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Kapitel 25 - Zu nah an die Sonne

- Ein paar Stunden zuvor - 


»Bitte, hör auf damit. Du machst sogar mich schon ganz nervös.«

Ryker griff nach ihrer Hand, mit der sie wohl schon seit Minuten gedankenverloren auf das Armaturenbrett getippt hatte. Sanft umschloss er ihre Finger mit seinen und drückte sie leicht. Als wäre ihr ganzer Körper nicht schon angespannt genug, kribbelte es direkt in ihren Fingern und verteilte kleine, wuselige Ameisen in ihrem Körper. Gleichzeitig fühlte es sich an wie eine Stütze für einen wankenden Turm aus Karten in ihrem Inneren, die sie einmal durchatmen ließ.

»Tut mir leid«, murmelte Eve und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, während die ersten Gebäude von Silvershore an ihnen vorbeizogen. »Ich bin unglaublich nervös. Ich ... das ist schon lange mein Traum.« Eve schob sich eine Strähne hinter das linke Ohr und versuchte, nicht auf dem Autositz hin und her zu rutschen. »Mein eigener Laden. Auf eigenen Füßen stehen und neue Sachen ausprobieren.«

Ihre Mundwinkel hoben sich automatisch, als sie daran dachte, wie glücklich nicht nur sie, sondern auch Liam sein würde. Er liebte es, mit ihr in der Küche zu stehen. Das gemeinsame Backen und Kochen verband sie, seit er klein war. Immer wenn sie sich einsam fühlten oder Liam traurig war, zauberten sie zusammen etwas Leckeres. Zwischen Zucker, Mehl und duftendem Kuchen konnten sie alles vergessen. Dort lachten sie, egal, wie dunkel die Welt um sie herum gerade erscheinen mochte. Wenn sie es leid war, Tränen zu vergießen, wenn sie vor lauter Sorgen oder der Stille in der Wohnung fast zerbrach, dann stellte sie sich hin und verlor sich in ihren Rezepten.

»Vergiss nicht, noch etwas Passendes zu kaufen. Wenn ich zurück bin, haben wir etwas zu feiern«, sagte sie, als sie aus dem Auto stieg. Das Selbstbewusstsein und der blanke Optimismus waren Schauspielerei, sonst nichts. Sie war unglaublich nervös und fühlte sich, als würde sie auf einem Drahtseil balancieren - rechts und links nur ein Abgrund. Aber das würde sie nie zugeben. Wenn sie nicht das Gleichgewicht verlieren wollte, musste sie sich zusammenreißen und Mut fassen. »Heute wird ein guter Tag. Der Beginn von etwas Neuem. Da bin ich mir sicher.«

Wie sie sich doch irrte.

🍂🗝️🍂

Eve sah auf ihre Armbanduhr. Es gefiel ihr nicht, dass das Gespräch wegen des Ladens ausgerechnet im Bluebird Café stattfand, aber heute würde sie nicht einmal das aus der Ruhe bringen. Ihr Blick glitt nach unten und traf auf ihr nervöses Spiegelbild in der Fensterscheibe.

Heute trug sie eine weiße Bluse und darüber einen taillierten Blazer. Der Rock reichte ihr bis über die Knie, und obwohl Eve fand, dass sie darin noch mehr wie eine Robbe aussah, hatte Riona darauf bestanden, dass sie ihn anzog. Mit dem Zopf, den sie seitlich zusammengebunden hatte und dessen Strähnen ihr ins Gesicht fielen, sah sie wie eine echte Geschäftsfrau aus. Das fand zumindest Ri Hah.

»Wenn sie dich nicht nehmen, dann weiß ich auch nicht. Es gibt keine bessere Köchin oder Bäckerin als dich. Also hab Vertrauen.«

Rykers Stimme hallte in ihr nach, und seltsamerweise beruhigte sie das tatsächlich ein wenig.

'Er hat recht. Du schaffst das', sagte sie sich und richtete sich ein wenig auf, bevor sie durch die Tür des Cafés trat. Sofort schlug ihr der verführerische Duft von frischem Kaffee und Tee entgegen und kitzelte ihre Sinne.

»Oh, wen haben wir denn da?«

Die zwitschernde Stimme hätte für sie auch das Kratzen von Fingernägeln auf einer Schiefertafel sein können. Eve atmete tief durch, bevor sie den Kopf drehte.

»Sally«, stieß sie bemüht neutral hervor- scheiterte aber kläglich.

Volle Kirschlippen lächelten unter der verdammten, geraden Nase und zu dem perfekt frisierten Haar blonder Engelslocken. Sie war schön. So wie sie es immer war und Eve wünschte, sie würde nicht den ekelhaften Stich der Eifersucht spüren.

»Wie schön, dich zu sehen. Was darf es sein? Zwei Stück Kuchen? Drei?« Sally sprach zuckersüß, während ihr Blick sie abschätzig von oben bis unten musterte, »Oder vielleicht eine ganze Torte? Du siehst hungrig aus.«

'Bitch.' Eve biss die Zähne zusammen und schloss die Finger fester um den ledernen Griff der Tasche. Sie durfte sich nicht provozieren lassen.

»Ich habe keine Zeit für deinen Quatsch. Ich bin verabredet«, sagte sie stattdessen und lenkte ihre Schritte geradewegs auf den Möchtegern-Makler zu, der zumindest versuchte, die Immobilie irgendwie pseudoprofessionell für den Verkäufer an den Mann zu bringen. Er saß an einem der Tische in der Ecke des Cafés, auf seinem Tisch stand ein Teller mit Kuchen, und aus einer Tasse Kaffee dampfte weißer Rauch. Er trug einen abgetragenen, altmodischen Tweet-Anzug mit Flicken an den Ellbogen und wirkte eher wie ein Professor von irgendeiner Universität.

»Hallo Mr. Hall«, begrüßte sie den Mann, der vielleicht ein paar Jahre älter war als sie, aber wirkte, als käme er aus einem alten Film der 1950er und wäre durch ein Wurmloch in die Zukunft gestolpert. »Ich hoffe, ich bin nicht zu spät?« War sie nicht. Natürlich nicht.

»Aber nein«, bestätigte er entsprechend und deutete auf einen der Stühle. »Setzen Sie sich, wir können gleich anfangen.«

»Eine heiße Schokolade mit Schlagsahne und ein Stück Schokokuchen für meinen Lieblingsgast.«

Neben Eve klapperte der Teller, als Sally ihr grinsend die Sachen vor die Nase stellte. Dabei beugte sie sich etwas näher, um zwischen Eve und dem Makler zu stehen und ihr zuflüstern zu können.

»Das ist deine letzte Chance zu entkommen, Pummelchen«, flüsterte Sally mit einem zischenden Unterton, der Eve an eine Klapperschlange unter einem Rosenstrauch erinnerte. Das machte ihre Nerven noch angespannter, als sie es ohnehin schon waren. »Oder du ziehst den Kürzeren und rennst heulend davon.«

Der Stich saß. Er riss schmerzhaft alte Wunden auf. Erinnerungen an eine Kindheit, in der ein kicherndes Mädchen die Jungs angestachelt hatte, sie in den See zu stoßen, tauchten vor Eves innerem Auge auf. Schon damals war es für diese Ziege ein Leichtes gewesen, böse Taten als harmlosen Scherz zu verkaufen und andere die Drecksarbeit machen zu lassen.

Sally richtete sich auf, und das leise Klackern ihrer Schuhe begleitete ihre Schritte, als sie um Eve herumging und sich auf einen der anderen freien Stühle setzte.

»Ich glaube, damit ist unsere reizende kleine Runde vollständig.«

In diesem Moment fiel es Eve wie Schuppen von den Augen. »Du bist der andere potenzielle Käufer«, keuchte sie, und die Verblüffung ließ ihr Gesicht förmlich entgleisen.

Sally warf ihr blondes Haar über die Schulter und lächelte kühl. »Du hast recht. Ich wollte schon lange in ein externes, zentraler gelegenes Café expandieren«, summte die Blondine zuckersüß und zwinkerte dem Vermittler zu. »Jeder hier weiß, dass ich große Träume habe. Nicht wahr, Thomas?«

Thomas? Warum hatte Eve das Gefühl, dass die Karten hier nicht fair verteilt waren?

»Äh, ja, natürlich. Trotzdem war ich zugegebener Weise etwas überrascht, dass du ausgerechnet jetzt...«, begann der junge Mann mit den dunklen Haaren, die mit zu viel Pomade nach hinten gekämmt waren.

»Papperlapap! Besser früher als später. Wer weiß, wann sich wieder so eine schicksalhafte Gelegenheit bietet.«

Thomas lachte nervös und schob mit dem Zeigefinger die schwarz gerahmte Brille auf seiner Nase höher. »Sicher, das Anwesen liegt ideal - wenn die Hauptstraße erst einmal ausgebaut ist und die Touristenströme zunehmen, wird es ein wahrer Schatz sein.« Er schien in Sallys Gegenwart deutlich nervös zu sein, denn seine Finger rutschten dreimal von der Schnalle, bevor er die Aktentasche endlich geöffnet bekam.

»Dem Verkäufer ist es wichtig, dass der Laden in gute Hände kommt«, sagte er und reichte den beiden Frauen ein paar zusammengeheftete Blätter.

Wäre die Situation nicht so ernst, hätte Eve darüber schmunzeln können, wie dilettantisch das alles war und wie 'Thomas' trotzdem so stolz darauf sein konnte. Aber das hier war ein Kaff mitten im Wald und keine Stadt in Oregon. Dort hätte der Laden ein Vermögen gekostet ... hier konnte sie es sich vielleicht mit dem Geld leisten, das sie durch den Verkauf ihres alten Autos eingenommen hatte.

'Konzentrier dich. Jetzt kannst du punkten', dachte Eve und griff in ihre Tasche, um eine kleine Mappe herauszuholen. »Bei mir wäre der Laden auf jeden Fall in guten Händen. Hier, sehen Sie, ich habe Zeichnungen von der geplanten Einrichtung und den Kostenplan für die Ausgaben, die nötig wären, um ...«

»Wie vorbildlich«, unterbrach Sally und schaffte es, zu lächeln wie eine Katze, die sadistisch mit einer Maus spielt - bevor sie diese zu fressen gedenkt. Wie entschieden zu viel Zucker in viel zu kurz gebackenen Brownies. Ein Lächeln, das so falsch war, dass es Eve den Magen umdrehte. »Aber all diese haltlosen Theorien sind typisch für Großstädter«, fügte sie kichernd hinzu und schlug ihre langen Beine übereinander, während sie sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte. »Letztendlich hast du aber keine Rücklagen und kannst dir kaum die Anzahlung leisten, hab ich recht?«

Eve knirschte mit den Zähnen.

»Ich habe einen Termin bei der Bank. Wenn ich den Laden bekomme ...«

»Dann willst du ihn mit Schulden finanzieren? Das klingt nicht gerade sicher.« Sally stützte ihr Kinn in ihre Hand und lächelte so perfekt wie eine Puppe im Schaufenster.

Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Eve legte die Hände auf den Tisch und verschränkte sie fest, um sie nicht in den Stoff ihres Rockes zu vergraben. Oder vielleicht doch dem Drang nachzugeben, sie Sally ins Gesicht zu schlagen.

»Seien wir doch ehrlich«, sagte Sally und tätschelte Thomas zärtlich den Unterarm, »die Sache ist doch längst entschieden. Ich habe bereits ein Haus und ein stabiles Einkommen. Anders als die süße Eve, die nichts als Träume vorzuweisen hat«, dabei zwinkerte sie Eve zu.

Deren Mund war trocken. Ihre Zunge wie Blei, und in ihrem Inneren rauschte es wie in einem wilden Sturm, der von allen Seiten an ihr zerrte.

»Nichts für ungut, Süße. Aber ich habe Ersparnisse, mit denen ich aus diesem Laden was machen könnte. Du hast ja nicht mal einen Job. Ein eigener Laden ist eine Nummer zu groß für dich«, jetzt hob die Blondine die Hand und legte sie scheinheilig tröstend auf ihre Schulter. »Aber wenn du mich lieb bittest, darfst du vielleicht als Kellnerin bei mir anfangen ...«

»Du elende...!«

Eve sprang so unvermittelt von ihrem Stuhl auf, dass er rückwärts umkippte.

»Wow-wow-wow!« Diesmal sprang nun auch Thomas auf die Beine und hob beschwichtigend die Hände. »Bitte, Ladies, das ist doch nicht nötig!«, sagte er und seinem Grinsen auf seinen Lippen nach zu urteilen, fühlte er sich dabei unglaublich mächtig.

'Reiß dich zusammen! Ihr seid keine Kinder, das lässt sich alles vernünftig klären. DU bist besser als das!', sagte Eve sich selbst, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Finger sich aus Zorn zu einer Faust ballten. Sie atmete langsam und bebend tiefer ein.

»Kommen Sie. Ich verdiene eine faire Chance.«

Thomas' Miene schien für einen Moment ein wenig aufzuweichen, dann fing er einen Blick von Sally auf und räusperte sich. Sichtlich nervös griff er an seine Krawatte und fummelte etwas an dem Knoten herum.

»Hören Sie, ich muss im Interesse des Verkäufers entscheiden, Miss White«, meinte er dann, »Egal in welchem... Verhältnis Sie beide zueinander stehen mögen. Mrs. Roberts hat leider Recht: Sie besitzt im Gegensatz zu Ihnen nicht nur über eine solide Finanzgrundlage, sondern auch bereits über einen festen Kundenstamm, der ihr bei der Eröffnung eines weiteren Ladens hilfreich sein wird.«

Nein.

Eve merkte nicht, dass sie aufgehört hatte zu atmen.

In ihren Ohren begann es zu rauschen und ihre Fingerspitzen wurden kalt.

»Mr. Hall-«, setzte sie an, doch erhob die Hand und schüttelte den Kopf.

»Es tut mir leid, Ms. White. Aber ich werde dem Verkäufer nahelegen, die Ladenfläche Mrs. Roberts zu verkaufen.«

Plötzlich war ihr Mund trocken und Eves Schultern sanken kraftlos herunter.

»Aber...«

»Oh, vielen Dank, Thomas!«, zwitscherte Sally indessen und schlang ihm vollkommen unangemessen die Arme um den Hals, als hätte er ihr gerade ein neues Auto zum Geburtstag geschenkt.

Eve wusste nicht, was sie denken oder fühlen sollte. Es war, als wäre eine Lawine über sie hinweggerauscht und hätte sie darunter begraben. Sie hatte gegraben, gekämpft, versucht optimistisch zu sein. Aber nun... ging ihr langsam die Luft aus.

Sie wollte schreien und weinen. Aber weder das eine noch das andere würde hier etwas ändern.

Eve blinzelte mehrfach, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Sicht verschwamm und ihre Kehle eng wurde.

'Nein. Du wirst jetzt nicht in Tränen ausbrechen', sagte sie sich, während sie mit steifen Bewegungen die Mappe mit den Zeichnungen, Kalkulationen und zerschmetterten Plänen eines zerplatzten Traumes in ihre Tasche stopfte. 'Das wirst du ihr nicht gönnen. Reiß dich zusammen.'

Trotzdem schaffte sie es nicht, sich noch mehr geheuchelte Freundlichkeit herauszupressen. Ihr Herz fühlte sich an, als wollte es zerspringen.

Ihre Schritte flogen in Richtung Ausgang.

Warum hatte sie immer so ein Pech? Warum konnte nicht einmal etwas gut laufen?
Ein Schluchzen kroch ihr wie ein ekelhafter Klos in die Kehle. Eve schluckte hart, in der Hoffnung, es zurückhalten zu können.

Auch die kühle Luft konnte das nicht ändern, die ihr draußen um die Nase wehte. Ihre Gedanken rauschten so sehr, dass sie die Schritte hinter sich nicht einmal hörte, ehe sich die Finger um ihr Handgelenk schlossen.

»Warte Evey. Wir wollen uns doch so nicht-«, stoppte sie Sallys Stimme und die andere Frau ließ los, als Eve ihr Handgelenk grob aus dem Griff befreite.

»Spar dir deine Heuchelei!«, zischte Eve zurück und es fühlte sich an, als drohte ein Damm in ihrem Innern unter all dem Druck zu ächzen, der schon viel zu lange darauf wirkte. Ihr Atem ging so schnell, als wäre sie einen Sprint gelaufen.

»Warum tust du das? Was habe ich dir getan, dass du mich, seit ich zurück bin, wie Scheiße behandelst und mir jetzt auch noch meinen Traum zerstörst?«, brach es aus ihr heraus und einen Moment schien Sally tatsächlich überrumpelt von ihrer verzweifelten Bissigkeit.

Sally hob die geschwungenen Augenbrauen.

»Warum?«, echote die schlanke Blondine in ihrer weichen und viel höheren Stimme, die im Vergleich zu Eves von Triumph versüßt wurde. Selbstbewusstsein, das ihr aus jeder Pore troff, als sie einen Schritt auf Eve zu machte und sich die blonden Strähnen über die Schulter zurück strich. »Weil ich es schon immer gehasst habe, wenn man mir mein Spielzeug weggenommen hat. Und ich revangiere mich, wenn man mir etwas wegnimmt.«

Das erste Mal, seit Eve angekommen war, schien die Maske auf Sallys Zügen aufzubrechen. Das Lächeln fiel herunter wie ein Teller und zerbrach, nur um dahinter das Gesicht der Eiskönigin zu offenbaren, die sie tatsächlich war. Charme, das Lächeln... alles so falsch wie eine der gefälschten Prada-Taschen auf dem Grabbeltisch einer Seitenstraße.

»Ich habe nicht Jahre damit verbracht, die Idioten in diesem Kaff zu bezirzen und mich bei diesen Hinterwäldlern einzuschleimen, damit du daherkommst und meine Pläne ruinierst!«, zischte sie und ihre Augen wurden schmaler. »Ich dulde keine Konkurrenz! Weder was meine Geschäfte angeht, noch meine Männer!«, fauchte Sally nun und ihre Absätze klickten auf dem Holz, als sie den Abstand zu Eve schmelzen ließ. »In wenigen Monaten wird die neue Straße gebaut und Silvershore wird nicht mehr abgeschnitten sein. Dann wird es hier vor Touristen nur so wimmeln und ICH besitze die Läden in der besten Lage!«

Eve konnte nicht anders, als ein ungläubiges Schnaufen auszustoßen. Das konnte nur ein schlechter Scherz sein. Sie konnte das einfach nicht glauben.
»Ist das dein Ernst? Das... du bist verrückt.«

Als Sally noch einen Schritt auf Eve zutrat und ihren Blick über sie schweigen ließ, spürte Eve den Drang zurückzuweichen: Es fühlte sich an, als bleckte ein wildes Tier die Zähne.

»Das ist MEINE Stadt! Und denkst du, ich habe Lust darauf, dass ein fetter Krüppel meine potenziellen Kunden mit dieser hässlichen Visage vergrault?« Sie verzog angewidert das Gesicht. »Schau dich doch mal an!« Sally deutete auf Eve und mit einem Mal fühlte sich jene, als hätte man sie vor der ganzen Klasse bloßgestellt.

Sallys Stimme schlug auf sie ein, wie ein Hammer auf Glas.

Manchmal sprachen Worte mehr als Taten. Sally hätte ihr genauso gut ein Messer in den Bauch rammen können. Eve fühlte sich beschämt, hässlich und klein. In einer fahrigen Bewegung griff sie wie automatisch zu dem Blazer, um ihn vor ihrem Bauch zusammenzuziehen. Als könnte sie so ihre Rundungen verbergen. Heute Morgen noch hatte sie sich irgendwie... gut gefühlt. Nicht hübsch, aber auch nicht so unansehnlich wie sonst. Aber jetzt... Eves Finger krallten sich an den ledernen Griff der Tasche, als könnte sie sich mit dem letzten Rest Würde irgendwie daran festhalten.

»Wenn man dich nur sieht, vergeht einem schon der Appetit! Du siehst aus, wie eine schrumpelige Presswurst!« Sallys Stimme wurde leiser und die braunen Augen bohrten sich förmlich in die der kleineren Frau, als ihre Hand nach vorn schoss und ihr die Tasche aus den Händen riss.

»Hey! Was soll das!« Eve versuchte, danach zu greifen. Vergeblich.

Plötzlich schoss Sallys Hand nach vorn und Eve spürte die stechende Hitze, die ihre Wange erfasste, als die Handfläche der schlanken Blondine ihren Kopf unter der Wucht der Ohrfeige zur Seite warf.

Fassungslos klappte Eves Mund auf und ihre Hand fuhr an ihre brennende Wange, weil sie nicht fassen konnte...

In diesem Moment packte Sally ihre Bluse und zog sie ein Stück näher, sodass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten.

»Ich sage es dir also jetzt noch einmal freundlich: Verschwinde wieder von hier. In meiner kleinen, perfekten Stadt hat es keinen Platz für einen fetten Krüppel wie dich! Und halte dich von Dr. Taylor fern!« Auf Sallys Lippen zeichnete sich ein frostiges Lächeln. »Oder es wird wirklich dreckig. Und ich verspreche dir, dass ich dich spüren lasse, dass kein Schwein in Silvershore sich um dich oder deine scheiß Familie schert!«

Dann ließ Sally los - und warf die Tasche wie einen zurückgeworfenen Fisch über das Geländer der Veranda in das Wasser des Sees.

»Nein!«

Eine Sekunde stand Eve fassungslos da, ehe sie sich aus der Starre löste und zum Geländer hechtete.

Ein lautes Platschen ließ keinen Zweifel daran, wo sie gelandet war.

Hinter ihr klackerten die Schritte, als Sallys Stimme sich entfernte. »Viel Spaß beim Fischen, fette Seekuh!«, rief sie über ihre Schulter, ehe das Klingeln der Ladenglocke erklang und die Tür wieder ins Schloss fiel.

Eves Hände krallten sich in das Holz des Geländers, als sie sah, wie die Tasche an der Wasseroberfläche trudelte - dann aber zusehends zu sinken begann. So wie ihre Träume es unweigerlich taten.

'Shit!'

Eve stieß sich ab und knickte beinahe um, als sie zwischen den kleinen Tischen hindurch rannte. Sie schlitterte über die kleinen Steine, als sie sich an dem Geländer festhielt und förmlich über das Kiesufer sprintete.

Die Veranda aus weißem Holz reichte zum Glück nicht weit über den See hinaus. Trotzdem zögerte Eve einen Moment vor den Wellen, die an den Rand des Ufers schwappten. Dann warf sie ihre Schuhe beiseite, griff nach ihrem Rock und watete in das eisige Wasser.

Als Eve die Tasche erreichte, war sie schon unter der Oberfläche verschwunden. Ihre Finger stachen wie tausend Nadeln, waren gerötet und ihre Beine waren eiskalt, als sie aus dem See an das Ufer trat. Ihre Strumpfhose klebte an ihrer Haut, sie war bis über ihre Knie dunkler und Wasser tropfte aus dem Rocksaum, der durch die Feuchtigkeit an ihren Schenkeln und Knien klebte.

Aber sie nahm es kaum wahr.

Aus ihrem flauen Magen drückte Übelkeit in ihre Kehle, als sie auf die Schnalle drückte, den Deckel öffnete und die Papiere sah. Alles war vollkommen durchnässt. Ihre Hände zitterten. Als Eve vorsichtig danach griff, zerfaserte das Papier in ihren Händen zu nicht mehr, als feuchtem, weißem Matsch und weichen Fetzen.

Ruiniert.

Alles war ruiniert.

Jetzt konnte Eve das Schluchzen nicht mehr zurückhalten, welches die aufsteigenden Tränen begleitete. Ihre Brust war plötzlich eng und das Gefühl von Versagen schnürte ihr die Luft ab.

Die Worte von Sally prasselten auf sie ein und schienen ihr Herz und Seele zu zerschneiden. Sally wusste nicht, was sie ihr antat. Und selbst wenn, wäre es ihr egal, wie tief ihre Worte Eve verletzten. Was sie zerstörten und anrichteten. Alles, was Eve sich hier erhofft hatte, war ein Neuanfang. Ein neues... und besseres Leben für Liam und sie.

Konnte sie immer nur scheitern?

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