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Kapitel 31 - Von Furcht & Stärke

Einen Moment sah Eve Ray hinterher, der wie von einem Albtraum gejagt die Treppen hinaus floh. Er taumelte, stieß mit der Schulter gegen die Ecke und Eve hörte die Tür, die knallend oben ins Schloss fiel. Das da etwas nicht stimmte, war offensichtlich und ihr Blick flog von der Ecke der Treppen zurück zu Liam.

Dieser hatte selbst große Augen und starrte seiner Mutter fragend entgegen.

»Leg das Weg Liam!«, schimpfte sie indessen und ihre Mimik war dabei äußerst streng. Ihr eigener Puls raste, weil es in ihrem Inneren so aufgewühlt schäumte, wie Wellen auf aufgewühlter See. In wenigen Schritten war sie bei ihrem Sohn und nahm ihm den Topf vom Kopf. »Du weißt, dass du nicht mit sowas spielen sollst«, meinte sie streng und deutete auf das Haus. »Räum die Töpfe in die Spüle und danach räumst du zur Strafe die Spülmaschine aus.«

»Aber Mum!«, begann Liam aufzubegehren, doch Eve stremmte die Hände in die Hüften und die Empörung verebbte in einem beleidigten Schmollmund. Dann glitt der Blick des Jungen zur Tür. »Habe ich Ray erschreckt?«, fragte er dann und tatsächlich klang seine Stimme jetzt etwas betroffen.

»Das werden wir sehen. Und wenn es so ist, musst du dich entschuldigen«, meinte Eve daraufhin und begleitete ihren Sohn ins Haus, um noch zuzusehen, wie er murrend die Töpfe in die Spüle schob und gehorsam die Spülmaschine öffnete. Normalerweise hatte Eve ihm diese Dinge vermittelt, damit er früh lernte, sich im Haus zu beteiligen. Es war keine harte Bestrafung, würde ihn aber ein wenig beschäftigt halten.

Anschließend lenkte sie ihre Schritte nach oben. Sie hob schon die Hand um anzuklopfen, als sie in der Bewegung innehielt.

Ihr Mund war trocken. Ihre Gedanken rasten und schienen wie ein Treibholz auf dem wilden Fluss ihres Pulses dahin zu fließen. Sie eckten immer wieder an, torkelten, taumelten, versanken. Diese Reaktion auf Liam, auf sein Spiel... sie hätte auf beiden Augen blind und ungebildet sein müssen, um keine Schlüsse zu ziehen. Die Frage war: schloss sie richtig?

'Er war Soldat.'

Diese Erkenntnis erschloss sich so klar und scharf wie eine geschliffene Klinge, die sich in ihren Magen grub. 'Nur weil er Soldat war, heißt das nichts. Viele waren Soldaten. Viele hören wieder auf. Das bedeutet nichts. Einer von vielen. Es ist Zufall. Bleib Ruhig.'

»Hör auf dich verrückt zu machen... ganz ruhig«, raunte sie sich selbst zu. Mit mäßigem Erfolg.

Eve atmete tiefer ein, dann ließ sie die Knöchel ihrer Hand auf das Holz treffen.
»Ray?«

>>Knock knock knock<<

»Hey... ist alles in Ordnung?«

Eve hörte unten das Klappen des Geschirrs. Draußen bellte Chief, vermutlich weil er wieder ein Kaninchen oder eine Maus entdeckt hatte. Ansonsten blieb es still.

In ihren Ohren rauschte das Blut ihres nervösen Herzschlages. Angst, die sich frostig in ihr Blut und ihre Glieder streute, obwohl sie jene niederzudrücken versuchte.

Finstere Gedanken tauchten wie finstere Schatten einfach auf, ehe man sie verscheuchen konnte.

'Zu was ist er fähig? Wie schlimm ist diese... Krankheit bei ihm? Was hat er erlebt?'

Manche waren unberechenbar. Sie konnten anderen Schaden zufügen, wenn sie in diesem Zustand waren.

Dieser Gedanke ließ ihren Atem stoppen und Eve schüttelte den Kopf.

'Hör auf. Er hat nichts getan, was diesen Mangel an Vertrauen rechtfertigt! Er hat dir nicht weh getan. Er hat Liam nichts getan. Er hat ihn gerettet!', erinnerte sie sich – trotzdem zitterten ihre Hände.

Plötzlich erklärte das aber so viel. Wie er reagiert hatte, als Liam meinte, sein Dad wäre Soldat gewesen. Seine Statur. Die Reaktion auf das kalte Wasser... hinter Ray steckte mehr, als sie alle geahnt hatten. Und irgendwie stach ihr das in die Brust. Da fragte sie sich selbst: 'Hättest du es erzählt? Irgendwelchen Fremden, für die du nur vorübergehend arbeitest? Geht es euch etwas an?'

Eve presste die Lippen zusammen, dann biss sie sich auf die Unterlippe. Fast hätte sie bitter gelacht. 'Haha, du Heuchlerin. Du bist die Letzte, die ihm das vorwerfen kann.'

Wie von selbst glitt ihre Hand zu ihrer Wange. Sie fühlte die empfindliche Hautpartie, die sich in eine unansehnliche Narbe verwandelt hatte. Ihre eigenen Fingerspitzen so fremd in dem verschwommenen Blickfeld, dass es genauso gut jemand anderes hätte sein können. Sie alle hatten irgendwo Schuld, Geheimnisse und eine Leiche im Keller.

'Wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein', dachte sie und stieß ein bitteres Schnauben aus. Tief durchatmend klopfte sie erneut an.

»Ray? Ich mache mir Sorgen. Darf ich reinkommen?«

Sie hörte ein Geräusch von innen, aber es kam keine Antwort. Das besorgte sie nun genug, dass sie nach der Klinke griff und sie nach unten drückte.

Die Tür schwang ein Stück auf, stieß dann jedoch an und Eves Blick fand die Schuhspitze seiner Stiefel.

»Aufhören... bitte...«

Ein leises Wimmern stieß an ihre Ohren und sofort fiel ihr Blick auf Ray, der sich hinter der Tür an der Wand zusammengekauert hatte. Die Beine angezogen und die Hände über die Ohren gelegt, murmelte er leise vor sich her, stöhnte und kniff die Augen zusammen.

Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, da schien Eves Herz für diesen Mann und alles, was er erlebt hatte, mit Knacken und Knirschen zu brechen.

Sie kannte die schwarzen Schatten dieses Berufes... immerhin war ihr Mann als Seal bei der Navy. Und sie hatte diese Hilflosigkeit schon immer gehasst. Trotzdem vergaß sie all das in diesem Moment. Stattdessen ging sie langsam in die Hocke und schloss die Tür hinter sich, damit nicht Liam vielleicht auf die Idee kam, hineinzuplatzen.

»Ray«, sprach sie ihn erneut an. Aber er reagierte gar nicht auf sie. Stattdessen zitterten seine Schultern und kalter Schweiß ließ sein Gesicht glänzen. Seine Finger waren so fest in sein Haar vergraben und über seine Ohren gepresst, dass die Knöchel hell unter seiner Haut sichtbar wurden.

»Ray«, wiederholte Eve langsam und klar. Zögerlich berührte sie ihn zuerst am Knie und legte die Finger vorsichtig auf die Jeanshose. Ray zuckte zusammen – und sie vor Anspannung und Schreck ebenso. Ihr Herz stolperte, dann rief sie sich zur Ruhe und berührte ihn erneut, legte die Hand an die gleiche Stelle. Diesmal zuckte er nicht zusammen.

»Ray, alles ist gut. Hey, schau mich an.«

Sie zog ihre Hand zurück, aber nur, um sie diesmal an seine Arme zu legen. Eve war vorsichtig aber bestimmt dabei, ihm über die angespannten Muskeln zu reiben, damit er wahrnahm, dass sie da war und ihm nichts Böses wollte. 

»Du bist nicht mehr dort«, sagte sie. Es spielte keine Rolle, wo dieses 'dort' sein könnte oder dass sie nicht wusste, was er sah oder in welchem Albtraum er gerade gefangen war. Es war auch nicht wichtig, dass sie nicht wusste, was ihn quälte. Wichtig war nur eines: das er merkte, das er hier nicht allein saß und diese Geschehnisse vorüber waren.

»Ich bin hier, hörst du? Ich in es, Evelyn.«

Sie redete und ihre Stimme vermischte sich mit dem Klang seines schweren, keuchendem Atems. Langsam fuhren ihre Hände über seine Unterarme nach oben, bis Eve seine Finger erreicht hatte. Sie musste ein wenig mehr Kraft aufwenden, aber langsam lösten sich seine verkrampften Finger aus seinem Haar und von seinen Ohren. Aber er zitterte noch immer und starrte mit großen, furchterfüllten Augen an einen Punkt, der in weiter Ferne jenseits dieses Raumes lag. Sein Blick huschte immer wieder von einer Ecke des Zimmers zur anderen.

»Versuch ruhig zu atmen... es ist alles gut.«

Eve nahm seine Hände bestimmt herunter, dann legte sie die kühlen Finger über seine Wangen. Rauer Bart kitzelte ihre Handflächen, als ihre Daumen sanft über den Schwung seiner Wangenknochen streichelten.

»Liam hat nur gespielt Ray. Er wusste nicht, dass es das anrichtet... meinte es nicht böse«, redete sie, nur damit der Klang ihrer Stimme den Raum erfüllte. Sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Ray die Fäden dieses Albtraums abstreifen konnte. Inwiefern sie helfen konnte... das wusste Eve nicht. 

»Sein Vater«, setzte sie an und es fühlte sich an, als wurde ihre Zunge schwerer. Beschwert von der Lüge, die einen bitteren Geschmack in ihren Mund legte. »Er war auch Soldat. Er bewunderte ihn immer... aber er versteh nicht, was es bedeutet...«, erzählte sie leise und zwang sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Es war matt und getrübt von dunklen Wolken. »Aber hier ist kein Krieg, kein Kampf, Ray. Das hier ist Silvershore«, sie schlug einen sachten Anflug von Scherz in ihre Stimme ein, »hier ist es so langweilig, dass sogar die Fische bald freiwillig in die Netze springen, denkst du nicht?«

Natürlich war das nur Unsinn. Aber das spielte keine Rolle. Vermutlich hörte er nicht einmal richtig zu. Eve strich dem so viel größeren Mann ein paar Strähnen des dunklen Haares aus dem schweißnassen Gesicht. Vor kurzem hatte er sie gehalten, an seine Schulter gezogen und festgehalten. Damals war er ihr wie ein Fels in der Brandung vorgekommen, an dem sich die höchsten Wellen brechen konnten. Erst jetzt sah sie die Wahrheit und erkannte mit klammem Herzen ein wenig von sich selbst in ihm.

Wenn Eve allein weinte, hatte sie nur sich selbst und die Dunkelheit, die ihr Gesellschaft leistete. Sie musste stark sein... auf ihre eigen Art.

Und das wollten sie immer alle.

Stark sein, stark sein, stark sein.

Sie türmten ihr Leid hinter einer Mauer oder einem Damm auf, so lange, bis er eines Tages über einem zusammenbrach. Sie kannte das. Und jetzt sah sie es bei Ryker, wie sie es schon zuvor gesehen hatte. An ihrem Mann und auch an sich selbst. Irgendwann war das Fundament zerfressen und konnte einfach nicht mehr halten. Und dann... brach man einfach ein, wie ein Kartenhaus. Eves Lippen formten einen schmalen Strich unter dem dumpfen Schmerz in ihrem Innern, der ihr beinahe den Atem raubte.

'Aber ER ist jetzt nicht allein. Und niemand muss das gleiche durchmachen, wie du. Er muss nicht allein in sein Kissen weinen', dachte sie und dieser Gedanke gab ihr neuen Aufwind.

Langsam ließ sie die Hände sinken und setzte sich dann neben ihn, gerade so, dass ihre Schultern sich fast berührten.

Eine Weile saß sie einfach nur neben ihm. Dann kam ihr eine Idee und Eve stemmte sich unter leisem Ächzen in die Höhe.

Die ganze Zeit war Ray bewegungslos gewesen, beinahe lethargisch – jetzt plötzlich kam Bewegung in seinen Körper. Rays Hand fuhr nach vorn und griff nach ihrer. Seine Finger bebten, als er ihre umschlossen hielt. Eine herzerweichende Verzweiflung stand in seinem Gesicht und in seinen Augen, als er zu ihr aufblickte. Er wirkte wie ein verlorenes Kind.
Er sagte nichts, aber das musste er auch nicht.

Eves Lippen formten ein sachtes Lächeln, als sie seine Hand leicht zurückdrückte.

»Ich bin gleich wieder da. Versprochen.« 

🍂🗝️🍂

Eve sah, wie Rays Schultern tiefer sanken. Beinahe synchron dazu fielen auch sein Kinn sowie sein Blick wieder ab und schien in die Ferne zu gleiten. Eve hörte ihn murmeln, als sie durch die Türe hinausschlüpfte.

»Eve?«

Rionas Stimme kam so plötzlich von der Seite, dass Eve beinahe einen Sprung vor Schreck gemacht hätte.

»Oh... entschuldige... ich vergesse immer...«, murmelte Ri und blickte dabei entschuldigend drein. Ihr Haar war komplett verwuschelt, ihr Pyjama hing ein wenig schief und war an einem Knopf schräg geknöpft. Offenbar war es eine sehr lange Nacht in der Bar gewesen. »Ist alles in Ordnung?«, fragte die junge Blondine nun und ihr Blick glitt sichtlich in die Richtung von Rays Zimmer.

Eve öffnete den Mund, dann aber schloss sie ihn wieder und nickte langsam.

»Es ist alles in Ordnung. Ray geht es heute nicht so gut. Ich kümmere mich darum, leg dich wieder schlafen«, damit griff sie nach Rios Schultern und drehte die junge Frau auf den nackten Füßen herum, um sie sachte wieder in das Innere ihres Zimmers zu schieben.

Sie hörte noch ein Murmeln, dann klickte die Tür hinter Riona und Eves Lächeln sank ein wenig ab. Ihr Herz war schwer, als sie die Treppen hinunterstieg und Liams Blick begegnete, der inzwischen mehr Chaos als Hilfe in der Küche angerichtet hatte.

Eve vergaß immer noch, dass Liam Zuhause immer gewusst hatte, was wohin gehörte – hier aber nahezu alle Schränke öffnen musste, und am Ende nur die Dinge an den falschen Platz oder wieder auf den Küchentresen stellte. Aber sie konnte ihm nicht böse sein, immerhin gab er sich Mühe.

»Ist Ray böse?«, fragte der Junge mit belegter Stimme und sein Blick glitt nahezu nervös zur Treppe. Sie sah den kleinen Schimmer von... Sorge. Und sie kannte die Quelle dieser Besorgnis. Sofort wurde Eve noch schwerer ums Herz und sie nahm ihren Jungen schnell in den Arm, um seine aufsteigende Angst zu zerstreuen.

Der Umgang mit diesem Thema, Soldaten und den Folgen ihres Traumas... dafür war er einfach noch zu jung. Er war für vieles in dieser Welt zu jung und Eve hätte ihn am liebsten für immer vom Übel der Welt ferngehalten, damit er diese Dinge nie erfahren musste. Das war alles, was sie immer gewollt hatte: dass Liam glücklich war.

»Nein mein Schatz. Er ist nicht böse«, meinte sie liebevoll und küsste ihren Sohn auf den Schopf. Sie sah seinen Blick, mit dem er sie ansah und als könnte er ihre stillen Gedanken erahnen, streckte er die Hand aus und legte sie an ihre Wange. Dorthin, wo die Ausläufer der Narbe begannen und ihr Sichtfeld längst verschwamm.

Eve griff die kleinen Finger und setzte einen Kuss darauf.
»Er ist nur ein wenig erschrocken, Liebling«, versicherte sie ihrem Sohn mit ruhiger Stimme. »Du darfst wieder mit Chief draußen spielen. Aber nur, wenn du keinen Krach mehr machst, in Ordnung?« Dabei suchte sie ernst den Blick ihres Sohnes. »Tante Ri schläft, das weißt du doch«, schob sie vor und Liam nickte gehorsam.

Sein Blick glitt abermals zur Treppe, dann huschte er schon wieder in Richtung der Tür davon und sprang über die Treppen der Veranda hinaus – vermutlich um nach Chief zu rufen und wieder mit ihm zu spielen. Manchmal wünschte sie sich, sie könnte noch einmal Kind sein.

Eve folgte Liam bis zur Tür, um sie zu schließen, da der kleine Wirbelwind sie aufgelassen hatte.

»Du sollst doch die Tür nicht vergessen!«, rief sie ihm noch nach und schüttelte lächelnd den Kopf. Mit den Gedanken hing sie bereits woanders, als ihre Augen wie von einem Magneten zu dem bunten Fleck gezogen wurden, der ihr plötzlich ins Auge sprang: Auf dem Fensterbrett der Küche lag ein kleiner Strauß von violetten Astern.

Die kleinen Wildblumen streckten ihre schmalen Blütenblätter wie eine strahlende Sonne in alle Richtungen und Eve runzelte die Stirn, als sie den Strauß in die Hand nahm. Er war klein, etwas größer als ihre Handfläche und mit einem Seidenband zusammengebunden. Vermutlich hatte Liam es von gestern aus dem Müll gefischt oder sich heimlich geschnappt, als sie nicht aufgepasst hatten?

'Frechdachs.'

Einen Moment sah sie zu Liam und wollte ihren Sohn fragen, wo er die Blumen gefunden hatte – doch dann verwarf sie den Gedanken wieder. Dafür war jetzt einfach nicht die Zeit und sie sollte sich zweifellos lieber über das kleine Geschenk freuen. Deshalb schüttelte Eve den Kopf, nahm den Strauß mit ins Haus und stellte ihn in eine kleine Vase.

Wenige Momente später waren die Blumen schon fast wieder vergessen, als sie die nötigen Sachen zusammensuchte und das Ahornsirup aus dem Vorratsschrank holte. Der Topf klapperte, als sie ihn auf den Herd stellte und anschließend das Crushed-Ice in eine Auflaufform füllte. Zum Glück hatte sie alles da, was sie benötigte und sie war sich zweifellos sicher, dass es Ray aufmuntern würde.

Es dauerte ein wenig mehr als eine halbe Stunde, dann klopfte es wieder an Rays Tür. Dieses Mal hörte sie ein leises »Ja«, das aus einer rauen Kehle erklang. Aber es reichte, damit sie hineinschlüpfte. Sie fand Ray immer noch dort vor, wo sie ihn zurückgelassen hatte. Trotzdem schien seine Miene, um einen Hauch aufzuweichen, als er sie sah und ihr Herz wagte es, einen winzigen Stolperschritt zu tun.

»Ich habe dir etwas mitgebracht«, verkündete sie und sie stellte den kleinen Teller zusammen mit der dampfenden Tasse auf den kleinen Tisch in Rays Zimmer. Hätte sie vielleicht zweimal hingesehen und sich ihm nicht direkt wieder zugewandt, vielleicht wären ihr die Papiere aufgefallen, die unter ein paar älteren Plänen des Cottage und Notizzetteln über Materialien auf Schmierpapier hervorlugten. So jedoch wandte sie sich Ray wieder zu und beugte sich zu ihm herunter.

»Komm schon. Du kannst nicht auf dem Boden sitzen bleiben, hm?«, meinte sie und griff nach seinen Händen. Sie waren rau, aber das war okay. Es zeigte Rays harte Arbeit, mit der er ihnen in den vergangenen Tagen und Wochen so unglaublich viel geholfen hatte. Sie schuldete diesem Mann bereits jetzt sehr viel mehr als nur seinen Lohn. Mit ein wenig Kraft zog sie an seinen Armen.

Als er nicht gleich aufstand, murrte sie ihm ein »Los komm schon... ich habe mir Mühe gemacht, dir etwas zu machen. Komm schon«, forderte sie ein wenig mehr, ohne dabei den weichen Tonfall aus ihrer Stimme fallen zu lassen. Es war ein Balanceakt, während sie sich damit ein wenig auf die unbekannte Eisfläche zwischen ihnen wagte.

Das alles ging sie eigentlich nichts an. Aber er hatte sie weder fortgeschickt noch weggestoßen... und so wagte sie einen kleinen Schritt nach dem anderen. Ihm entgegen, wo er ihr auch Mut bereitet hatte.

Tatsächlich gab er endlich nach und Eve half Ray aufzustehen, ehe sie ihn zum Bett begleitete, auf das er sich schwer und erschöpft sinken ließ, als wäre er viele Tage von Fieber gequält worden. Unter einem schweren Keuchen beugte er sich nach vorn, stützte die Ellbogen auf seine Beine und fuhr sich mit den Händen wieder über das Gesicht und in das Haar.

»Es... das tut mir leid... ich...« stammelte Ryker neben ihr. Er wirkte so gequält, dass Eve ihn am liebsten umarmt und an sich gezogen hätte wie Liam, wenn er weinte.

»Dir muss nichts leid tun«, meinte Eve ehrlich und griff nach der Tasse, um sie ihm nun zu reichen. »Komm, trink etwas. Es ist nur Tee. Rooibos.« Sie konnte sich ein kleines Glucksen nicht verkneifen, als sie kurz sah, wie er die Lippen verzog. »Er ist beruhigend«, erklärte sie ihm geduldig und griff indessen nach dem Teller, den sie vorbereitet hatte. Sofort erfüllte der süße Geruch die Luft und zog darin seine Spuren wie goldener Sonnenschein an den ersten Frühlingstagen in weißem Schnee.

»Maple Taffy...«

Seine raue Stimme ließ sie schmunzeln, als sie nach dem Holzstäbchen griff, an dessen Ende ein bernsteinfarbener Klecks in Form eines Ahorn-Blattes gegossen worden war. Das Toffey aus Ahornsirup war eine traditionelle kanadische Süßigkeit, von der Riona und sie schon als Kind nicht genug bekommen konnten. Und jetzt führte Liam die Tradition fort.

In der ersten Woche, in welcher sie angekommen waren, aß er so viel, dass er Bauchweh bekommen hatte – deshalb hatte sie es nun länger nicht mehr gemacht. Wenn sie aber Rays Mundwinkel sah, der sich zumindest ein ganz klein wenig hob, schien sie einen guten Griff gemacht zu haben.

Ray liebte Ahornsirup – so wie wohl die meisten Kanadier, auch wenn sie das nicht so ganz nachvollziehen konnte. Zufrieden sah sie, wie er eines der Stäbchen in dem Tee versenkte und damit umrührte – dann griff sie nach einem anderen und hob es ihm mit stummer Aufforderung vor die Lippen.

In einer seltsamen Selbstverständlichkeit legten sich seine Hand erneut um ihre, als wollte er eher nach ihren Fingern als dem Stäbchen greifen. Sein Blick hing an dem Toffey und kroch von ihren Fingern ihren Arm entlang, bis er ihr in die Augen sah. Seine blaugrauen Seelenspiegel schienen ihr das erste Mal so... tief. Wie ein See, in dem man versinken konnte, wenn man nicht aufpasste und ein kleines Kribbeln durch ihre Hand schickten, dass sie einmal etwas schwerer schlucken ließ.

»Danke«, flüsterte er leise und als er losließ, bedauert sie es für einen verräterischen Moment.

»Gern geschehen«, gab sie zurück und saß neben ihm, während Ray die ersten, langsamen Schlucke trank und die Tasse in den Händen drehte. Sie ließ ihm Zeit, während er an dem Toffee kaute. Für eine kleine Weile lag nur Stille zwischen ihnen. Sie schien schwer und bedeutungsvoll, gleichzeitig aber nicht drückend, dass es einem den Atem raubte. Irgendwann schloss Ray die Augen. Er fuhr sich von der Stirn aus erneut in das dunkle Haar und seufzte schwer.

Da gab Eve einem spontanen Impuls nach, als sie die Hand ausstreckte und ihm eine Strähne aus der Stirn zurückstrich, die sich dem Rest einfach rebellisch entwunden hatte und zurückgefallen war.

Erneut fanden sich ihre Augen und diesmal... zog sie ihre Hand nicht zurück, sondern legte sie sachte auf seine Wange.

»Was ist passiert, Ray?«, fragte sie leise. »Ich... du musst es mir nicht erzählen, aber...« Eve stockte und biss sich erneut auf die Unterlippe. Eine schlechte Angewohnheit, die sie einfach nicht ablegen konnte.

»Ich möchte es gern verstehen...«, flüsterte sie und in ihrer Stimme lag etwas, das sie selbst nicht verstand. Sie wollte ihm helfen. So sehr, dass es ihr die Brust abschnürte. Warum dieser Drang so stark war, wusste sie selbst nicht. Manchmal war es zu früh, um aufkeimenden Dingen einen Namen zu geben. Oder man fürchtete sich davor...

»Ich weiß, es ist schwer und... du hast vermutlich Angst.« Ihr Daumen strich sanft über seine Wange. »Ich verspreche dir... ich denke nicht falsch von dir. Du kannst es mir erzählen.«

Ihr Blick suchte den seinen und erflehte Einlass in die Geheimnisse hinter den schweren Vorhängen aus Graublau, die manchmal aufleuchteten und dann wieder so kühl und distanziert schienen, dass er ihr wieder fremd vorkam. Aber... nicht in diesem Moment. Obwohl sie sich so wenig kannten, fühlte sich einfach... richtig an.

»Bitte... rede mit mir...« 

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