🦋Kapitel 09🦋
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Völlig groggy, da ich wegen meines immer wiederkehrenden Albtraums in den letzten Nächten kaum geschlafen habe, stoße ich vorsichtig mit meinem Hintern die Tür zum Fotostudio auf. In der einen Hand halte ich den Kaffeehalter, in dem sich unser Kaffee, den ich wie jeden Tag geholt habe, befindet, und in der anderen Hand meine Tasche. Dabei sehe ich, dass Chris schon mitten dabei ist, ein Set für ein Fotoshooting mit einem weiblichen Model, das heute ansteht, aufzubauen.
»Guten Morgen, Chris«, begrüße ich ihn, gehe auf ihn zu und er nimmt sich seinen Kaffee. Mit Bens Kaffee möchte ich gerade auf sein Büro zulaufen, als mich die Worte von Chris innehalten lassen.
»Guten Morgen, Cataleya, den Kaffee für Ben brauchst du ihm nicht in sein Büro bringen, er ist noch nicht da.«
»Was? Ben, der sonst immer der Erste hier ist, ist noch nicht da? Ist er krank? Oder ist gestern bei seinem Außentermin etwas passiert?«, frage ich besorgt nach, da es mich doch etwas wundert, dass Ben noch nicht da ist, und ich drehe mich wieder zu Chris.
»Nein, es ist alles ok. Er war nur heute Morgen schon den zweiten Tag in Folge nach Langem im Fitnessstudio und kommt deshalb ein wenig später. Ich wollte nur nicht schon um sechs Uhr mitgehen, das Bett war mir dann die deutlich bessere Alternative«, erzählt er grinsend.
»Dann bin ich ja beruhigt. Bei euch scheint es sich ja zu etwas Ernstem zu entwickeln«, wende ich mich an ihn, nachdem ich meine Jacke und Tasche abgelegt und meinen Kaffeebecher, den ich vorher abgestellt habe, in die Hand nehme. Bens Kaffee habe ich auf die Bar im Studio gestellt.
»Ja, irgendwie schon. Ich fand ihn ja schon toll, als ich hier vor vier Wochen angefangen habe zu arbeiten. Und als wir uns dann vor knapp zwei Wochen nähergekommen sind, da habe ich sofort gespürt, dass das zwischen ihm und mir etwas Besonderes ist. Er tut mir einfach gut«, erzählt er mir.
»Das ist wirklich schön zu hören. Vor allem, da seine letzte Beziehung nicht gerade schön war. Glaub mir, auch du tust ihm gut«, erwidere ich und nippe an meinem Kaffee. Dabei fällt mir wieder ein, wie fertig Ben nach seinem letzten Beziehungsaus war und dass ich, so gut es ging, versucht habe ihn aufzufangen. Da ich zu dem Zeitpunkt genug eigene Probleme hatte, war das nicht immer einfach. Aber Ben ist drüber hinweggekommen.
Gerade als Chris noch etwas sagen möchte, kommt plötzlich Ben ins Fotostudio geschneit.
»Sorry, dass es etwas länger gedauert hat, aber ich war noch mit Matthew frühstücken«, begrüßt er uns, ehe er Chris einen Kuss auf die Wange haucht und mich umarmt.
Bei dem Namen Matthew werde ich hellhörig. »Du hast Matt heute schon getroffen?«, frage ich ihn so beiläufig wie möglich, in der Hoffnung, dass er über ihr Treffen etwas erzählt.
»Ja, ich habe ihn gestern durch Zufall im Fitnesstudio getroffen, bevor ich zu meinem Termin gefahren bin, und für heute haben wir uns zum Trainieren verabredet. Dabei habe ich auch erfahren, dass er heute Abend Nuala zu dir bringt, weil du auf sie aufpasst, während er in London ist«, berichtet mir Ben und schaut mich mit hochgezogener Augenbraue an.
Da fällt mir ein, dass ich ihm das noch gar nicht erzählt habe. »Ja, das stimmt, ich passe auf Nuala auf«, sage ich und nippe weiter an meinem Kaffee. Ben mustert mich weiterhin.
»Na wenigstens erfahre ich solche News von Matt, auch wenn es Zufall war«, erwidert er und ich bekomme doch ein schlechtes Gewissen, weil ich es Ben nicht erzählt habe. Dieser fährt allerdings fort: »Ach, übrigens, er hat gefragt, ob du einen Freund hast.«
Wegen seines letzten Satzes verschlucke ich mich an meinem Kaffee, huste und japse nach Luft. Ich habe mich doch verhört, oder?
»Was hat er? Und was hast du ihm geantwortet?«, frage ich ihn, nachdem ich mich beruhigt habe und um sicherzugehen, ob ich mich nicht doch verhört habe.
»Nun, er hat gefragt, ob du vergeben bist. Ich habe zu ihm gesagt, er soll dich selber danach fragen. Cat, du solltest mit ihm reden«, sagt Ben und schaut mich eindringlich an.
Mist, ich habe mich doch nicht verhört. Eigentlich sollte ich mich deshalb ja freuen, aber ich weiß momentan meine Gefühle zwecks Matts Frage nicht richtig einzuordnen.
»Ja, ich denke auch. Das sollte ich heute Abend wohl machen«, erwidere ich, da Ben recht hat, ich muss mit Matt unbedingt reden und dabei ein paar Sachen klarstellen.
Der restliche Arbeitstag vergeht schneller als gedacht und somit kann ich heute sogar schon um siebzehn Uhr Feierabend machen. Das passt mir ganz gut, weil ich mir noch ein paar Scones backen wollte, und somit kann ich das noch tun, bevor Matthew Nuala vorbeibringt. Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht, wie ich es Matthew sagen soll, dass ich ihm nur Freundschaft geben kann. Die Wahrheit, warum das so ist, kann ich ihm nämlich nicht sagen. Noch nicht. Vielleicht irgendwann. Aber ich muss ehrlich zu ihm sein, auch wenn ich wünschte, es wäre anders und ich könnte mich auf ihn einlassen. Denn da ist ein Knistern zwischen uns, das man nicht leugnen kann.
Als ich gegen siebzehn Uhr dreißig zu Hause bin, ziehe ich mir eine graue Leggings und ein weites rosa Shirt über, anschließend binde ich mir meine Haare hoch und lege mir meine Schürze um. Ich mache mein kleines Küchenradio in meiner Küchenzeile an, die neben meiner Wohnungstür ist. Aus ihm kommt gerade zufällig die Musik von Walking on Cars, und ich beginne leise mitzusummen. Anschließend mische ich Mehl, Eier, Zucker, Backpulver, Salz, Butter, Kokosmilch, geraspelten Kokos und Himbeeren, die ich heute tagsüber habe auftauen lassen, zu einem Teig. Ihn rolle ich dann mit meinem Wellholz aus. Danach nehme ich meine runde Scones-Form zum Ausstechen und steche welche aus. Diese platziere ich im Anschluss auf dem vorbereiteten Blech. Die Scones bestreiche ich dann noch mit etwas Kokosmilch und bestreue sie mit etwas Zimt und Zucker. Als ich damit fertig bin, schiebe ich die Scones in meinen vorgeheizten Ofen und stelle meine kleine Küchenuhr auf fünfzehn Minuten, weil sie so lange backen müssen.
Nachdem ich die ganzen Sachen, die ich zum Backen verwendet habe, abgespült habe, läutet auch schon meine kleine Uhr und zeigt damit an, dass die Scones fertig sind. Gerade als ich das Blech aus dem Ofen hole, klingelt es plötzlich. Ich stelle das Blech ab und ein Blick auf meine Handyuhr zeigt an, dass es schon achtzehn Uhr dreißig ist und dass das nur Matt und Nuala sein können. Ich drücke also auf den Türöffner, ziehe mir meine Schürze aus und lehne mich an den Rahmen meiner Wohnungstür, um auf die beiden zu warten.
Es dauert auch nicht lange und ich sehe Matt die Treppe zu meiner Wohnung, die unter dem Dach ist, hochlaufen. In seiner rechten Hand hält er die Leine, an der Nuala dran ist, und in der linken eine Tasche - ich denke, mit den Sachen von Nuala darin. Als diese mich sieht, wedelt sie sofort mit dem Schwanz.
»Na, ihr beiden«, begrüße ich sie und bücke mich schon zu Nuala herunter, die schon vor mir steht, da Matt sie von ihrer Leine befreit hat. Nachdem ich ihr über den Kopf gestreichelt habe, richte ich mich auf und schaue direkt in Matts schöne blau-grüne Augen. Um seinen Mund, auf seinen Wangen und auf seinem Kinn kann ich einen leichten Bartschatten erkennen, der ihm sehr gut steht.
»Hi«, begrüßt er mich lächelnd und ich schmelze aufgrund dessen buchstäblich dahin. Um mein verräterisches Herz nimmt auch noch an Tempo zu.
»Selber hi«, antworte ich ihm räuspernd und trete schnell zur Seite, damit die beiden eintreten können. Ich muss unbedingt etwas Abstand zwischen uns bringen, da er eindeutig zu nah vor mir stand.
Als er durch meine Tür tritt, fragt er direkt: »Was ist das für ein leckerer Geruch?«, und reckt seine Nase etwas nach oben.
»Ach das, das sind Himbeer-Scones, die ich eben gebacken habe«, antworte ich ihm und schließe meine Wohnungstür.
»Himbeer-Scones? Ich liebe diese kleinen Teile«, erwidert er mir, stellt seine Tasche ab, zieht seine Schuhe aus und hängt seine Lederjacke an meine Garderobe.
»Möchtest du einen probieren?«, frage ich ihn schmunzelnd und gehe hinter ihm vorbei.
»Auch wenn ich das eigentlich heute nicht dürfte und Violet mich töten würde, wenn sie das erfahren würde, aber dazu sage ich nicht nein«, antwortet er lächelnd und befüllt Nualas Wassernapf, den er eben aus der Tasche, die er mitgebracht hat, herausgeholt hat, in meiner Küchenzeile mit Wasser.
»Den Napf kannst du dort abstellen«, sage ich zu ihm und deute neben meine Küchenzeile. Nachdem er ihn abgestellt hat, trinkt Nuala sofort etwas, ehe sie auf mein hellblaues Sofa hüpft und es sich dort bequem macht. Matt wirft mir einen fragenden Blick zu. Ich nicke mit den Worten »Schon ok« und lege jeweils zwei Scones auf je einen Teller.
»Willst du dazu eine warme Schokolade?«, wende ich mich an Matt, als ich ihm die Teller reiche.
»Ich denke, das wäre mir zu viel. Hast du auch Tee?«, fragt er mich.
»Ja klar. Früchtetee?«, schlage ich vor und hole zwei Tassen aus dem Schrank zu meiner Rechten. Er nickt und geht mit den Tellern zu meinem Sofa. Diese stellt er auf dem kleinen Tisch, der davor steht, ab und setzt sich neben Nuala.
Ich bereite in der Zwischenzeit unseren Tee vor. Den ich, nachdem ich das kochende Wasser in die Tassen gieße, in denen schon die Teebeutel sind, auch auf meinem kleinen Tisch abstelle. Matt, der gerade Nualas Kopf streichelt, lässt seinen Blick durch meine Wohnung schweifen.
»Gemütlich hast du es hier«, merkt er an, als ich neben ihm Platz genommen habe.
»Danke. Endlich ist die Wohnung etwas wohnlich. Auch wenn ich nur eine kleine Küchenzeile zum Kochen habe«, erwidere ich und deute dabei auf diese, die sich hinter meinem Sofa befindet, »habe ich immerhin zwei Zimmer.«
»Das reicht doch«, sagt er und lässt seinen Blick nochmal durch mein Wohnzimmer schweifen.
»Nun, für mich schon. Aber du bist sicher anderes gewöhnt. Immerhin bist du ein erfolgreiches Model«, äußere ich mich, weil seine Wohnung mit Sicherheit nicht mit meiner zu vergleichen ist.
»Ja, ich habe mir eine größere Wohnung von meinem Geld, das ich verdiene, gegönnt, das stimmt. Aber sonst ist mir Geld nicht so wichtig. Ich spende sehr oft etwas an kranke Kinder oder für Tiere«, antwortet er, ehe er einen Schluck von seinem Tee nimmt.
Ich bin aufgrund seiner Worte positiv überrascht und schaue ihn kurz mit offenem Mund an, ehe ich sage: »Das ist wirklich sehr löblich, Matt. Ich bekomme leider nicht so viel Geld, dass ich etwas spenden könnte. Ben zahlt mir ja freiwillig etwas, dass ich hier in Dublin leben kann.«
»Geld ist nicht alles, Leya. Aber du machst deine Ausbildung auch etwas spät. Macht man die normalerweise nicht früher?«, fragt er und dreht sich etwas zu mir. Ich habe nun nicht wirklich damit gerechnet, dass er mich auf meine späte Ausbildung anspricht, und nippe an meinem Tee, um nicht gleich antworten zu müssen.
Ich sammle mich kurz, bevor ich schließlich antworte. »Doch, schon, aber ich, ich musste meine Ausbildung leider vor zwei Jahren unterbrechen. Es gibt da etwas in meinem Leben, über das ich nicht - noch nicht reden kann. Somit nehme ich im September die Ausbildung wieder auf. So lange kann ich bei Ben dankenderweise ein Praktikum zur Überbrückung machen«, berichte ich ihm leise und schaue kurz auf den Boden, da es mir nicht leichtfällt, das zu sagen.
»Das tut mir leid. Falls du irgendwann mal über das, was war, reden möchtest, ich höre dir gerne zu«, flüstert er, weil er merkt, dass es wohl das falsche Thema ist, und beißt in einen seiner Scones. Nicht weiter auf seine Worte eingehend, schaue ich ihn gespannt an. »Gott, Leya, die schmecken fantastisch«, sagt er begeistert, während er kaut. Aufgrund dessen muss ich grinsen und beiße ebenfalls in einen. Schweigend essen wir unsere Scones und trinken den Tee. Das ist aber alles andere als unangenehm. Es ist eine angenehme Stille, in der wir beide unseren Gedanken nachhängen.
Nachdem wir fertig sind, hilft er mir, das Geschirr noch kurz abzuräumen. Ich wasche es direkt ab und als er mir schließlich das Geschirrtuch reichen möchte, mit dem er das Geschirr abgetrocknet hat, berühren sich plötzlich unsere Finger. Dabei beginnen meine augenblicklich zu kribbeln. So wie immer, wenn wir Hautkontakt haben. Ihm scheint es genauso zu gehen, weil er meinen Blick mit seinem gefangen nimmt. Ich gebe mich diesem Moment für einen Augenblick hin, ehe ich schnell meine Hand zurückziehe.
»Matt, ich denke, du solltest wissen, dass ich dir leider nicht mehr als Freundschaft geben kann. Ich würde es aber echt schön finden, wenn wir Freunde sein könnten«, wende ich mich an ihn, da sein Blick nun unsicher ist. Zudem sollte ich ihm keine falschen Hoffnungen machen.
Er räuspert sich, ehe er sagt: »Das ist ok. Da ich dir auch nicht mehr als Freundschaft geben kann. Dein Freund kann sich glücklich schätzen. Es tut mir leid, wenn ich mit der Umarmung letztens zu weit ging«, erwidert er und ich höre Enttäuschung in seiner Stimme mitschwingen.
Zweifelsohne tut es mir leid, dass ich ihn zurückweise, aber das sage ich natürlich nicht, weil das nur weitere Fragen aufwerfen würde, die ich nicht beantworten möchte. Ich schaue vor mir auf den Boden und antworte: »Ich habe keinen Freund. Es hat andere Gründe.«
Mit dieser Antwort muss er sich nun zufriedengeben, bis ich ihm vielleicht mehr darüber erzähle. Auf die Umarmung gehe ich nicht weiter ein. Er wirft unterdessen das Abtrockentuch neben mich auf die Küchenzeile, woraufhin ich meinen Blick wieder anhebe.
»Nun gut, ich sollte gehen, ich muss morgen früh raus«, sagt er hastig, dreht sich herum, geht zu meiner Garderobe und zieht seine Jacke und Schuhe an. Danach geht er zum Sofa, um Nuala nochmal zum Abschied über den Kopf zu streicheln.
Als er an meiner Tür steht, wendet er sich wieder an mich und deutet auf die Tasche, die er mitgebracht hat: »In der Tasche sind Nualas Sachen, außerdem Notizen, wie sie Futter bekommt. Ich hole sie dann am Freitag wieder ab.«
Ich nicke und reiche ihm eine Plastikbox, in die ich schnell zwei Scones getan habe. »Dann wäre das ja geklärt«, flüstere ich, ehe ich fortfahre: »Für dich. Lass sie dir schmecken«, dabei deute ich auf die Box. »Meldest du dich bei mir, ob du gut in London gelandet bist?«
»Ja, das mache ich. Und danke für die Scones. Bis dann«, erwidert er, öffnet meine Tür und geht die Treppe, ohne sich nochmal umzudrehen, nach unten. Auch wenn ich ihm nun möglicherweise vor den Kopf gestoßen habe, ist es besser so. Und er scheint ja auch nur Freundschaft zu wollen. In meinem Türrahmen stehend, schaue ich ihm dennoch aufseufzend nach.
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