KAPITEL 16
Noah
Ich sitze auf einen ziemlich abgeranzten Sessel in einer Hütte im Garten, neben mir Jordan, auf ihm... Betty. Es ist eindeutig zu hören, wie sie sich schon seit einer geschlagenen Stunde die Zunge in den Hals stecken. Um uns kiffen die meisten und trinken, während ich diesmal schön bei meiner Cola bleibe. Sie schmeckt billig, aber was soll ich machen. „Lasst uns ein Spiel spielen.", schlägt Blue vor und einige stöhnen genervt auf. Mich interessiert es nicht besonders. „7 Minuten im Himmel oder doch lieber Wahrheit oder Pflicht?", fragt ein Mädchen, dass mir ziemlich unbekannt ist. Hier sind insgesamt vielleicht so fünfzehn Personen, von denen mir zehn unbekannt sind. „Wie wäre es einfach mit beidem gleichzeitig. Der drehen muss entscheidet welches von beiden.", schlägt eine andere vor. Es geht ein Gemurmel durch die Runde, was wohl so viel wie ‚Einverstanden' bedeutet. So viel ich höre, rutschen alle in die Mitte, was ich ihnen leise murrend gleich tue, lass mir aber von Jordan helfen, dem ich dankend schief anlächle. Beruhigt nehme ich seine einnehmende Präsenz neben mir wahr. „Na dann, eine leere Flasche bitte.", fordert irgendjemand. Getuschel ist zu hören ehe sie verkündet, dass als erstes Wahrheit oder Pflicht dran kommt. Vielleicht sollte ich jetzt einfach aufstehen und gehen, denn ich will mir das ganz sicher nicht antun. „Uhh... Jessy. Was wählst du?", kichert ein Mädchen. „Pflicht.", sagt sie schüchtern. „Gut, mach mit Barry rum.", bestimmt sie.
Es interessiert mich gar nicht, was jetzt passiert, während ich nur unbeteiligt an meinen Bändeln von meinen Schuhen rumfummele. Ich höre nur wie gelacht wird, wie sich welche küssen und wie es weiter geht. Ich schalte ab, im Hinterkopf hoffend, dass ich nicht dran komme. „Wahrheit.", höre ich Blue, einige Runden später sagen. „Gut. Hm... Stehst du auf eine hier im Raum, wenn ja, wer ist sie?", fragt ein Mädchen kichernd. Genervt stöhnt er auf. „Muss ich das wirklich machen?", knurrt er. „Na klar!", sagt sie fast schon erschüttert. Irgendwie denke ich, dass er jetzt Betty sagt, weil es wohl die Hälfte hier in diesem Raum würde. Rein optisch gesehen muss sie dementsprechend wohl hübsch sein. Leider weiß ich viel zu viele intime Details über sie. Zum Beispiel regt es Jordan tierisch auf, dass sie beim Sex keinen einzigen Ton sagt. Ich fand das echt lustig. Eigentlich, wenn ich gerade so darüber nachdenke, beschwert er sich ziemlich oft bei mir über sie. „Noah." Vielleicht liegt es daran, dass er sie wirklich nicht mehr liebt oder nie geliebt hat? „Was?", ruft plötzlich Jordan und ich zucke zusammen. Hektisch schaue ich auf. „Was?", frage nun ich verwirrt. „Du bist schwul?", ruft eine hysterisch rein und ich werde schneeweiß. Was?! Wie...? „Ja.", antwortet Blue schlicht und entspannt. Plötzlich wird mir klar, was gerade los ist. „Du stehst auf Noah??", fragt ihn Jordan und klingt alles andere als freundlich. Das alles verwirrt mich gerade zu tiefst. „Ja." Überrascht sehe ich in seine Richtung und werde schlagartig rot. Heißt hier noch jemand Noah? Fuck. Schweigen entsteht in der Runde, ich selber bringe keinen Ton über meine Lippen. Laut räuspert sich ein Mädchen. „Nun... äh... Du kannst drehen Blue.", fordert sie ihn auf und das tut er. Die Flasche landet anscheinend bei Betty, die Wahrheit wählt. „Wie oft bist du in einer Nacht schon mal wegen Jordan gekommen?", fragt er sie belustigt und ich merke, wie sich Jordan neben mir verspannt. „Drei mal.", sagt sie ohne jeglichen Scharm. Die Mädchen in der Runde kichern und ein Feuerzeug erklingt, ehe wieder der bekannte Geruch von Gras in meine Nase steigt. Die Musik im Hintergrund ist nur sehr leise, doch ich nehme sie am besten wahr. Sie entspannt mich ein bisschen, hoffentlich liegt das nicht am Gras, was überall in der Luft umherschwirrt. Jordan neben mir seufzt leise, was wohl heißen muss, dass die Flasche zum ersten Mal auch bei ihm landet. „Wahrheit.", grummelt er verstimmt. Ich nehme sehr deutlich wahr, dass mit ihm irgendwas nicht stimmt. Er ist überhaupt nicht mehr so entspannt wie noch vor ein paar Minuten. „Okay...", kichert Betty und scheint zu überlegen. „Ich weiß ja eigentlich schon alles, aber...", sagt sie neckend und ich muss mir ein Lachen verkneifen. Sicher doch Süße. „..., wenn du dir alles, egal was es ist, wünschen könntest, was wäre das?", fragt sie ihn und scheint erwartend zu sein. „Nur einen Wunsch?", fragt er. „Ja." Die Mädchen kichern leise und wahrscheinlich sagt er jetzt irgendwas, um Betty glücklich zu machen. Vielleicht das sie ewig zusammen bleiben oder so einen Schrott? „Dass Noah sehen kann. Alles und ganz klar. Und das für immer." Mein Herz bleibt stehen. Plötzlich sind alle ganz still, selbst die Musik scheint den Atem angehalten zu haben. Er... Kann man einen Menschen noch mehr lieben, als ich es eh schon tue? Jedenfalls fühlt es sich so an. Sollte ich was sagen? „Jordan...", will ich beginnen, doch er unterbricht mich. „Lass es. Meine Antwort wäre immer die selbe. Nichts, rein gar nichts würde ich mir mehr wünschen.", brummt er. Ich liebe dich. Oh fuck. Es kostet mich all meine Selbstbeherrschung ihn jetzt nicht zu überfallen und um den Verstand zu küssen, denn etwas anderes würde ich mir genau in diesem Moment nicht wünschen. Nach einiger Zeit des peinlichen Schweigens, geht es weiter und bisher kam ich auch ganz gut davon, doch es war klar, dass irgendwann die Flasche auf mich zeigen musste, was nun bedeutet, dass ich mit irgendjemanden in die Abstellkammer muss, hier in der Hütte. Ohne es vermeiden zu können, hoffe, nein bete ich beinahe, dass es Jordan ist. „Gut... du gehst mit... Blue!", sagt das Mädchen vollkommen überzeugt. Panik überfällt mich. Blue ist nett und bestimmt auch hübsch, doch ich will das nicht. Nein. Bitte. „Du musst das nicht Noah, wir können auch einfach gehen.", versichert mir Jordan und legt seine Hand auf meine Schulter. Als ich schon ja sagen wollte, regen sich einige auf. „Das ist unfair!" „Andere mussten es auch machen!" „Ja, lass dich nur wieder von ihm retten.", lachen sie spöttisch und nur knapp kann ich Jordans Ausbruch verhindern, indem ich meine Hand auf seine lege. „Schon gut, es macht mir nichts aus." Eine Lüge. Offensichtlich. Jedoch stehe ich langsam auf und rieche schon, wie Blue neben mich tritt und mir anscheinend helfen will. Zusammen gehen wir zu der Kammer und er schließt die Tür. Es riecht muffig und beinahe muss ich durch den Staub husten. Nervosität packt mich, denn ich habe noch nie jemanden anderen als Jordan geküsst und das habe ich auch nie anders gewollt. Eiskalter Schweiß rinnt meinen Rücken hinab und eine unangenehme Gänsehaut breitet sich aus. Ich spüre seinen heißen Atem in meinem Gesicht, der nach Limo riecht und überhaupt nicht nach Alkohol, wie ich dachte. Erschrocken weiche ich unweigerlich zurück, als seine Hand mich plötzlich im Gesicht berührt. „Sorry.", murmelt er und lässt die Hand wieder sinken. „N-Nein, schon okay. Ich bin es nicht gewöhnt, wenn man mich einfach berührt.", murmle ich verlegen. Eine kurze Zeit schweigen wir. „Darf ich dich berühren, ich würde gerne wissen, wie du aussiehst?", frage ich leise. „Äh... klar..." Langsam hebe ich meine Hand an sein Gesicht. Es ist etwas rundlicher als Jordans, aber er hat ein spitzes Kinn, was sich rau unter meinen Fingern anfühlt. Ich mag seine Grübchen, über die ich nun streiche. Seine Nase ist zart geschwungen und die Augenbrauen dicht. Leider muss ich gestehen, dass er alles andere als unattraktiv wirkt. Seine Haare sind wild, länger und ein totales Chaos. Riechen tut er nach Öl, warum auch immer. „Du riechst nach Öl.", sage ich unüberlegt und sofort tut es mir leid. „Also nicht im schlechten Sinne!" Er lacht. „Schon gut. Ich schraube momentan viel an meinem Motorrad rum und da bleibt manchmal ein bisschen was an meinem T-Shirt hängen." „Oh.", antworte ich einsilbig. „Darf ich dich küssen?", fragt er nun und ich spüre, wie er mit dem Daumen über meine Lippe streicht. „Ich...", unsicher lasse ich meine Hände in sein Nacken gleiten. „Wenn es dir unangenehm ist, höre ich sofort auf, versprochen." Ich nicke. Schwach und eigentlich überhaupt nicht überzeugt, doch irgendwie bin ich neugierig. Mit Daumen und Zeigefinger nimmt er mein Kinn und führt mich sachte zu seinen Lippen. Als er meine berührt, fühlt es sich warm, weich und sanft an. Es überrascht mich doch etwas, denn Jordans Lippen waren härter und irgendwie... anders. Perfekter? Sachte drücke ich ihn an den Schultern weg. „Es tut mir leid, aber ich kann nicht.", sage ich leise. „Schon okay.", schnauft er sanftmütig. „Rubble einfach mit deiner Hand über den Mund, damit es aussieht als hätten wir rumgemacht, sonst schicken sie dich sicher nochmal rein." Ich tue was er von mir verlangt, auch, wenn es mir etwas unangenehm ist. Ab dem Moment beschließe ich ihn zu mögen. Auch, wenn das niemals was zwischen uns wird, rechne ich es ihm hoch an, dass er so lieb ist. Nur zu gut weiß ich, wie es ist unerwiderte Gefühle für jemanden zu hegen. „Denkst du das reicht denen?", frage ich unsicher. „Hm...", er scheint zu überlegen. „Hoffentlich."
Ich schmunzle dankbar. Als wir dann wieder den Schrank verlassen können, spüre ich jeden Blick auf mir und das ist mehr als unangenehm. Doch einer ist so viel intensiver und die dunkle Aura, die mich mit einmal droht zu verschlingen, gehört niemand geringeres als Jordan.
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