Kapitel 55
Wir sitzen mittig im großen Saal, der nur so mit Familien und Graduierenden überquillt. Da ich der älteste der Familie bin und auch meine kleine Schwester nicht eine einzige Sekunde als Studierende an einer Universität verbracht hat ist es tatsächlich das erste Mal, dass ich eine solche Zeremonie mitbekomme. Die Studiengangsleitung beginnt damit eine Rede über die Bedeutung von Literatur in der Geschichte bis heute zu halten, was mir nicht mehr am Arsch vorbeigehen könnte, aber mein Freund starrt ganz gebannt nach vorne, was mich davon abhält irgendwelche Kommentare zu machen. Immerhin ist es sein Tag.
Seine Hand liegt in meiner und drückt wiederholt meinen Handrücken. Anne, zu meiner rechten Blickt in immer kürzer werdenden Abständen an mir vorbei zu ihrem Sohn, je näher wir seinem Nachnamen kommen. Beim „S" angekommen beginnt sein Bein unkontrolliert auf- und abzuwippen. Er scheint es weder stoppen zu können, noch registriert er, dass sein Bein es tut und damit die umliegenden Stühle mitbewegt. Sanft lege ich meine Hand auf sein Knie und blicke ihn liebevoll an. „Haz," ziehe ich seine Aufmerksamkeit auf mich. „Sorry", murmelt er zurück, lässt seine Hanf aber auf meine weichen und schiebt seine Finger zwischen meine. Das Wippen hört auf. Die Namen schreiten vorran. Selby. Shaw. Shelton. Singh. Styles, Harry. Mein Harry.
Neben mir richtet er sich auf, streicht sein Hemd glatt und tritt dann an seiner Mutter vorbei aus der Reihe heraus. Mit langen, viel zu eleganten Schritten bewegt er sich in Richtung Studiendekanin, welche ihm breit lächelnd das Zertifikat entgegenhält. Mit einem breiten Lächeln nimmt Harry es entgegen, stellt sich zwischen Universitätsleitung und die Dekanin, deren Namen ich ehrlicherweise schon wieder vergessen habe und hält das Zertifikat stolz vor seine Brust, während ein Foto von ihnen aufgenommen wird. Mit einem Stolz, der meine Brust von innen wärmt, klatsche ich zusammen mit Anne und Gemma viel zu laut, aber ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns gerade etwas daran ändern wollen würde. Mir sind sogar die Handykameras egal, die auf uns gerichtet sind, statt auf die eigenen Gesichter oder das Geschehen vorne auf der Bühne. Wir sind alle viel zu Stolz auf diesen jungen, fabelhaften Mann, um uns auf irgendwas anderes zu konzentrieren. Und wir alle lieben ihn.
Die restlichen 90 Minuten presst Harrys Bein sich an meins und auch sein Oberarm ist enger an meinen Gepresst, als er es in solch einem akademischen Setting wohl sollte. Ehrlicherweise interessiert mich das nicht die Bohne. Wir klatschen für die anderen Absolventen, diskutieren Outfits und Harry stiehlt sich hin und wieder kleine Küsse bei mir, was Gemma die Augen verdrehen lässt. Das Lächeln auf ihren Lippen lässt mich aber zumindest vermuten, dass sie sich für ihren Bruder freut. Und ich kann sie verstehen, als älteres Geschwister sind die anderen immer Babys für einen. Lottie oder die anderen mit Freund zu sehen ist schön, aber der Bruder im mir lässt nicht zu, dass ich nicht zumindest würge Geräusche von mir gebe, wenn sie ihren Freund küssen.
Als wir mittags wieder an die Frische Luft treten, knurrt mein Magen. Harry wirft mir einen Amüsierten Blick zu und besteht daraufhin, dass wir jetzt noch Fotos machen müssen, um uns an diesen Moment zu erinnern. „Harry, wir werden uns auch so an den Soft Porno zwischen Louis und dir erinnern", meint Gemma, welche darauf prompt einen Schlag auf den Arm kassiert, ehe Harry ihre Hand greift und sie zu sich zieht, sein Handy mir ins Gesicht haltend: „Foto." Perplex blinzle ich, seufze und komme dieser Forderung nach. Ich mache Fotos der beiden, von den Drein und von Anne und ihrem Sohn. Fünf Posen Wechsel und eine Kontrolle der Bilder später nickt Harry zufrieden und drückt dann Gemma das Handy in die Hand. Dann stellt er sich neben mich. Mir schießt die Hitze nur so ins Gesicht als ich realisieren, was das bedeutet. Fuck fuck fuck. Mein Herz macht einen Sprung.
Mein Arm liegt auf seiner Hüfte, während er seine Hand auf meiner Brust platziert und seinen Kopf an meinen Lehnt. Das Stolze, sich auf meine Lippen schleichende Lächeln lasse ich zu. Es ist schön, diesen Moment genießen zu können und mir keinen Kopf zu machen. Enthusiastischer als ich es getan habe, knipst Gemma Foto um Foto, bis ich mir wirklich sorgen um Harrys Speicherplatz mache. Sogar Anne wird von meinem Freund an seine Seite gezogen, was bei seiner Schwester ein empörtes Schnauben verursacht. „Wenn du glaubst, dass es jetzt kein Familienfoto gibt, hast du falsch gedacht du Pimmelbirne", gibt sie an Harry gerichtet von sich, drückt einer vorbeilaufenden Dame einfach sein Handy in die Hand und bedeutet ihr, ein Foto von uns vieren zu machen. Zielsicher läuft sie auf mich zu, stellt sich neben mich und legt ihren Arm um meine Schultern. Meine Wangen sind sicherlich puterrot, so warm fühlen sie sich an. Ein Familienfoto. Fuck, ich bin auf einem Familienfoto. Mein Lächeln wird so breit, dass meine Augen sich zu kleinen Schlitzen zusammenziehen. Ich fühle mich so glücklich, dann soll man mir das auch ansehen. Außerdem, wer bekommt das Bild schon zu sehen? Ich werde es sicherlich nirgendwo posten.
Als ich zu meinem Freund blicke, sind seine Wangen genauso rot, wie ich meine Vermute und seine Augen funkeln nur so vor sich hin. Mein Daumen streicht über seine Hüfte und ich lehne mich ein kleines Stück näher zu ihm. „Danke, vielen Dank", reißt Anne mich aus meinen Gedanken, die die arme Frau aus ihrer Pflicht ablöst und das Handy an sich nimmt. Da alle Aufmerksamkeit gerade auf die Dame gerichtet ist, strecke ich mich nach oben und presse meine Lippen auf Harrys. „Du kannst stolz auf dich sein, Kiwi."
Anne dazu zu überreden, dass ich sie und Gemma zum Essen einlade ist schwer, aber diese stimmt schließlich doch zu, als Fast ein Streit zwischen Harry und Gemma entsteht. Letztere hat nämlich hervorgehoben, dass es für mich und die, ich zitiere: Millionen auf meinem Konto, kein Problem ist, sie einzuladen. Sowohl dem Lockenkopf als auch seiner Mutter war dieser Kommentar äußerst unangenehm, während ich das ganze vergnügt betrachte. Sie hat natürlich recht und wenn ich ehrlich bin, mag ich, dass sie diese Tatsache geradeheraus anspricht. Es ist definitiv besser, als das Thema einfach Tod zu schweigen. So kommt es also, dass wir uns einige Zeit später im Maine Mayfair in Soho einfinden. Der Kellner im Eingang des roten Backsteinhauses begrüßt uns freundlich, ehe er nach meinem Namen fragt und die Reservierung im Buch durchstreicht. Durch ein edlen und für meinen Geschmack viel zu rosig und verspielten Innenraum führt er uns zu einer, bis auf ein Pärchen in ihren 80ern, leeren Terrasse. Dunkle, runde Holzbänke stehen in den Ecken, während die Mitte des Raumes von kleinen, für wenige Personen vorgesehenen Tischen geziert wird. Unser Tisch befindet sich ganz am Rand der Terrasse, wie ich es mir gewünscht hatte. Zusätzlich gibt es einen leichten Sichtschutz aus Blumen, der uns ein wenig mehr Privatsphäre gönnt, als den anderen.
Während Harry und Anne sich fasziniert umblicken, mustert Gemma mich mit einem Blick, den ich nur zu gut kenne. „Du bist verloren", Mimikt sie mir mit ihren Lippen zu, lächelt aber. Ich nicke. Sie hat recht. Ich bin ihrem Bruder gottlos verfallen, wodurch ich alles geben würde, um ihn für immer so lächeln zu sehen.
Bis wir unsere Vorspeise serviert bekommen, hält das Gespräch sich an die Einrichtung des Restaurants und das gute Wetter, was dem ganzen nur noch mehr Glanz verleiht. Keiner der Vier kommentiert, dass auf der Karte keine Preise stehen. Weder, als Vor- und Hauptspeisen bestellt werden, noch beim Aussuchen des Nachtischs. Harry schwankt zwischen Créme Brülée und Key Lime Pie, weshalb ich mich für letzteres Entscheide. So kann er immerhin etwas von meinem haben. Die Sonne strahlt inzwischen so stark, dass mir unter meinem Polohemd richtig warm wird. All die Wochen die ich mittlerweile in Los Angeles und Sydney verbracht habe haben offensichtlich noch nicht gereicht, dass ich mich an warme Temperaturen gewöhne.
„Hazzie, ehe wir gleich wieder gehen, haben Gemma und ich natürlich noch was für dich.", leitet Anne ein, woraufhin auch ich in meine Hand in meine Hosentasche gleiten lasse und die kleine Schatulle umfasse.
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Freunde der Sonne,
die Zeugnisvergabe ist durch, es gab ein Familienfoto und jetzt noch ein gemeinsames Essen! Läuft ziemlich gut, nicht? Was denkt ihr, bringt der restliche Tag noch? Ein highlight gibt es nämlich (abgesehen von dem Geschenk das ihr schon kennt) noch!
ich weiß, dass ich einen Tag zu spät bin, dafür gibt es aber dann Sonntag (hoffentlich) wieder pünktlich das nächste Kapitel :)
love, j x
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