf und stupste Conny mit seiner Schnauze liebevoll und entschuldigend an. Das machte er immer, wenn er sie beruhigen wollte. Conny erwiderte diese Geste mit einem leichten Kuss auf Leons Schnauze. Was sollte sie nur ohne ihr Chamäleon tun? Er war ihr ein und alles, ihr Berater und Therapeut, den sie in Zeiten wie diesen brauchte, um das Leben so wie es war durchzustehen. Conny wusste, dass sie es hätte schlimmer im Leben erwischen können, doch es läuft eben in keinem einzigen Leben alles glatt.
'Hast du schon eine Ahnung, wie ihr Luna befreien wollt, wenn der Plan von deinem Vater nicht funktioniert?'
Conny schüttelte ihren Kopf, darüber hatte sie sich noch keine Gedanken gemacht. Sie war nur davon ausgegangen, dass alles gut funktionieren würde. Doch Leon hatte recht. Was, wenn es nicht klappen würde? Sie brauchten einen Plan B.
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