14. Der Geruch aus alter Zeit
POV Tyrian
„Wir sollten aufbrechen. Uns bleibt nicht allzu viel Zeit", bemerkt Demari und ich nicke.
Wenige Minuten später haben wir eine ältere Fährte von Anella, Kuno und noch einigen anderen aufgenommen. Sie ist zwar schon sehr geschwächt, doch mithilfe der Erde, welche uns leise Hinweise entgegen haucht, finden wir ziemlich schnell zu der Höhle von welcher Anella uns erzählt hat.
Vorsichtig tasten wir mit der wispernden Luft die Umgebung ab. Streifen durch die raschelnden Gräser auf der Ebene, nicht weit von der Stelle entfernt. Leuchtende Blumen verteilen sich auf dem kargen Untergrund und zeigen sich in ihren schönsten Farben.
Für einen kurzen Augenblick verfange ich mich in dem nickenden Spiel ihrer Blüten und lasse mich ganz von ihrem betörenden Duft einlullen. Ich merke, wie in mir etwas auf diese Schwingung reagiert, welche sich hier liebevoll gebildet hat.
Zwar ist spürbar, dass die Frequenzwellen der... was auch immer es für welche sind, die scheinbar das ganze Land durchziehen, auch hier durchkommen, doch sie sind etwas abgeschwächter, als an all den anderen Orten.
Es scheint mir, als hätte dieser Ort, welcher mal einem geschützten Kreis angehört haben muss, sich dazu entschieden, dass nun die Zeit gekommen ist, sich zu öffnen. Ob es sich hierbei um ein altes verlassenes Feenreich handelt?
So ganz überzeugt bin ich von diesem Gedanken noch nicht, aber so manche Stellen grenzen sich einfach von den umliegenden ab, was ich unter anderem an den Pilzmyzelien vernehme. Und wenn man es genau verfolgt, dann ergibt sich von oben betrachtet ebenso ein fühlbares Areal, welches eben genau diese Schwingung in sich birgt.
Auf dem Zentrum des Waldhügels ist die Präsenz von Anella, Kuno und einigen anderen Energien noch deutlich fühlbar. Sie müssen eine Verbindung mit der Erde eingegangen sein, welche sich immer noch aufrechterhält, auch wenn sie nicht mehr körperlich anwesend sind.
Jedenfalls scheint die Natur hier ein kleines Bisschen gestärkter zu sein. Ungefähr so ähnlich wie auf der Lichtung, wenn auch nicht gar so ausgeprägt.
Vor der Höhle verweilen wir für einen Augenblick und betasten die Umgebung, sowie die Situation ihres Eingangs. Zusätzlich ist eine andere Energiespur auszumachen, welche jedoch nicht so stark ist wie die von Anella und ihren Freunden, obwohl sie im Vergleich noch jünger ist.
Vielleicht handelt es sich hier um Wanderer, die nun ebenfalls diese Höhle entdeckt haben und vor Kurzem vorbeigekommen sind?
Wir schließen uns dem Windhauch an, welcher durch die Felsöffnung in die Erde zieht und uns pfeifend bis ins Innere der Höhle befördert.
Es handelt sich hierbei eindeutig um ein langjähriges Versteck der Naturwesen, in welchem sie Rituale durchgeführt, Zauber veranstaltet und ihre Kräfte in Zaum gehalten haben. Die steinernen Wände sind gezeichnet, von Schmerz, Qual und Angst.
Nicht selten wurden hier die Ringe erschaffen, von denen Anella auch einen besitzt, welcher nun allerdings wieder in seine eigene Kraft zurückgefunden und jetzt sozusagen sogar schon eine Freundschaft zu ihr entwickelt hat.
So grausam es auch ist, so weiß ich dennoch, dass die anderen zu der damaligen Zeit, wie auch heute keine andere Wahl sahen, als sich mit Kraft der Steine, vor allem in den Tagen um die Sonnenwende herum zu verbergen. Zwar nur solange die Energien nicht zu stark wurden und sie diese wieder abbekamen, aber bis dahin war es ihnen sicher oft eine Hilfe.
Besonders in der Zeit der Hexenjagden, da sie oft mit ihnen verwechselt wurden. Diese sind heute meines Wissens leider so gut wie vollständig ausgerottet, da sie mit die stärksten Gegner der Menschen waren und ihre Energien teilweise auch aus anderen Dingen ziehen konnten, als der direkten Natur, auch wenn sie sehr stark mit ihr verbunden sind.
Diese Höhle muss ihnen vor langer Zeit Schutz vor den Jägern gegeben haben, denn, es ist ein sicheres Versteck, in welchem sie vor allem zur Sonnenwende ihre Kräfte ausleben konnten und sich versammelten, um Rat bei den anderen zu suchen.
Wieso, hat sich dieser Ort jetzt dazu entschieden sich zu offenbaren? Wurde es Zeit die Vergangenheit loszulassen? Ich glaube jedoch kaum, dass es inzwischen sicherer geworden ist. Ob Anella und ihre Freunde unwissend den Bann gebrochen haben?
Es fühlt sich beinahe so an, als würde die Höhle tief durchatmen. Vielleicht konnte sie das bis vor kurzem ja nicht? Eine unglaubliche Schwere lastet auf ihr. Demari und ich gehen in die Hocke und verbinden uns über unseren Hand- und Fußflächen mit der Umgebung. Lauschen dem leisen stetigen Pochen des Massivs.
Es ist ganz präsent. Scheint mit uns zu kommunizieren. Ich folge einen Impuls und hole einen der kleinen durchsichtigen Steine aus meinem Beutel.
Zusammen mit den winzigen Staubpartikeln, welche ich mit einem leisen Luftstoß von meiner Handfläche puste, sodass sie sich rundherum klingelnd in der Höhle verteilen und sich an die Schriften, Zeichen und Muster des Gesteins schmiegen.
Ein tiefes Summen dröhnt aus irgendeinem Felsspalt zu uns hinauf. Ein Hinweis darauf, dass es irgendwo noch weitergeht. Eine Gänsehaut packt mich, ohne, dass ich deuten kann, ob diese jetzt gut oder schlecht ist.
Es ist eindeutig fühlbar, dass einige Seelen hier versucht hatten eine Pforte in unsere Welt zu erzeugen, doch wie es scheint war der Fels zu dick. Ob in der Höhle, oder in ihren eigenen Herzen kann ich nicht sagen.
Eine Weile lauschen wir den Stimmen und Erzählungen, welche auf uns eindringen, sobald wir die Schriften berühren. Einige davon kann ich auch lesen, sodass sie mir als Bilder erscheinen, sobald ich sie ansehe.
Hier waren oft auch Mütter mit ihren Kindern, um zu besonders schlimmen Zeiten Schutz zu suchen. Viele haben sich auch zu den Sonnenwenden hier zurückgezogen und sich selber mithilfe der Steine und ihrer gemeinsamen Zauberkraft in der Höhle eingesperrt.
Zudem gab es auch Ereignisse, welche noch weniger schön waren. Unfreiwillige Festnahme zum Beispiel. Opfergaben... Mir schaudert und dieses Mal eindeutig auf die unschöne Art.
Meine Nackenhaare stellen sich auf und ich rufe den Staub wieder zurück, welcher sich nun um den Stein schmiegt und all die gesammelten Informationen auf ihn überträgt. Sofort nimmt er Gewicht und Farben an. Es sind unglaublich viele verschiedene. Ein Sammelsurium aus Geschehnissen und allem was da mit dranhängt.
Schlussendlich färbt er sich in eine tiefes schwarz-grau und ich lasse ihn wieder zurück in meinen Beutel gleiten. Mit diesen Spuren können wir eventuell noch etwas anfangen und Verbindungen zu anderen Naturwesen hier auf der Erde knüpfen.
Ohne es auszusprechen, wissen Demari und ich, dass es nun Zeit ist, die Spuren dieser Höhle auf verschiedene Weise aufzulösen. Es ist nicht gut, dass sie so viel preisgibt, wenn in Zukunft auch andere Menschen und wer weiß wer noch darauf aufmerksamer werden.
Bei einigen wäre es sicher nicht so schlimm, aber es gibt genügend, für die dieser Ort hier lieber unentdeckt bliebe.
Ein leises und zugleich eindringliches Wispern breitet sich in der Höhle aus und schmiegt sich an das schroffe Gestein. Ruckelt an seinen eingebrannten Strukturen.
Die Energien suchen sich einen Weg durch unsere Lungen und alles scheint wie in einem Vulkan zu erzittern. Ein Raunen. Hunderte von Stimmen ertönen, welche plötzlich auf uns niederprasseln. Schreie, Wehklagen und auch Gelächter. Hoffnungsloses Wimmern und zornige Worte, die sich an die Höhle gehaftet haben.
Brutalität, Liebesakte. Hoffnung und Verlust. Schmerz und Tod. Alles strömt auf uns ein und nistet sich wie eine eiserne Klaue an unsere Glieder. Ich weiß, dass wir jetzt nicht aufhören dürfen. Wenn wir in diesem Augenblick verschwinden würde die Höhle einstürzen.
Wir müssen zu Ende bringen, was wir begonnen haben, auch wenn ich nicht weiß, ob unsere Kraft dafür überhaupt ausreicht. Wir hätten nicht so leichtsinnig an die Sache herangehen dürfen. Im selben Moment greift Demari nach meiner Hand und sieht mir fest in die Augen. Ich weiß, was er sagen will und er hat recht, auch wenn ich befürchte, dass wir beide nicht stark genug sind.
Ein lautes Krachen ist zu hören, als weiter hinten der erste Stein sich löst und in einem donnernden Hall zu Boden fällt. Die gesamte Höhle erzittert und es folgen weitere. Ich keuche auf, als ich merke, wie meine Kräfte schwinden.
Die geformten Töne aus Demaris Mund werden lauter. Plötzlich legt er seine Hand an meine Wange und bringt mich so dazu ihn wieder anzusehen. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie ich abgedriftet bin.
Schlagartig bin ich wieder präsent und erhebe ebenfalls meine Stimme. Die Kälte frisst sich in meine Knochen und saugt an mir, als wäre ich gefundenes Fressen. Auf Demaris Stirn sehe ich ebenfalls Schweißperlen hervortreten. Ein weiteres Donnern erfüllt den Hohlraum und immer mehr Steine prasseln herunter.
Wenn wir uns jetzt in Wind verwandeln, können wir den Prozess nicht mehr aufrechterhalten. Alles würde einstürzen und uns gleich mit in sich vergraben.
Doch Zeit um über unseren Leichtsinn nachzudenken haben wir nicht. Stattdessen halten Demari und ich uns jetzt standhaft an unseren jeweiligen Schultern fest und stehen über unsere Augen in Kommunikation.
Kleine Steine prasseln auf uns hinab und einer erwischt mich leicht an der Stirn. Ich zucke zusammen, doch gebe alles, um mit meiner Konzentration dabei zu bleiben. Demaris Blick huscht kurz nach oben zu meiner Wunde, doch ich gebe auch ihm zu verstehen, dass wir uns konzentrieren müssen und uns jetzt keine Fehler in Form von Ablenkung erlauben dürfen.
Die Energien formen sich immer heftiger aus unseren Lungen, während um uns herum alles erbebt. Es sind tiefe Klänge, welche beinahe die Stimmen der Wände in sich verschlucken. Warmes Blut rinnt über mein Gesicht, doch ich ignoriere es.
Plötzlich merke ich, wie sich in Demaris Gesichtsausdruck etwas verändert. Die Entschlossenheit welche plötzlich seiner Stärke freie Bahn schafft und die meine ebenfalls dazu bringt sich darauf einzustellen.
Energiewellen fahren durch unseren Körper und greifen nach unserer Magie. Ich presse die Zähne zusammen und kralle meine Hände in Demaris Schultern, als plötzlich ein markerschütterndes Grollen von unten zu uns hinauf dringt.
Ein Beben, sodass unsere Füße und der Boden sich für winzige Augenblicke immer wieder voneinander lösen. Zumindest wirkt es so. Es ist so laut, dass es alle Geräusche, die eben noch um uns und in uns schwirrten, von diesem verschluckt werden.
Und dann...
Stille.
Es ist nichts mehr zu hören, außer das wilde Pochen unserer Herzen und unser eigener Atem, welcher sich angestrengt auf die Höhlenwände legt und uns verrät, dass wir noch da sind. Dass die Höhle auch noch da ist, doch um einiges leichter als vorher.
Aus großen Augen starren wir uns an, bis uns plötzlich ein starker Luftzug erreicht, welcher von einer ganz anderen Richtung kommt als noch vorhin.
Dort unten muss sich irgendetwas geöffnet haben.
Ich merke, wie der Schwindel mich überfällt und zu Boden drücken will, doch Demari hält mich bei den Schultern.
„Wir sollten hier raus!"
Ich würde nicken, wenn mein Schädel nicht so heftig dröhnen würde, als ob er mir gleich vom Kopf fällt.
Ohne eine Antwort abzuwarten, schiebt er mich auf den Ausgang zu, welcher glücklicherweise noch frei geblieben ist.
Wahrscheinlich wartet er, dass ich mich zuerst in die Luft auflöse, sodass wir leichter diese Höhle verlassen können, doch im Moment fühle ich mich selbst dafür irgendwie zu schwach. Was ist nur los?
„Wir sollten deine Wunde versorgen!" Noch ehe ich registriere was geschieht, hat er auch schon sein Hemd zerrissen, um mir einen Streifen davon um den Kopf wickeln zu können. Aus seinem Rucksack holt er die Kräuter, welche Elyn mir noch vor wenigen Tagen gepflückt hat und drückt diese zerrieben dazwischen auf meine Wunde.
Ein leises Zischen entfährt mir, als sie sich direkt auf diese pressen, aber kurz darauf ist es auch nur noch ein Taubheitsgefühl.
Er klopft mir auf die Wange, als würde er mich irgendwie aufwecken wollen. Wahrscheinlich weil er denkt, dass ich so langsam das Bewusstsein verliere, aber so ist es nicht. Ich kann nur gerade nicht mehr stehen, das ist alles.
„Tyrian, du musst wach bleiben! Wir müssen jetzt hier raus!" Ich will etwas antworten, doch schaffe es irgendwie nicht meinen Mund zu bewegen. Plötzlich reißt Demari seine Augen auf und sieht rasch in die Richtung der Höhlenöffnung.
„Verdammt, da kommen Menschen." Ich runzele die Stirn, nur um kurz darauf wieder zusammenzuzucken, als mich ein stechender Schmerz durchfährt.
„Glaubst du, du schaffst es dich in den Wind fallen zu lassen?"
Anstatt zu antworten, versuche ich es und bin im nächsten Augenblick tatsächlich auch schon durch die Öffnung der Höhle geweht. Es raschelt diesmal besonders laut, da ich mich sehr nahe über dem Laubboden bewege. Gefolgt von Demari, welcher sich hinter mir aufbäumt und mich durch die Luft wirbelt, sodass er mich damit ein bisschen anschiebt.
Er trägt mich ein Stück weiter in den Wald hinein und jetzt höre ich die Stimmen tatsächlich auch.
Menschen.
Genauer gesagt drei Männer und eine Frau, welche direkt und zielsicher auf die Höhle zulaufen.
Demari und ich wehen bis auf die kleine Anhöhe mit den Blumen, von wo aus diese uns nicht sehen können, wir jedoch einen guten Blick auf alles haben. Dort angelangt manifestieren wir uns zurück in unsere Körper.
Sofort erfasst mich wieder der Schwindel und Demari reicht mir seine Flasche Wasser. „Hier, nimm die Kräuter!" Er hält mir drei Blätter aus seinem Notfallsäckchen hin, doch ich weise ab.
„Nein, die müssen wir uns aufbewahren, falls es mal zu richtig schlimmen Verletzungen kommt. Diese hier wird schon wieder. Ich muss mich nur mal kurz ein bisschen ausruhen. Das war gerade nur einfach anstrengend."
Demari wirft mir einen tadelnd sorgenvollen Blick zu, den ich sicher nicht so ganz zuordnen könnte, würde ich ihn nicht schon mein Leben lang kennen.
„Du bist aber ganz blass! Nimm sie bitte!" Ich schüttele den Kopf und merke leider zu spät, dass ich das lieber nicht hätte tun sollen.
Demari verdreht die Augen und stopft sie mir dann einfach zielsicher in den Mund.
Na toll.
Ich werfe ihm einen entgeisterten Blick zu und bin diesmal selber derjenige, der ihn tadelnd ansieht, doch das bekommt er gar nicht mehr mit, da er sich plötzlich vor meinen Augen in Luft auflöst und...
Er will doch nicht..?
Schnell versuche ich ihm zu folgen, doch mein Körper ist dafür gerade einfach zu unfähig. Ich weiß genau, dass es ihm eigentlich nicht viel besser geht. Das, was in der Höhle passiert ist, war definitiv zu viel für uns. Wir hätten uns nie so übernehmen dürfen. Vor allem, wenn wir noch eine Weile hier auf der Erde aushalten wollen.
Aber vor allem sollte Demari nicht allein zu diesen Menschen gehen. Wer weiß, wer sie sind und was sie wollen?
Mein Herz pocht wild in der Brust. Ich darf ihn auf keinen Fall allein lassen. Erschöpft schleppe ich mich leise an den Rand und späte vorsichtig über die Kante.
Zwei Männer tragen Helme, sind mit Licht, Seilen und so einigem mehr ausgestattet und bewegen sich direkt auf die Öffnung im Boden zu.
Der andere Mann beginnt das Gebiet mit einem rot-weißen Band abzugrenzen, was wohl ein Zeichen sein könnte, dass andere Menschen sich diesem Ort nicht nähern sollen. Oder als Mitteilung, dass hier geforscht wird?
Die Frau hält ein viereckiges Ding in der Hand und tippt irgendetwas darauf ein. Ich schmälere misstrauisch meine Augen. Von allen wirkt mir die Frau gerade am suspektesten. Sie trägt nicht gerade Kleidung, welche in diese Umgebung hier passt.
Im selben Moment taucht Demari neben mir wieder auf und schiebt mich ein Stück zurück hinter den Vorsprung.
„Die zwei Männer mit den Helmen sind dieselben, dessen Fährte wir vorhin schon wahrgenommen haben. Sie sind also nicht das erste Mal hier. Wahrscheinlich handelt es sich bei ihnen wirklich um Forscher.
Die Frau und der andere wirken jedoch eher wie diese Menschen, welche den ganzen Tag in geschlossenen Räumen verbringen und von dort aus arbeiten", meint Demari naserümpfend.
„Du meinst die Büromenschen?" Ich erinnere mich noch daran, als Anella mir für diesen Auftrag, wenn ich auf die Erde komme, ganz viel über diese Welt hier erzählt hat. Über die derzeitigen verschiedenen Berufe der Menschen, ihre Angewohnheiten, Neuerungen gegenüber der Zeit von vor zweihundert Jahren und was es so zu beachten gibt.
Ich muss gestehen, ohne Anella wären wir mit unserem Wissen deutlich schlechter dran gewesen, obwohl wir als Wächter an den Pforten schon so einiges mitbekommen. Es war auch gar nicht so leicht, unseren anderen Begleitern diese Informationen unterzujubeln, ohne dass sie etwas merken.
„Genau. Ich frage mich nur für welches Büro sie arbeiten." „Du meinst für welches Unternehmen?" Demari nickt. „Ja genau das." Ich presse meine Lippen zusammen. „Dann lass uns das herausfinden!"
Er schüttelt den Kopf. „Kommt nicht infrage. Du gehst jetzt zu Anella und lässt deine Wunde versorgen. Ich werde mich um die Menschen hier kümmern."
Ich weite entsetzt meine Augen. „Ich lasse dich ganz sicher nicht mit diesen allein!"
Diesmal liegt es wieder an meinem Freund die Augen zu verdrehen. „Traust du mir echt so wenig zu? Ach komm, du weißt, dass ich so etwas liebe. Mache dir keine Sorgen, ich werde nichts Waghalsiges tun!"
Ich linse zur Seite, um noch einmal einen Blick auf die Menschen zu werfen, ehe ich mich meinem Freund zuwende.
„Meinem Kopf geht es, dank deiner Kräuter echt schon wieder be..." „Keine Widerrede, du gehst jetzt zu deiner kleinen Freundin! Sie wird sich bestimmt um dich kümmern. Vielleicht weiß sie ja sogar, wer diese Menschen sind. Oder dieser Kuno, immerhin war er ja auch bei der Höhle und er wirkte mir als würde er einiges wissen."
Mein Kiefer spannt sich an und ich grabe meine Finger in die Erde. Ich brauche keine Hilfe bei der Wunde. Das werde ich schon selber machen.
„Denk nicht einmal daran! Soll ich dich etwa eigenhändig zu Anella befördern? Dann kann ich aber nicht mehr weiterverfolgen, was diese Menschen da unten treiben."
Verdammt, er kennt mich einfach zu gut. „Schwöre mir, dass du dir helfen lässt und mir nicht folgen wirst!" Ich runzele meine Stirn und zucke augenblicklich zusammen. So schnell lerne ich wohl nicht aus meinen Fehlern.
„Und was, wenn du meine Hilfe brauchst?"
„Wenn ich bis heute Abend nicht zurück bin, dann darfst du mir nachkommen. Vorher nicht!" Mein Mund presst sich unwillig zusammen, aber ich nicke langsam. Ich habe sowieso keine Wahl. Wenn ich ihm folgen würde, wäre ich ihm so nur eine Last am Bein.
„Gut, und wenn du schon mal da bist, kannst du ja auch gleich nach Stoff für unsere Taschen, oder gleich passendere Kleidung fragen."
War klar, dass Demari jetzt nochmal sicher gehen muss, dass ich auch wirklich zu ihr gehe. Er kennt mich einfach viel zu gut.
An sich freue ich mich ja sogar, sie sobald schon wiederzusehen. Mehr als ich es sollte. Andererseits habe ich auch ein bisschen Bangnis davor. Mein Herz hat sich immer noch nicht ganz von dem Moment beruhigt, als Anella und ich...
Ich atme tief durch, als ich mich zurückerinnere, als Anella mir heute in die Arme gefallen ist. So richtig. In meinem Bauch befindet sich ein seltsamer Tumult und meine Handflächen werden plötzlich ganz feucht.
„Ich kann das nicht. Sie ist mit Kuno zusammen. Ich kann mir doch jetzt nicht die Wunde von ihr versorgen lassen!"
„Oh doch, das kannst du!" Demari sieht mir fest und bestimmt in die Augen. „Und das wirst du auch. Vergiss nicht deinen Schwur eben!" Meine Lippen pressen sich noch fester zusammen.
Er hat ja recht. Ich werde es schon überleben. Ich muss das machen, um Demari möglichst schnell wieder unterstützend zur Seite zu stehen! Ich schließe meine Augen und sofort taucht das Bild vor mir auf, wie sie sich vorhin über die Frucht gefreut hatte. Das glitzernde Strahlen in ihren Augen und dann...
„Okay", krächze ich und klemme meine Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger, um meine Gedanken beisammenzuhalten und nicht in gefährliche Gefilde abzudriften.
„Aber du versprich mir dafür auch etwas!" Demari sieht mich hellhörig an. „Tue nur Dinge, von denen du weißt, dass ich einverstanden wäre!"
Er grinst. „Na klar, das werde ich."
Ich sehe, wie es in seinen Augen aufblitzt. Er freut sich eindeutig darauf, gleich loszuziehen. Er hat Abenteuer schon immer geliebt. Ein wenig erinnert er mich dabei tatsächlich an meine Schwester.
„Also los!" Er klopft mir kurz auffordernd auf die Schulter, ehe er sich in die Luft wirft und einen Wimpernschlag später auch schon nach unten zu den Menschen geweht ist.
Einen Moment sitze ich noch da und versuche meine Gefühle zu ordnen. Dabei grabe ich gedankenverloren in meiner Tasche herum und greife nach einem kleinen harten Gefäß. Als ich es hervorhole, erkenne ich das Fläschchen, welches mir mein kleiner Bruder vor der Reise mitgegeben hatte.
„Aber erst öffnen, wenn du in Gefahr bist!", taucht die Erinnerung seiner weichen, süßen Kinderstimme in meine Erinnerung und ich muss augenblicklich lächeln. Ich sehe genau sein verschmitztes schiefes Grinsen vor mir. Zusammen mit diesen funkelnden Augen, welche er immer bekommt, wenn er etwas ausheckt.
Ich weiß, dass in diesem Gefäß irgendetwas sein muss, um mir einen Streich zu spielen. Ob dieser Moment hier jetzt als Gefahr gilt? Eine Gefahr vor meinen eigenen Gefühlen zum Beispiel?
Ohne weiter darüber nachzudenken, öffne ich neugierig den kleinen Deckel und wünsche mir noch im selben Augenblick es lieber nicht getan zu haben.
Ein beißend stinkender Geruch von Furz, Schwefel und Trollköttel erhebt sich in die Lüfte und windet sich stickig in meine Nase und über den Boden.
Erschrocken rutsche ich weg und verschließe den Deckel rasch wieder mit angewidertem Gesicht.
Irrg, hätte ich mir bei Tamin ja denken können. Puh. Mir wird übel, doch zugleich scheint es ein wenig meinen anderen Schwindel vertrieben zu haben. Mein Mundwinkel zuckt, als ich von unten angeekeltes Husten und Stimmen höre, welche sich lautstark über diesen Gestank beschweren.
Ich muss grinsen, als ich sehe, wie die Frau durch den Geruch ein paar Schritte zurücktaumelt und endlich dieses eckige Ding aus ihren Händen zurück in die Tasche legt.
Ich lasse mich mit gerümpfter Nase in den Wind fallen und bin im nächsten Augenblick auch schon aus dieser Wolke verschwunden.
Tut mir leid Demari. Vielleicht beschleunigen sie ja so ihre Arbeit ein wenig.
***
Hi ihr Lieben. Na, wie geht es euch?
Ich fand es wieder mal sehr spannend aus Tyrians Sicht zu schreiben. Demnächst wird es erst einmal wieder aus einer anderen Perspektive weitergehen. Ob aus Kunos, oder Anellas weiß ich noch nicht. Mal sehen :)
Ich freue mich übrigens sehr, dass du da bist. ❤
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