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2. Klingender Nebel

Nachdem wir unser Proviant ausgepackt und inmitten der kleinen Wiese gegessen haben, beginnt Simo irgendwann leise auf seiner Gitarre zu spielen. 

Es ist eine Melodie, welche er einfach so frei heraus erfindet, sodass er sich damit an den Frequenzen des Ortes angleichen kann. Ich schätze, er macht es unbewusst, doch mir entgeht nicht, dass sich die Klänge sehr harmonisch in die Gesamtatmosphäre einweben und sich mit ihr auf zauberhafte Weise vermischen.

Wie ein unsichtbarer Nebel, welcher sich aus den Tönen erschafft und die Ebenen miteinander verbindet. Tatsächlich kommen bei diesen Melodien, nach einem kurzen Augenblick auch Nilo und Jim wieder zurück, welche bis eben verschwunden waren. 

Nilos Gesichtsausdruck lässt irgendwie nicht ganz wissen, was für Emotionen in ihm stecken, doch nach einer kurzen Weile im Klang der Runde, weicht er wieder etwas auf und bekommt sogar ein flüchtiges Lächeln auf den Lippen, als Jim ihm kurz aufbauend am Arm knufft, sie sich daraufhin dann beide kleine Zweige in die Hand nehmen und beginnen diese geschickt im Takt der Musik aneinander zu schlagen. 

Die Akustik verstärkt sich augenblicklich und erfüllt das Tonbild mit noch mehr Tiefe. Kurz darauf schließt sich auch Nic dazu an, während Vivien mit ihren Fingern schnippt und abwechselnd auf ihre Beine klatscht. Ich muss lächeln und beginne dann mit meinen Händen im Rhythmus auf die trockene Erde zu trommeln und zugleich auch so mit ihr in Verbindung und Kommunikation zu gehen. 

Ich merke mit Freuden, dass Kuno nach kurzem Zögern ebenfalls beginnt vorsichtig Töne zu erzeugen, indem er die umliegenden vertrockneten Blätter in seinen Händen zerreibt und sie dann wieder knisternd auf die Erde zerstreut. Anschließend lässt er seine Hand raschelnd über die Erde streifen, bis er einen kleinen Ast zu fassen bekommt, welcher an einer Stelle einen Knick hat. 

Als er diesen leicht bewegt, ertönt ein knarzendes Geräusch, wie bei den großen Bäumen, wenn der Wind lechzend an ihren Ästen zerrt. Kurz darauf scheint es so, als würde diese sich tatsächlich anschließen und sich uns mit vielfältigen Tönen einstimmen. 

Ein Rauschen erfüllt die Umgebung als die Blätter aufgeregt aneinander reiben, wie Antennen, welche sich erregt zu uns ausstrecken.

Ich spüre, dass dieser Ort hier vor Neugierde zu summen beginnt. Darüber, was gerade geschieht und dass er genau wie wir, diesen Vibrationen aus Melodien lauscht. In mir fühle ich das Pochen eines schlagenden Herzens, doch bin mir nicht ganz sicher, ob es sich dabei rein nur um meines handelt.

Ein flüchtiges Bild taucht in mir auf. Das klopfende Beben der Erde, wie wenn eine große Herde Büffel über die Lande zieht und sie zum Vibrieren bringt. Es sind so urtümliche Klänge, welche uns erfüllen. Kurz darauf beginne ich leise zu summen. 

Ich kann es gar nicht wirklich steuern. Die Energie der Erde flüstert sich automatisch einen Weg zu uns und ich diene ihr im Moment als Ventil. Da ich mich diesen Strömen geöffnet habe, habe ich auch keinen Einfluss darauf, was aus meinen Lippen kommt.

Am Rande registriere ich, dass es, abgesehen von Vivien und Kuno das erste Mal ist, dass ich vor meinen Freunden singe. Doch dieser Gedanke verliert sich so schnell ins Nichts und hinterlässt stattdessen einen Raum, welcher danach ruft gefüllt zu werden. 

Gefüllt mit den Klängen unserer Herzen. Die Musik wird immer organischer und beginnt regelrecht ein Eigenleben. Ein warmes Schaudern erfasst mich und ich fühle eine erregte Gänsehaut auf mir entstehen. Überall im Wald sind ebenfalls Geräusche zu hören.

Das Rascheln im Unterholz, die kleinen Vögel in den Ästen, welche die inzwischen eingetroffene Dämmerung mit ihrem Gesang erfüllen. Das dunkle, mystische Knarzen der Äste und Klacken der aneinanderschlagenden Äste. Das Knistern der Flammen eines kleinen Feuers, welches wir auf einer steinernen Fläche entzündet haben. Sie sengen sich krachend durch das trockene Holz und lassen Funken in die kühle Abendluft stäuben.

Das Zirpen der Grillen und das Klopfen mehrerer Spechte untermalt diese magische Geräuschkulisse, sowie das Flüstern der Gräser, als der Wind sich durch sie hindurchschlängelt. Das Plätschern der Wasseradern unter uns. Das Knacken von Gestein, das Summen der tanzenden Ebenen...

In meinem Bauch flattert etwas aufgeregt und eine Stimme sucht ihren Weg durch ihn hindurch aus meinem Mund. Flüsternde Worte erklingen, welche wohl keiner von uns wirklich versteht und zugleich irgendwie doch. Zumindest, geht es mir so. 

Ich lasse mich noch tiefer in dieses Gefühl fallen und kann wahrnehmen, dass es den anderen genauso ergeht. Wir lauschen konzentriert, was die Erde zu sagen hat, ohne, dass ich in Worte fassen kann, was genau sie uns mitzuteilen versucht. 

Nach einer Weile ist auch ganz leise Viviens Stimme zu vernehmen, woraufhin ich wieder meine, bis eben geschlossenen Augen öffne und wir uns beide anlächeln. Nilo ist der nächste, welcher mit einstimmt und ich versuche dabei den Blick zu ignorieren, welchen er mir zuwirft. Ich merke, wie Kuno mir unwillkürlich näher rutscht und sich augenblicklich ein warmer Mantel der Geborgenheit über mich legt.

Die Zeit vergeht, ohne dass ich wirklich etwas davon mitbekomme. Irgendwann ist es dunkel und über uns erstrahlen die ersten Sterne am Nachthimmel, während drei Fledermäuse immer wieder flink über uns hinwegsausen. Bald schließt sich auch ein Waldkauz unserer Musik an. Sein melancholisches Rufen dringt durch meine Adern wie eine Welle aus heimatlicher Anziehung und lässt alles in mir wohlig erschaudern.

Es kommt mir so vor, als würde der Takt und die Eindrücklichkeit der Klänge mit jedem Stern der aufleuchtet, sowie der sich um uns schmiegenden Dunkelheit, immer stärker werden. Bald sind die Frequenzen so mächtig, dass es mich beinahe schon nicht mehr auf dem Boden behält. 

Vivien scheint es ähnlich zu gehen, denn irgendwann springt sie auf und greift dabei einfach nach meiner Hand, ehe sie mich dazu animiert, sich genau wie sie tanzend der Musik hinzugeben.

Sie umfasst beide Hände von mir und plötzlich ist es mir egal. All die Gedanken, welche mich bis dahin noch aufgehalten haben mich vollkommen zu zeigen. Ich lasse mich einfach fallen und von den Klängen tragen. 

Die herannahenden Nebelschwaden tasten sich flüsternd immer weiter zu uns hervor, als würden der Geist des Waldes mit seinen ausgestreckten Armen nach uns greifen und uns in eine verborgene Umarmung hüllen. 

Das Feuer ist inzwischen sehr klein geworden, sodass das kühle Licht des vollen Mondes mehr und mehr in den Vordergrund rückt und den Schleier des Nebels, sowohl als auch unsere Bewegungen in einen mystisch tanzenden Schein taucht, welcher hin und wieder von den Flammen untermalt wird. 

Verschiedene Muster erheben sich durch meine Hände in die Luft, ohne, dass ich es beeinflussen kann. Dabei spüre ich viel mehr die Schwingungen, als die Blicke der anderen auf uns. Abgesehen von dem einen Augenpaar, welches wie immer flackernde Hitze durch meinen gesamten Körper strömen lässt. 

Ich lasse meinen Blick zu ihm hinunter schweifen und versinke beinahe in seinen orphischen Sümpfen, welche im Moment aussehen wie der leuchtende Sternenhimmel. Das ohnehin dunkle Braun wirkt durch die Nacht schwarz, während die Sterne, sowie die restlich verbliebenen Flammen des Feuers sich in ihnen spiegeln und ich trotz der Dunkelheit so viel in ihnen erkennen kann.

Er lächelt mich träumerisch an, während er unsere Bewegungen gleichzeitig nun ebenfalls mit dem Trommeln von Ästen anfeuert. Ob er mittanzen würde?

Ich verschwinde mit einer Drehung in den, in warmes Gold und kühles Silber gehüllten Nebel, hinter einen Baum und dann wieder hervor, nur um mich plötzlich auf der anderen Seite von Kuno zu befinden. An seinem perplexen Gesichtsausdruck erkenne ich, dass er diese Bewegung nicht so ganz hatte mitverfolgen können.

Ich grinse ihn an, hauche ihm flüchtig einen Kuss auf die Wange und greife dann nach seiner Hand, um ihn zu mir nach oben ziehen zu wollen, doch er rührt sich nicht. Ich stupse ihn auffordernd an und sehe, wie er schon wieder schmunzeln muss. 

Plötzlich erkenne ich in seinen Augen jedoch die Antwort, dass er nicht tanzen wird. Ob es daran liegt, dass er sich nicht traut, oder dass er uns einfach nur zusehen will, weiß ich nicht. 

Ich zucke die Schultern und merke, als ich mich wieder mehr den Bewegungen hingebe, dass allerdings Nick nun ebenfalls aufgestanden ist und zusammen mit Vivien eine kleine Tanzeinheit einlegt. Ein warmes Gefühl breitet sich dabei in meiner Brust aus. Das ist so schön zu sehen.  

Kuno beißt sich von innen auf die Lippen und ich sehe, wie er mit sich hadert. Als Nilo Anstalten macht ebenfalls aufzustehen, springt Kuno plötzlich hoch und fasst blitzschnell nach meiner Hand, um mich zu sich herumzuwirbeln. Im selben Moment lässt ersterer sich missmutig zurück auf die Erde plumpsen. 

So geht es also auch. Ich zwinge meine Mundwinkel mir nichts anmerken zu lassen, indem ich sie nicht nach oben wandern lasse.

Plötzlich liege ich in Kunos Armen und spüre überdeutlich seine warmen Handflächen an meiner Taille, welche sich nun wieder windend im Rhythmus der Musik bewegt. Kuno ist wie erstarrt, doch lässt zugleich nicht von mir ab.

Ich liebe dieses Gefühl, wie er mich hält. So fällt es mir noch auf eine andere Art viel leichter, mich fallen zu lassen. Seine Hände bewegen sich nicht. Fast als hätte er Angst davor. 

Ich muss schmunzeln und bin dafür selber umso mehr diejenige, welche sich zu der Musik windet. Zwar tanze ich hier im Moment noch nicht ganz so ausgelassen, wie ich es oftmals auf der Lichtung getan hatte, doch das liegt vielleicht auch daran, dass das hier eine vollkommen neue Situation ist. 

Kuno lässt mich kein einziges Mal aus den Augen, regt sich selber aber auch nach einigen Augenblicken immer noch kein einziges Bisschen. Selbst, als ich ihm näher komme, mich in seinem Griff einmal um die Achse drehe und dann sogar um ihn herumtanze. Es ist, als sei er in irgendeinem Bann gefangen, welcher ihm nicht erlaubt, sich zu rühren.

Am liebsten würde ich ihn jetzt küssen und somit aus seiner Starre befreien, doch mit den anderen um uns herum weiß ich, dass das keine gute Idee ist. 

Kunos Augen sind riesig und ich bekomme ein paarmal mit wie er schluckt, während sein Atem schneller geht. Ich liebe es, wie er mich gerade ansieht. 

Plötzlich schließt sich Jim ebenfalls den Tanzenden an und bringt einen noch etwas beschwingteren Takt in die Runde, indem er mit seinen Füßen hingebungsvoll rhythmisch auf den Boden aufstampft und somit die Erde unter uns wie ein bebendes Feuer entzündet. 

Das Temperament seiner afrikanischen Heimat schwappt zu uns über und beginnt die Nacht auf noch eine ganz besondere Weise anzuheizen, während er sich im Takt der Flammen bewegt. Zugleich verstärken sich die, im Licht des Mondes, geisterhaft leuchtende Nebelschwaden und hüllen alles in einen geheimnisvoll, melancholischen Glanz, welcher jegliche Ebenen miteinander verbindet.


POV Kuno:


Im Halbschlaf taste ich nach Anellas warmen Körper, doch treffe dabei nur auf eine leere Wollmatte und Gestein. Wieso Gestein? Irritiert merke ich, wie mein Geist immer weiter aus den tiefen und vielschichtigen Ebenen des Schlafes in die greifbareren der Realität steigt.

Plötzlich erinnere ich mich, wo wir sind und spüre, wie mein Herz einen merkwürdigen Takt anschlägt. Die Bilder aus der gestrigen Nacht, vermischt mit denen meines Traums, wirken noch in mir nach, wie eine Vibration. Es ist seltsam, denn so etwas habe ich zuvor noch nie gefühlt. Normalerweise kann ich mich noch nicht einmal wirklich an meine Träume erinnern, sondern nur an das Gefühl, welches sie hinterlassen.

Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich heute Nacht ausnahmsweise mal nicht diesen Albtraum hatte. Ich kann zwar nicht genau sagen, wovon er immer handelt, doch dafür ist dieses dumpfe, leere Pochen, welches er zurücklässt, meistens umso stärker. Gepaart mit dieser tiefen Angst, welche mich von Mal zu Mal weiter auffrisst, ohne dass ich sagen kann, wo sie herkommt.

Es fühlt sich an, wie eine benebelnde Wolke aus Unheil, welche jede Nacht näher rückt, ohne, dass ich sie greifen kann. Ich bin dabei blind, taub und... Ich weiß auch nicht.

Doch heute... Heute ist nichts davon zu spüren. Im Gegenteil. Alles in mir fühlt sich so unglaublich lebendig und geborgen an. Ein Gefühl, welches mir so lange fremd war.

Ob es wohl daran liegt, dass Anella heute Nacht neben mir geschlafen hat? Oder an dem Ort hier, welcher so unglaublich friedvoll und rein ist? Oder vielleicht sogar daran, dass die anderen auch dabei waren?

Ich öffne blinzelnd meine Augen und merke, dass die Sonne bereits aufgegangen ist. Anellas Platz ist leer, genau wie die meisten anderen. Ob sie schon lange wach sind?

Rasch richte ich mich auf und lasse den Blick über die Umgebung schweifen. Niemand ist zu sehen. Also fast. Etwas entfernt zu meinen Füßen liegt noch eine Gestalt und scheint gerade in dem Moment aufzuwachen, als mein Blick den seinen streift.

Wieso verdammt nochmal muss es ausgerechnet Nilo sein, welcher noch hier ist? Hätte es nicht irgendjemand anderes sein können? Anella zum Beispiel, oder Simo, oder...

Er formt seine Augen zu Schlitzen, als er meinen Blick bemerkt und ich kann nur allzu deutlich seine Gedanken im Gesicht ablesen. Ihm scheint es kein Bisschen anders zu gehen, als mir.

Es wundert mich, dass bei unserer Feindseligkeit noch keiner von uns angefangen hat Funken zu sprühen.

„Na super", stöhnt er und richtet sich langsam auf, während er sich den Schlaf aus den Augen reibt.

Ich hebe eine Braue, was er allerdings nicht weiter beachtet. Er versucht wohl generell meine komplette Anwesenheit zu ignorieren.

Auch gut. So muss ich zumindest nicht mit ihm sprechen. Jetzt sieht er sich ebenfalls um und runzelt verwirrt die Stirn, als er bemerkt, dass die anderen nicht da sind. Seine Miene verfinstert sich noch weiter. Schade eigentlich. Kurz bevor er eben aufgewacht ist, sah er noch ganz harmlos, wenn nicht sogar friedlich aus.

Er verzieht seinen Mund, als er sich widerwillig doch an mich richtet, ohne mich dabei jedoch eines Blickes zu würdigen. „Weißt du, wo die anderen sind?"

Ich schüttele zeitlupenartig den Kopf, auch wenn ich weiß, dass er mich gerade nicht ansieht. Als ich nicht antworte, dreht er sich dann doch verstimmt in meine Richtung, sodass er von der Kopfbewegung noch etwas mitbekommt.

Er schnaubt verächtlich. Habe ich ihn damit gerade irgendwie provoziert? Falls ja, dann war das eigentlich gar nicht mein Plan. Ich weiß auch nicht so genau woran es liegt, aber seitdem Anella und ich zusammen sind... – Mein Herz macht einen gewaltigen Sprung, als ich diese Worte auch nur denke – ... empfinde ich gar nicht mehr so eine extreme Abneigung ihm gegenüber.

Ich weiß, das ist komisch, doch irgendwie fände ich es noch nicht einmal schlimm, wenn Waffenstillstand herrschen würde, vorausgesetzt er begreift endlich, dass er an Anella keine Hoffnungen mehr verschwenden darf. 

Nilo allerdings sieht das eindeutig anders. Ohne ein weiteres Wort beginnt er sich halb aus seinem Schlafsack zu wühlen, welcher unangenehm knistert. Da waren Anellas und meine leichte Decke doch tausendmal angenehmer und das nicht nur von den Geräuschen.

Es ist bestimmt nicht leicht für ihn, wenn er mit ansehen muss, wie Anella und ich vor seiner Nase zusammen sind. Sie hatte mich eigentlich darum gebeten immer darauf zu achten, dass wir nicht rummachen, wenn er in der Nähe ist und ich hatte mir das für den Anfang eigentlich auch vorgenommen, aber ich bin mir nicht sicher, ob er gestern vielleicht doch etwas mitbekommen hat.

Das würde zumindest erklären, weshalb er so lange verschwunden war und Jim ihm gefolgt ist. Ich selber empfinde darüber irgendwie zwiegespalten. Einerseits ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich tatsächlich will, dass er uns zusammen sieht, nur damit er auch wirklich begreift, dass Anella und ich jetzt zusammengehören und er nicht mehr auf die Idee kommt, sich ihr zu nähern.

Andererseits merke ich aber auch, dass ich bei ihm verstörender weise ein wenig mitempfinde. Wenn ich mir vorstelle, ich würde an seiner Stelle sein... Alleine bei diesem Gedanken schnürt sich mein Herz schmerzhaft zusammen. 

Ich erinnere mich nur allzu gut an die Zeit, als Anella ihn damals geküsst hatte. Dieses Gefühl sie dabei zu sehen und nicht selber derjenige zu sein, war einfach grausam.

Dennoch kann ich es irgendwie nicht verhindern, dass das Platzhirschverhalten manchmal aus meinen egoistischen Schichten zutage tritt und mich durchdringlich übermannt. Ich kann fast nichts dagegen tun. Und zugegeben, eigentlich will ich das auch nicht. Es würde sich einfach nicht richtig anfühlen, wenn ich es unterdrücke. Irgendwie handelt mein Unterbewusstsein sowieso ganz automatisch.

Zum Beispiel, wenn ich sehe, wie Nilos Blick etwas zu lange auf Anella ruht. Dann wandern meine Hände wie von selber an Stellen, welche ihm eindeutig zeigen, dass sie zu mir gehört und er gefälligst woanders hinsehen soll. Meistens klappt das auch.

Nilo flucht, als sein Reißverschluss klemmt, da er diesen wohl mit zu viel Schwung öffnen wollte, sodass sich jetzt der Stoff darin verkeilt hat. Er versucht immer weiter ihn zu lösen, doch macht es damit nur noch schlimmer.

„So wird das nichts. Du musst den Stoff so weghalten, dass der Verschluss diesen wieder freigeben kann, wenn du ihn bewegst. Sonst zieht er sich nur immer fester und macht am Ende noch ein Loch in deinen Schlafsack."

Nilo schnauft. „Wow, du bist also auch noch ein Allwissender. Darauf wäre ich jetzt selber auch wirklich nicht gekommen. Allerdings hast du dabei nicht bedacht, dass sich dieses Teil überhaupt nicht mehr bewegt, womit dein Klugscheißer-Gehabe leider hinfällig wird."

Er presst wütend seine Lippen zusammen, führt allerdings jetzt tatsächlich doch seine zweite Hand zu dem Stoff, sodass er diesen weghalten kann. So ganz geschickt sieht das allerdings immer noch nicht aus. Er müsste diese eine Ecke noch weiter... und dann...

Es kribbelt mich in den Fingern, selbst Hand anzulegen, doch ich halte mich zurück. Ich werde ihm sicher nicht helfen. Jedenfalls weiß ich, dass er das wohl kaum zulassen würde.

Einen Augenblick betrachte ich ihn stumm, wie er sich abmüht, ohne dass er auch nur einen Hauch weiterkommt.

Ich beiße mir auch die Zunge, da ich irgendwie diesen Impuls verspüre, irgendetwas zu sagen, doch ich weiß nicht was.

„Hey, äh..." Scheiße, was sage ich denn jetzt? „Wegen... der Sachen mit dem..." Ich suche fieberhaft nach einem der Gründe, weshalb wir uns offiziell nicht ausstehen können, sodass ich ihm sagen kann, dass mir diese Sachen nichts mehr ausmachen, doch mir fällt keiner ein... Außer Anella und da trifft diese Aussage eben nicht zu.

Aber gab es nicht eigentlich so viele Gründe, weshalb ich ihn immer nicht leiden konnte? Ich überlege angestrengt, was es nochmal war. Ich erinnere mich nur zu genau daran, dass ich immer irgendetwas gefunden hatte, was mich an ihm stört und zwar nicht wenig.

„... die Sache mit dem Auto. Du kannst übrigens parken, wo immer du willst. Es stört mich ehrlich gesagt nicht im Geringsten. Auch wenn du dabei Isoldes Lack ramponieren solltest. Narben gehören eben manchmal zum Leben dazu." Was fasele ich da eigentlich? Nilo zieht bei meinem zusammenhangslosen Geschwafel verwirrt die Augenbrauen hoch.

Irgendwie verständlich. Konnte mir denn nichts Besseres einfallen? Uns scheint wohl im selben Moment aufzufallen, dass ich ihn mit meinen Worten eventuell beleidigt habe, auch wenn das eigentlich gar nicht meine Absicht war.

Das mit den Schrammen war eher so als Scherz gemeint, aber ja. Na ja... Das dieser hier im Moment nicht ankommen wird, war eigentlich vorhersehbar. Nilo verzieht abschätzig das Gesicht und wendet sich dann schnaufend ganz von mir weg. Das ist ja mal grandios gelaufen.

Dabei rutscht er noch ein Stück zurück und erst jetzt fällt mir mit Entsetzen auf, dass sein Lager verdammt nahe am Rand des Felsens platziert ist, sodass er jeden Augenblick abstürzen könnte, falls er noch weiter nach hinten rutscht. Scheiße. Ich merke, wie mich ein eiskalter Blitz durchfährt und meine Wirbelsäule hinunterjagt.

Ich hatte bis jetzt tatsächlich vergessen, dass wir uns überhaupt so hoch oben auf dem Plateau befinden. Von hier bis zum Boden sind es vielleicht gerade mal dreieinhalb, bis vier Meter, doch wenn man blöd aufkommt, kann das schon, trotz des weichen Untergrundes verheerende Folgen haben. Scheiße.

Ich merke, wie mir das Blut aus dem Gesicht weicht und mein Herz in einer ungesunden Schnelligkeit zu rasen beginnt. Ebenso mein Atem, der sich nur mühsam unter Kontrolle behalten lässt. Zum Glück sitze ich nicht am Rand, sodass ich keinen Blick nach unten erhaschen kann.

Wie bin ich hier gestern eigentlich nochmal raufgekommen? Ach ja... Ich weiß noch, wie sich Anellas Hand in der meinen angefühlt hat und auch, dass es mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht so hoch erschien, wie ich befürchtete.

Ich weiß, diese Reaktionen, welche jetzt in meinem Körper stattfinden, sind nur in meinem Kopf und ich kann sie zurückhalten, wenn ich mich konzentriere. Der leichte Druck auf meiner Brust lässt langsam wieder nach, als ich es schaffe meinen Atem Stück für Stück etwas zu beruhigen und mich stattdessen auf das Lichtspiel in den Blättern zu konzentrieren, als die Morgensonne dort golden hindurchscheint. Diesen Trick habe ich von Anella. Es hilft wirklich.

„Etwa Angst abzustürzen?" kommt es von mir gegenüber. Scheiße, hat er das etwa gemerkt? Mir entgeht nicht der selbstgefällige Unterton in seiner Stimme. Es scheint ihm eine Genugtuung zu sein, dass ich auch mit einer Sache zu kämpfen habe, die ihm selber keine Probleme bereitet.

Ich bemühe mich eine möglichst undurchschaubare Miene aufzusetzen und meine Körperhaltung nicht allzu verkrampft wirken zu lassen, während ich mich mit aller Kraft an die Atmung klammere. Es funktioniert tatsächlich ein bisschen.

„Soll ich dir dabei mal helfen?" Ich deute mit meinem Kinn auf den Reißverschluss, welchen er immer noch keinen Millimeter bewegt hat. Ich habe mir vorgenommen mich Anellas Freunden zu öffnen und leider gehört Nilo eben dazu.

Abermals ertönt ein Schnauben, während er noch ein gefährliches Stück weiter von mir weg, Richtung Abhang rutscht. Verdammt. Wieso tut er das?

„Kein Ding, das schaffe ich schon!" Seine Bewegungen an dem Verschluss werden energischer, während sich sein Blick entschlossen auf diese Stelle nagelt.

Mein Atem geht flacher und plötzlich fühle ich einen ungeheuren Schmerz durch meinen Körper zischen, welcher mich vollkommen lahmlegt und in einen Zustand völligen Schocks versetzt, als ich ihn dort so am Rand des Abgrunds sehe.

Meine Augen sind weit aufgerissen und mein Puls schleudert in einer regelrechten Panikattacke das Blut durch meine Adern. Ich weiß schon, was passiert, noch ehe es eingetroffen ist. Mit einem mal sehe ich nicht mehr ihn, sondern Ilan, meinen kleinen Bruder.

Es geht alles ganz schnell. Er zieht mit einem schwungvollen Ruck den Reißverschluss auf, dabei verrutscht das glatte Material unter ihm, in welchem er sich ja immer noch befindet. Es ist ein winziges Stück, doch dieses reicht dafür aus, dass er bei der leichten Schräge den Halt verliert und wie mit einem Schlitten in die Tiefe rutscht.

Die glatte Ebene bietet dabei keinen Halt, woran seine Finger sich festhalten könnten.

Mein Atem ist erstarrt und mein Körper gelähmt. Ich kann nichts anderes tun, als mit schockierten Augen das Szenario zu verfolgen. Ich höre das helle Kinderlachen wie ein Echo in meinen Ohren und Knochen, so wie es mein Bruder immer getan hatte, wenn er vor mir weggelaufen ist.

Das Bild vor meinen Augen verschwimmt und verwandelt sich stattdessen zu dem Szenario, als er... auf dem Balkon... Alles in mir krampft sich zusammen, während es sich anfühlt, als würde ich innerlich zerreißen und dabei nichts als offene Wunden zurücklassen. So oft habe ich das schon durchlebt und jedes Mal kann ich nicht aufhalten, was da passiert.

Nein! Verdammt, nein, ich komme zu spät. Ich bin immer zu spät.

„NEIN!"

Mit einem Satz befinde ich mich plötzlich nicht mehr hier an der Stelle, sondern an dem Ort, welcher mir alles genommen hat. Die Kluft zu meiner Vergangenheit und meiner Zukunft.

Doch dieses Mal ist etwas anders. Ich greife nicht in die leere Luft, sondern bekomme stattdessen eine andere Hand zu fassen. Ich sehe nicht auf den leblosen kleinen Körper meines Bruders, welcher mehrere Meter unter mir auf der Wiese liegt, ohne jemals wieder das Licht der Sonne zu erblicken, sondern in vor Schreck geweitete Augen, die mich entsetzt anstarren.

„Shit, dieser verdammte Schlafsack", flucht er, während er nun seine zweite Hand dazu benutzt nach Halt an dem Felsen zu suchen.

Mein Herz setzt einmal geschockt aus, als ein dumpfes Geräusch ertönt und der Sack alleine unten aufkommt.

Zumindest sind Nilos Beine jetzt frei, sodass er mit dem einen Fuß einen Vorsprung findet.

Im nächsten Moment hat er sich hochgezogen und landet keuchend vor mir. Mein Herz pfeffert Fluten aus Furcht, Schreck und allen möglichen Emotionen durch meine Venen, während meine Lungen sich anfühlen wie zugeschnürt. Was ist geschehen? Ich schaffe es nicht, es zu begreifen.

„Verdammt, das war knapp", keucht Nilo mit etwas heiserer Stimme und rutscht schnell noch weiter von der Kante und somit zugleich auch von mir weg. Ich bekomme das allerdings nur am Rande mit. Irgendwie kann ich meinen Blick gerade nicht wirklich fokussieren.

„Alles okay?", höre ich seine gedämpfte Stimme dann plötzlich wieder neben mir. Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist. Es fühlt sich irgendwie an, als läge zwischen dem, was eben geschehen ist und diesem Moment nur eine Millisekunde und zugleich ein ganzes Leben. Kann es sein, dass die Zeit sich manchmal einfach auflöst?

Ich blinzele und merke erst jetzt, dass ich immer noch nach unten starre.

Was? Schnell rutsche ich zurück, als hätte ich dort einen Geist gesehen und stoße dabei unsanft an Nilos Kopf, welcher sich daraufhin fluchend die Stirn reibt.

„Äh..." Für mehr Worte reicht meine Lungenkapazität irgendwie gerade nicht aus.

Er verzieht sein Gesicht, da ich ihn anscheinend ziemlich dolle am Kopf getroffen habe, sagt dazu aber nichts.

„Geht es dir gut?", wiederholt er stattdessen und scheint für einen Moment irgendwie ganz anders als sonst. Er wirkt irritiert, überfordert und zugleich auch... doch nicht etwa besorgt?

„Klar", schaffe ich es herauszupressen und hoffe, dass sich meine Stimme dabei nicht allzu tonlos angehört hat.

„Du zitterst", bemerkt er und erst jetzt fällt mir auf, dass er tatsächlich recht hat. Scheiße. Hatte ich eben etwa eine Panikattacke?

Ich versuche mich auf meinen Atem zu konzentrieren und nach einigen Augenblicken klappt es zum Glück immer besser, sodass ich mich langsam beruhige und langsam zurück ins Hier und Jetzt ankomme.

„Ist dein Kopf in Ordnung?" Nilo runzelt die Stirn. „Geht schon. Und deiner?" Zuerst begreife ich nicht, was er damit meint, bis mir einfällt, dass es ja mein eigener war, der den seinen getroffen hat.

Ich versuche diese Stelle wahrzunehmen, spüre aber nichts weiter als ein leichtes, stechendes Pochen. Nicht der Rede wert.

Ich winke ab. „Schon gut. Sorry."

Nilo antwortet nicht, stattdessen starrt er mich einfach nur an, als wüsste er nicht genau, was er von dieser ganzen Situation halten soll.

Er öffnet seinen Mund, nur um ich gleich darauf wieder zu schließen.

Wir verfallen wieder in Schweigen, während wir damit beschäftigt sind unsere Lager zusammenzupacken. Immerhin müssen wir bald schon aufbrechen, da es mitten in der Woche ist und uns heute noch ein paar Stunden Schule bevorstehen.

Ich seufze innerlich bei diesem Gedanken. Viel lieber würde ich jetzt einfach hier bleiben. Mit Anella und auch den anderen. Dann wäre mir sogar egal, dass Dümpfelspaten dabei ist.

Dieser hat inzwischen seinen Schlafsack zurückgeholt und eingepackt. Wo die anderen wohl so lange sind? Ich lasse meinen Blick über die Umgebung schweifen, kann sie aber nirgends sehen. Sehr seltsam.

Leichte Anspannung zeichnet meine Stirn. Warum sollten sie so lange unterwegs sein? Ob irgendetwas passiert ist? Wieso sind sie nicht hier in der Nähe geblieben? Andererseits habe ich auch irgendwie nicht das Gefühl, dass sie weit weg sind.

Wie zur Bestätigung höre ich plötzlich ihre Stimmen, die immer lauter werden und aus einer bestimmten Richtung zu uns dringen. Und dann sehe ich sie plötzlich zwischen den Bäumen auf uns zukommen. Anellas Augen leuchten schon von weitem, was mich augenblicklich neugierig macht.

Ohne weiter darüber nachzudenken, klettere ich an der einen Stelle, wo wir gestern auch auf das Plateau gegangen sind, einfach hinunter und laufe ihnen entgegen. Nur durch das Rascheln hinter mir registriere ich, dass Nilo es mir gleichtut.

Anella hüpft enthusiastisch auf mich zu und wirft sich in meine Arme. Mein Herz springt dabei gleich mit und gerät in einen außerordentlich lebhaften Takt, so wie es das immer tut, sobald Anella mir so nahekommt. Ich kann es immer noch nicht so ganz glauben, dass das hier jetzt wirklich die Realität sein soll. Bitte, ich möchte niemals aufwachen.

„Guten morgen, liebste Waldfee", raune ich ihr ins Ohr. 

Ohne eine Reaktion abzuwarten, oder weiter darüber nachzudenken was ich tue, presse ich meine Lippen auch schon auf ihre. Es ist einfach eine Sache, die ich noch nicht einmal beeinflussen kann. All meine Vorsätze sind verschwunden, genau wie alles andere um uns herum. Es existiert nur noch sie.

Anscheinend habe ich sie damit ein wenig überrumpelt, denn sie stockt kurz, doch dann erwidert sie diesen lieblichen Kuss ohne ein Zeichen mehr von Zurückhaltung.

Schließlich holen uns jedoch die Stimmen der anderen zurück in die Realität, als diese aufgeregt zu erzählen beginnen.


***

Hi, hier ist nun schon das zweite Kapitel. Ich freue mich so, dass du wieder da bist. <3 <3  Hast du schon irgendwelche Theorien oder Gedanken? 

Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht. 

Alles liebe, Seerosena. <3 <3 <3

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