Winter
Ich habe einiges versucht, damit ich nicht gehen muss. Doch es war aussichtslos. Meine Schwester blieb stur. Inzwischen waren die Tage vergangen und es war so weit. Heute war der Jahreszeitenwechsel von Herbst zu Winter und von Frühling zum Sommer. Langsam quälte ich mich aus dem Bett. Mein Nachthemd ließ ich wieder zu Schnee werden und aus diesem Schnee und frischen Schnee von draußen machte ich mir ein Kleid. Es war hellblau und wurde zum Boden hin immer breiter, allerdings war es keins dieser Prinzessinnenkleider die so pompös waren. Das war selbst mir zu viel. Oben beim Dekolletee ließ ich einige Eiskristalle erscheinen. Der Rücken war weitestgehend frei, da es so mit den Flügeln am bequemsten war, auch wenn es dank meiner Fähigkeiten sehr einfach war, Kleidung am Rücken zu haben. So fühlte ich mich doch immer etwas eingeschränkt, wenn der Rücken bedeckt ist. Ich erschaffe mir noch Schuhe aus Eis, die ich mit Schnee polstere, so dass es sehr bequeme für meine Füße ist. Nach einem letzten Blick in den Spiegel, verlasse ich mein Zimmer für die nächsten Monate.
In der Eingangshalle bleibe ich stehen und lasse nochmal alles auf mich wirken. Das viele Eis fehlt mir jetzt schon. Ich sehe zu den vielen Statuen, die sowohl aus Schnee wie auch aus Eis sind. Die meisten zeigen Snow, wie sie regiert. Meine Lieblingsfigur ist die, wo ein Eisbärbaby auf sie zuspringt. Lachend hat Snow ihre Arme ausgebreitet und ist bereit das Kleine aufzufangen. Die Statuen zeigen, wie das Volk Snow sieht. Jedes Jahr wenn es wieder Frühling wird, bekam sie bis jetzt eine Statue. Alle Statuen zeigen ihre Sanftheit, ihre Güte, aber auch ihre Klugheit.
Als letztes wende ich mich der Eisstatue zu, die als einziges mich darstellt. Kalt schaue ich mir entgegen. Die Haare wehen in dem Sturm, in dessen Mitte ich stehe. Durch den Wind wird ebenfalls der Mantel zur Seite gepustet, sodass einige Waffen an meinem Körper zum Vorschein kommen. Tja, was soll ich schon dazu sagen. So sieht mich das Volk eben. Eine kalte Eisprinzessin, jederzeit dazu bereit ihre Waffen zu verwenden. Traurig wende ich mich ab. Aber ich tue auch nichts dafür, dass sie mich anders sehen. Gibt es eben auch nichts anderes als diese Statue noch.
„Hier bist du. Ich dachte schon ich müsste dich zum Brunnen hin zerren." höre ich die fröhliche Stimme meiner Schwester. Missmutig drehe ich mich zu ihr hin. Als mein Blick über ihr Kleid gleitet, kann ich nur knapp ein Grinsen verkneifen. Sie hat das gleiche Kleid an wie ich, nur das ihres weiß ist. „Du siehst wunderschön aus Winter." meint sie kichernd, als auch sie mein Kleid bemerkt. „Komm, wollen wir die Welt nicht länger auf ihren Winter warten lassen." Zögernd folge ich ihr. „Du weißt schon, dass ich den kältesten und eisigsten Winter, die die Menschen dort gesehen haben bringen werde?" frage ich nach. Snow dreht sich zu mir um „Das habe ich mir auch schon irgendwie gedacht. Und damit muss ich wohl leben, wenn du den Winter bringst." Ich nicke nur und will schon an ihr vorbei, als sie mich aufhält. „Du wirst mir fehlen Winter." Zweifelnd ziehe ich eine Braue hoch. „Du hast es vielleicht nicht bemerkt, aber ich war immer bei dir. Und jetzt gehst du für einige Monate auf die Erde um den Winter zu bringen. Du wirst mir fehlen." Sie zieht mich so plötzlich in eine Umarmung, dass ich mich nicht wehren kann. Steif stehe ich da und weiß nicht, was ich machen soll. Aber so schnell wie die Umarmung kam, so schnell lässt Snow auch wieder los. „Ach bevor ich es vergesse." spricht Snow grinsend und macht eine Bewegung über meinem Kopf. Fragend schaue ich sie an. Als ich ein kaum spürbares Gewicht merke, kann ich mir denken, was sie gemacht hat. „Du bist zwar nicht die Winterkönigin, aber du bist die Eisprinzessin und die braucht auch ein Diadem." Sie zwinkert, bevor sie sich in die Luft erhebt und in Richtung des Jahreszeitenbrunnen fliegt.
Schnell erschaffe ich mir einen Spiegel aus Eis und schaue mir das Diadem an. Es besteht aus Eis. In der Mitte läuft es spitz nach oben. Es sind Kristallblumen zu sehen, die alle in der Sonne funkeln. Zudem liegt eine kleine kaum sichtbare Schicht Schnee oben auf dem Rand des Diadems. Es ist genau das Diadem welches ich früher mir immer als Winterkrone vorgestellt hatte. Unglaublich, dass sich Snow noch daran erinnert. Ich lasse den Eisspiegel wieder verschwinden und stoße mich ebenfalls vom Boden ab, um ebenfalls zum Jahreszeitenbrunnen zu gelangen.
Ich lande elegant neben meine Schwester, die noch am Rand des Platzes steht. Staunend schaue ich über diesen Platz. Das letzte Mal als ich hier war, war mit meiner Mutter als ich sechs war. Es ist komisch diesen Platz jetzt so voller Feen zu sehen. Mein Blick fällt als erstes auf die Sommerfeen, die in sehr kurzen Klamotten sich vergnügen. Fast jeder hat helles Haar und einen dunklen Hauttyp. Während bei uns die Flügel meistens Eis oder Schnee repräsentieren, so ist es bei den Sommerfeen Wasser. Am Ende ihres Reiches kommt das endlose Meer, welches auch zur Hälfte noch das Herbst- und Frühlingsreich umgibt. Bei uns ist es ein Gebirge und nach dem Gebirge eine Eisschicht, in der noch nicht mal Winterfee überleben könnten, da dort einfach nichts ist. Doch um zu dem Gebirge zu kommen muss man fünf Tagesreisen einplanen, vom Palast aus. Bei uns lebt so gut wie keine Fee so weit weg vom Palast. Die meisten wohnen um und im Palast. Daher wäre auch eigentlich das Gebirge mein Ziel gewesen. Es ist auch noch mein Ziel, wenn ich wieder komme.
Bei den Sommerfeen sieht es anders aus. Sie lieben das Meer, wodurch der Palast auch eher näher beim Meer gebaut wurde. Man braucht so nur eineinhalb Tagesreisen zum Meer, dafür aber auch vier Tagesreisen zum Brunnen. Mehr als deutlich wurde mir wieder bewusst, dass die gegenüberliegenden Jahreszeiten die puren Gegenteile waren. Auch der Frühling und der Herbst. Begannen die Blumen und Pflanzen im Frühling zu blühen, so verwelken sie im Herbst und dies spiegelt sich auch bei den Feen wieder. Die Frühlingsfeen tragen bunte, helle und knallige Farben, wohingegen die Feen vom Herbst eher dunklere, gedecktere Farben trugen. Nichtsdestotrotz waren sie bunt gekleidet.
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