Kapitel 8-3
Elsa saß auf einem weichen Sofa vor dem Kamin des Salons. Obwohl das Feuer brannte und sie die Hände danach ausstreckte, konnte es doch die Kälte nicht aus ihrem Inneren vertreiben. Als sie die Tür zum Lagerraum geöffnet hatte, war sie schockiert gewesen. Sie hatte damit gerechnet, irgendeinen unliebsamen Edelmann mit Johanna da drinnen zu erwischen. Zugegeben, Georg war ein solcher, aber er war auch ihr Bruder. Und ihre Familie hatte weiß Gott im Moment genug durchzumachen. Sie fühlte sich von Johanna betrogen. Sie waren Freundinnen – gebot es nicht der Anstand, ihr nicht derartig das Messer in den Rücken zu rammen? Der Eklat hatte zwar Georg und die Familie getroffen, aber innerhalb dieser stand Elsa im Rang der Schuldigkeit gleich neben ihrem Bruder. Zu allem Übel hatte sie mit ihrer blödsinnigen Aktion Florentine und Alexander das Fest verdorben. Sie hatten tunlichst versucht, die Menge zu beruhigen, ließen Musik aufspielen, verkündeten ihre Hochzeit. Doch kaum einer hatte ihnen Gehör geschenkt, die meisten waren hinausgestürmt.
Zuhause hatte es einen kurzen, aber heftigen Streit zwischen Georg und ihrem Vater gegeben. Doch mit Rücksicht auf ihre jüngeren Geschwister, die zu Bett mussten, und die Bediensteten, hatten sie sich schließlich schlafen gelegt. Heute war ihre Mutter mit den Kleinen im Park prominieren. Ein Großteil des Personals hatte einen freien Tag bekommen. Alexander war ohnehin nicht mehr hier seit dem Bruch mit ihrem Vater. Nur Georg, der Graf und Elsa saßen im Salon beieinander. Während der Graf von einer Seite des Raums auf die andere wechselte, mal schuldbewusst das Bildnis ihrer Vorfahren betrachtete, dann anklagend das seiner eigenen Familie, verlegte Georg sich wie Elsa darauf, wortkarg in die Flammen zu starren. Schließlich blieb der Graf zwischen ihnen stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was hast du dir dabei gedacht, Georg?" Sein Ton war anklagend, aber nicht mehr von der tobenden Wut des gestrigen Tages beherrscht.
„Diese Frau hat mich dazu überredet."
„Rede dich nicht auf das Weibsbild aus. Sie wird dich kaum hineingezerrt und dich vergewaltigt haben!"
„Frag doch Elsa. Ist das nicht deine Freundin?"
Elsa sah perplex zu Georg. Sie musste den Verdacht sofort von sich ablenken. Georg war der Erbe. Die Konsequenzen seines Handels mochten hart sein, aber der Graf brauchte ihn. Elsa war ersetzbar. „Bin ich für das Handeln jeder meiner Bekanntschaften verantwortlich?"
„Nein, aber dafür, dass du die Tür geöffnet hast!"
„Was hast du im Lager gesucht, Tochter?", fragte ihr Vater.
Elsa legte ihren Kopf auf der Hand ab, tat unbeschwert. Aber es fühlte sich verkrampft und wenig überzeugend an. „Ich wollte Getränke nachholen."
„Die Aufgabe der Bediensteten."
„Ich war durstig und wollte nicht darauf warten, bis einem der Diener auffällt, dass Nachschub gebraucht wird."
„Lächerlich! Willst du behaupten, unsere Angestellten seien unfähig, ihre Aufgaben zu erfüllen?"
Elsa presste die Lippen zusammen.
„Ich habe das Gefühl, die Sache war geplant", sagte Georg und fuhr mit den Fingern über sein Kinn.
„Du glaubst, deine Schwester heckt einen Komplott gegen dich aus?"
„Merkt Ihr nicht, Vater, wie sie bei jedem festlichen Anlass versucht, die Familienehre in den Dreck zu ziehen? Sie entzieht sich der Ehe, hält Händchen mit diesem Streuner Laurenz und jetzt intrigiert sie gegen mich!"
„Schieb mir nicht die Schuld zu, nur weil du ein Hurenbock bist!"
Georg erhob sich und wollte ihr an die Gurgel gehen, aber der Graf gebot ihm mit sich überschlagender Stimme Einhalt. „Was ist nur los mit Euch? Sind meine Kinder zu Tieren verkommen?"
Georg und Elsa verfielen in gegenseitige Beschuldigungen und erneut bellte der Graf, sie mögen sich zusammenreißen. Schließlich legte der Graf die Hände auf die Lehne des Sofas und starrte Georg an. „Auch wenn deine Schwester dein Tun aufgedeckt hat, du wirst persönlich dafür gerade stehen müssen. Ihr Vater mag nur ein Ritter sein, aber er wird Satisfaktion verlangen."
„Zahlen wir den Mann aus und sein Gemüt wird sich kühlen."
„Wir sprechen hier nicht von einem Kaufmann, dessen Handelswaren du ruiniert hast. Die Ritterschaft pocht auf ihre Tugendhaftigkeit."
„Wie soll ich die Tugend seiner ehrlosen Tochter wieder herstellen?"
„Er wird eine Hochzeit verlangen."
Georg sah betreten zu Boden, doch er zeigte keinen Widerwillen. Eher so etwas wie Aufgabe, die Akzeptanz des Unvermeidlichen.
„Niemals wird mein Sohn, der Erbe meiner Grafschaft, ein Burgfräulein ehelichen!"
„Was sollen wir also tun?"
„Kein Ehrengericht wird deine Sache unterstützen, Sohn. Der Ritter wird auf die Tradition bestehen und sein Recht mittels eines Duells durchsetzen. Du hast das Fechten von Kind auf gelernt. Ich erwarte, dass du den Ruf unserer Familie wie ein Ehrenmann verteidigst!"
„Was wenn ich unterliege?"
„Du wirst nicht unterliegen!" Die Stimme des Grafen war von solcher Autorität erfüllt, dass Georg auf seinem Platz zusammensackte. Der Graf beorderte ihn nach draußen, er solle sich auf das Kommende vorbereiten.
Hiernach wandte ihr Vater sich Elsa zu. Sein grimmiger Blick verriet Ärger. „Was auch immer du mit diesem Debakel zu tun hast, Tochter, deine Flausen haben heute ein für alle Mal ein Ende."
„Ich bitte um Verzeihung, Eure Exzellenz."
„Du wirst heiraten, noch dieses Jahr."
Elsa stockte der Atem. Sie fürchtete, kein Wort herauszubringen. Zu gewohnt war sie es, die Befehle ihres Vaters zu befolgen. Niemand stellte ihn in seinem Haus infrage, ohne seinen gerechten Zorn zu spüren. Aber wenn sie jetzt klein beigab, würde ihr Leben in genau den Bahnen verlaufen, die sie nicht willens war zu akzeptieren. „Ich möchte nicht heiraten!"
Graf Arlings Kopf ruckte zurück. „Wie bitte?"
„Ich will arbeiten gehen, mein eigenes Leben führen?"
„Was für eine groteske Vorstellung!" Er hob die Hand zu einer Ohrfeige und riss sich im letzten Moment zusammen, atmete durch und besann sich. „Womit willst du dich verdingen, närrisches Ding?"
„Vielleicht ein Handwerksberuf."
„Keine Zunft würde eine Frau in ihren Reihen akzeptieren."
„Dann als Zofe?" Ihre eigene Zofe führte zwar ein arbeitsreiches, aber doch angenehmes Leben. Sie war stets versorgt, hatte ihr Auskommen und Elsa betrachtete sich selbst als gute Konversationspartnerin.
Das Gesicht ihres Vaters verdunkelte sich. „Glaubst du, irgendein Haus würde sich deiner annehmen? Einem ehrenlosen Gör, dass seinem Zuhause und dem Willen des Vaters zu entfliehen gedenkt? Erwartest du, ich, der Graf von Arling, lasse es zu, dass meine Tochter dermaßen Schande über unsere Familie bringt?
„Ich will frei sein!"
„Deine Freiheit erwartet dich am Sterbebett, sofern du ein ehrbares Leben geführt hast!"
Elsa stiegen die Tränen in die Augen. „Ihr seid das Böse in Person. Luzifer in Menschengestalt!"
Dieses Mal zögerte der Graf nicht, ihr einen Schlag zu verpassen. Elsa hielt sich die Hand auf die gerötete Wange und lief hinaus.
„Ich werde ehestmöglich einen geeigneten Mann für dich finden. Und du wirst ihm dankend das Jawort geben, sonst schleife ich dich an den Haaren vor den Traualtar!"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro