Kapitel 11 -1
Johanna verbrachte einen angenehmen Tag zu Gast bei den Arlings. Die Stimmung mochte zwar reserviert sein, doch im Vergleich zu ihrem Vater fühlte sie sich gut behandelt. Sie aßen gemeinsam und führten höfliche Konversation. Das Thema Georg mieden sie alle mit Bravour. Der Graf beteuerte, sie unterstützen zu wollen, nachdem sein Sohn sie in solch eine Lage gebracht hatte, aber Johanna verneinte dankend. Sie starrte ständig aus dem Fenster in der Hoffnung, Adam würde sie abholen und mit sich nehmen. Doch die Zeit verging und niemand meldete sich. Schließlich dämmerte es schon und die Arlings boten ihr an, eine Kutsche für ihre Heimfahrt bereitzustellen. Johannas gute Laune verflog. Hatte sie den Brief falsch gedeutet? Sie wollte nicht zu ihren Eltern zurückgehen. Ihr Vater würde seinen gewaltigen Zorn auf sie herabkommen lassen, während ihre Mutter tatenlos dabei zusah.
„Ihr werdet vor der Tür erwartet, Mademoiselle", sagte ein Diener schließlich.
Johanna sprang freudig auf, verabschiedete sich höflich bei allen Anwesenden und verließ das Haus. Doch es war nicht Adam, der vor der Tür auf sie wartete, sondern ihr Vater.
„Du kommst mit nach Hause."
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Niemals!"
„Untersteh dich, mich in der Öffentlichkeit bloßzustellen!"
Johanna sah sich nach allen Seiten um. Keine Spur von ihrem Liebsten. Sie wusste nicht genau, wo sie ihn finden könnte. Wahrscheinlich lebte er in Schlossgraben, doch das Viertel war groß. Könnte sie ihn suchen? Vielleicht konnte sie seine Adresse erfragen. Sir Jeverbruch verlor den Rest seiner Geduld und packte Johanna am Arm. Sie kämpfte gegen ihn an, worauf er sie an den Haaren ergriff und zu sich riss.
„Ich reiße sie dir alle heraus, wenn du nicht sofort spurst!"
Johanna ächzte vor Schmerzen und ließ sich von ihm mitzerren, sodass er zumindest ihre Haare losließ.
„Ich möchte nicht mehr länger bei Euch leben!"
„Madame Huker hat mir ein gutes Angebot für dich gemacht."
Johanna erbleichte. Sie hatte von der Dame gehört. Die berühmteste Hurentreiberin der ganzen Stadt. „Das könnt Ihr nicht ernst meinen!"
„Und wie ich das kann. Leider hat deine verlorene Jungfräulichkeit den Wert geschmälert. Aber ein paar Gulden werden für dich schon herausspringen."
Ihr Vater brachte sie bis an den Gasthof, wo der Wirt gleich forderte, die ausstehende Rechnung zu begleichen. Die Behandlung von Johanna nahm er gleichgültig wahr. Sir Jeverbruch versicherte, ihm das Geld sofort zu bringen, nachdem er seine Ware an den Mann gebracht hatte. Sie gingen die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer, in das er Johanna grob hineinstieß.
„Zieh ihr etwas Einfaches an, sie verlässt uns heute."
„Du wirst unsere Tochter nicht verkaufen!"
„Das ist nicht meine Tochter. Sie widersetzt sich mir, treibt mich in den Ruin und hurt in aller Öffentlichkeit mit Fremden."
„Ihr habt mich gezwungen, Georg zu verführen."
„Wenn du schon die Beine breit machst, sollte der Kerl danach auch nach dir schmachten."
Madame Jeverbruch stellte sich zwischen Johanna und ihren Vater. „Was ist nur mit dir? Sieh doch, wie du redest. Was ist aus deiner Ritterstugend geworden?"
„Tugend füllt den Bauch nicht."
„Ich werde zu meiner Mutter zurückgehen und Johanna mit mir nehmen."
„Die ist doch genauso verarmt wie du selbst!" Er ergriff Madame Jeverbruchs Schulter und warf sie zur Seite, ehe er Johanna das Kleid vom Leib riss. „Und jetzt zieh dieser Hure ein einfaches Gewand an, auf das ihre Freier sie nicht für eine feine Dame halten!"
Johanna zog sich schluchzend zurück, bedeckte ihre Blöße mit einer Decke. Es klopfte höflich an der Tür. „Wer stört?"
„Baron Bocken hier", hörte Johanna die dumpfe Stimme durch die Tür.
Sir Jeverbruchs Kopf ruckte in Richtung der Kleidertruhe und Johanna holte sich einen schlichten Überwurf.
„Kommt herein."
Herr Bocken neigte den Kopf vor den Anwesenden. Er nahm keinen Anstoß an Johannas Tränen und ihrer Mutter, die nicht minder verstört dreinsah. Ungefragt nahm er neben dem Tisch Platz und streckte die Füße aus. „Ihr scheint familiäre Probleme zu haben?"
„Das ist nicht Euer Belang", erwiderte Sir Jeverbruch.
„Ich kann mir vorstellen, dass die entgangene Hochzeit Euch einiges an erwarteten Einnahmen genommen hat."
„Seid ihr gekommen, um mich kränken?" Die Hand des Ritters ruhte auf dem Knauf seines Schwerts.
Bocken bedeutete dem Ritter, sich zu setzen. Seine Dreistigkeit siegte und er folgte seiner Aufforderung und setzte sich breitbeinig ihm gegenüber hin. „Eure Unterkunft spricht Bände über Eure finanzielle Situation."
Sir Jeverbruch verengte die Augen und tippte energisch mit dem Zeigefinger auf den Tisch. „Mit mangelnden Einnahmen solltet Ihr Erfahrung haben, werter Herr. Euer Amt muss teuer gewesen sein."
„Es ist einträglich genug, um sich über Wasser zu halten."
„Was wollt Ihr, Bocken?"
„Eure Tochter."
Sir Jeverbruch lachte humorlos. „Ihr wünscht, sie zu ehelichen?"
„Nein, das wäre eine schlechte Partie. Erst recht jetzt, nachdem sie öffentlich entehrt wurde."
„Wenn ihr zwischen ihre Beine wollt, redet mit Madame Huker. Dort wird sie in Zukunft ihre Tage fristen."
„Ich dachte eher an eine Anstellung. Ich könnte eine Dienstmagd gebrauchen."
Johanna hatte keine Lust, bei diesem Widerling im Haus zu leben. Außerdem war es unter ihrem Stand. Es war nicht absonderlich, dass eine junge Adlige die Regeln der feinen Gesellschaft in hohen Häusern erlernte. Doch bei einem einfachen Baron; das war würdelos. Allerdings um einiges besser als in einem Bordell. Doch so wie sie diesen Bocken einschätzte, konnte es durchaus sein, dass er seine Rechte als ihr Dienstherr überschritt.
„Was hätte ich davon, wenn Ihr meine Tochter bei Euch aufnehmt?"
„Ein Maul weniger zu stopfen und ein geringfügiges Einkommen für Eure Tochter. Außerdem wollt Ihr wirklich, dass bekannt wird, dass Ihr Euer eigenes Blut ans Hurenhaus verkauft?"
Sir Jeverbruch presste die Lippen zusammen. „Ich erwarte, dass Ihr mich für ihren Verlust entschädigt."
Baron Bocken lächelte siegessicher. „Klingt, als kämen wir ins Geschäft."
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