KAPITEL 50
Song Empfehlung:
Time After Time von Sam Smith
Jordan
Ob ich nervös bin? Fuck ja. Ein weiteres Mal streiche ich über meinen schwarzen Smoking. „Drück einfach die Klingel du Idiot.", brumme ich vor mich hin, doch da wird sie auch schon aufgerissen. Noah's Dad. Fuck. Er war nicht so begeistert, dass uns Noah's Mom beim Sex erwischt hat. Er schaut mich seitdem extrem sträng und vor allem abschätzend an. Ich weiß, dass er mich mag, doch ich schlafe mit seinem Sohn. Anscheinend fand er die Vorstellung nicht so toll, dass ich meinen Schwanz in seinen Hintern stecke. Nun, jedenfalls ist sein Händedruck mittlerweile knochenbrechend. Das ich ihm versichert habe, dass ich Noah liebe, war ihm anscheinend egal. Mich verwundert es trotzdem absolut, dass keiner was dagegen hat, dass wir eigentlich zwei Kerle sind. Selbst Hayley hat gequietscht und gelacht, als sie es rausgefunden hat. Verdammt war das unangenehm. Sie hat kein Geheimnis draus gemacht, dass sie es anscheinend schon einige Zeit wusste. „Jordan.", grummelt sein Dad und tritt zur Seite um mich rein zu lassen. „Du sollst hier warten, er kommt gleich.", meint er und deutet auf den Flur. Ich nicke und bewege mich, unruhig vor Nervosität, hin und her. Anders als gedacht, bleibt sein Dad stehen und mustert mich mit verschränkten Armen. Na toll. „Gehts dir gut?", frage ich ihn, auch wenn das Du mittlerweile mehr als unangenehm ist, trotzdem hat mich dieser Mann aufwachsen sehen und er war manchmal eine Art Vater für mich. Doch jetzt... Es ist einfach verdammt komisch. „Wie man's nimmt.", antwortet er. Ja, das ging wohl daneben. Fuck, ich sollte einfach still sein. Ungeduldig schaue ich auf meine Armbanduhr. Als sich oben etwas tut, hoffe, nein bete ich, dass Noah herunterkommt. Doch Hayley stolziert glücklich die Treppe herunter und lässt damit meine Hoffnung verpuffen. Sie ist auch auf den Ball eingeladen wurden. Irgendein Typ aus unserer Jahrgangsstufe. Sie sehen sich aber erst beim Ball. Ein hübsches pastellviolettes Kleid umschmeichelt ihren Körper. Hayley ist ein wirklich ausgesprochen hübsches Mädchen, doch mittlerweile reizt mich nichts mehr an einem Frauenkörper. Ich mache ihr trotzdem ein höfliches Kompliment, was sie dankend annimmt, ihr Vater mir daraufhin jedoch nur noch mehr einen vernichtenden Blick zuwirft. Unangenehm kratze ich mich am Kopf. Als dann endlich, und oh mein Gott bin ich erleichtert, Noah herunterkommt. Er trägt einen dunkelgrünen Anzug, mit einem schwarzen Einstecktuch, sowie ich ein dunkelgrünes habe. Ich muss einfach grinsen. Er sieht toll aus. Seine Arme schlingen sich breit grinsend um mich, was ich ihm gleichtue. Tief sauge ich seinen intensiven Geruch ein, setze sanft einen Kuss unterhalb seines Ohr's und flüstere dann: „Du siehst toll aus, Liebling." „Danke. Schwarz?", fragt er nach meiner Anzugfarbe. „Natürlich.", lache ich und fahre sanft über seine Schulter zu seinem Nacken. Eigentlich wollte ich ihn küssen, da ich unsere Umgebung schon wieder komplett vergessen habe, werde aber von einem Räuspern unterbrochen. Noah's Dad sieht mich warnend, mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Sofort löse ich mich wieder von ihm. „Sei nicht so.", meint Noah's Mutter und schlägt ihrem Mann, liebevoll tadelnd auf die Brust. „Na los, rückt zusammen, ich mache ein Bild.", grinst sie und wir stellen uns auf, mit Noah in der Mitte. Ich mag es nicht unbedingt, wenn man Bilder von mir macht, weswegen ich ganz froh bin, als es auch wieder vorbei ist. „Habt Spaß.", meint seine Mom, winkt uns noch glücklich aber mit Tränen in den Augen zu. „Um 23 Uhr seid ihr wieder hier.", meint sein Dad sträng, der neben ihr steht. Hektisch nicke ich, als ich Noah und dann Hayley die Tür aufhalte. Als ich im Auto sitze, atme ich erleichtert aus. „So schlimm?", fragt mich Noah, lacht jedoch. „Ja. Ja. Lach nur. Du musst die strafenden Blicke deines Vaters nicht ertragen.", grummle ich. Selbst Hayley fängt an zu lachen, was mir nicht gefällt. Ich kann den beiden, aber auch nicht lange böse sein. Noah's Nähe suchend, lege ich meine Hand auf seinen Oberschenkel und genieße seine Wärme, besonders, als er seine Hand über meine legt. Die Fahrt ist lustig, wegen den Witzen von Hayley und der guten Musik. Es ist entspannend, ausgelassen und ich fühle mich glücklich. Ja, auch irgendwie angekommen. Es dauert nicht lange, bis wir an der Schule eintreffen. Hayley springt beinahe aus dem Auto, um ihre Begleitung zu suchen und ich bleibe mit Noah noch etwas sitzen. Für uns ist dieser Moment wichtig, entscheidend, aber auch irgendwie nicht. Es kommt einem Outing gleich, da jetzt mit ihm rein zu gehen. Nicht als Freunde. Als Liebende. „Sind wir dafür beiert?", fragt er und hat den Blick aus der Frontscheibe gerichtet. Ich drücke seine Hand. „Ich bin glücklich, solange du bei mir bist.", murmle ich und führe seine Hand zu meinen Lippen. Er lächelt. Es ist so ein Lächeln der Sorte, was einem die Kraft gibt, gegen eine ganze Armee ankämpfen zu können. Tief durchatmend steigen wir aus und ich nehme seine Hand. Führe ihn sicher zum Eingang. Die Sonne ist am untergehen und scheint uns eine sanfte Röte zu schenken. Bereit für alles, schreite ich mit ihm durch den Eingang der Sporthalle. Doch gerade als wir in die Menschenmasse treten wollen, löst Noah plötzlich seine Hand von meiner und greift meinen Arm, so wie früher. So wie Freunde. Fragend sehe ich ihn an, wollte wissen was los ist, öffne schon den Mund, werde aber von meinen Freunden unterbrochen. „Hey Mann! Wo warst du die ganze Woche?", wollen meine Teamkameraden wissen, die absolut keine Notiz von Noah nehmen. „Ich war krank.", schwindle ich. „Ja ne, ist klar Mann.", lachen sie und klopfen mir auf die Schulter. Ich verstehe Noah's Reaktion nicht. Ist er sich doch nicht mehr sicher? Hat er Angst? Wieso sollte er? Ich habe mich für ihn entschieden, in allen möglichen Aspekten. „Bist du hier mit deiner neuen Flamme?", wollen sie wissen und ziehen uns zur Bowle. „Was für eine neue Flamme?", frage ich verwirrt. Sie können unmöglich von Noah wissen, außerdem würde das auch keinen Sinn ergeben. „Na von der die ganze Schule redet. Mit der du auf der Party rum gemacht hast und Betty euch erwischt hat?" Ich bemerke beinahe augenblicklich, wie Noah sich verkrampft und niedergeschlagen auf den Boden sieht. Wusste er davon? Hat er das etwa geglaubt? Wieso hat er das nie erwähnt? Tausend Fragen schwirren mir im Kopf rum. Doch ich muss mich nun beruhigen, Noah sollte wissen, wie es wirklich passiert ist. „Ich habe nicht einmal eine Ahnung wer das war. Ich war in der Küche und habe etwas aufgeräumt, als ein sturzbetrunkenes Mädchen zu mir kam und irgendwas von Gefühlen geredet hat. Ich hatte sie nicht einmal richtig verstanden, doch gerade, als ich sie abwimmeln wollte, presste sie ihre Lippen auf meine. Betty kam genau in diesem Augenblick. Ich löste mich sofort von ihr. Sie hat sich danach auch mehrmals übergeben. Ganz sicher hatte das absolut nichts zu bedeuten und ich war eher angewidert. Das mit Betty war ein beschissener Zufall.", erkläre ich ziemlich laut, so dass es noch mehr Leute hören, da ich es hasse, wenn man falsche oder generell Gerüchte über mich verbreitet. Ich sehe kurz zu Noah und seine verspannten Schultern haben sich etwas gelockert, trotzdem sehe ich seine Verärgerung und etwas... Eifersucht. Noah ist eifersüchtig. Das lässt mich kurz schmunzeln, während meine Freunde schon wieder weiter reden, wie lächerlich das Mädchen war. „Hey Noah.", ruft eine mir zu bekannte Stimme. Verstimmt sehe ich auf und entdecke Blue, der immer noch ein prächtiges Veilchen trägt. Es steht ihm ausgesprochen gut, denke ich böse grinsend. Als er meinen vernichtenden Blick sieht, hält er inne, doch Noah löst sich von mir und will seiner Stimme entgegen laufen. Ich halte ihn am Ellenbogen zurück. „Darf ich kurz zu ihm?", fragt er mich um Erlaubnis. Es überrascht mich, denn Noah braucht meine Erlaubnis nicht und das weiß er, doch es erfüllt mich das er trotzdem fragt. Er weiß, dass Blue und ich wohl nicht mehr die besten Freunde werden, aber er scheint ihn trotzdem zu mögen. Sehr zu meinem Missfallen. Doch ich sollte ihm nicht verbieten, mit den Leuten etwas zu machen, bei denen er sich wohl fühlt. „Okay.", entkommt es mir widerstrebend und lasse seinen Ellenbogen aus meiner Hand gleiten. Um nicht wieder nach ihm zu greifen, versenke ich meine Hände in meinen Hosentaschen. Mein Blick liegt weiter bei Noah, der sich nun mit Blue angeregt unterhält, aber hält, sehr offensichtlich mir zu liebe, einen gebührenden Abstand von ihm. „Hörst du uns überhaupt zu, Alter?" Leicht genervt, sehe ich zu meinen Freunden. Ich weiß nicht wieso, doch mir erscheint es so, als wäre ich in dieser Woche um einiges gealtert. Als wäre ich an meinen Fehlern und auch meiner Liebe zu Noah gewachsen. Als wäre ich... erwachsen geworden. Meine Freunde erscheinen mir wie Kinder. Was ich nicht im bösen Sinne meine, doch meine Prioritäten liegen einfach anders, ich denke anders, ich fühle anders und ich weiß, dass es okay ist. Denn es ist Zeit für mich, den Jungen, der es allen immer nur recht machen wollte und immer das tat, was sein Vater für das Beste hielt, hinter mich zu lassen. Ich fühle mich bereit, Verantwortung für meine Entscheidungen zu übernehmen und ich fühle mich definitiv bereit, Dinge aufzugeben, um Noah zu haben. Vieles erscheint mir rückblickend so falsch. Dinge, die ich getan habe oder Entscheidungen, die ich getroffen habe. Doch die wohl absolut beste Entscheidung war es, Noah zu lieben. Niemals im Leben werde ich mich vollkommener fühlen, als in seiner Nähe.
~
Der Abend verstreicht nur langsam. Leider verbringt Noah viel zu viel Zeit bei Blue und ich werde das Gefühl nicht los, dass er es mit Absicht macht. Hayley musste bereits gehen, weil ihr Dad nicht erlaubt hat, länger zu bleiben. Soweit ich weiß, hat sie ihre Begleitung sicher nach Hause gefahren. Die meisten Tanzen mittlerweile mit ihren Partnern und ich habe das innerliche Bedürfnis, Anspruch auf Noah zu erheben und mit ihm zu tanzen. Doch Noah's Abstand verunsichert mich. Ich lehne mit meinen Freunden an der Theke und sie reden über irgendwas, was mich kaum interessiert. War es Football? Die letzte Party? Oder Sex?
„Denkst du, Betty und du kommt wieder zusammen? Sie scheint ja ziemlich erpicht darauf." Fragend sehe ich meine Freunde an. „Hast du das nicht mitbekommen?" Ich schüttle verneinend den Kopf. „Oh man, ich check's nicht, warum du mit ihr Schluss gemacht hast. Sie ist eine zehn von zehn.", meint Arron und ich verdrehe die Augen. „Für mich nicht. Außerdem sollte man Menschen nicht auf eine Zahl reduzieren.", murmle ich gelangweilt und trinke von meiner Cola. „Was ist denn nur heute mit dir los?", will Hayden wissen. „Hört mal Jungs. Betty ist ein nettes, hübsches Mädchen und jeder könnte sich glücklich schätzen sie zu haben, doch ich habe bereits jemanden, an den Betty niemals im Leben rankommen wird. Das ist nicht ihre Schuld, okay? Ich habe mich einfach für die Person entschieden, die ich bedingungslos liebe.", entkommt es mir etwas zu energisch und meine Freunde sehen mich erstaunt an. „Wow, du klingst, als wärst du erwachsen geworden, Turner.", lacht Ryan, der von uns der vernünftigste ist. „Ja, vielleicht bin ich das.", murmle ich und nippe an meiner Cola. „Und stellst du sie uns vor?", will Arron wissen. Meine Hand krampft sich um mein Glas und ich sehe zu Noah. „Es ist keine sie.", entkommt es mir, ohne meinen Blick von ihm zu nehmen. „Was? Wie meinst du das?" Blue hat sich mittlerweile Noah wieder genähert, hat seine Hand auf seinen Arm gelegt und am liebsten würde ich ihm ein neues Veilchen verpassen. Ich trinke mein Colaglas aus und stelle es lauter als beabsichtig auf den Tresen. Genervt wische ich mir die Flüssigkeit von den Lippen und gehe einfach geradeaus auf die beiden zu. Mein Gang ist wütend, fokussiert und man könnte meinen, ich bin breit für einen Kampf. Vielleicht ist es meine Aura, die ich ausstrahle, so voller Tatendrang und Entschlossenheit, die einige Blicke der umstehenden auf mich zieht. Denken sie wirklich ich würde das, was auf der Party passiert ist, wiederholen? Falsch. Diesmal mache ich das richtige. Diesmal mache ich das, was ich schon auf der Party machen wollte. Ich erhebe meinen Anspruch. Also packe ich Noahs Kopf, unterbreche ihn mitten im Satz und presse, ohne, dass er überhaupt verstand was passierte, meine Lippen auf seine. Es dauerte nur Sekunden als er realisiert, dass ich es war. Überraschung verwandelt sich zu Erkenntnis, diese in Schock, ehe er sich ruckartig zurück zieht und entsetzt schaut. „Was tust du denn da?", fragt er mich leise. Es ist niedlich wie seine Wangen zu glühen beginnen. „Zeigen, dass du Mein bist.", meine ich lächelnd, ohne zu bemerken, wie alle um uns still geworden sind, uns mit offenen Mündern anstarren und einfach nur absolut geschockt sind. „Sicher?", will er nochmal wissen und am liebsten würde ich ihn schütteln. „Noah.", knurre ich. „Schuldige...", piepst er und gerade als ich noch was erwidern wollte, ist er es, der mich küsst. Ich bin hier nicht der einzige der Anspruch erhebt. Ich nehme seine Wange in die Hand und die andere lege ich an seiner Hüfte ab, um ihn näher an mich zu ziehen. Seine Hände sind in meinen Haaren vergraben, so wie immer. Und wir vergessen, wo wir sind, wer wir sind und was wir sind. Es ist unerheblich. Ich habe ihn. Nichts anderes zählt.
~
Wir tanzen, den ganzen restlichen Abend. Tatsächlich haben wir Glückwünsche bekommen, ich ein Schulterklopfen meiner engeren Freunde und vor allem meiner Band, die verschlagen gegrinst haben. Die anderen blickten noch immer überrascht, aber irgendwann akzeptierten sie es und tanzten weiter. Betty blickte mich merkwürdig an. Eine Mischung aus Irrglaube, Erkenntnis und dann Akzeptanz, was ich niemals im Leben vermutet hätte. Sie schenkte mir sogar ein ganz leichtes, angehauchtes Lächeln. Wir tanzen eng aneinander und ich halte ihn einfach fest. „Jordan?", haucht er und ich schaue ihm ins Gesicht. Verwirrt runzle ich die Stirn. Er erscheint mir extrem blass. „Was ist, Liebling?", will ich besorgt wissen. „Irgendwas stimmt nicht.", entkommt es ihm leise. Sofort fängt mein Puls an zu rasen. „Wieso, was ist los?", will ich aufgeregt wissen. Panik macht sich in mir breit. „Mir ist... Ich kann nicht... Ich-...", plötzlich bricht er in sich zusammen, als wäre er einfach so eingeschlafen. „Hey! Noah!", sage ich sehr laut, was die Aufmerksamkeit umstehender auf uns zieht. Ich gehe in die Knie und lege ihn hin, um zu versuchen ihn wach zu rütteln. „Ruft einen Krankenwagen!", brülle ich laut, als er immer noch nicht aufwacht. „Noah!!", wiederhole ich seinen Namen und taste nach seinem Puls. Schwach aber noch da. „Noah wach wieder auf." Eine Traube bildet sich um uns. Blue und Barry knien sich mir gegen über, neben Noah. „Was ist mit ihm?", fragen sie mich aufgeregt. „Er ist ohnmächtig geworden.", erkläre ich und bin erstaunt, wie fokussiert ich bin. Ich hätte immer gedacht, dass ich in so einer Situation durchdrehe. Die Fassung verliere und wie ein Wrack zusammenbreche. Doch ich könnte Noah so nicht helfen, er braucht mich jetzt. Ich nehme sein leichenblasses Gesicht und bette es auf meine Oberschenkel. „Krankenwagen ist gleich da!", ruft jemand und ich nicke. Es kommt mir so bekannt vor. Genau solche Anfälle von Ohnmacht, hatte er auch als wir Kinder waren. Alles passiert nur noch in Trance. Ich reagiere völlig programmiert. Sanft streiche ich durch sein Haar, liebkose seine Wange und warte auf den Rettungswagen. Als sie da sind, erkläre ich ihnen, dass er ohnmächtig ist. „Hat er irgendwelche Vorerkrankungen?", fragt mich die Notärztin, als sie sich mit ihrem Kollegen zu meinem Liebsten runter knien. „Er hat Krebs.", entkommt es mir hauchend, als ich Noah's geschlossene Augen betrachte. Wie erschrocken mich Barry und vor allem Blue daraufhin ansehen, bemerke ich nicht. Es ist irrelevant. Sie fragt mich noch andere wichtige Sachen, auf die ich kaum eine Antwort weiß, gebe ihnen die Nummer seiner Eltern und bettle sie an, mich mitzulassen.
Das nächste was ich weiß ist, wie wir im Krankenwagen sitzen. Noah hat eine Infusion bekommen und ich umklammere seine Hand. Die Tränen spüre ich nicht, die über meine Wangen rollen. Mittleidig sieht mich die Rettungssanitäterin an. „Ist er dein bester Freund?", will sie wissen. Mein Blick schweift zu ihr, sie lächelt aufmunternd. „Er ist mein fester Freund.", kommt es krächzend von jemanden, doch nicht von mir. Sofort sehe ich zu Noah. Ruckartig falle ich ihm um den Hals. „Verdammt, tu' das nie wieder.", befehle ich und presse meine Nase in den Ansatz seiner Haare. Er keucht, so fest drücke ich ihn an mich. „Du zerquetscht mich.", röchelt er gespielt und ich lasse zögerlich von ihm. „Ich hätte nie gedacht sowas jemals wieder mit zu erleben.", meine ich leise und spiele damit auf unsere Kindheit an. Es war für mich immer so schrecklich. „Es tut mir leid.", sagt er leise. Schluckend sehe ich auf meine Hand, die noch immer um seine geschlungen ist.
„Bitte mach die OP Noah.", flehe ich nach einiger Zeit der Stille. „Jordan...", er seufzt. „Wenn du es nicht für dich machst, dann mach es für mich. Ich kann nicht ohne dich leben, Noah. Ich werde es nicht überleben ohne dich zu sein.", Tränen laufen mir übers Gesicht. Qualvoll schließt er die Augen. „Was ist, wenn ich bei der OP sterbe?", will er dann wissen und ich senke den Kopf. „Dann sterbe ich auch." „Verdammt, sag doch sowas nicht! Das ist viel zu dramatisch.", flucht er und verdreht die Augen. „Du bist mein bester Freund. Die Liebe meines Lebens, okay?! Und ja, das ist dramatisch, aber die Wahrheit ist es auch." Er schweigt. „Du weißt, dass ich dich auch liebe. Selbst, wenn ich nicht mehr bin.", murmelt er und gibt mir damit seine Antwort. Die Tränen schmerzen, da ich sie so heftig versuche zurück zu halten. „Ich hatte vor zwei Tagen einen Traum...", fange ich leise an zu erzählen und beobachte meinen Daumen, der über seine weiche Haut streicht. „Wir waren alt. Sehr alt. Hässlich, alt und... glücklich. Erinnerst du dich noch an das Feld, in dem wir lagen und du mir sagtest, dass du mich liebst?", will ich wissen und er nickt schwach. Eine Träne kullert seine Wange runter. „Wir lagen dort, wie vor ein paar Wochen und du hast mir die Sternbilder erklärt. Mir gesagt wie sie aussehen, während meine Augen nur auf dich gerichtet waren. Du warst so wunderschön...", ich schlucke den Klos in meinem Hals runter. „Noah, meine Liebe zu dir ist bedingungslos und selbst, wenn du dich dagegen entscheiden solltest, die OP zu machen, werde ich immer an deiner Seite bleiben. Meine Liebe wird nur dir gelten und selbst, wenn ich an deinem Verlust zerbreche, will ich, dass du weißt, dass die beste Entscheidung meines Lebens war, dir gesagt zu haben, dass ich dich liebe. Mich gewagt zu haben, dich zu lieben. Dich als meinen besten Freund auserkoren zu haben. Ich will, dass du weißt, dass es sich für dich lohnen würde... zu leben." Mehr sagte ich nicht, wir schwiegen die ganze Fahrt über. Meine Augen konnte ich nicht auf sein Gesicht richten. Vielleicht hätte es mich erstaunt, dass ich mit meinen Worten, selbst die Notärztin zu Tränen gerührt habe. Doch worin ich mir sicher war ist, dass ich mich nun freier fühle. Mir ist klar, dass Noah selbst die Entscheidung für sein Leben treffen muss und egal wie sehr ich ihn liebe, egal wie sehr ich ihn für immer bei mir haben will, es zählt nur Noah. Nur sein Glück, seine Entscheidung, sein Wille. Es ist Noah, auf den es ankommt. Es ist Noah, der es schon immer verdient hat, bedingungslos geliebt zu werden. Und es ist Noah, der von mir bedingungslos geliebt wird.
Als er mit der Liege ins Krankenhaus reingeschoben wird, empfängt uns sein Arzt, den ich noch von Kindertagen her kenne. „Ich hatte gehofft, euch beide nicht so bald wieder zu sehen.", begrüßt er uns und drückt unsere Schultern. „Doc?", fragt ihn Noah, und schaut gegen die Decke. „Ja, Noah?", erwidert er, während er die Unterlagen durchgeht, die ihm die Notärztin gegeben hat. Bevor sie gegangen ist, schenkte sie mir noch ein Lächeln, was ich nicht ansatzweise beschreiben kann. „Machen Sie die OP.", sagt er kräftig, klar und vollkommen selbstsicher. „Wie bitte?", will der Arzt überrascht wissen. „Ich habe mich dafür entschieden und ich hoffe, es ist noch nicht zu spät." „Bist du dir sicher, Noah?" Er nickt. „Ich werde sofort einen OP-Raum anfordern und noch heute operieren, weil es morgen schon zu spät sein könnte.", antwortet und übergibt an jemanden weiter, ehe er davon eilt. „Bist du dir sicher??", will ich von ihm wissen. „Ich will nicht, dass du es jetzt nur wegen mir machst.", meine ich und streiche eine Träne von seiner Wage. „Aber es gibt doch keinen besseren Grund, als dich. Ich will, dass dein Traum wahr wird.", flüstert er und schmiegt seine Wange in meine Hand. Erleichtert beuge ich mich zu ihm runter und lehne meine Stirn an seine.
Man könnte mich nun doch ein nervliches Wrack nennen. Sie bereiten gerade alles für die OP vor und wohl am schwersten ist es, dass uns noch Zeit gegeben wurde, uns von Noah zu verabschieden. Ich bin draußen geblieben, als seine Eltern und seine Schwester bei ihm waren. Wie sie völlig aufgelöst her geeilt sind. Keine Eltern der Welt sollten sowas durch machen.
Als seine Eltern und seine Schwester rauskommen, sind sie alle Tränen überströmt und doch, scheinen sie mir ruhig. Als hätte Noah etwas zu ihnen gesagt, was ich wohl nie im Leben rausfinden werde. Überrascht sehe ich, wie eine Krankenschwester ihn bereits rausfährt. Warte! Ich sollte doch noch die Möglichkeit heben, etwas zu sagen! „Hey, ich wollte noch mit ihm reden!", meine ich und eile ihr hinterher. Vor dem Eingang zum OP, bleibt sie genervt stehen und wendet sich zu mir. „Eine Minute.", brummt sie. Schnell gehe ich an Noahs Seite, der schon etwas müde wirkt. „Hey.", hauche ich und sehe in sein geliebtes Gesicht. „Hey.", haucht er. Seine Eltern und seine Schwester stehen ungefähr zwei Meter von uns entfernt. Sie halten sich gegenseitig. „Du packst das.", flüstere ich lächelnd, kann die Träne aber nicht aufhalten. Er streckt seine Arme aus und ohne zu zögern, lehne ich mich vor und nehme ihn noch einmal fest in den Arm. Presse ihn an mich. Sauge noch einmal seinen lieblichen Duft ein. Küsse noch ein letztes Mal seine weiche Haut am Hals. Flüstere noch ein letztes Mal „Ich liebe dich.", in sein Ohr und berühre noch ein letztes Mal seine Lippen. Sehe ihm noch ein letztes Mal in die Augen. Und sehe ihn noch ein letztes Mal, so voller und uneingeschränkter Liebe an. Küsse seine Hand, lasse meine Finger aus seinen gleiten. „Ich liebe dich.", sagt er leise. Und ich erwidere. „Bis zu den Sternen und zurück."
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