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Die nächsten Tage schienen unendlich langsam voranzuschreiten. Immerhin war Jenna jetzt nicht mehr die einzige, die nervös und angespannt wirkte – nun, da alle über die Studienfahrt informiert waren, wartete ganz Hogwarts darauf, dass endlich die Schüler aus Brasilien ankamen.
In der Zeit bis zum dritten November ereigneten sich wenig erwähnenswerte Dinge. Mit Lucius in Arithmantik zusammenzuarbeiten war ähnlich anstrengend wie die letzten Male, aber immerhin gab es keine lauteren Auseinandersetzungen mehr.
Hin und wieder sah Jenna noch einmal Cassandra in den Gängen, aber zu einem Gespräch kam es vorerst nicht mehr.
Das hieß natürlich auch, dass Jenna noch immer nicht genau wusste, was nun ihr wirklicher Name war. Wenn sie das nächste Mal eine Chance sah nochmal mit ihr zu reden, nahm sie sich vor diese direkt zu ergreifen. Ihrer Neugier waren keine Grenzen gesetzt, vor allem nicht, wenn es um Cassandra ging.
Eine der wenigen erwähnenswerteren Dinge war, dass ab und zu Marlene für ein paar Stunden verschwand. Nicht so lange, dass es irgendwie auffällig gewesen wäre, es war ja nicht so, dass sie alle ständig aufeinander hingen. Der einzige Grund, dass Jenna irgendwann stutzig wurde, war, dass Marlene immer die gleiche Begründung für ihre kurzen Ausflüge benutzte.
„Ich war nur kurz ein wenig spazieren", oder „ich hab einfach nur ein bisschen frische Luft geschnappt", das sagte sie immer. Daran war an sich nichts Ungewöhnliches, aber im vergangenen Jahr hatte sie so etwas nie gemacht. Vielleicht hatte sie auch einfach nur plötzlich Gefallen an der Landschaft von Hogwarts gefunden, kann ja sein, dass ihr die in den vorherigen Jahren nicht so wirklich aufgefallen ist. Aber den Gedanken verwarf Jenna gleich wieder, das kam ihr doch etwas dämlich vor. Vielleicht hatte sie während des Sommers einfach eine Vorliebe für Spaziergänge entwickelt?
Eine komplett plausible Lösung fiel Jenna erst einmal nicht ein, aber das musste ja nichts bedeuten. Nachfragen wollte sie aber zunächst auch nicht. Vielleicht würde sie Marlene einfach das nächste Mal fragen, ob sie sie begleiten könne – das wäre eine gute Idee.
Nur noch ein Tag.
Es war der zweite November, und Jenna hatte das Gefühl vor Anspannung beinahe zu platzen. Sie musste sich unbedingt ablenken, denn sie merkte selber, dass sie unerträglich für alle um sie herum wurde. Nach dem Unterricht (in dem sie insgesamt noch einmal zehn Punkte Abzug für Gryffindor sammelte, sehr zum Missfallen ihrer Hauskameraden), versuchte sie die Rumtreiber zu finden, im Optimalfall James. Die hatten es sich in ihrer typischen Ecke im Gemeinschaftsraum bequem gemacht, der im Moment erstaunlich leer war.
Beim Näherkommen stutzte Jenna – natürlich hingen die vier immer aufeinander, sowohl seelisch als auch körperlich. Immerhin waren sie die besten und engsten Freunde, die Hogwarts je gesehen hatte. Aber Sirius und Remus wirkten irgendwie... Anders. Sie konnte gar nicht genau beschreiben, warum sie bei ihrem Anblick kurz innehielt; sie alle saßen dort so wie sonst immer auch.
James nahm gefühlt zwei Drittel des Sofas ein, Peter hatte sich schräg an den rechten Rand gesetzt und seine Beine über die von James gelegt. Links davon hatten sich Sirius und Remus gequetscht, Sirius hatte wie so häufig seinen einen Arm um Remus Schultern gelegt und den anderen lässig über die Sofalehne.
Sie hatte allerdings keine Zeit mehr länger darüber nachzudenken, denn mittlerweile sahen die Jungs zu ihr auf und warteten, dass sie etwas sagte.
„Hey ihr, sagt mal kann ich euch irgendwie noch bei den Vorbereitungen für die Feier morgen helfen? Ich bin schon wieder so rastlos und bräuchte echt eine Beschäftigung."
Daraufhin lachte James kurz auf.
„Na immerhin bist du produktiv wenn du gestresst bist, oder wärst es zumindest gern. Wenn ich wegen irgendwas aufgeregt bin, krieg ich echt gar nichts mehr hin."
Er fuhr sich kurz durch die Haare, und Jenna musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Lily sagte immer, dass sie es hassen würde wenn er das täte, à la „seine Haare sind doch schon total durcheinander, warum muss er das Chaos noch schlimmer machen!?", aber Jenna war sich sicher, dass sie es eigentlich süß fand wenn er das machte. Wobei „süß" vielleicht etwas übertrieben wäre, aber hassen tat sie es auf keinen Fall. Das kaufte ihr von den Mädels schon länger keine mehr ab.
Nach kurzem Überlegen sprach James weiter: „Ach weißt du, eigentlich haben wir für morgen das meiste schon fertig, tut mir echt leid. Du kannst aber gerne versuchen Lily in eine positive Stimmung zu versetzen, je besser sie drauf ist, desto eher lässt sie uns ungeschoren mit dem Abend morgen davon kommen."
Jenna seufzte. Sie hatte gehofft, noch irgendwie beim Aufbau oder der Organisation von irgendetwas helfen zu können. Aber immerhin besser als gar nichts.
„Alles klar Jungs, ich geb mein bestes."
Die vier strahlten sie an, und Jenna machte sich auf den Weg, um Lily zu finden. Irgendwie konnte sie sie bestimmt in eine super Laune versetzen.
Tatsächlich ging der Rest des Tages dann doch recht schnell vorüber, und schon war es Samstagmorgen, der dritte November. Die brasilianischen Gäste sollten gegen zwei Uhr nachmittags etwa ankommen, und ganz Hogwarts schien vor Aufregung zu summen.
Beim Frühstück war es lauter als sonst, spätestens jetzt waren alle irgendwie am spekulieren, wie die anderen wohl so sein würden. Und plötzlich wurde es in der Halle noch lauter, denn die Rumtreiber waren erschienen. Und sie gaben schon wieder ein ganz fantastisches Bild ab.
James, Remus und Peter kamen in die Halle, alle drei hatten ihren Zauberstab erhoben. Denn über ihnen schwebte eine Matratze, genauer genommen die Matratze aus einem der Betten im Gryffindorschlafsaal. Sehr wahrscheinlich die von Sirius, denn ebendieser lag bequem ausgestreckt, noch in Schlafsachen, auf dieser Matratze, und ließ sich wie ein König in die große Halle transportieren. Dabei ließer sich lauthals von seinen Freunden besingen, die krähten nämlich laut und schief „happy birthday".
Der Großteil der Halle brach bei diesem Anblick in Gelächter aus, Jenna natürlich auch. Gleichzeitig war sie aber auch sehr von den drei Jungs beeindruckt: Natürlich waren sie zu dritt, aber einen Levitationszauberspruch halten, dabei laut singen und dann auch noch über nichts stolpern? Das war schon eine Kunst.
Als die Rumtreiber fast bei ihrem Platz am Tisch angekommen waren, war auch ihre Gesangseinlage beendet, und viele Leute klatschten und jubelten. Einige aus den anderen Häusern kamen herüber um Sirius zu gratulieren, und bei der Gelegenheit lud er gefühlt ganz Hogwarts (minus die Slytherins) zu der Party heute Abend ein – nicht, dass das nötig gewesen wäre, er und James hatten schon vor Tagen angekündigt, dass zu Sirius Geburtstag selbstverständlich eine große Feier stattfinden würde, und dabei hatten sie schon alles und jeden eingeladen, der ihnen über den Weg lief. Natürlich abgesehen von den Slytherins, aber das war ja klar.
Als sich plötzlich relativ zügig ein Loch in die Traube um die Rumtreiber herum bohrte, und viele schleunigst zu ihrem Platz zurückkehrten, schaute Sirius auf. Und ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
„Professor Minnie! Wollen Sie mir auch zum Geburtstag gratulieren? Das freut mich sehr, wie schön, dass sie an mich gedacht haben!"
Sirius strahlte Professor McGonagall an, die wiederum wirkte aber gar nicht erfreut.
„Mister Black, eine Matratze gehört auf ein Bett, nicht in einen Speisesaal.Und wieso sind sie nicht angezogen? Ihre Freunde haben es doch auch geschafft, sich vernünftig zu kleiden."
Bevor Sirius irgendetwas erwidern konnte, sprang James direkt ein: „Das ist ganz simpel Professor. Sirius wollte gerne heute morgen im Bett frühstücken, aber weil das eine spontane Idee war, konnten wir nichts derartiges vorbereiten. Also mussten wir auf jeden Fall etwas zu Essen aus der großen Halle besorgen, aber natürlich wollten wir auch laut für Sirius „happy birthday" vor der Schule singen. Also haben wir und gedacht, wenn das Essen nicht zum Bett kommen kann, dann muss das Bett eben zum Essen. Logisch oder?"
Nun grinste auch James Professor McGonagall an, aber die schien das von James Gesagte anscheinend gar nicht mal sooo logisch zu finden, denn ihre Mine verzog sich kein Stück.
„Nein Mister Potter, tatsächlich ist das ganz und gar nicht logisch. Los, schaffen Sie diese Matratze wieder dahin, wo sie hergekommen ist, und Mister Black, sie ziehen sich vernünftige Sachen an. Auf auf!"
Immernoch grinsend machten sich alle vier langsam wieder auf den Weg zum Gryffindorturm – so, als hätten sie genau geahnt, dass es so kommen würde. Aber wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass Peter auf dem Rückweg gar nicht so auf den Zauberspruch konzentriert war; es wirkte eher so, als würde er eine ganze Menge Zeug so unauffällig wie möglich tragen wollen. Und tatsächlich: Auf dem Gryffindortisch war hier und da eine kleine Lücke im Buffet zusehen, so, als ob jemand zwischendrin ein paar Körbe und Servierplatten hat mitgehen lassen. Jenna musste sich ein Lachen verkneifen – anscheinend würde Sirius wohl doch noch sein Frühstück im Bett kriegen.
Die Zeit bis zum frühen Nachmittag verbrachte Jenna zusammen mit Lily. Eigentlich wollten beide noch zusammen eine Hausaufgabe erledigen, und Lily tat das auch. Jenna nicht. Sie wollte zwar eigentlich, aber ihr Gehirn ließ keinen einzigen klaren Gedanken zu. Also schaute sie Lily beim Schreiben zu und überlegte schon einmal, was sie Hannah als erstes zeigen würde.
Vielleicht die schöne Landschaft? Nee, das musste auch auf jeden Fall gemacht werden, aber nicht zuerst. Am besten wäre es mit dem Schloss selbst anzufangen, dann wäre die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie sich irgendwann verläuft. Aber nach einmal Erkunden kennt man sich natürlich noch nicht so richtig aus... Vielleicht erst einmal die wichtigsten Orte? Zum Beispiel den Gryffindorturm, die große Halle, die Klassenzimmer... Ja, das war eine gute Idee. Und ansonsten hätte Hannah möglicherweise auch schon eine Idee, womit sie gerne anfangen würde.
Etwas zufriedener beobachtete Jenna weiter Lily. Die war auch fast fertig wie es aussah, und mittlerweile war es etwa ein Uhr. Natürlich noch viel zu früh, aber Jenna wollte auf jeden Fall die erste am Eingang sein, auch wenn sie dann noch einige Zeit in der Kälte ausharren musste.
Nachdem Lily mit Schreiben fertig war, wäre Jenna am liebsten direkt zum Haupteingang gestürzt. Zum Glück hielt Lily sie davon ab, denn sie erwähnte zu Recht, dass es erstens sowieso noch viel zu früh ist, und es zweitens sehr kalt draußen ist. Also machten sie noch einmal einen Abstecher zum Gryffindorturm, dort verstauten sie ihre Bücher und das Schreibzeug, und zogen sich außerdem noch etwas wärmer an.
Marlene und Alice schlossen sich ihnen an, und im Gemeinschaftsraum sammelte sie noch die Rumtreiber ein. Die wollen auch gerne früh da sein, und nachdem auch die Jungs sich noch etwas wärmer angezogen hatten, liefen sie alle in Richtung des Eingangs.
Um kurz vor halb zwei standen sie alle aufgereiht draußen und starrten in die Richtung, in der Hogsmeade liegt. Von dort aus sollten sie ankommen. Nach etwa einer Viertelstunde gesellten sich auch die Hauslehrer zu ihnen, und nach weiteren fünf Minuten war auch Dumbledore da. Nun standen sie alle da und schauten in Richtung Hogsmeade, je weiter die Minuten verstrichen, desto mehr andere Schüler kamen nach draußen. Es wollten wohl viele bei der Ankunft dabei sein.
Und dann, endlich: In der Ferne sah man, wie zwei Kutschen in Richtung Hogwarts fuhren. Das Gemurmel der Gruppe wurde etwas lauter, jetzt kann es sich nur noch um wenige Minuten handeln, bis die anderen da sind. Jenna würde am liebsten zu den Kutschen los rennen, aber zum Glück kann sie sich beherrschen. Es wäre schon ein wenig peinlich, wenn sie jetzt wie eine Verrückte auf die anderen zuliefe.
Die beiden Kutschen verschwinden kurz inmitten der ganzen Bäume, die trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit immer noch relativ Blick undurchlässig sind, und dann sind sie da. Jenna vibriert beinahe vor Freude.
Sie entdeckt Hannah schon auf den ersten Blick. Sie hat wieder ihre klassische dunkelrote Jacke an, die, die noch nicht so richtig dick gefüttert ist, aber trotzdem schon gut warmhält. Außerdem hat sie ihre hellgrauen Ohrenwärmer auf, und Jennas Grinsen wird noch breiter, als es ohnehin schon war; die Ohrenwärmer hatte sie ihr mal zu Weihnachten geschenkt, nachdem sich Hannah während einiger besonders kalter Wochen über ihre ständig abfrierenden Ohren beschwert hatte.
Während Hannah ausstieg, versuchte Jenna kurz Moritz und André zu erspähen – das stellte sich als nicht allzu schwierig heraus. Die beiden saßen nämlich in der gleichen Kutsche. Auch André war dem Wetter entsprechend angezogen, ganz im Gegenteil zu Moritz. Warme Klamotten? Mütze? Irgendetwas anderes das darauf hindeutet, dass es nur etwa zwei Grad sind? Fehlanzeige. Aber bei ihm auch nichts ungewöhnliches.
Moritz hatte – wie immer – seine schwarze Lederjacke an, und da er nichts trug was ihm irgendwie die Stirn verdeckte, konnte man auch die Narbe sehen, welche sich durch die linke Augenbraue zog. Er sah (wie immer natürlich) lässig und cool aus, und Jenna musste sich gar nicht umdrehen um zu wissen, dass alle Mädchen die ihn gerade sehen konnten direkt angefangen hatten miteinander zu tuscheln. Natürlich taten sie das, in Brasilien war es nicht anders gewesen .Aber es war auch nichts anderes zu erwarten gewesen – Moritz war einfach ein echter Hingucker.
Nun endlich waren alle ausgestiegen, und nachdem Hannahs Blick kurz über die Menge ging, hatte auch sie Jenna direkt gefunden. Auch ihr Grinsen war so breit wie eh und je. Sie waren während ihrer gemeinsamen Zeit in Brasilien zwar nie wie klassische beste Freundinnen gewesen, aber sie standen sich trotzdem nahe und hatten sich sehr vermisst. Es war aber auch nun wirklich eine lange Zeit her, dass sie sich gesehen hatten.
Auch André und Moritz hatten sie entdeckt, beide nickten ihr einmal fröhlich zu. Danach ließ Jenna ihren Blick über die anderen schweifen, die meisten Gesichter kamen ihr tatsächlich relativ bekannt vor.
Nun trat Dumbledore vor, und er hieß die Gruppe herzlich willkommen. Dabei stellte Jenna überrascht fest, dass nur eine Lehrkraft aus Brasilien die Schülerinnen und Schüler begleitete, und diese kam ihr nicht einmal bekannt vor. Sie sah aber nett aus, außerdem hatte sie lustige Schuhe an. Sie waren dunkelgrün und irgendwie waren Fransen daran befestigt. Sie wirkten wie kleine Tannenbäume, was Jenna schmunzeln ließ.
Dumbledore beendete seine kurze Ansprache, und Jenna stellte fest, dass sie ihm fast gar nicht zugehört hatte. Aber es war ihr auch egal. Die Gruppe ging nun auf die Menschentraube vor den Türen vor Hogwarts zu, und je näher sie kam, desto mehr war Jenna davon überzeugt, dass das die besten acht Tage werden würden, die sie seit langer Zeit hatte. Und das sprach schon Bände, denn seit ihrer Zeit in Hogwarts hatte sie schon sehr viele sehr schöne Tage erlebt. Doch das hier? Das würde ganz neue Höhen erreichen.
Hallo ihr Lieben <3
Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf die kommenden Kapitel freue. Neue Leute in Hogwarts? Da lässt sich hier und da ein bisschen Drama gar nicht vermeiden, und das kann nur gut werden. Lasst gerne Votes und Kommentare da xx
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