KAPITEL 3
minhos sicht
Als ich an diesem Morgen das Lehrerzimmer betrat, herrschte das übliche Durcheinander. Meine Kollegen besprachen die neuesten Schulregelungen, Korrekturen und endlose Berichte. Die meisten von ihnen waren hier seit Jahren, und es fühlte sich an, als wäre ich der Einzige, für den das Lehrerleben noch neu war. Doch obwohl ich mich anfangs fehl am Platz gefühlt hatte, hatte ich mittlerweile eine gewisse Routine entwickelt – bis auf diese eine Sache.Han Jisung.Der Name hallte in meinem Kopf nach, und ich konnte mir nicht erklären, warum. Der Junge war ruhig und zurückhaltend, und dennoch war da etwas an ihm, das meine Aufmerksamkeit auf eine Art fesselte, die ich weder wollte noch verstand.Als ich das Klassenzimmer betrat, war mein Blick wie von selbst auf ihn gerichtet. Jisung saß mit seinem üblichen, verträumten Blick in der ersten Reihe und schien in Gedanken verloren. Etwas an seiner Haltung, der Art, wie er auf seine Bücher starrte, ließ mich neugierig werden. Normalerweise fiel es mir leicht, eine professionelle Distanz zu meinen Schülern zu wahren. Sie waren jung, hatten noch alles vor sich, während mein Leben längst strukturiert und geordnet verlief. Doch Jisung war... anders. Seine Augen wirkten oft gedankenverloren, aber dann gab es diese Momente, in denen er mich ansah – wirklich ansah. Und in diesen Momenten spürte ich etwas, das ich mir nicht erlauben sollte. ---Ich begann den Unterricht und versuchte, mich auf den Stoff zu konzentrieren, während ich gleichzeitig die Klasse im Blick behielt. Jisung war abwesend, das war offensichtlich. Seine Gedanken schienen kilometerweit entfernt zu sein. Ich stellte ihm eine Frage, und für einen Moment war ich amüsiert über seinen verwirrten Ausdruck. Doch als er dann doch eine halbwegs gute Antwort gab, spürte ich eine seltsame Art von Stolz.Nach der Stunde konnte ich nicht anders, als ihn zurückzuhalten. Es war ein Impuls, den ich nicht ganz kontrollieren konnte. Als die letzten Schüler das Klassenzimmer verlassen hatten, blieb er stehen, unsicher und offensichtlich ein wenig nervös.„Jisung, du wirkst abgelenkt in letzter Zeit", sagte ich und versuchte, meine Stimme ruhig und sachlich zu halten. Doch schon in dem Moment, in dem ich die Worte aussprach, spürte ich, dass diese Unterhaltung alles andere als professionell war.Er wich meinem Blick aus, spielte nervös mit dem Gurt seiner Tasche und murmelte eine Entschuldigung. In diesem Moment sah er so verletzlich und unsicher aus, dass ich einen kaum merklichen Drang verspürte, ihn irgendwie zu beruhigen.„Ich will nur sicherstellen, dass du dein Potenzial erkennst", sagte ich schließlich und legte ihm, fast ohne darüber nachzudenken, eine Hand auf die Schulter. Es war eine kleine Geste, fast beiläufig – doch in dem Moment, in dem ich ihn berührte, wurde mir klar, dass es alles andere als das war.Das Kribbeln, das durch meine Finger schoss, überraschte mich. Jisung spürte es auch, das wusste ich. Für einen Augenblick sah er mir in die Augen, und etwas Ungesagtes lag zwischen uns. Etwas, das ich unbedingt ignorieren musste – und doch nicht konnte.„Danke", murmelte er schließlich und wandte sich ab, sichtlich verlegen. Ich ließ ihn gehen und sah ihm nach, während er den Raum verließ. Die Berührung, die kaum länger als ein Wimpernschlag gedauert hatte, schien nachzuhallen und ließ mich verwirrt und unruhig zurück.Was machte dieser Junge mit mir?---Der Gedanke an Jisung ließ mich den ganzen Tag über nicht los. Die Art, wie er mich ansah, wie sein Gesicht leicht rot geworden war, und diese stille Zerrissenheit in seinen Augen... Es fühlte sich an, als hätte ich etwas entfacht, das nicht mehr gelöscht werden konnte.Nach der Schule saß ich allein in meinem Büro und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Ich wusste, dass ich eine Grenze überschritten hatte – wenn auch nur in meinem Kopf. Ich hatte schon früher schwierige Schüler betreut, Schüler, die abgelenkt oder verloren wirkten, doch keiner von ihnen hatte mich je so beschäftigt wie Jisung. Keiner hatte diesen unausgesprochenen Wunsch in mir ausgelöst, ihn besser zu verstehen, mehr über ihn zu wissen.Ich nahm ein paar tiefe Atemzüge und zwang mich zur Vernunft. Das hier war falsch. Er war ein Schüler, siebzehn Jahre alt, und ich war sein Lehrer. Ich hatte eine Verantwortung, und diese Verantwortung bedeutete, Distanz zu wahren und ihm nicht das Gefühl zu geben, dass er mir mehr bedeutete als irgendein anderer Schüler.Doch die Wahrheit war, dass er das tat. Er bedeutete mir mehr – warum auch immer. Und je mehr ich versuchte, diese Tatsache zu ignorieren, desto intensiver wurde sie.Schließlich schüttelte ich den Kopf und sagte mir, dass das nur ein vorübergehendes Gefühl war. Ein bloßes Interesse an einem ungewöhnlichen Schüler. Es würde verschwinden, wenn ich es nicht beachtete – das hoffte ich zumindest. Doch ein Teil von mir wusste, dass es nicht so einfach sein würde, diesen Gedanken einfach auszublenden.Denn in Jisungs Blick lag ein Verlangen, ein verborgenes Geheimnis, das mich gleichzeitig anzog und abschreckte.
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