
34. Brennendes Feuer und Falltüren
Ich fühle mich schwach, doch richte mich trotzdem langsam auf. „Tut mir leid mit eben! Ich... manchmal ist mein Körper etwas komisch.."
Ich sehe zu ihm auf und merke, dass sich neben seiner Besorgnis auch noch andere Empfindungen sichtbar machen.
Er scheint immer noch überwältigt von meinem hemmungslosen Überfall zu sein, doch gleichzeitig auch, dass meine Worte langsam zu ihm hindurch sickern, denn er runzelt seine Stirn.
Das war echt unverzeihlich von mir. Was habe ich ihm damit nur angetan? Immerhin weiß ich, dass es ihm nicht egal ist.
Er sieht mir intensiv in die Augen, welche ich aber schnell von ihm abwende und in die Umgebung schweifen lasse. Erschrocken stelle ich fest, dass ich nicht sonderlich viel sehen kann.
Ich bin mir sicher, dass etwas weiter hinten eben noch ein Busch stand, doch jetzt ist dort nichts als nächtliche Schwärze. Panik macht sich wieder in mir breit.
Ich muss diesen Ring so schnell wie möglich wieder abbekommen! Ich will aufspringen, werde aber sofort von Nilo zurückgehalten, indem er mich zurück auf den Boden drückt.
Diesmal lösen seine Berührungen allerdings nichts in mir aus. „Du solltest liegen bleiben! Ich hole dir lieber einen Krankenwagen!"
„Was?" erschrocken sehe ich nun doch wieder zu ihm auf, welcher mich immer noch aus großen Augen anstarrt.
„Nein! Mir geht wieder gut! Wirklich, glaube mir, ich brauchen keinen Krankenwagen, mir passiert das manchmal! Denke dir nichts dabei, das habe ich dir doch schon gesagt!"
Ich weiß, dass er versteht, dass ich damit auch auf die Situation davor anspiele. „Was passiert dir manchmal?"
Ich presse meine eine Hand zu einer Faust und verstecke sie etwas neben meinem Bein, da ich im Augenwinkel sehe, wie stark der Ring in der Dunkelheit zu leuchten begonnen hat.
Es sind wieder diese unglaublich schönen lebendigen Farben. Gleichzeitig fühlt sich der Ring so an, als würde er sich mit jedem Augenblick immer fester um mich schließen.
„Na ja, ich glaube, du weißt, was ich meine... Es... tut mir leid Nilo! Ich... ich muss jetzt los und du auch! Die Pause ist bestimmt gleich vorbei!"
Sein Gesichtsausdruck lässt mich erkennen, dass er daran überhaupt nicht mehr gedacht hatte. Denn er sieht kurz über seinen Rücken auf die Tür, wendet sich dann aber schnell wieder mit einem Lächeln mir zu.
„Hast du etwa diese Krankheit, wo man bei Küssen ohnmächtig wird?" Er sieht glücklich aus, als er das Wort küssen ausspricht. Bei mir jedoch zieht sich bei dem Gedanken daran alles nur noch weiter zusammen, als sowieso schon.
Wie konnte ich das nur zulassen? Jetzt denkt er vermutlich, ich wollte das so. Immerhin bin ich dabei nicht gerade unleidenschaftlich vorgegangen. Oh verflucht....
Ein Schmerz zuckt wieder durch meinen Körper und reißt noch ein Stück weiter von mir in den Stein, sodass ich keuche.
„Ich muss los und du solltest auch zurück!" Bevor er irgendwas sagen kann, rappele ich mich auf, um Abstand zwischen uns zu bekommen. Diesmal war ich schnell genug, bevor er mich aufhalten kann, stolpere aber trotzdem taumelnd gegen die Wand.
Nilo, macht es mir sogleich nach und hält mich fest, als würde ich sonst umfallen, was möglicherweise gar nicht mal so unrealistisch ist. „Bist du dir sicher, dass es dir besser geht?"
Er stützt mich, auch wenn ich inzwischen eigentlich wieder ziemlich gut auf meinen Beinen stehe.
Darum streife ich seine Hand von meinem Arm und nicke. „Ja Nilo, tut mir leid wegen eben!" Bevor er dazu etwas sagen kann, zwänge ich mich an ihm vorbei durch die Tür und stolpere die hinteren Gänge entlang, bis ich in dem überfüllten Raum ankomme.
Dieser allerdings folgt mir auf dem Fuß. „Anella warte!" Er fasst mich bei der Hand und zwingt mich so anzuhalten.
Dieser dumpfe Schmerz in mir ist so drückend und scheint von Moment zu Moment wieder an Größe zuzunehmen, sodass ich nach Luft ringe, es sich allerdings so anfühlt, als wäre diese ebenfalls leer.
„Ich denke, du solltest jetzt zurückgehen!" Ich nicke in Richtung Menschen, von wo aus uns gerade Simo entgegengeeilt kommt und entziehe ihm wieder meine Hand. „Da seid ihr ja! Nilo, wir wollten dich gerade schon suchen gehen. Es geht gleich los!"
Er lächelt, doch als er mich sieht, runzelt er verwundert die Stirn. "Was ist? Geht es dir nicht gut?" Ich beiße mir auf die Lippe und nicke.
Die Geräusche des Cafés wirken auf einmal viel gedämpfter, sodass sie nur noch im Hintergrund stattfinden. Auch die Gerüche sind nicht mehr so intensiv wie eben noch.
„Ja, ich denke, ich werde jetzt nachhause fahren!" „Was? Du willst doch jetzt nicht ernsthaft mit deinem Fahrrad fahren?" Nilo sieht mich ungläubig an, da er schließlich als einziger weiß, dass ich gerade ohnmächtig geworden bin und mich davor auch ziemlich seltsam verhalten habe.
„Äh.. nein. Meine Eltern holen mich sicher ab!", lüge ich, da ich sie ganz bestimmt nicht anrufen werde.
Nilo und Mo tauschen kurz Blicke aus, ehe sie sich wieder mir zuwenden. „Wieso sollst du nicht mit dem Fahrrad fahren?" Simo sieht etwas verwirrt aus, betrachtet mich dann aber genauer, als wäre mir die Antwort auf die Stirn geschrieben, sodass er langsam zu nicken beginnt.
„Erzähl' ich dir später!" Sage ich, während er immer noch nickt. „Okay, mach keinen Unsinn und fahr wirklich mit deinen Eltern, du siehst ziemlich bleich aus!" Ich schlucke, als mir bewusst wird, wie gut Mo mich anscheinend durchschaut.
Ich muss tatsächlich halb lächeln als ich ihm antworte. „Klar, aber ihr macht jetzt erst mal die Bude hier heiß. Ihr seid echt talentiert!" Er grinst und auch auf Nilos Gesicht erkenne ich ein Grinsen, welches aber eher so aussieht, als würde es sich nicht nur auf die Worte von eben beziehen.
Mist, ich mache es nur noch schlimmer. „Leute, kommt ihr?" Jim steht etwas weiter hinten und sieht die beiden auffordernd an. Seine dunkele Haut wird von Licht warm angeleuchtet, doch wirkt irgendwie viel blasser als normalerweise.
Ebenso wie alles, was mich umgibt. Irgendwie sind die Farben ganz anders. Ich fühle den Ring brennend schwer an meinem Finger und kann es kaum noch abwarten ihn wieder abzustreifen.
„Ich sage den anderen schnell Bescheid, dass ich weg bin".
Als ich danach taumelnd auf die Straße trete, laufe ich schnell an meinem Fahrrad vorbei durch die Gasse. Sie haben recht, zum Fahrrad fahren bin ich wirklich nicht gerade in einem guten Zustand.
Stattdessen nehme ich den letzten Bus, welcher zum Glück noch fährt. Ich traue mich, solange ich noch in der Stadt bin, nicht den Ring abzunehmen, da ich nicht weiß, wie stark das Brennen in mir noch sein wird.
Ich habe heute einfach alles falsch gemacht, was ich nur falsch machen kann.
Als ich an der Station, in der Nähe des Waldes aussteige, laufe ich direkt darauf zu. Ich muss unbedingt zu der Lichtung und mein Amulett holen!
Das Problem ist nur, dass ich in der Dunkelheit rein gar nichts sehen kann und meine Beine auch nicht gerade in ihrer besten Verfassung sind, sodass ich immer wieder irgendwo gegen laufe, mich irgendwo aufschürfe und verzweifelt meine Augen zusammenkneife.
Muss ich jetzt wirklich mein Handy als Taschenlampe benutzen? Das war schließlich noch nie der Fall. Bis jetzt habe ich es immer ohne geschafft.
Doch meine Augen lassen es einfach nicht zu im Wald genug zu erkennen, da der Himmel etwas bewölkt ist.
Ich krame es aus meiner Tasche und stelle verwundert fest, dass es etwas weniger kribbelt, als normalerweise.
Ich schalte die Taschenlampe an und werde sogleich von einem Licht geblendet, welches sich unangenehm in meine Augen beißt, doch ich laufe so schnell es meine Beine und mein Gleichgewichtssinn zulassen weiter.
Ich merke, dass die körperliche Anstrengung, nicht gerade dazu beiträgt, dass es mir besser geht. Der Ring scheint immer noch von meiner Energie zu zehren, sodass ich, obwohl ich an den Bäumen vorbeilaufe und mit meinen Fingern über ihre Rinde streiche, kein bisschen Energie von ihnen erhasche.
Entsetzt erstarre ich für einen Moment, als mir das Ausmaß klar wird.
Was, wenn sich meine Vermutung bestätigt und ich, sobald ich den Ring zu lange an mir trage, möglicherweise tatsächlich sterben würde? Denn die Bäume sind ein Teil meiner Nahrung, welche ich zum Überleben brauche und wenn ich keinen Zugang mehr zu dieser habe...?
Ich mache die Taschenlampe aus und starre auf meinen Ring, welcher als einziges ein wenig leuchtet und sich so fest an meinen Finger geschweißt hat, dass es sich beinahe so anfühlt, als wären sie miteinander verschmolzen.
Panisch versuche ich ihn von meinem Finger zu streifen, doch er sitzt so fest, dass ich es nicht schaffe. Verdammt.
Ich laufe weiter, um endlich bei der Lichtung zu sein. Ich bin mir sicher, dass ich mich dort besser fühlen werde und dann vielleicht mehr Kraft habe, um den Ring von meinem Finger zu bekommen. Ich muss unbedingt wieder das Amulett bei mir haben!
Vielleicht kann Tyrian mir ja verraten, was mit mir los ist?
Als ich die Lichtung zwischen den Bäumen hindurch erkenne, mache ich meine Taschenlampe aus und trete durch die Schatten.
Alles ist so dunkel. So leer. Erschrocken merke ich, dass ich keinerlei Magie wahrnehmen kann, welche sonst immer diese Lichtung erfüllt.
Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und scheint ihn von innen heraus auszubrennen. Nein!
Der Ring muss ab - sofort!
Ich fasse nach ihm und versuche ihn von meinem Finger zu lösen, doch er rührt sich keinen Millimeter. Panisch versuche ich all meine Kraft zusammenzukratzen, um ihn von mir zu streifen, doch es nützt nichts.
Mir treten Tränen in die Augen und ich beiße mir schmerzhaft auf die Unterlippe. Verdammt, verdammt, verdammt.
Er muss ab, bitte! Wieso sitzt er verdammt nochmal so fest? Ich sacke auf meine Knie und ziehe mit aller restlich verbliebenen Kraft an dieser eisernen Klaue, welche sich anfühlt wie in Vakuum an meinen Finger geschweißt.
Nein-nein-nein!!!
Ich merke, wie mir die Tränen die Wange hinunterlaufen und dort brennende Spuren hinterlassen. Was habe ich nur getan? Ich hätte einfach vorhin viel früher gehen müssen. Wieso habe ich das alles zugelassen?
Ich bin so dumm, so dumm...
Ich reiße an dem silbernen Metall und denke dabei an ein Wesen, welches sich in einem Sumpf befindet und ersticken wird, wenn ich es nicht schaffe es rechtzeitig heraus zu ziehen.
Es ist nicht nur irgendjemand, denn plötzlich klärt sich das Bild vor meinen Augen und ich sehe Tyrian, welcher mir seine Hand entgegenhält.
Ich muss es schaffen, denn ich weiß, dass ich ihn, wenn ich es nicht tue, nie mehr wieder sehen werde.
Mit einem knatschenden Saugen bewegt sich der Ring ganz langsam, Stück für Stück von meinem Finger.
Es ist so langsam, dass ich nicht weiß, ob ich es mir nur einbilde, doch ich darf jetzt nicht aufgeben, sonst weiß ich, dass er sich nur noch fester saugen wird.
Mit zusammengepressten Zähnen zerre ich an meinem Finger und unterdrücke den Schmerz, welcher dabei entsteht.
Dann bricht plötzlich eine gewaltige Welle über mich zusammen, sodass ich augenblicklich zusammenbreche und in einen traumlosen Schlaf gleite.
Als ich zitternd meine Augen öffne, blinzele ich verwirrt, als ich den klaren Sternenhimmel über mir erkenne. Mein Körper fühlt sich außerordentlich erschöpft an, doch längst nicht so sehr, wie vorhin noch.
Panik macht sich in mir breit, als die Erinnerung wieder auf mich einströmt und erschrocken nach Luft schnappen lässt. Schnell reiße ich meine Hand nach oben, um auf meinen Finger zu starren.
Dabei ertönt das laute Rascheln von trockenem Laub, welches meinen Blick kurz verwundert nach unten schweifen lässt, dann jedoch schnell wieder zu meinem Finger wandert.
Erleichtert stelle ich fest, dass er frei ist. Ich atme tief ein und spüre die klare Nachtluft in meiner Lunge. Alles in mir scheint aufzuatmen.
War das alles etwa nur ein böser Traum? Etwas hartes kühles in meiner anderen Hand lässt mich allerdings von dieser Annahme zurückgleiten.
Es fühlt sich ziemlich nach dem Ring an, welchen ich, wie es aussieht, fest mit meiner Hand umklammere, als würde sie immer noch an ihm ziehen, obwohl mein Finger längst wieder von ihm befreit ist.
Entsetzt bewege ich auch diese Hand zu mir hinauf und registriere wieder, dass dabei ein lautes Rascheln ertönt.
Hatte ich mich nicht ins weiche Gras auf die Wiese gelegt?
Ein Blick zur Seite bestätigt mir meine Vermutung, denn ich sehe hohe Gräser, welche sich in der Nacht geisterhaft hin und her wiegen.
Als ich mich raschelnd ein wenig aufrichte, erkenne ich auch die Esche weiter hinten und fühle sofort einen kleinen Windhauch, welcher mir liebevoll über die Wange streift.
Ich schließe meine Augen und merke, wie eine kleine Last von mir abfällt. Ich muss das Amulett holen! Wie konnte ich es nur alleine lassen?
Als ich aufstehen will, fährt mein Blick hinunter zu meinem Körper, welcher über und über mit einer dicken Schicht trockenem Laub von letztem Herbst bedeckt ist.
Verwundert betrachte ich das viele Braun, welches sich direkt über mir auf der Wiese gesammelt hat, obwohl gar kein Laubbaum in unmittelbarer Nähe steht.
Es sieht aus wie eine Decke, unter welcher ich nicht so friere. Wie sind sie hier hergekommen?
Sprachlos und etwas irritiert sehe ich mich um, ob vielleicht auch noch an anderen Stellen Blätter liegen, welche der Wind dorthin geweht hat. Doch dort ist alles normal.
Der Wind...! - Tyrian!
Ich blicke wieder auf und sehe mich unnötigerweise auf der Lichtung um. Natürlich kann ich Tyrian nicht sehen, doch ich weiß, dass er da ist, als plötzliche wieder einige Blätter vom Wald aus durch die Luft fliegen und sich luftig taumelnd auf mir niederlassen.
„Tyrian, bist du das?"
Er hat mich zugedeckt... Ich merke wie sich schon wieder Tränen in meinen Augen bilden wollen und auch ein leicht dämliches Grinsen sich auf meine Lippen stehlen will.
Das ist so... süß.
Ich taste nach meiner Tasche, welche sich ebenfalls unter den Blättern verborgen befindet und verstaue den Ring in ihr, ehe ich vorsichtig aufstehe und zur Esche laufe.
Abgesehen davon, dass ich extrem müde bin und mir trotz der Blätter ein wenig kalt geworden ist, fühle ich mich wieder etwas besser als vorhin.
Ein wenig aufgeregt gelange ich zu der Esche und fühle eine leichte Angst in mir aufkeimen. Was, wenn das Amulett nicht mehr da ist?
Als ich meine Hand in den flimmernden Baum halte, merke ich, wie sich diese mit den Energien aufzuladen beginnt, sodass ich kurzentschlossen vollends mit meinem ganzen Körper den hohlen Baum betrete.
Ich löse mich halb auf und merke, wie sich alles in mir mit der Energie verbindet und sozusagen auflädt, indem wir eins werden.
Es tut so gut, dass ich eine ganze Weile einfach nur in dem Baum stehe, ehe ich wieder nach draußen trete und mit meiner Hand an mein Dekolleté fasse.
Erleichtert fühle ich das Amulett, welches sich weich auf meine Haut legt und in den wunderschönen Farben des Mondes und so vielem mehr erstrahlt.
***
Ich bin gerade so im Schreibfieber, dass ich gestern Abend tatsächlich fast noch ein ganzes zweites Kapitel geschrieben habe.
Irgendwie kann ich gerade einfach nicht aufhören.
Was hättet ihr an Anellas Stelle getan? Wärt ihr auf das Konzert gegangen?
<3
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