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Die Wucht, mit der Hayes mich küsst, haut mich geradezu um, und das nicht nur im übertragenen Sinne. Es rumpelt laut, als ich an die Kante des Schreibtisches stoße, was ich jedoch nur am Rande meiner Wahrnehmung registriere. Ich spüre seine Hände an meiner Taille – ein Gefühl, welches mir nur allzu bekannt ist. Unsere Körper reagieren aufeinander, wie die von zwei nach einander hungernden Liebenden beim Aufeinandertreffen. Hemmungslos und komplett blind für das, was um sie herum geschieht.
Ich liebe ihn nicht. Er liebt mich nicht. Das weiß ich. Und doch will ich es für diesen Moment glauben.
Mein Verstand sagt mir, was für eine komplett bescheuerte Idee das ist. Doch mein Herz, meine Seele und mein Körper sind in der eindeutigen Überzahl und genießen jede einzelne seiner Berührungen. Der Gedanke daran, dass das hier wirklich nicht gut ist, tritt in weite Ferne, sodass ich ihn kaum noch wahrnehmen kann. Als Hayes meine Unterlippe zwischen seine Zähne nimmt, sehe ich ihn gar nicht mehr.
Ich schlinge die Arme um seinen Hals und presse mich an ihn, die vielen Stoffschichten zwischen uns still verfluchend. Kurzerhand packt er mich bei den Oberschenkeln und hebt mich hoch, sodass ich auf dem Schreibtisch sitze und er sich zwischen meine Beine stellen kann. In einer entschlossenen Bewegung wischt er alles vom Tisch und schiebt seinen Körper über meinen, sodass mein Rücken auf das kühle Holz gepresst wird.
Ich spüre seine sich heftig hebende und senkende Brust dicht an meiner. Als er einen kleinen Schritt zurück macht und sich damit von mir löst, entfährt mir ein bedauernder Seufzer, für den ich mich nicht einmal mehr schäme, so erregt bin ich.
Seine Augen wandern meinen Körper entlang und obwohl wir er mich nicht anfasst, fühlt es sich dennoch so an. Das träge Pochen in meinem Schoß wird durch jeden einzelnen seiner Blicke befeuert. Mit leicht geröteten Wangen fährt er sich über den Dreitagebart, die Stirn gerunzelt.
»Uma Cunnings...«, murmelt er, als wäre mein Name ein Segen und Fluch zugleich. Dann schüttelt er den Kopf. »Gott, du hast keine Ahnung, was du mit mir machst. Nicht einmal ansatzweise. Und dieses Kleid... verdammt nochmal, dieses Bild werde ich niemals wieder aus meinem Kopf bekommen. Du hast mich für alle zukünftigen Frauen verdorben.«
»Gut.« Diese Worte kommen schnurrend heraus, neckend, obwohl sich mein Magen bei der Vorstellung von Hayes und einer anderen Frau komplett umdreht. Er fährt zu mir herum und schluckt. Mit in einem süffisanten Lächeln stütze ich mich auf dem Tisch hinter mir ab und öffne meine Beine, sodass der hohe Schlitz meines Kleides sich um meinen einen Oberschenkel schmiegt, um dann lautlos an der glatten Haut vorbeizugleiten. Langsam tritt Hayes wieder auf mich zu, der Blick vor Lust verschleiert.
Ich recke mich ihm bereits entgegen für den nächsten Kuss, die nächste feurige Liebkosung. Doch wider Erwarten sieht Hayes mich einfach nur an und mir stockt der Atem. Noch nie hat er mich so angesehen. So, als wäre er einerseits kurz davor, mich bewusstlos zu küssen... und andererseits, mir beide Hände um den Hals zu legen und sehr fest zuzudrücken.
Mit weit aufgerissenen Augen begegne ich seinem Blick. Ich weiß, dass ich eigentlich Angst haben sollte. Denn da ist irgendwas Unausgesprochenes zwischen uns. Etwas, das ich bisher stets unter der Oberfläche brodeln gesehen habe. Etwas, das zu Anfang unserer Bekanntschaft besser sichtbar war, etwas, das danach nur noch ab und zu unter der Oberfläche hervorblitzte. Etwas mehr, als nur bloße Abneigung.
Hass.
Als er mich diesmal küsst, fühlt es sich wie ein Schlag auf den Mund an – ein süchtig machender Schlag. Wie eine Ertrinkende klammere ich mich an ihm fest und gebe dem brennenden Verlangen in mir nach, obwohl mein Verstand es doch besser weiß.
Er löst sich plötzlich von mir und umklammert mein Kinn mit seinen Fingern, den Daumen an meiner Unterlippe. Sein warmer Atem vermischt sich mit meinem, während sich seine schwarzen Augen verdüstern und sein Kiefer sich anspannt, so, als wollte er sich zurückhalten. Kurz denke ich, dass er etwas sagen wird. Doch als er eisern schweigt, lehne ich mich zurück, um ihn ansehen zu können.
»Hayes?«, schlüpft es leise über meine Lippen. Ich erinnere mich nicht an das letzte Mal, dass meine Stimme so wackelig und unsicher geklungen hat. Der Impuls, diesen Mann dafür zu hassen, dass er das mit mir macht, dass er solche Gefühle in mir weckt, ist stärker denn je. Doch so sehr ich Hayes auch die gleiche hasserfüllte Energie entgegen schleudern will, die zuvor in seinem Blick gelegen hat – ich kann es einfach nicht.
Gepeinigt schließt er die Augen und lässt den Kopf hängen. Dann zieht er mich in seine Arme und vergräbt die Nase in meinem Nacken. Er umschlingt mich so fest, dass es wirkt, als würde er mich nie wieder loslassen wollen. Ein ziehender Schmerz materialisiert sich in meinem Herzen und füllt es komplett aus.
»Was ist los?«, hauche ich an seiner Haut, doch ich spüre lediglich, wie er den Kopf schüttelt. Ich weiß, ich sollte mich von ihm lösen und gehen. Es ist offensichtlich, dass irgendwas nicht stimmt. Es wäre schlicht falsch, zu bleiben.
Und obwohl mir all das bewusst ist – ich kann es nicht. Ich bringe es nicht über mich, umzudrehen und zu verschwinden.
Stattdessen bleibe ich. Die wahrscheinlich dünnste Entscheidung, die ich hätte treffen können.
...
»Uma.«
Mein Name klingt aus seinem stets wie ›Uhma‹. Eine Weile habe ich gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Doch mittlerweile ist die Art und Weise, wie er diese drei Buchstaben klingen lässt, meine liebste.
Hastig ziehe ich mir meine Klamotten wieder an und richte meine Haare, sodass ich einigermaßen vorzeigbar bin.
Ich blicke ihn fragend an. Er tritt auf mich zu, legt zärtlich seine Hände um mein Gesicht, und... sieht mich mit einem hartem, irgendwie schmerzerfülltem Ausdruck in den Augen an, der in starkem Kontrast zu seiner sanften Berührung steht.
Als nichts weiter kommt, verspüre ich einen fast schon bedauernden Stich, als er sich von mir losmacht und umdreht. Ich verstehe nicht im Mindesten, was hier gerade passiert.
Doch es scheint, als wäre das mein Stichwort zu gehen.
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