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20. Zwischen den Farben

Nachdem seine Augen eine Weile ins Nichts gerichtet waren, beginnt er schließlich zu antworten. Seine Stimme klingt immer noch ein wenig heiser, aber auch auf seltsame Weise hohl und belegt. Genau wie es seine Augen sind. Ich fummele unruhig an einem trockenen Blatt herum.

„Sie planen am 30. Juni eine Versammlung, wo sie die geplanten Bauarbeiten offiziell machen wollen. Viele Investoren sind dabei. Intern wissen sie alle schon mehr oder weniger Bescheid und haben sich im konspirativen Sinne zusammengeschlossen. Sie haben sogar internationale Sponsoren und Zuschüsse für den Stadtausbau."

Ich hole tief Luft. Sowas hatte ich mir ja schon irgendwie gedacht. Aber sogar internationale Unterstützung...? Das klingt ziemlich... 

Ich merke, wie das Blut aus meinem Gesicht weicht und ich kreidebleich werde. Meine Hände klammern sich in die Erde des Waldes, während sie gleichzeitig anfangen leicht zu zittern.

In meinem Kopf, höre ich ein leises Wispern, welches mir immer wieder dieses eine Wort eintrichtern will, wie sehr ich mich auch dagegen sträube, es auch nur in meine Gedanken zu lassen. Ich weiß, dass es nicht stimmt, aber kann gleichzeitig auch nicht verhindern, dass es sich doch kurz hervor drängelt. „Aussichtslos"

Ich presse meine Lippen zusammen. Nichts ist aussichtslos!! Das geht überhaupt nicht! Es muss irgendeinen Weg geben! Es gibt immer einen! Mindestens! Wir müssen diese Wege nur finden! 

Plötzlich fühle ich, dass Kuno seinen Blick wieder mir zugewandt hat, auch wenn ich selber immer noch vor mich auf die Erde starre. Es ist dieses warme Gefühl auf der Haut, welches es mir verrät.

Ich atme tief durch, um die aufkommende Panik aus meinen Lungen zu vertreiben. Es bringt nichts, wenn ich dieser jetzt verfalle. Wenn ich dem Wald helfen will, dann sollte ich in der Ruhe bleiben!

„Ich habe mich mal mit einigen Naturschutzorganisationen in Kontakt gesetzt, aber ich denke,  wir sollten nicht darauf warten, bis sie etwas tun!", meint er und ich nicke. „Ja, Vivien und ich haben das auch schon gemacht..." Er sieht weiterhin leer in den Wald, ehe er weiterspricht.

„Ich konnte heimlich in das Büro von Hendrik gelangen und habe mich durch viele, seiner Pläne gelesen. Dabei bin ich auf ein paar interessante Seiten gestoßen. Aber eher wenige, welche uns wirklich weiterhelfen. Ich werde mich da auf jeden Fall nochmal ran setzen.

Mein Onkel plant viele Dinge, um das alles positiv in Szene zu setzen, bevor es dann soweit ist und offiziell gemacht wird. Er weiß, dass viele Menschen dagegen sein werden. Es wäre also sicher gut, wenn man die Menschen, welche es ebenfalls nicht wollen, darauf aufmerksam machen würde!

Andererseits, solange wirklich so viel Geld mit darin hängt, wird mein Onkel nicht aufgeben. Er hat bis jetzt immer einen Weg gefunden, seine Pläne durchzuziehen. Egal, welche Opfer er bringen musste". 

Auf Kunos Gesicht tritt ein bitterer Ausdruck und ich frage mich unwillkürlich, an was er dabei denkt. „Das heißt, du meinst sowas wie eine Demonstration, oder so?" Kuno zuckt die Schultern. „Macht man das nicht normalerweise, in so einem Fall?"

Ich nicke betäubt. „Andererseits, weiß ich jetzt schon, dass meinen Onkel das nicht aufhalten wird", fügt er etwas leiser hinzu, was mich schlagartig noch blasser werden lässt. „Wir müssen es wenigstens versuchen!" 

Ich höre keine Antwort. Stattdessen fühle ich, wie sein Blick sich in mich bohrt und meinen einfangen will. Doch ich halte diesen ostentativ auf den Boden genagelt. Ich habe Angst davor, was sonst passieren würde. Das was eben geschehen ist... der Kuss... seine Berührungen... das ist alles noch viel zu nahe und präsent. 

Ich fühle immer noch das Prickeln auf meiner Haut und in meinem Körper. Trotz der Kälte, welche durch die eben erörterten Worte und unsere erneute Distanz entstanden ist.

Im Augenwinkel sehe ich, wie Kuno eine Hand nach mir ausstreckt, mitten in der Luft aber zum Stocken kommt und sie dann wieder sinken lässt. Er schluckt. „Anella?"

Ich blinzele. Beinahe, hätte ich doch wieder zu ihm aufgesehen, was vor allem an seiner, schon wieder veränderten Tonlage liegt. Diese Leere hat einer Inbrunst Platz gemacht, welche mir sofort verrät, dass es in seinen Gedanken jetzt nicht weiter um den Wald geht.

Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht fest zu schlucken. Erst jetzt fällt mir auf, dass diese leicht geschwollen sind. Oh verdammt. Vor nicht allzu vielen Momenten, waren es genau seine Zähne, welche das hier bei mir gemacht haben.

Schnell löse ich meine Lippe wieder und fixiere mich mit aller Kraft auf eine kleine Spinne, welche sich mühsam durch das Laub hangelt. Ich muss jetzt konzentriert bleiben. Das, was eben geschehen ist, muss ich vergessen. Wir beide müssen das!! 

Ich bin mit Tyrian zusammen, zum Himmel nochmal! Und ich liebe Tyrian. Ich will auch genau mit Tyrian zusammen sein! Am liebsten die ganze Zeit! Er bedeutet mir so unendlich viel. Und was mache ich? Ich schlucke, aber der dicke, schmerzhafte Kloß in meinem Hals, scheint sich einfach nicht lösen zu wollen. Im Gegenteil.

Und Kuno... Kuno ist... Wir sollten eigentlich noch nicht einmal befreundet sein. Es ist eindeutig, dass ich mir die ganze Zeit nur selber etwas vorgespielt hatte. Wenn Kuno wirklich nur mit mir befreundet sein wollte, dann hätte er doch nicht von mir verlangt, dass ich ihn küsse, oder?

Und aber vor allem hätte sich dieser Kuss dann nicht so angefühlt. So... Ich schnappe nach Luft, als wieder ein Zucken durch meinen Körper rauscht und sich mit einer erregenden Flut, lechzend durch meine Adern windet. Es wird Zeit, zu gehen!

Ich rutsche auf der Erde wieder etwas zurück, um Abstand zwischen uns zu bringen, ehe ich wankend aufstehe. 

„Danke, dass du nachgesehen hast und mir hilfst", flüstere ich, immer noch ohne ihn anzusehen. 

Kuno steht ebenfalls auf, sodass ich reflexartig einen weiteren Schritt zurücktaumele, obwohl mein ganzer Körper sich danach sehnt, genau das Gegenteil zu tun. Ich will mich ihm einfach in den Arm werfen und wieder küssen. Mit ihm weinen und lachen und...

Erschrocken schnappe ich nach Luft. Wieso denke ich das? Ich verspanne mich, als ich sehe, wie Kuno jetzt doch wieder einen vorsichtigen Schritt auf mich zutritt, als ahne er, dass ich gleich verschwinden werde. In seinem Blick liegt wieder etwas, was nicht dort sein sollte.

Mein Herz pocht mir bis zum Hals. Was tue ich nur? Ich darf das nicht. Ich muss mich von ihm fernhalten. Wir dürfen uns nicht küssen. Und wir können auch nicht befreundet sein. Ich muss weg. 

Ich versuche mich zu bewegen, aber kann mich einfach kein bisschen rühren. Stattdessen bin ich in einer regelrechten Schockstarre gefangen.

Ich merke, wie meine Füße wieder anfangen, die Erde zu bearbeiten, und meine Hände leicht zu zittert beginnen. Bitte!, flehe ich ihn stumm an, nicht näherzukommen. Ich sehe, dass er es versteht und kurz innehält. Doch dann scheint er irgendeinen Entschluss zu fassen, welcher ihn dazu bringt, doch nicht auf mich zu hören.

„I-ich muss jetzt gehen!" Ich kann nicht verhindern, dass ich mich dabei anhöre wie ein zitternd, keuchender Luftzug. Ich sehe, wie es in seinen Augen zuckt. Sie werden auf eine andere Art noch dunkler.

„Es tut mir leid, ich hätte dich nicht küssen dürfen", flüstere ich. Ein wunder Stich zuckt in ihm auf. Eine Wunde, welche ich ihm zugefügt habe. Ich merke einen gewaltigen Druck in meinem Herzen, welches dagegen zu rebellieren versucht. Das ist falsch! Das ist alles falsch! So darf es nicht sein! Das alles muss aufhören!

Ich sollte Kuno fair gegenüber sein. Und wenn ich einfach so weiter mache, wie bisher, ist es alles andere als das. Ich hätte von Anfang an klarer zu ihm sein müssen!

„Wir sollten nicht mehr befreundet sein! Es ist besser, wenn wir wieder Großteils getrennte Wegen gehen!" Zwinge ich mir die Worte heraus, auch wenn sie mir ungewohnt im Rachen brennen.

Meine Stimme hört sich krächzend an und ich kann nicht mehr klar sehen, weshalb ich blinzele. Nun verwandelt sich sein Ausdruck zuerst in geschockt und dann zu einer bitteren Maske, welche keine der Emotionen mehr durchlässt.

„Das stimmt nicht, wieso denkst du, dass es falsch war?" Ich spüre die Spannung in seinem Körper zu mir überschwappen.

„Da brauche ich nicht denken, Kuno! Ich weiß es!"

Ich sehe, wie er seinen Kiefer aufeinander presst und mir jetzt wieder so etwas wie Wut entgegenfunkelt. 

Er öffnet den Mund, um etwas darauf zu erwidern, doch ich unterbreche ihn mit einem schmerzvollen Fiepsen, welches in der Mitte seltsam brüchig klingt und sich schwer in meinen Rachen drückt.  

„Es tut mir leid!"

Die Worte legen sie wie ein schwerer Bleiklumpen auf meine Brust, ehe ich mich umdrehe und zusammen mit einem leisen Luftzug verschwunden bin. Was habe ich nur getan? 

Tränen strömen mir übers Gesicht. Ich habe ihn geküsst. Kuno... Ich habe ihn verletzt und mich gleich mit. Und... ich habe Tyrian betrogen. Tyrian! Wie konnte ich das nur zulassen? 

Aber das Schlimmste ist, es hatte mir auch noch gefallen. Und wie, zum verflixten Höllenfeuer. Das war es definitiv. Zu heiß, um gesund zu sein. Dazu gemacht, um zu verbrennen. Mein Herz und unsere junge, zerbrechliche Freundschaft. Einfach ausgebrannt. Tränen laufen mir über die Wange.

Oh Kuno... Sein Name schmiegt sich warm und weich auf meine Lunge und zerdrückt diese gleichzeitig auf schmerzvollste Weise. 

Die Fänge der Realität zeigen mir wieder das auf, was ich eben in seinen Augen gesehen hatte. Wie konnte ich nur? Ich hätte es niemals soweit kommen lassen dürfen.


***


Der heutige Tanz war zu Anfang eine Höllenqual. Nicht nur, dass Tyrian nicht da war, um mich zu halten. Zudem plagte mich auch das schlechte Gewissen, ihn betrogen und Kuno verletzt zu haben. Dieses Gefühl ließ sich selbst nicht abstellen, als meine Gedanken verschwanden und ich mich nur noch den Bewegungen, dem Wald, den flimmernden Energien der Sonnenwende und meinem Gesang hingab.

Es war zwar nicht mehr so schlimm, doch das Grundgefühl blieb. Außerdem sehnte ich mich, durch die heutige Erfahrung von Berührungen auf meinem Körper, nur noch mehr nach zwei starken Händen, welche mich halten und auffangen würden. Doch ich habe sie nicht verdient. Keine von ihnen. Ich bin eine miserable Freundin und das in jeglicher Hinsicht.

Während des Tanzes spürte ich das starke Bedürfnis, all diese Lasten, welche sich in der letzten vergangenen Zeiten auf meine Schultern und meinem Herzen niedergelassen hatten, von meiner Seele zu singen und mit meinen wilden Tanzbewegungen aus dem Körper zu locken.

Ich verband mich so stark mit meinem Untergrund, dass ich die Wurzeln der Bäume beinahe wie meine eigenen Füße spüren konnte. Sie gaben mir Kraft und Mut. Meine Bewegungen waren anders als sonst. Schneller und auf andere Art berauschend. Gemischt mit den süßlichen Tränen auf meinen Wangen, welche einfach nicht mehr aufhören wollten.

Erst recht nicht, als die Töne durch meine Kehle drangen und es irgendwann tatsächlich schafften, den schmerzenden Kloß daraus zu lösen. Ich fühlte das Gefühl der Losgelöstheit auf so vielen Ebenen. 

Der Wind kam auf und schmiegte sich um mich herum, doch es war natürlich nicht Tyrian, sondern der Sturm, welcher von mir selbst ausging. 

Die Äste der Bäume knarzten und stimmten in die mystisch, klagende Melodie meiner Stimme mit ein. Ein Vibrieren erfüllte meinen Körper und verdrängte beinahe, meine anderen Sehnsüchte. Aber nur beinahe. Sobald der Sturm nachließ, ließ ich mich auf die Erde hinabsinken und schloss meine Augen. 

Ohne etwas zu sehen, spürte ich den Wald so präsent um mich herum. Seine Pilzmyzelien, welche alles durchziehen. Seine Harze und Botenstoffe. All die Wesenheiten, welche die Pflanzen umgeben. 

Ein erfülltes Keuchen entrann meiner Kehle und ich begann den Tanz nun weiter auf dem Waldboden fortzuführen. Liegend über den Boden windend. Wie eine Schlange, welche sich hingebungsvoll in die Umgebung schmiegt.

Ich spürte das Gefühl in mir aufsteigen, von dem Wald getragen zu sein. Dieser wird immer da sein und mich beschützen und ich ihn. Ganz egal, was wir tun. Der Wald ist der Anker, welcher tief in meinem Herzen verhakt ist und welcher dieses immer wieder heilen wird. Egal, was geschieht.

Den Wald, kann ich nicht mit einem anderen betrügen, denn er ist eins. Ganz egal, ob ich mich jetzt in diesem hier, oder in einem anderen aufhalte. Der Wald hat keinen Besitzanspruch. Er ist einfach und liebt. Und ich liebe ihn.


***


Am nächsten Morgen liege ich müde und erschöpft in meinem Bett. Ich konnte wieder nicht schlafen und frage mich, wie viele Stunden am Stück ich jetzt eigentlich schon wach bin. Ich habe gar nicht mitgezählt.

Doch ich bin mir sicher, es geht schon weit über die Grenze hinaus, welche für normale Menschen als ungefährlich gilt. Ich weiß, dass, wenn mich die Tänze nur auslaugen und mir nicht auch gleichzeitig Kraft spenden würden, dann könnte ich schon längst nicht mehr gerade laufen. 

Anstatt zu schlafen habe ich die ganze restliche Nacht nichts anderes gemacht, als mich auf meinen Atem zu konzentrieren und ständig von grünen zu braunen und von braunen zu grünen Augen zu wechseln. 

Wie in einem wirbelnden Tanz, in welchem ich immer wieder hin- und hergerissen wurde. Zwischendurch waren dann auch immer mal wieder Hände, welche über meine Haut streifen, oder Lippen, welche meine necken und liebkosend meinen Hals hinab wandern dabei. 

Ich seufze und wälze mich in meinem Bett auf die andere Seite, während ich versuche mir die Bettdecke bis über mein Gesicht zu ziehen. Allerdings muss ich feststellen, dass diese gar nicht mehr an ihrem Platz liegt, sondern neben meinem Bett auf dem Boden. Ich stöhne und kämpfe mich mühsam in eine sitzende Position.

Das ist wohl ein Zeichen, aufzustehen. Aus der Küche höre ich schon das Wasser laufen. Meine Mutter ist schon seit einer ganzen Weile wach und hantiert in der Wohnung herum. Hoffentlich sieht man mir meine Müdigkeit nicht wieder allzu stark an. 

Ein Blick in den Spiegel raubt mir allerdings augenblicklich jegliche Utopie-Gespinste. Oh Mann. Ich sehe auch, wie Alice in Wonderland, nur schlimmer. Meine Lippen sind auch immer noch, ganz leicht geschwollen und an manchen Stellen sogar leicht wund.

Geistesabwesend streife ich mit meinen Fingerspitzen über diese sensible Haut und fühle mich sofort, an die gestrige Erfahrung zurückversetzt. Erschrocken ziehe ich sie zurück und schüttele meinen Kopf, um diese Gedanken schnell wieder loszuwerden.

Ich vernehme ein leises Klingeln in meinen Ohren. Ich sollte echt mal wieder schlafen. Vielleicht ist ja auch der Schlafmangel schuld, dass ich nicht mehr so gut denken kann und so viele Dummheiten mache? Das wäre zumindest eine angenehme Ausrede, um mich nicht mehr ganz so schlecht zu fühlen. 

Allerdings, weiß ich es besser. „Hey Schatz." Meine Mutter blickt auf, als ich aus der Tür trete und gedankenverloren auf ihre Hände starre, während sie mit dem Abwaschen beschäftigt ist. Wir haben nämlich keine Geschirrspülmaschine hier.

Ich fand es schon immer irgendwie meditativ, anderen dabei zuzusehen, wenn sie mit den Händen an etwas arbeiten. Das ist auch der Grund, weshalb ich meinem Vater früher in der Werkstatt immer so viel beobachtet habe.

„Wo wart ihr denn gestern Nacht?" Fragt mich meine Mutter plötzlich, als sie anscheinend, mein Gesicht etwas genauer inspiziert hat. In ihrer Stimme lässt sich Sorge heraushören. Ob man erkennen kann, dass ich gestern jemanden geküsst habe? Irgendwie fühle ich mich plötzlich, als sei das groß und in roten Druckbuchstaben auf meine Stirn geschrieben.

Anstatt zu antworten, laufe ich zu ihr und schmiege meinen Kopf, von hinten an ihre Schulter, während ich meine Hände auf ihren Oberarmen ablege. Das hatte ich schon ewig nicht mehr bei ihr gemacht und ich weiß auch nicht, weshalb es plötzlich so einfach über mich gekommen ist.

Meine Mutter stockt kurz in ihrer Bewegung, ehe sie sich den Schaum von den Händen spült, sich die Hände an einem Geschirrtuch abtrocknet und sich dann zu mir herumdreht, um mich in eine richtige Umarmung zu ziehen. 

Es fühlt sich so gut an, einfach von ihr umarmt zu werden. Es ist dieses warme Gefühl, welches vor allem Mütter so an sich haben. 

Wir stehen eine ganze Weile einfach nur da, ohne, dass einer etwas sagt. Erst als sie sich wieder löst und ihre Augen sich besorgt weiten, merke ich, dass meine sich mit Tränen gefüllt haben. Oh nein, jetzt muss sie sich ja wahrscheinlich sonst etwas denken.

„Was ist passiert?", fragt sie mich mit warmer, einfühlsamer Stimme, auch wenn ich die leise Spannung der Sorge darunter heraushören kann. Ich schüttele den Kopf. „Nichts. Gar nichts!"

Mein Mundwerk scheint auch noch nicht in seiner vollen Intelligenz erwacht zu sein. Sie runzelt die Stirn, während sie mich zweifelnd beäugt. „Nach nichts sieht das aber nicht aus", beharrt sie und zieht herausfordernd die Augenbrauen hoch.

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Sofort fühle ich statt meinen Zähnen, seine an dieser Stelle, sodass ich sie schnell wieder löse. Ich will nicht darüber reden! Außerdem kann ich ja auch gar nicht! „Hat er dir wehgetan?" 

Erschrocken sehe ich zu ihr auf. Woher weiß sie, dass es um einen er  geht? Besser gesagt um zwei.

„Nein!", platze ich heraus, noch ehe ich mir darüber klar werde, dass ich somit ja zugegeben habe, dass... Mist.

Ihr Ausdruck wird noch eingehender. Ich erahne schon regelrecht in ihren Gedanken, die Alarmglocken schrillen zu hören. In etwa wie „Wenn er es doch getan hat, dann mache ich ihn kalt!", oder so in der Art.

Ich schlucke. „Nein, wenn, dann bin ich diejenige, welche anderen wehtut." 

„Ach Schatzi." Meine Mutter streichelt mir wieder mit der einen Hand tröstlich über den Rücken. Das ist ein so ungewohntes, aber zugleich unglaublich stärkendes Gefühl. Ich atme es tief in mich ein.

„Möchtest du darüber reden?" Ich schüttele abermals meinen Kopf, während ich an dem Stoff, meines Nachthemdes herumzupfe. Ich spüre die Neugierde in ihr brennen, doch zu meiner Erleichterung lässt sie es, nachzuhaken. 

Das dachte ich zumindest, bis sie sich dann wieder dem Abwasch widmet, während ich mich an den kleinen Tisch setze und ein großes Glas Wasser trinke. 

„Seid ihr zusammen?" Beinahe hätte ich mich verschluckt. 

"Nein!", entgegne ich prompt, doch dann fällt mir auf, dass ich diese Frage automatisch auf Kuno bezogen hatte. Was Tyrian angeht... Das sollte ich ihr besser nicht verraten. Sonst will sie ihn irgendwann noch kennenlernen und dann müsste ich ihr sagen, dass man ihn nur in den Träumen begegnen kann...

Und das wortwörtlich. Oh Mann... Ich streife mir die Haare aus dem Gesicht. Meine Familie wird Tyrian niemals kennenlernen können und ich andersherum auch nicht seine. Wieder stehlen sich ein paar Tränen aus meinem Augenwinkel.

„Und würdest du gerne?" Ich atme verzweifelt durch. Wie soll ich denn hierauf bitte so schnell antworten? Über wen sprechen wir überhaupt. Meint sie jetzt Tyrian, oder Kuno?

„Maam", stöhne ich und trinke schnell noch ein paar Schlucke aus meinem Glas, um das drückende Gefühl in meinem Hals loszuwerden.

„Ist ja schon gut, ich lasse dich ja schon, mein kleiner Sturkopf." Sie seufzt, während sie beginnt, das abgewaschene Geschirr abzutrocknen. Sie macht das immer sofort, ohne dieses kurz abtropfen zu lassen, auch wenn die Handtücher dabei dann immer so ekelig nass werden. 

„Das warst du schon immer. Wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, dann hast du dich daran festgebissen, komme was wolle." Ich sehe, wie sich ein Lächeln auf ihrem Mund ausbreitet. 

„Wenn wir zum Beispiel mit dir in die Stadt wollten und du keine Lust hattest, hast du dich immer unter dem Tisch versteckt und dich ganz fest an das Tischbein geklammert. Deine kleinen Händchen, hatten damals schon so einen eisernen Griff, dass wir dich nie losbekommen haben. 

Bei einer sechsjährigen müsste man ja eigentlich meinen, dass die Eltern es schaffen und sie davon lösen können, aber bei dir..."

Sie wirft mir ein verschmitztes Lächeln von der Seite zu und in diesem Augenblick weiß ich, dass sie gerade das kleine Mädchen von vor zwölf Jahren in mir sieht. „Daran erinnere ich mich gar nicht mehr", gestehe ich und betrachte nachdenklich meine Hände.

„Ach, das war ständig so. Meistens hat es damit geendet, dass einer von uns mit dir dableiben und stattdessen in den Wald gehen musste." Ich sehe sie schockiert an. 

„Das war deswegen?" In meiner Erinnerung war das immer ganz anders gewesen. Anscheinend hatte ich schon damals die Familie entzwei gespalten.

Ich schlucke. „Diesen Dickschädel musst du von deinem Vater haben. Von mir kommt der jedenfalls nicht!", grinst sie, bis die Gewichtigkeit ihrer eben erwähnten Worte zu uns durchsackt und ihr Lächeln sofort wieder verblasst.

Über die Sache mit meinem leiblichen Vater hatten wir seit dieser einen Nacht nicht mehr gesprochen. Ich sehe, dass sie sich jetzt wahrscheinlich gerade Vorwürfe macht, dieses Thema angerissen zu haben. 

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Du hast definitiv auch einen ziemlichen Dickkopf!", versuche ich die Stimmung wieder aufzulockern und es klappt tatsächlich. „Ach Unsinn. Längst nicht so wie du!"

„Klar! Alleine, dass du das Geschirr immer sofort abtrocknen musst, ist doch schon der Beweis", füge ich, diesmal ebenfalls grinsend hinzu. 

„Das mache ich nur, damit es nicht ewig herumsteht und dann später, wieder vergessen wird", beharrt sie, sodass ich mir ein Schmunzeln verkneifen muss.

„Na gut, dann eben die Tatsache, dass du es gerade mit felsenfester Überzeugung abstreitest." Sie wirft mir einen entgeisterten Blick zu, weiß darauf aber nichts mehr zu erwidern. 

„Na gut, wie du meinst", gibt sie sich nach einem kurzen Moment des Schweigens schließlich doch geschlagen.

„Sag' ich doch!" Ich schnappe mir eine Erdbeere vom Tisch und beiße genüsslich davon ab. Mmm, die schmeckt süß und erweckt sofort wieder ein paar Lebensgeisterchen von mir. 

„Aber jetzt habe ich es ja gerade zugegeben, was heißt, dass ich nicht auf meiner Meinung beharrt habe und somit..." Ich lache los.

„Ach Mama, du sprichst einfach genau wie ich" Mir rinnen schon wieder Tränen aus den Augen, aber diesmal aus Freude. 

Meine Mutter stimmt mit ein und ich frage mich, wie lange es her ist, dass wir beide, das letzte Mal zusammen gelacht haben. 


***


Aww, ich freue mich so, dass du schon da bist. Du glaubst gar nicht, wie viel mir das bedeutet. Dankeschön.

Fühle dich gedrückt.❤

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