06. Bonding
Regentropfen klatschten gegen das Fenster meines Zimmers, als ich am Morgen erwachte.
„Typisch Irland", dachte ich, während ich die Bettdecke zurückschlug.
Um ehrlich zu sein, machte mir der Regen aber nicht viel aus. Ich freute mich auf den Ausflug nach Dublin - mit oder ohne Sonne. Zunächst begann ich diesen Tag jedoch mit einer ausgiebigen Dusche und dachte nach. Über den gestrigen Tag, über das Golfen mit Niall und vor allem darüber, was ich ihm erzählt hatte.
Ob es richtig gewesen war, ihm nach so kurzer Zeit das größte Geheimnis aus meiner Vergangenheit anzuvertrauen? Was, wenn er seinen Freunden alles, jede Kleinigkeit berichten würde? Ich konnte mir nicht sicher sein und doch fühlte es sich irgendwie richtig an, es getan zu haben. Als ob eine Art Verbindung zwischen uns bestand, die alle meine Ängste und Zweifel wegwischen ließ.
Während ich ein üppiges Frühstück zu mir nahm, leistete Ann mir Gesellschaft. Eigentlich kam mir das ganz gelegen, denn so konnte ich ihr die Gedanken mitteilen, welche mich beschäftigten.
„Kann ich dich was fragen, Ann?"
„Aber natürlich, Bel." Ihre rehbraunen Augen schauten mich freundlich an. Sie war ein unglaublich liebenswerter Mensch, dessen Meinung ich innerhalb weniger Tage zu schätzen gelernt hatte. Deswegen war es mir auch so wichtig, mit ihr über dieses Thema zu reden.
Ich holte tief Luft, bevor ich zu sprechen begann. „Also ich habe einer Person, die ich erst relativ kurz kenne, etwas anvertraut, was in meiner Vergangenheit passiert ist..." Ich machte eine kurze Pause, um mich zu sammeln. „Und ich wollte dich fragen, ob du das für falsch hältst oder ob du das vielleicht auch getan hättest."
Nun legte Ann ihre Hand beruhigend auf meinen Arm, während sie leicht schmunzelte. „Du möchtest jetzt eine Antwort, von jemandem, der schon ein klein wenig Lebenserfahrung besitzt, sehe ich das richtig?"
Als ich nickte, fuhr Ann fort. „Es mag dich jetzt vielleicht überraschen Bel, aber es ist nicht unbedingt ausschlaggebend wie lange du eine Person kennst, der du ein Geheimnis erzählst, sondern wichtig ist, was dein Gefühl dir dazu sagt. Es gibt Menschen, die kennt man zwanzig Jahre und man würde ihnen nicht das Geringste über sich erzählen und umgekehrt gibt es welche, die kennt man erst wenige Tage und man würde ihnen alles anvertrauen. Das ist einfach...", sie stoppte kurz. „Wie soll ich dir das am besten begreiflich machen?"
„Du meinst, es fühlt sich dann richtig an diese Person alles wissen zu lassen?", fragte ich zögernd.
„Ja, so in etwa. Es ist eine Art starke Verbindung, die dazugehört, am besten zu vergleichen mit einer Seelenverwandtschaft."
Waren Niall und ich etwa seelenverwandt? Das hörte sich total komisch an und doch schien es irgendwie zusammen zu passen. Hatte ich intuitiv gehandelt, weil ich mich auf irgendeine Art und Weise zu ihm hingezogen fühlte?
„Und was ist, wenn ich mich doch geirrt haben sollte?", wollte ich wissen.
„Dann hätte dein Gefühl dich total in die Irre geleitet aber ich glaube nicht, dass es so ist", bemerkte sie lächelnd.
Obwohl ich keinen Namen genannt hatte, machte sich das Gefühl in mir breit, dass Ann ahnte, um wen es ging. Plötzlich nahmen wir beide ein lautes Hupen wahr.
„Das ist Niall", bemerkte ich lächelnd. Mittlerweile hatte sich der Hupton des Range Rovers bei mir eingeprägt.
„Dann solltest du ihn nicht länger warten lassen", meinte Ann augenzwinkernd.
Ich schnappte mir meine Kapuzenjacke und meine Handtasche, die bereits über dem Stuhl hing, verabschiedete mich schnell von Ann und spurtete nach draußen. Die Beifahrertür stand einen Spalt offen, so dass ich nur noch einzusteigen brauchte, was ich auch schnellstmöglich tat, da der Regen gerade heftiger wurde.
„Hi, Bel", riefen alle und Niall grinste mich an.
„Gut geschlafen?", fragte er, während er das Auto auf die Straße steuerte.
Ich antwortete mit einem Nicken und wandte mich dann kurz an Nelia, die wie immer auf Darraghs Schoß saß.
„Bist du angeschnallt, Püppi?"
„Brauch ich nicht, Darragh hält mich doch fest", bekam ich zur Antwort, was ich mit einem Seufzer zur Kenntnis nahm.
„Wie hast du deine Schwester gerade genannt?", wollte Darragh wissen.
Ich erklärte ihm, dass nur ich das Recht besaß, Nelia so zu nennen und er sich diesen Namen nicht merken müsse. Die Iren konnten ihn sowieso nicht aussprechen - das dachte ich zumindest, bis Niall grinsend sagte: „Püppi klingt irgendwie süß."
Er sprach das „Püppi" beinahe korrekt aus, was mich wirklich verwunderte.
„Du bist echt ein Sprachgenie", stellte ich erstaunt fest.
„Warum?", fragte er nach.
„Du sprichst Englisch, Spanisch und noch so eine andere komische Sprache. Außerdem hast du recht wenig Probleme mit der deutschen Aussprache."
Niall grinste schon wieder. „Die andere komische Sprache, die du meinst, bezeichnet man als Gälisch und sie ist das eigentliche Irisch", erklärte er.
„Dachte ich mir fast", schmunzelte ich. „Es hört sich aber echt interessant an", setzte ich noch hinzu.
„Wir mussten das alle in der Schule lernen", rief Dylan nach vorne, was ich mit einem Nicken kommentierte.
Grundsätzlich war ich schon immer dafür gewesen, dass sämtliche Dialekte oder auch eben „alte" Sprachen nicht in Vergessenheit geraten durften. Wenn ich mir Mühe gab, konnte ich auch mit bayrischem Akzent sprechen, wie mein Vater.
Während ich die Scheibenwischer beobachtete, fiel mir plötzlich ein, dass ich Niall etwas fragen wollte.
„Sag mal", begann ich und schaute zu ihm. „Warum folgen mir denn deine Bandkollegen auf Twitter?"
„Vermutlich weil sie neugierig sind", kam es prompt aus seiner Richtung.
„Neugierig? Aber die kennen mich doch gar nicht..., oder hast du etwa...? Du hast ihnen von mir erzählt?!"
„Ein bisschen."
Ich spürte wie mir heiß wurde. Warum redete er mit seinen Bandkollegen über mich und vor allem was genau hatte er ihnen erzählt? Wie wir uns kennengelernt hatten vielleicht? Oh Gott war mir das peinlich! Was würden die Jungs nun von mir denken? Ich fragte mich gerade, ob ich noch richtig tickte, denn ich würde sie sowieso niemals zu Gesicht bekommen, also bestand überhaupt kein Grund zur Panik. Trotzdem keimte in mir die Gewissheit auf, dass Niall mich für wichtig genug hielt, um mit seinen Bandkollegen darüber zu quatschen.
„Was..., was hast du ihnen denn über mich gesagt?", fragte ich unruhig.
Sein Grinsen wurde immer breiter, bevor er antwortete: „Ich habe ihnen lediglich erzählt, dass ich in Irland ein nettes Mädchen getroffen habe, das ab du zu Golf mit mir spielt."
„Moment mal, wir sind erst einmal zusammen den Parcours gelaufen", warf ich ein, doch er gab sofort kontra.
„Das war aber nicht das letzte Mal. Jetzt, wo du einen neuen Schläger besitzt."
Natürlich musste ich grinsen. „Eins zu null für dich, Niall."
Dann hing ich meinen Gedanken nach. Niall schien wirklich sehr mitteilungsbedürftig zu sein. Was, wenn er Sean, Dylan und Darragh doch alles über mich erzählt hatte? Ich wollte es nicht hoffen und ich konnte es irgendwie auch nicht glauben aber mit der Zeit würde ich es so oder so herausfinden.
Inzwischen hatte es tatsächlich aufgehört zu regnen und je näher wir Dublin kamen, umso besser wurde das Wetter. Die Wolkendecke riss komplett auf und es zeigte sich strahlender Sonnenschein, als wir unser Ziel erreichten.
Nachdem wir das Auto auf einem Parkplatz abgestellt hatten, gingen wir in gemächlichem Tempo in Richtung Innenstadt. Sean und Dylan liefen vor Niall und mir her, während Darragh und Nelia das Schlusslicht bildeten. Die Jungs erklärten mir, dass es so am sichersten sei wegen der Fans.
Beinahe hätte ich vergessen, dass Niall ein Promi war und mit Fans rechnen musste, die ihm wohl an jeder Straßenecke auflauerten. Deswegen trug er auch überall eine Sonnenbrille und eine Baseballmütze, damit erkannte man ihn nicht gleich. Ob so ein Leben mir überhaupt gefallen würde? Vermutlich eher nicht. Aber er schien ganz gut damit klar zu kommen, jedenfalls beklagte er sich nicht, als wir unterwegs ein paar Fans trafen, die ihn doch erkannten und Autogramme haben wollten.
Irgendwie fand ich das witzig: Die Mädchen bettelten einen Typen um Autogramme an, der mir seinen sündhaft teuren Golfschläger einfach so geschenkt hatte, der vorletzte Nacht für mich in einem Pub „Little Things" gesungen hatte und dem ich am See den Rücken eingecremt hatte, damit er sich keinen Sonnenbrand holte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich ihn noch vor wenigen Tagen als einen eingebildeten, arroganten Idioten beschimpfte...
Wie verrückt die Welt doch sein konnte! Diese Mädchen himmelten ihn an aber mir schenkte er seine Aufmerksamkeit. Das war es, was mir in jenem Augenblick bewusst wurde und es tat mir unendlich gut. Niall hatte den Ausflug nach Dublin meinetwegen gemacht, weil ich gerne die Stadt erkunden wollte. Nicht wegen seinen Freunden, nicht wegen Nelia, nicht weil er hierher wollte und schon gar nicht wegen der Fans. Dafür heimste er sich bei mir unglaubliche Pluspunkte ein, so komisch das auch klingen mochte.
Nachdem die Fans wieder verschwunden waren, beschlossen wir, in einem der Pubs etwas zu essen. Dort hielten sich nämlich zum Glück so gut wie gar keine pubertierenden Teenagergören auf, was die Sache ziemlich angenehm machte. Nelia, die mir am Tisch gegenüber saß, setzte ihre Knutschflecken gekonnt in Szene, was Niall und mir ein leichtes Grinsen entlockte. Er formte lautlos mit den Lippen das Wort „Vampir" und ich bekam prompt einen Lachanfall.
Die anderen starrten uns irritiert an und als Sean fragte: „Dürfen wir vielleicht mitlachen?", brach auch Niall in lautes Gelächter aus. Ich mochte es total, wenn er lachte, es klang so herzlich und ließ ein Gefühl in mir erwachen, das mich plötzlich erschreckte: Ich wollte ihn am liebsten umarmen.
„Stopp, Bel, was denkst du da? Das geht ja gar nicht", ermahnte ich mich in Gedanken selbst.
Einen Jungen umarmen den ich gerade mal vier Tage kannte? Irgendetwas schien mit mir nicht zu stimmen oder besser gesagt, mit meinem Gemütszustand. Da das Essen, welches wir bestellt hatten, gerade aufgetischt wurde, kam ich jedoch nicht weiter dazu, über die Sache nachzudenken. Das Fleischgericht schmeckte richtig gut, ich konnte gar nicht genug davon bekommen und vertilgte sogar noch Nelias Reste, die eher der Gemüsefreak war.
Wenig später verließen wir das Pub, um weiter durch die Stadt zu streifen. Dublin war im Vergleich zu München zwar kleiner aber besaß durchaus seinen Reiz. Besonders gut gefielen mir die Einkaufsstraße und das Guinness Storehouse, ein Museum, das die Geschichte des Bieres erzählte.
Wir hatten unsere eigene Gruppenführung und als ich Niall fragte, wie er das arrangiert hätte, musste er zunächst grinsen. Dann jedoch bekam ich meine Antwort.
„Ich hab da heute angerufen, bevor wir losgefahren sind und ihnen mitgeteilt, dass ich später mit ein paar Freunden vorbeischaue und schon war die Sache geritzt."
„So einfach ist das also, wenn man prominent ist", entfuhr es mir.
„Irgendeinen Vorteil muss ich ja davon haben", kam es von ihm.
Das klang so, als ob er es vermissen würde, ein normales Leben führen zu können, was ich wiederum verstehen konnte. Sicher war es nicht einfach, wenn man nicht einmal unerkannt in einen Supermarkt gehen konnte, es sei denn man traf auf jemanden wie mich, die sich nicht für Boy Bands interessierte. Ich musste unwillkürlich grinsen, als ich erneut an unsere erste Begegnung dachte. Seitdem hatte sich doch einiges verändert.
Gut gelaunt bummelten wir nach dem Besuch des Guinness Storehouse erneut durch Dublins Straßen. Nelia und ich liefen ein Stück vor, um die Auslagen in den Geschäften zu betrachten. Dabei unterhielten wir uns sehr angeregt und achteten nicht auf entgegenkommende Passanten, was für mich fatale Folgen haben sollte.
Eine Gruppe jüngerer Männer lief direkt auf uns zu und bevor ich irgendetwas dagegen tun konnte, rannte ich prompt in einen der Kerle hinein - oder er in mich - das war reine Auslegungssache. Ich erschrak fürchterlich und mein ganzer Körper begann zu zittern, doch dann spürte ich eine starke Hand, die meine nahm und mich zu sich zog. Ehe ich mich versah, stand ich Niall gegenüber und schaute in seine blauen Augen, die besorgt dreinblickten.
„Alles in Ordnung, Bel? Hast du dich erschreckt?", fragte er leise und ließ meine Hand wieder los.
Ich nickte beklommen, mit einem dicken Kloß im Hals. „Alles ok", stammelte ich, während mein Puls sich langsam wieder normalisierte. Erst dann realisierte ich, was wirklich geschehen war. Und damit meinte ich nicht das Ereignis des Zusammenpralls mit einem unbekannten männlichen Wesen, sondern die Tatsache, dass es mir nichts ausgemacht hatte, dass Niall meine Hand berührte.
Er gab mir für einen kurzen Augenblick ein Gefühl der Sicherheit. Etwas, was mich total verblüffte. Doch ich ließ mir meine Empfindungen und die daraus resultierende Unsicherheit nicht anmerken. Stattdessen versuchte ich zu lächeln und sagte: „Mir geht es gut, wir können weiter gehen."
Nelia, die alles aus unmittelbarer Nähe mitbekommen hatte, schaute überrascht drein, sprach jedoch kein Wort. Die anderen drei Jungs wunderten sich, warum wir nun hier standen und Niall sich solche Sorgen um mich machte, was mir die Gewissheit verschaffte, dass er ihnen wohl kein Wort über unser gestriges Gespräch gesagt hatte. Selbst jetzt sah er davon ab, irgendetwas dahingehend zu erklären, obwohl alle in fragend anschauten. Ich atmete innerlich auf, denn mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht. Er würde mein Geheimnis nicht einfach so ausplaudern.
Langsam setzten wir unseren Bummel durch die Straßen fort, nur mit dem Unterschied, dass ich nun höllisch darauf achtete, nicht nochmals von einem Typen angerempelt zu werden. Als wir in eine der Seitenstraßen abbogen, kam plötzlich ein großer, schwarzer Hund auf uns zugelaufen. Alle blieben sofort stehen, außer mir, denn ich ging auf den Rottweiler zu. Der Hund trug ein Halsband und musste demnach auch einen Besitzer haben.
„Bel, bleib stehen, der ist bestimmt gefährlich", hörte ich Seans Stimme hinter mir.
„Unsinn", murmelte ich, während ich dem Tier in die Augen blickte. Der Hund hielt Blickkontakt mit mir und als ich mich niederkniete, um ihn vorsichtig zu streicheln, leckte er meine Hände ab.
„Du bist ein ganz lieber, ich weiß", sagte ich leise. „Aber was machen wir denn jetzt mit dir? Wo ist denn dein Herrchen?"
Er schnüffelte an meinen Schuhen und leckte erneut über meine Hände. In diesem Augenblick wurden so viele Gefühle in mir aufgewühlt, dass ich Mühe hatte, mich unter Kontrolle zu halten. Erst als ich Schritte vernahm, die neben mir stoppten, hob ich den Kopf, um in Nialls blaue Augen zu schauen. Ein Blick genügte und er verstand. Ich musste ihm nicht erklären, warum ich mich um diesen Hund kümmerte und vor allem, warum ich keine Angst vor dem großen, schwarzen Tier hatte. Niall erfasste die Zusammenhänge sofort: Ein Rottweiler verhinderte damals meine Vergewaltigung.
„Bel", sagte er leise, „wollen wir beide uns um den Hund kümmern, während die anderen in ein Pub gehen?"
Ich nickte, stand auf und schaute dem Hund in die Augen. „Du kommst jetzt mit uns, ok?"
Niall und ich standen wenige Minuten später alleine auf der Straße und schauten uns an. „Hast du eine Idee, wohin wir gehen könnten?", fragte ich.
Kaum hatte ich das ausgesprochen, als eine aufgeregte Stimme aus einiger Entfernung rief: „Da ist Woody!"
Der Rottweiler drehte sich sofort um, als er den Namen hörte und rannte in Richtung eines Jungen, der von einem Mann, wahrscheinlich seinem Vater, begleitet wurde.
Niall und ich mussten grinsen. „Es gibt Dinge, die erledigen sich von selbst", sagte er.
„Ja und wir können die anderen einsammeln gehen", setzte ich hinzu.
Die Rückfahrt nach Mullingar wurde sehr lustig, vor allem als Darragh, Sean und Dylan anfingen zu singen und ständig von Niall unterbrochen wurden, der ihnen im Spaß vorwarf, dass sie falsche Töne produzierten.
Als wir in Mullingar eintrafen, setzte gerade die Abenddämmerung ein. Es sah wunderschön aus, wie die Sonne hinter den Hügeln verschwand, denn auch hier hatte der Regen inzwischen aufgehört. Niall setzte zuerst Dylan, Darragh und Nelia ab, die alle in der gleichen Straße wohnten, dann fuhren wir bei Sean vorbei und ich kam zum Schluss an die Reihe, was mir eigentlich auch recht war. So konnten wir uns in Ruhe voneinander verabschieden. Ich bedankte mich nochmal bei ihm wegen dem Vorfall auf der Straße in Dublin, was ihm nur ein Lächeln entlockte.
„Das war kein Problem, Bel. Ich weiß doch mittlerweile wie du auf so was reagierst und hab gesehen, dass es dir gar nicht gut ging."
Er konnte also sehen, wenn es mir schlecht ging, interessant! Gerade wollte ich etwas erwidern, als er mir eine Frage stellte, die mich schon wieder total außer Fassung brachte.
„Würdest du mir bitte deine Handy Nummer geben? Ich verspreche auch, dass ich sie an keinen anderen weiterreiche."
Irgendwie schockte mich das. Ein Promi wollte meine Telefonnummer! Gleichzeitig hätte ich vor Freude aus dem Fenster springen können, so sehr freute ich mich darüber. Ich verstand meine eigenen Gefühle nicht mehr, weil sich diese so verändert hatten. Und nicht nur meine Gefühle, sondern meine ganze Denkweise.
Ich wusste nicht, ob es an Niall oder an mir selbst lag. Trotzdem gab ich ihm meine Telefonnummer, ohne weiter darüber nachzudenken. Er bedankte sich mit einem supersüßen Lächeln und ich biss mir vor lauter Aufregung auf die Unterlippe. Gott sei Dank bekam Niall das nicht mit. Dann stellte ich ihm eine Frage, welche mich schon die ganze Zeit beschäftigte.
„Woher wusstest du das mit dem Hund? Ich hab dir nicht gesagt, welche Rasse er hatte."
„Keine Ahnung, es war nur so ein Gefühl, verstehst du?"
Ich nickte und dachte kurz an das Gespräch mit Ann, dann wurde es Zeit, sich endgültig zu verabschieden.
„Mach's gut, Bel. Ich melde mich bei dir, denn jetzt habe ich deine Nummer", sagte er, bevor ich den Range Rover verließ.
„Ich wünsche dir noch einen schönen restlichen Abend und danke für den Tag", erwiderte ich lächelnd.
„Bis morgen, Bel!"
Niall brauste davon und ich stand da und schaute ihm nach. Er würde sich also morgen melden, soweit ich das verstanden hatte. Wieso ausgerechnet ich? Warum wollte er sich mit einem Mädchen abgeben, das Berührungen von Männern ablehnte? Ein Typ wie er konnte es doch viel einfacher haben. Er brauchte nur mit dem Finger zu schnippen und sämtliche weibliche Wesen lagen ihm zu Füßen oder anders ausgedrückt: In seinem Bett.
Er musste doch wissen, dass das für mich keineswegs in Frage kam. Und doch schien ich für ihn auf eine Art und Weise interessant zu sein - so wie er es für mich ebenso war. Mit diesen Gedanken im Kopf suchte ich mein Zimmer auf, nachdem ich Ann durch die Küchentür zugerufen hatte, dass ich wieder im Lande sei. Meine erste Tat bestand darin, mein Netbook einzuschalten, um die Neuigkeiten auf Twitter zu verfolgen. Als ich das tat, verstand ich zunächst gar nichts mehr.
Liam Payne hatte mir eine Twitternachricht geschickt. „Hope you had a nice day in Dublin."
Darunter kam ein Eintrag von Harry Styles. „Did you enjoy the Guinness Storehouse?"
Ich war nahe dran zu platzen, weil Niall seinen Kumpels wohl alles erzählte, was wir unternahmen.
Eigentlich ging es keinen etwas an, wie wir und vor allem ich, meine Freizeit verbrachte. Was sollte ich denn jetzt tun? Ich konnte die beiden ja schlecht in der Öffentlichkeit brüskieren, denn damit würde ich mir mit Sicherheit den Zorn aller Fans zuziehen. Die Tweets einfach ignorieren schien mir ebenfalls keine gute Idee zu sein, also schrieb ich zurück.
„Had a very nice day in Dublin and the Storehouse was really interesting".
Diesen Tweet schickte ich an beide und nahm mir vor, morgen mit Niall darüber zu reden, denn so ging das nicht. Bevor ich mich jedoch weiter darüber aufregen konnte, klingelte mein Handy. Ein unbekannter Anrufer versuchte mich zu erreichen. Normalerweise beantwortete ich solche Anrufe nicht, doch irgendetwas in mir zwang mich dazu, das Gespräch anzunehmen.
„Hi, Bel, ich bin's, Niall. Ich wollte mich bei dir für das Verhalten meiner Bandkollegen entschuldigen."
Ich schnaufte kurz ins Telefon, bevor ich antwortete. „Was zum Teufel hast du ihnen erzählt?"
„Nur, dass ich mit meinen Kumpels nach Dublin fahre, um das Guinness Storehouse anzuschauen."
„Aha und woher wussten sie, dass ich auch dabei war?"
„Ganz einfach, sie haben mich gefragt, ob das Mädchen, mit dem ich Golf spiele, auch mitkommen würde und ich habe mit einem Ja geantwortet."
Nun seufzte ich laut.
„Bel, bitte sei nicht sauer, die Jungs sind immer so drauf. Sie denken sich nichts dabei und eigentlich ist es ja auch gar nicht schlimm. Niemand weiß, dass du mit mir dort warst, verstehst du?"
„Ach, daher weht der Wind!", sagte sich spöttisch. „Du möchtest wohl nicht, dass jeder weiß, dass du dich mit so einem gewöhnlichen Mädchen wie ich es bin, abgibst!"
„Was?! Das ist doch unsinnig! Ich glaube, du verstehst nicht, worum es hier geht!", hörte ich seine aufgebrachte Stimme.
„Dann erkläre es mir bitte", forderte ich ohne Umschweife.
„Kapierst du denn nicht, dass das nur zu deinem Schutz dient? Jedes Mädchen, das mit mir irgendwie in Verbindung gebracht wird, erlebt die Hölle auf Erden, was den Twitteraccount angeht. Ich möchte nicht, dass dir das passiert und außerdem bist du alles andere aber nicht gewöhnlich, sondern eher außergewöhnlich."
Ich versuchte ruhig zu atmen und mich zu sammeln, bevor ich redete.
„Aber warum schreiben mir deine Bandkollegen dann keine Privatnachricht? Das würde dann erst Recht keiner mitkriegen."
„Ganz einfach: Weil du ihnen nicht auf Twitter folgst."
Ich lief rot an, was Niall Gott sei Dank nicht sehen konnte. Aber er hatte verdammt nochmal Recht! Bisher hatte ich keine Veranlassung darin gesehen, seinen Bandkollegen zu folgen, jetzt schon.
„Schon passiert", sagte ich, während ich bei allen Vieren auf den Folgebutton klickte.
„Fein, dann können sie dich ja jetzt anschreiben und alle Probleme sind gelöst", sagt er erfreut.
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Es war schon merkwürdig genug, dass ich mit Jungs in Kontakt stand, die ich noch nie in meinem Leben persönlich getroffen hatte. Doch seit ich irischen Boden betreten hatte, waren so viele verrückte Dinge geschehen, dass mir selbst das nichts mehr ausmachte. Das Einzige, was mich noch zum Nachdenken animierte, war Nialls Bemerkung, dass ich außergewöhnlich sei. Das konnte ich positiv aber auch negativ verstehen und so entschloss ich mich, ihn zu fragen.
„Warum denkst du eigentlich, dass ich außergewöhnlich bin?"
„Bel, du bist nicht wie die anderen Mädchen und ich denke, das weißt du auch", antwortete er ruhig.
Ich seufzte innerlich. Ganz Unrecht hatte er ja wohl nicht mit seiner Aussage.
„Hör mal", begann Niall, „ich wollte dir einen Vorschlag machen. Warum unternehmen wir beide morgen nicht etwas alleine, ohne die anderen?"
„Du willst wieder mit mir Golfen gehen?", fragte ich neugierig.
„Na ja, ich dachte da eher an einen Ausflug mit dem Auto", gab er zur Antwort. Ich konnte sein Schmunzeln förmlich spüren.
„Ok, und wohin?", wollte ich wissen.
„Das überlasse ich dir. Sag mir, was du gerne sehen möchtest und ich bringe dich hin."
Es klang unglaublich verlockend und irgendwie konnte ich nicht widerstehen, was auch daran lag, dass ich Niall inzwischen wirklich mochte. Er hatte mein Geheimnis für sich behalten und wenn wir alleine waren, würden wir uns noch besser kennenlernen, außerdem mussten wir keine Rücksicht auf die Wünsche der anderen nehmen.
Meine Psychologin predigte mir schließlich seit Jahren, dass ich etwas für mich tun sollte und nun schien die Zeit gekommen zu sein, das in die Tat umzusetzen. Da ich bereits mit sämtlichen Gegenden Irlands Dank Internet und Bücher vertraut war, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen: „Dann möchte ich dorthin, wo die Palmen wachsen!"
„Fein, im County Cork gibt es viel zu sehen", kam es von Niall. Er klang nicht im Mindesten desinteressiert oder enttäuscht, was mich natürlich freute.
„Wie weit ist es denn bis dorthin?", wollte ich wissen.
„Ungefähr drei Stunden Fahrzeit aber mach dir keinen Kopf, das geht absolut klar", versuchte er mich aufzumuntern.
„Gut. Soll ich irgendwas Bestimmtes mitnehmen außer meiner Regenjacke?", fragte ich nach.
Ich hörte ihn leise lachen. „Sag Ann, sie soll ein bisschen Proviant einpacken."
„Warum nur wusste ich, dass du das sagen würdest?", zog ich ihn auf.
„Vermutlich weil du inzwischen mitbekommen hast, wie verfressen ich sein kann."
Als ich seine Antwort hörte, begann ich schallend zu lachen. Nialls Humor war einfach unschlagbar, er lachte sogar über sich selbst.
„Also dann schlaf gut, Bel und bis morgen."
„Danke, du auch, Niall."
Wir beendeten unser Gespräch und ich legte mich mit klopfendem Herzen ins Bett. Träumte ich oder passierte das alles tatsächlich?
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Die beiden verstehen sich immer besser, ich hoffe, ihr mögt das ;) Ich würde mich übrigens sehr über Kommentare freuen, damit ich sehen kann, ob euch die Entwicklung in dieser Story überhaupt gefällt.
Frage: Wer von euch war schonmal in Irland? Und wenn ja, wie hat es euch gefallen?
LG, Ambi xxx
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