Kapitel 6-4
Florentine hatte es mit Lady Aisenbergs Hilfe geschafft, sich elegant dem Ausflug zu entziehen. Sie wollten Florentines Familie aufsuchen, um sie auf das Kommende vorzubereiten. Natürlich war Alexander erpicht, gleich mit ihnen zu kommen, aber sie vermittelten ihm glaubhaft, dass Florentines Vater auf die entsprechende Etikette pochte. Es wäre ungebührlich, ihn vor vollendete Tatsachen zu stellen. Alexander müsse bei ihm vorstellig werden und standesgemäß um die Hand seiner Tochter bitten.
Die Lady setzte Florentine vor dem Theater ab, nahm sie in den Arm und wünschte ihr viel Glück. Die Zirkusleute hatten, zum Missfallen der Theaterbesitzer, auf dem Kutschenplatz hinter dem Gebäude ihre Wägen abgestellt. Da die Vorstellung bald beginnen würde, herrschte hektisches Gedränge auf dem Platz. Die Bediensteten des Theaters wollten den Darstellern zur Hand gehen, aber diese waren es gewohnt, alles selbst zu erledigen, sodass sie sich mehr in die Quere kamen, als sich zu unterstützen. Laurenz schnappte sich Florentine, kaum dass er ihrer gewahr wurde, und zog sie in den Schauspielereingang.
„Ist alles gut gegangen?"
Sie streckte ihm ihre beringte Hand entgegen, worauf er grinsend eine Verbeugung vor ihr machte. „Meine Dame."
Florentine hatte Johann vermittelt, dass sie den Adel nicht brüskieren konnten, indem sie ihnen dasselbe Schauspiel wie dem einfachen Volk vorführten. Der Adel war durch Theater, Oper und vielerlei Freizeitbeschäftigungen übersättigt. Sie mussten sie schockieren, etwas gänzlich Neues präsentieren. Aber doch dezent und entfernt genug, dass sie es nicht als Affront gegen sich selbst bewerteten. Die übliche Szene, die Laurenz und Florentine immer spielten, doch mit vertauschten Rollen. Eine starke Frau, die einen Mann umwarb, im Schmutz der Straßen des Pöbels. Ärmlich gekleidete, dreckige Gestalten, die sich ihrer verruchten Liebe im Glanz des Theaters hingaben.
Johann war Feuer und Flamme für ihre Ideen, wenngleich er darum fürchtete, Altbewährtes aufzugeben. Die erste Vorstellung war die Wichtigste. Sie durfte nicht misslingen. Doch genau dieses Argument führte Florentine gegen ihn ins Feld. Wenn er sie mit alten Kamellen langweilte, würde niemand mehr den Zirkus besuchen.
Im Gegensatz zu ihren Zirkusauftritten, wo sie sich in der Enge ihrer Wägen oder im Darstellerraum des Zelts vor halbblinden Spiegeln vorbereiteten, hatten sie nun dieselben Accessoires wie Schauspieler zur Verfügung. Schwämmchen und Wässerchen, diverse Farben, Perücken, Kostüme. Aber all das brauchten sie nicht. Florentine legte ihr Kleid ab und tauschte es gegen ein zerschlissenes Hemd und eine Hose ihres Bruders. Sie knotete ihre Haare aufs kleinste zusammen und versteckten den Wulst unter einer Haube. Probeweise machte sie weite, plumpe Schritte eines, ihrer Meinung nach, groben Kerls nach.
„Hättest du jetzt noch Haare im Gesicht, würdest du fast als Kerl durchgehen", meinte Laurenz, der sich von jeglichem Bartflaum befreit hatte und mit allerlei Schnitten im Antlitz brillierte. Er betrachtete sie sinnierend, ehe er kurz wegging und mit schlammigen Händen zurückkehrte. Florentine sah ihn pikiert an, während er einem Schlafwandelnden ähnlich auf sie zukam. „Und jetzt die Maske."
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